RG, 05.02.1884 - III 302/83
Verjährung der Erbschaftsklage; deren Beginn und Dauer.
Tatbestand
Der Vater der streitenden Teile, H. K. B. zu B., ist im Jahre 1821, deren Mutter im Jahre 1843 verstorben. Beide Ehegatten hinterließen neun Kinder. Unter der Behauptung, daß die letzteren sämtlich die elterliche Erbschaft angetreten hätten, belangt der Kläger den Beklagten auf Anerkennung seines Miterbrechtes am elterlichen Nachlasse und Herausgabe eines Neunteiles der Erbschaft nach Maßgabe eines von dem Beklagten zu errichtenden und eidlich zu erhärtenden Inventares, samt allen vom Beklagten seit 1844 gezogenen und zu ziehen gewesenen Früchten. Zur näheren Begründung dieses Antrages hat sich Kläger darauf berufen, daß der Beklagte den ganzen elterlichen Nachlaß im Werte von etwa 7000 M oder doch wenigstens den ihm, dem Kläger, gebührenden Erbteil eigenmächtig an sich genommen habe, jedenfalls seit 1844 ohne Rechtsgrund besitze. Der Beklagte hat hiergegen eingewendet, daß Kläger niemals Erbe seiner Eltern geworden sei, weil er die ihm angebotene Erbschaft ausgeschlagen, seine Rechte im Jahre 1836 bei der Übergabe des elterlichen Vermögens an ihn, den Beklagten, urkundlich abgetreten habe, sowie daß die jetzt erhobene Erbschaftsklage verjährt sei. Diesen Einreden widersprach Kläger, derjenigen der Verjährung unter Berufung darauf, daß er erst jetzt durch die Klaganstellung die väterliche und mütterliche Erbschaft angetreten habe und eine gesetzliche Frist zur Erbschaftsantretung nicht laufe.
Die erste Instanz hat darauf die erhobene Klage mit Rücksicht auf die Einreden der Verjährung und des Erbverzichtes abgewiesen. Die zweite Instanz hat auf Berufung des Klägers bestätigt, indem sie, ohne sich auf die Einrede des Erbverzichtes einzulassen, mit dem Landgerichte diejenige der Klagverjährung für durchgreifend erachtete.
Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründe:
Gründe
"Das Berufungsgericht geht bei der Beurteilung der Einrede der Verjährung der Erbschaftsklage zunächst davon aus, daß der Kläger Noterbe ( suus heres) seines im Jahre 1821 verstorbenen Vaters geworden sei, daß es daher zum Erwerbe des väterlichen Nachlasses einer besonderen Antretung dieser Erbschaft nicht bedurft habe, insoweit mithin die erst nach 61 Jahren angestellte Klage ohne weiteres als durch Zeitablauf erloschen betrachtet werden müsse. Es ist jedoch von keiner Seite behauptet, daß Kläger im Jahre 1821 in väterlicher Gewalt gestanden habe, und es mangelt nach dem Thatbestande der Vorerkenntnisse überhaupt an den erforderlichen thatsächlichen Voraussetzungen, um die Eigenschaft des Klägers als Noterben seines Vaters ohne weiteres zu unterstellen. Indessen ist dieser Anstand für die Beurteilung der Sache in ihrem Endergebnisse ohne Erheblichkeit; denn wenn die Erbschaftsklage zum Nachlasse der im Jahre 1843 verstorbenen Mutter des Klägers als verjährt abzuweisen ist, so muß dasselbe auch bezüglich der väterlichen Erbschaft gelten.
Bezüglich des mütterlichen Nachlasses erwägt sodann der Vorderrichter, daß die Erbschaftsklage der dreißigjährigen Verjährung unterworfen sei, welche mit der Zeit des Erbschaftsanfalles zu laufen beginne, wenn auch den berufenen Erben eine Frist zur Antretung der Erbschaft gemeinrechtlich nicht vorgeschrieben sei.
Daß die Erbschaftsklage, und zwar sowohl die heredatis petitio universalis wie partiaria, gleich anderen klagbaren Ansprüchen, insbesondere dem Eigentumsanspruche, der regelmäßigen Verjährungszeit von 30 Jahren unterliegt, ist in c. 3 Cod. de praeschript. 7, 39 ausdrücklich ausgesprochen. Seit der Glossatorenzeit bis zum Anfange dieses Jahrhundertes war allerdings die Dauer dieser Verjährung insofern bestritten, als man gegen die Kinder des Erblassers, falls sie durch das Gesetz berufen waren, eine neunzigjährige, und bei testamentarischer Erbeseinsetzung eine Verjährung von 120 Jahren statuierte. Es hatte diese Ansicht sogar die Judikatur des Reichskammergerichtes zu Wetzlar für sich, Müller, Promp. juris, s. v. herd. pet., Bd. 3 S. 396 Note 33. 34 und die daselbst Angeführten, und noch Thibaut, Besitz und Verjährung (1802) S. 129 konnte behaupten, daß solche bei den deutschen Gerichten vielfach in Übung sei. Diese aus mißverstandenen Stellen des römischen Rechtes abgeleitete Meinung ist jedoch gänzlich irrig und bedarf nach den Ausführungen von Unterholzner, Verjährungslehre Bd. 2 §. 168 keiner weiteren Widerlegung,
Dagegen kann in Ansehung des Beginnes jener dreißigjährigen Verjährung der Vorinstanz nicht beigetreten werden. Nicht mit dem Momente des Erbschaftsanfalles, sondern erst mit dem Zeitpunkte fängt die Verjährung der Erbschaftsklage zu laufen an, in welchem der Gegner des zur Erbschaft Berufenen in einem dem Erbrechte des letzteren widerstreitenden Besitze der Erbschaft sich befindet, Es folgt dies aus der Erwägung, daß erst von da an Grund und Veranlassung zur Erbschaftsklage gegeben ist, sowie aus der Analogie der Eigentumsklage, deren Verjährung immer erst anfängt, wenn der Restitutionsanspruch des Eigentümers begründet ist.
