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RG, 11.01.1884 - III 217/83

Daten
Fall: 
Gläubigeranzahl bei Konkurseröffnung
Fundstellen: 
RGZ 11, 40
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.01.1884
Aktenzeichen: 
III 217/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Osnabrück
  • OLG Celle

1. Ist zur Eröffnung eines Konkursverfahrens das Vorhandensein von mehreren (mindestens zwei) Gläubigern erforderlich?
2. Auf welche Gründe kann die nach §. 56 des Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1888 den vollstreckbaren Verteilungsplan anfechtende Klage eines Genossenschafters gestützt werden?

Tatbestand

Die Genossenschaftsbank zu P., eingetragene Genossenschaft, wurde durch Generalversammlungsbeschluß vom 24. Juni 1875 aufgelöst und trat in Liquidation. Dieselbe war damals in einem für ihre ganze Vermögenslage wesentlichen Prozesse befangen. Nachdem derselbe rechtskräftig zu ihren Ungunsten entschieden war, legten die Liquidatoren in einer Generalversammlung vom 11. Oktober 1881 eine Bilanz vor, welche ergab, daß die Genossenschaft bedeutend überschuldet war, jedoch nur einen einzigen Gläubiger hatte, und reichten alsdann, ohne einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses zu stellen, bei dem zuständigen Amtsgerichte eine Berechnung der zur Deckung des vorhandenen Defizits von jedem der benannten Genossenschafter, unter welchen auch die Witwe B., als Rechtsnachfolgerin ihres nach dem Auflösungsbeschlusse verstorbenen Ehemannes, aufgeführt war, zu zahlenden Beiträge ein mit dem Antrage, diesen Verteilungsplan für vollstreckbar zu erklären. Inzwischen wurde von dem Gläubiger die Eröffnung des Genossenschaftskonkurses beantragt. Diesen Antrag wies das Amtsgericht zurück, weil es an dem nach dem Begriffe eines Gläubigerkonkurses zur Eröffnung des Konkursverfahrens erforderlichen Vorhandensein von mindestens zwei Gläubigern fehle. Dagegen leitete dasselbe, dem Antrage der Liquidatoren entsprechend, auf Grund der Bestimmung des §. 59 des Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 das Umlageverfahren ein und erklärte nach Abhaltung des im §. 53 dieses Gesetzes vorgeschriebenen Termines, in welchem auch die Witwe B. erschienen und mit ihren Einwendungen gehört worden war, durch Umlagebeschluß vom 24. Febr. 1882 den festgestellten Verteilungsplan für vollstreckbar. Nachdem die Liquidatoren den hiernach von der Witwe B. zu zahlenden Vertrag im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben hatten, stellte letztere auf Grund des §. 56 des Genossenschaftsgesetzes gegen die übrigen Genossenschafter eine Klage an, in welcher sie beantragte, sie von der Beitragspflicht freizusprechen und die Beklagten zur Erstattung des von ihr geleisteten Beitrages zu verurteilen. Sie bestritt zunächst, daß ihr Ehemann Mitglied der Genossenschaft gewesen sei. Außerdem suchte sie ihre Klage auch dahin zu begründen, daß der Umlagebeschluß wegen mehrfacher Illegalitäten des demselben zu Grunde liegenden Umlageverfahrens für sie unverbindlich sei, indem nämlich erstens die Konkurseröffnung rechtlich zulässig gewesen sei und folglich die Voraussetzung, unter welcher nach §. 59 a. a. O. das Umlageverfahren ohne vorgängige Konkurseröffnung nur stattfinden dürfe, nicht vorgelegen habe, zweitens die Liquidatoren der ihnen nach §. 48 des Genossenschaftsgesetzes obliegenden Verpflichtung, sofort beim Beginn der Liquidation eine Bilanz aufzustellen und bei Unzulänglichkeit des Vermögens der Genossenschaft die Konkurseröffnung zu beantragen, nicht nachgekommen seien, und drittens auch die an sie, die Klägerin, ergangene Ladung zu dem Termine des Umlagenerfahrens nicht in gehöriger Weise erfolgt sei. Endlich wurde von der Klägerin auch noch die Richtigkeit der durch die Umlage zu deckenden Genossenschaftsschuld bestritten.

Die Klage wurde in den beiden Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Das Reichsgericht bezeichnete die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Ehemann der Klägerin Mitglied der Genossenschaft gewesen sei, als unanfechtbar, und sagte im übrigen in seinen Gründen.

