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RG, 05.01.1884 - I 447/83

Daten
Fall: 
Gegenrechnung von Forderungen
Fundstellen: 
RGZ 11, 301
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.01.1884
Aktenzeichen: 
I 447/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Kann gegen eine abgetretene Forderung vom Schuldner eine Forderung an den Cedenten, obwohl sie zur Zeit der Bekanntmachung der Cession noch nicht fällig war, dann in Gegenrechnung gestellt werden, wenn auch die abgetretene Forderung zur Zeit der Bekanntmachung der Cession noch nicht fällig war und nicht vor der in Gegenrechnung zu stellenden Forderung fällig geworden ist?1

Tatbestand

Beklagter hatte vom Kaufmann H. dessen Cigarrenbestände gekauft und sich verpflichtet, den Kaufpreis in Raten, sowie es ihm nach Maßgabe des Weiterverkaufes und Einganges des Geldes möglich sein werde, zu bezahlen. H. cedierte die Preisforderung an die jetzige Klägerin. Diese machte, als sie die Voraussetzungen für die Fälligkeit eines Teiles der Preisforderung für eingetreten erachtete, diesen Teil geltend. Der Beklagte stellte dagegen zur Kompensation Forderungen aus Sichtwechseln, die H. vor der geschehenen Cession acceptiert hatte, die ihm aber erst nach Bekanntmachung der Cession zur Sicht präsentiert worden waren, sowie eine Forderung auf Erstattung einer an einen Gläubiger des H. geleisteten Zahlung, welche Zahlung ebenfalls erst nach Bekanntmachung der Cession auf Grund eines gegen den Beklagten ergangenen Urteiles erfolgt war, aber ihren Grund in einer bereits vor der Cession für H. vom Beklagten geleisteten Interzession hatte. Beide Instanzrichter verwarfen diese Kompensationseinwände. Das Reichsgericht erachtete sie für erheblich.

Aus den Gründen

... "Indem das Berufungsgericht davon ausgeht, daß die beiden Wechselforderungen, welche vor der Cession entstanden waren, erst durch die Sicht fällig wurden, daß aber die wechselmäßige Präsentation zur Zeit der Bekanntmachung der Cession an den abgetretenen Schuldner noch nicht stattgefunden hatte, versagt es die Kompensation, weil mit einer Forderung gegen den Cedenten, welche zur Zeit der Bekanntmachung der Cession noch nicht fällig sei, der cedierten Forderung gegenüber selbst dann nicht kompensiert werden könne, wenn letztere zur Zeit der Bekanntmachung der Cession auch noch nicht fällig war und nicht früher, als die Gegenforderung, fällig geworden ist.

Diese Ansicht widerspricht der preußischen Praxis und Doktrin; Vgl. Entsch. des preuß. Obertribunales Bd. 43 S. 106 flg.; Gruchot, Beiträge Bd. 19 S. 353 flg.; Förster, Preuß. Privatrecht 2. Aufl. S. 573 Note 32; Dernburg, Preuß. Privatrecht Bd. 2 S. 226; vgl. übrigens auch Dernburg, Kompensation S. 406.

Nach derselben ist es nur notwendig, daß die zur Kompensation benutzte Forderung bei Bekanntmachung der Cession bestand und daß sie nicht später als die geltend gemachte Forderung fällig wurde. Der Wortlaut des §. 313 A.L.R. I. 16 steht dieser Auffassung nicht entgegen. Das "zu fordern hatte" drückt nur das Vorhandensein, nicht die Fälligkeit der Forderung aus (vgl. §. 349 a. a. O.). Das die Entscheidung beherrschende Prinzip ist vielmehr in den §§. 407. 408. 413 A.L.R. I. 11 zu finden. Durch die Loslösung des Forderungsrechtes von der Person des Cedenten, wie sie in dem Zeitpunkte der Bekanntmachung der Cession geschieht, wird das Forderungsrecht in der Lage, in welcher es sich zu diesem Zeitpunkte befindet, fixiert. Ist die Forderung in diesem Zeitpunkte fällig, die Gegenforderung aber noch nicht, sodaß der Cedent die Zahlung eintreiben könnte, ohne daß ihm die Kompensationseinrede entgegengestellt werden könnte, so gilt das Forderungsrecht als in dieser Lage auf den Cessionar übergegangen. Dies ist der in Entscheid. des R.G.'s in Civils. Bd. 4 S. 255 behandelte Fall. War aber die Forderung zur fraglichen Zeit noch nicht fällig, eine Gegenforderung aber bereits entstanden, deren Fälligkeitstermin mit dem der cedierten Forderung übereinstimmte, so stand die Kompensation bereits in der Macht des abgetretenen Schuldners und die Forderung konnte nur unter Wahrung dieser Kompensationslage aus den Cessionar übergehen. Wer dies leugnen will, ignoriert das Prinzip des §. 408 a. a. O. 1.11, wonach die Verpflichtung des Schuldners durch die Abtretung der Forderung nicht erschwert werden darf. Dagegen kann auch nicht geltend gemacht werden, daß das Recht der Kompensation erst mit der Fälligkeit der Gegenforderung entstehe.2