Der Anfall der Erbschaft an den Erben oder Miterben und die erlangte Kenntnis von der Delation hat danach nur die Bedeutung, daß es in der Macht des Berechtigten liegt, durch Antretung der Erbschaft die aus dem fortdauernden Erbschaftsbesitze des unberechtigten Dritten für ihn entstehenden nachteiligen Folgen zu beseitigen. Und er kann ihnen sofort nach erlangter Kenntnis von dem Erbschaftsanfalle durch eine spontane Äußerung seines Willens, insbesondere durch Anstellung der Erbschaftsklage, in welcher von selbst die Antretung der Erbschaft liegt, begegnen.
Hierüber sind die Ansichten der Rechtslehrer und die Entscheidungen der Gerichte fast ausnahmslos in Übereinstimmung.1
Kläger behauptet nun selbst, daß Beklagter seit 1844 sowohl die väterliche als die mütterliche Erbschaft ohne allen Rechtsgrund besitze. Danach war die Erbschaftsklage dem Beklagten gegenüber jedenfalls mit Ablauf des Jahres 1874 verjährt, ohne daß etwas darauf ankommt, ob Kläger schon früher unmittelbar durch das Gesetz Erbe seines Vaters oder durch Antretung der mütterlichen Erbschaft Erbe seiner Mutter geworden ist oder erst mit der Klaganstellung in den elterlichen Nachlaß succedierte.
Der Vertreter des Revisionsklägers wendet zwar ein, daß, wenn auch die Klage auf Herausgabe des Nachlasses zu einem Neunteile durch Zeitablauf verjährt sei, dies doch nicht von der Klage auf Anerkennung des Miterbrechtes gelten könne, da dieses Miterbrecht eben erst aus der Antretung der Erbschaft entstehe und es ein innerer Widerspruch sei, diese Antretung auf unbeschränkte Zeit zu gestatten, gleichwohl aber das Miterbrecht im praktischen Erfolge zu versagen. Hierbei ist jedoch übersehen, daß die Einrede der Verjährung nur dem Besitzer der Erbschaft oder eines Teiles derselben gegen den auftretenden Erben oder Miterben gegeben ist, nicht aber auch bei etwaigem zufälligen Übergange der Erbschaft an einen Dritten diesem zu statten kommt, sodaß der Berufene gerade wegen der unbeschränkten Dauer seines Rechtes auf Antretung der Erbschaft gegen jeden, der sich auf den Besitz der Erbschaft durch den Vorgänger nicht zu berufen vermag, die Erbschaftsklage anstellen kann. Die Unterscheidung zwischen der Klage auf Anerkennung des Erbrechtes und Herausgabe der Erbschaft, also die Frage, ob die Erbschaft im objektiven Sinne (der Nachlaß) oder die Erbschaft im subjektiven Sinne (das Erbrecht) Gegenstand der heredatis petitio sei, ist für den vorliegenden Fall wertlos, da diese Klage ohne tatsächliche Vorenthaltung der Erbschaft nicht erhoben werden kann und jedenfalls die hier angestellte Klage gerade auf Herausgabe des elterlichen Nachlasses zum Anteile des Klägers als Folge des behaupteten Miterbrechtes gerichtet ist.
Rechtlich und thatsächlich unbeachtlich ist auch der Einwand des Revisionsklägers, daß die Verjährung der Erbschaftsklage nicht habe beginnen können, solange nicht festgestanden habe, an wen von dem Besitzer der Erbschaft diese herauszugeben sei. Die Verjährung der Erbschaftsklage setzt weder zu ihrem Beginne noch zu ihrem Ablaufe voraus, daß derjenige, welcher als Erbe oder ohne allen rechtfertigenden Grund besitzt, von dem Vorhandensein eines zur Erbschaft oder Miterbschaft Berufenen oder auch eines wirklichen Erben oder Miterben Kenntnis habe. Es genügt, daß sich jener die Verjährungszeit hindurch im Besitze der Erbschaft befand. Denn die juristische causa der Verjährung der Erbschaftsklage ist keine andere, als der Grund der Verjährung sonstiger Ansprüche, nämlich das Stillschweigen des Berechtigten während der gesetzlich bestimmten Zeit. Im vorliegenden Falle war es überdies dem Beklagten nach, dem festgestellten Sachverhalt" bekannt, daß der Kläger als Miterbe der Eltern zu deren Nachlasse berufen war, und lag es allein an dem ersteren durch Antretung der elterlichen Erbschaft bezw. rechtzeitige Klagerhebung der Verjährung seines Erbanspruches vorzubeugen.
Endlich bedurfte es, da die Einrede der Klagverjährung durchgreifend ist, keiner weiteren Erörterung und Entscheidung über den Einwand des Beklagten, daß er die in Anspruch genommene Erbschaft auf Grund eines singulären Rechtstitels, insbesondere mit Einwilligung des Klägers in Besitz genommen habe, zumal die Statthaftigkeit der Erbschaftsklage an sich nicht davon abhängt, was der Beklagte zur Rechtfertigung des Nachlaßbesitzes vorbringt."
- 1. Vgl. Arndts in Weiske's Rechtslexikon Bd. 5 S. 233 flg.; Unger, System des österreichischen Privatrechtes Bd. 2 S. 384. 385, Bd. 6 S. 230; Seuffert, Archiv Bd. 10 Nr. 186; Striethorst, Archiv für Entsch. des Obertribunales in Berlin Bd. 59 S. 214.