Gründen

... "Wenn aber ferner die Vorinstanz die von der Klägerin gegen die Legalität des Umlageverfahrens in bezug auf §. 59 des Genossenschaftsgesetzes erhobene Einwendung einer Billigung der Auffassung des Amtsgerichtes auf Grund der Annahme verworfen hat, daß im vorliegenden Falle der Genossenschaftskonkurs deshalb nicht habe eröffnet werden können, weil nur ein einziger Genossenschaftsgläubiger vorhanden gewesen, die Eröffnung eines Konkurses aber durch das Vorhandensein einer Mehrheit von Gläubigern, also mindestens von zwei Gläubigern, bedingt sei, so ist dieser Entscheidungsgrund mit Recht angefochten worden. Die von der Vorinstanz befolgte Rechtsansicht ist allerdings für das gemeine Konkursrecht häufig aufgestellt, indem sie als eine notwendige Konsequenz des Begriffes eines Gläubigerkonkurses betrachtet wird; dieselbe kann aber für das Recht der Reichskonkursordnung nicht gebilligt werden. Nach §. 94 K.O. besteht die Voraussetzung des Konkursverfahrens in der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, und nach §. 99 a. a. O. kann der Eröffnungsantrag abgewiesen werden, wenn eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Konkursmasse nicht vorhanden ist. Sonstige Bestimmungen über objektive Voraussetzungen einer Konkurseröffnung sind in der Konkursordnung nicht enthalten. Vielmehr ist nach der ausdrücklichen Vorschrift des §. 97 Abs. 1 zur Zulassung des Antrages eines Gläubigers auf Konkurseröffnung nur erforderlich, daß die Forderung desselben und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft gemacht werden, und ist, wenn der Antrag zugelassen wird, das weitere Eröffnungsverfahren gemäß Abs. 2. 3 daselbst nur noch auf die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zu richten. Da man der Konkursordnung die Absicht zuschreiben muß, die von ihr behandelte Materie zu erschöpfen, so ist es unstatthaft, in betreff dieser Materie aus einer vermeintlichen Natur der Sache Rechtssätze herzuleiten, welche in diesem Gesetze nicht sanktioniert worden sind. Übrigens mag auch noch darauf hingewiesen werden, daß auch der einzige Gläubiger eines Schuldners an der Eröffnung des Konkursverfahrens sehr interessiert sein kann, weil derselbe die Sicherung, welche ihm das Konkursverfahren durch den Dispositionsverlust des Schuldners und den Eintritt einer Konkursverwaltung dafür gewährt, daß das ganze Vermögen des Schuldners zu seiner Befriedigung zu verwenden ist, sich in anderer Weise, insbesondere im Wege der nur die einzelnen Vermögensstücke ergreifenden Anlegung eines dinglichen Arrestes, nicht zu verschaffen imstande ist.. Allein das angefochtene Urteil ist aus einem anderen Grunde aufrecht zu erhalten.

Es fragt sich nur noch, ob die angestellte, von der Klägerin gegen die übrigen Genossenschafter erhobene, auf ihre Befreiung von der genossenschaftlichen Beitragspflicht gerichtete Klage gegründet werden kann, auf die den Liquidatoren wegen der Verabsäumung des Antrages auf Konkurseröffnung vorgeworfene Pflichtverletzung, auf die als Verstoß gegen den §. 59 des Genossenschaftsgesetzes aufzufassende Einleitung des Umlageverfahrens ohne vorgängige Eröffnung des Konkurses, auf den Mangel einer gehörigen Ladung der Klägerin zu dem Umlagetermine, und auf die Bestreitung der Richtigkeit der durch die Umlage gedeckten Genossenschaftsschuld.

Dies ist zu verneinen. Gegen den Umlagebeschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulässig; der Genossenschaftsvorstand ist nach §§. 55. 58 des Genossenschaftsgesetzes verpflichtet, die nach dem für vollstreckbar erklärten Verteilungsplane von den einzelnen Genossenschaftern zu zahlenden Beitrage beizutreiben und bestimmungsmäßig zu verwenden. Dem Genossenschafter, welcher sich durch den Umlagebeschluß für beschwert erachtet, steht nur das Recht zu, den Verteilungsplan im Wege einer gegen die übrigen beteiligten Genossenschafter zu erhebenden Klage anzufechten. Hiernach kann diese Klage nicht zu einer Annullierung des Umlageverfahrens, sondern nur zu einer Abänderung des Verteilungsplanes führen, und dementsprechend hat auch die Klägerin ihren Klagantrag darauf gestellt, daß sie von der durch den Verteilungsplan ihr auferlegten Beitragspflicht zu befreien sei. Aber aus dieser sachlichen Richtung der Klage, in Verbindung mit ihrer persönlichen Richtung gegen die übrigen Genossenschafter, folgt weiter, daß dieselbe nur auf materiellrechtliche Gründe gestützt werden kann, und zwar nur auf solche Gründe, welche die Existenz oder Nichtexistenz und den Umfang von genossenschaftlichen, den Prozeßparteien gegen einander obliegenden Verpflichtungen zum Gegenstände haben. Der eine Genossenschafter kann die übrigen Genossenschafter ebensowenig für die Pflichtverletzungen der Liquidatoren als für die bei dem Umlageverfahren gerichtsseitig vorgekommenen Gesetzwidrigkeiten oder für eine unrichtige Feststellung der Genossenschaftsschulden verantwortlich machen. Und was insbesondere die gerügte Ungehörigkeit, der Ladung anbelangt, so würde dieselbe selbst dann, wenn die Klägerin infolge hiervon in dem Umlageverfahren mit ihren Einwendungen nicht zu Gehör gekommen wäre, für die Entscheidung über die Anfechtungsklage auch schon deswegen ohne Bedeutung sein, weil diese Klage auch auf solche Einwendungen gegründet werden kann, welche in dem Umlageverfahren nicht vorgebracht worden sind."