Die Anwartschaft auf die Kompensation vermöge des Vorhandenseins der Gegenforderung und ihrer Beschaffenheit im Verhältnisse zu der der cedierten Forderung ist bei der Natur des Kompensationsrechtes als eines Deckungsrechtes unleugbar thatsächlich für den Schuldner von großer Erheblichkeit. Sehr häufig wird der Schuldner gerade im Hinblick auf die ihm durch seine Schuld gewährte Deckung sich zu Kreditgewährungen an den Gläubiger verstehen. Anwartschaften aber, welche auf im Zeitpunkte der Bekanntmachung der Cession bereits existierenden Thatsachen, wie eben dem Vorhandensein des Gegenanspruches und seinen Eigenschaften im Verhältnisse zu denen der cedierten Forderung beruhen, sollen für den Schuldner die Cession nicht vereiteln dürfen.3

Dem Fall, daß im gedachten Zeitpunkte die Fälligkeitstermine der beiden Forderungen und ihre Übereinstimmung bereits feststanden, ist aber der, daß dieselben oder einer von ihnen noch nicht feststanden, die aber bereits vorhandene Möglichkeit eines Zusammenfallens derselben späterhin zur Wirtlichkeit wurde, gleichzustellen. Ob, wenn die cedierte Forderung, die zur Zeit der Bekanntmachung der Cession noch nicht fällig war, späterhin früher als die Gegenforderung fällig, aber erst nach Fälligkeit der Gegenforderung geltend gemacht wurde, die Kompensation ausgeschlossen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Für die Kompensabilität der beiden Wechselforderungen kommt es nämlich auf das fragliche Prinzip überhaupt nicht an. Es erscheint unzutreffend, die Forderung aus einem auf Sicht zahlbaren Wechsel deshalb, weil sich der Gläubiger den Betrag holen und eine wechselmäßige Präsentation vornehmen muß, im Sinne der Kompensation als eine nicht fällige zu behandeln. Eine Forderung, die der Gläubiger jederzeit fällig zu machen in der Macht hat, muß für die Kompensation als fällig betrachtet werden. Es genügt die Erklärung des Kompensationswillens auf Grund und unter Übergabe der Wechsel. Man konnte höchstens von einer Ungleichartig der beiden Forderungen sprechen wollen, weil sie an verschiedenen Orten zu erfüllen sind. Es kann aber dem Aufrechnenden nicht verwehrt werden, seine Forderung zu einer gleichartigen zu machen, indem er demjenigen, gegen welchen er von der Aufrechnung Gebrauch macht, sein Interesse daran vergütet, daß derselbe infolge der Aufrechnung seine Erfüllung, statt in seinem Geschäftslokale bezw. seinem Wohnorte, anderwärts leistet. In betreff der beiden Wechselforderungen war daher die Kompensation zulässig, selbst wenn die klägerische Forderung schon im Zeitpunkte der Cession, bezw. ihrer Bekanntmachung, fällig gewesen wäre, was übrigens sicher nicht der Fall gewesen ist.

Was aber die Forderung aus der Mitverpflichtung des Beklagten gegen den Gläubiger des Cedenten anlangt, so ist zur richtigen Beurteilung der Kompensabilität allerdings von dem soeben entwickelten Prinzipe auszugehen ...

Das Vorbringen des Beklagten geht hier dahin, daß er durch Mitunterzeichnung des Vertrages vom 24. August 1874 zu Gunsten des Cedenten der Klägerin für eine materiell diesen allein angehende, ihm selbst fremde Warenschuld interzediert habe. Ist dies richtig, so beruhte der Rechtsgrund aller weiteren Rechtshandlungen bereits auf dieser Interzession. Es war daher schon vor der Cession das Recht des Beklagten gegen den Cedenten der Klägerin begründet, daß dieser zur Zeit der Zahlung der Warenschuld seine Befreiung herbeiführe und, sofern er, Beklagter, zur Zahlung angehalten werde, ihm das Gezahlte erstatte.4

Letztere Forderung war zur Zeit der Cession allerdings noch eine bedingte. Aber auch die cedierte Forderung war damals, insbesondere in betreff des jetzt geltend gemachten Betrages, nicht fällig. Auch sie hatte nicht einmal einen bestimmten Fälligkeitstermin, sondern ihre Einziehbarkeit war von zukünftigen Ereignissen abhängig. Hat nun Beklagter, wie er behauptet, im Jahre 1878 auf Grund seiner Mitverpflichtung an den Gläubiger des klägerischen Cedenten Zahlung geleistet, so wurde damit seine Forderung an letzteren unbedingt und fällig. Daß die klägerische Forderung aber früher fällig geworden sei, ergiebt sich nicht. Dieselbe basiert auf Einnahmen, welche Beklagter durch Verkäufe in der Zeit vom 21. März 1878 bis 10. August 1881 gemacht hat. Dabei kommt es auf eine minutiöse Vergleichung der Zeitpunkte der Verkäufe einzelner Posten und einzelner Preiseinnahmen mit dem Zeitpunkte der Fälligkeit der Forderung des Beklagten nicht an, weil der Vertrag mit dem Beklagten über die Cigarren nicht dahin aufzufassen ist, daß Beklagter jedesmal beim Verkauf einer Quantität Cigarren, bezw. Vereinnahmung eines Preisbetrages, den Betrag an den Verkäufer abzuführen gehabt hätte, es vielmehr der Interpretation im Sinne vernünftigen und billigen Ermessens allein entspricht, daß Abrechnung und Zahlung einer Preisrate immer nur nach längeren Zeitabschnitten zu erfolgen hatte." ...

  • 1. Vgl. Entsch. d. R.G.'s in Civils. Bd. 4 S. 255 flg.
  • 2. Vgl. Gruchot, Beiträge Bd. 26 S. 646.
  • 3. Vgl. übrigens §. 47 Abs. 1 der Reichskonkursordnung.
  • 4. Vgl. §§. 351 flg. 357 A.L.R. I. 14.