RG, 25.10.1881 - III 460/81

Daten
Fall: 
Verbindlichkeit der Ehefrau
Fundstellen: 
RGZ 5, 165
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
25.10.1881
Aktenzeichen: 
III 460/81
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Gießen
  • OLG Darmstadt

Verbindlichkeit der Ehefrau, dem Ehemanne an dessen Wohnort zu folgen. Begründung der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens.

Tatbestand

Kläger belangte seine Ehefrau auf Rückkehr in seine Wohnung und zugleich auf Herausgabe verschiedener mitgenommener Mobilien, sowie auf Erstattung einer baren Geldsumme. Ohne den Einwand der Unzulässigkeit der Klagenhäufung vorzuschützen, ließ sich die Beklagte auf beide Klagen ein und bestritt ihre Verpflichtung zur ehelichen Folge mit besonderer Rücksicht darauf, daß ihr Ehemann keine zu ihrer Aufnahme bestimmte und zur Führung eines gemeinschaftlichen Haushaltes geeignete Wohnung beschafft habe, sich vielmehr noch während der Dauer des Prozesses bei seinen Verwandten aufhalte. In beiden Vorinstanzen wurde nach vorgängigem Beweisverfahren die Beklagte klagegemäß verurteilt. In der Revisionsinstanz rügte nunmehr der Vertreter der Beklagten und Revisionsklägerin Verletzung der §§. 232. 575 C.P.O. und Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz, daß zur Begründung der Klage des Ehemannes auf Herstellung des ehelichen Lebens der Nachweis eines festen Wohnsitzes gehöre, und der Ehemann die Bedingungen zur Fortsetzung der Ehe, insbesondere durch Beschaffung einer Wohnung als Vorleistung erfüllen müsse.

Das Reichsgericht änderte hierauf das Erkenntnis zweiter Instanz insoweit ab, als es auf die Berufung der Beklagten gegen das Landgerichtsurteil die vermögensrechtliche Klage als in diesem Verfahren unzulässig zurückwies, bestätigte aber im übrigen.

Gründe

1.

"Der erste Angriff ist begründet.

Nach §. 232 C.P.O. ist die Verbindung mehrerer auf verschiedenen Gründen beruhender Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten in einer Klage an die Voraussetzung geknüpft, daß für sämtliche Ansprüche dieselbe Prozeßart zulässig ist. Da das Verfahren in Ehesachen (Buch VI Absch. 1 C.P.O.) als eine besondere Prozeßart erscheint, während die von dem Kläger gleichzeitig erhobenen Ansprüche auf Herausgabe der von seiner Ehefrau zurückbehaltenen Mobilien und Geldbeträge nur zur Verfolgung im ordentlichen Prozesse sich eignen, so mußte schon aus diesem Grunde die Klagenhäufung für unzulässig erachtet werden. Der §. 575 C.P.O. bestimmt sodann mit Rücksicht auf die Eigentümlichkeit des für Ehesachen angeordneten Verfahrens noch ausdrücklich, daß zwar die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, die Ehescheidungs- und Ungültigkeitsklage verbunden werden können, die Verbindung einer anderen Klage mit den erwähnten aber unstatthaft sei. Daraus folgt, daß vermögensrechtliche Klagen, gleichviel ob sie mit den in Abs. 1 §. 575 C.P.O. gedachten, aus dem ehelichen Verhältnis entspringenden Klagen im Zusammenhange stehen oder nicht, mit der Klage auf eheliche Folge nicht in demselben Prozesse verhandelt werden dürfen.

Es erhebt nichts zur Sache, daß die Beklagte unter diesem Gesichtspunkte keine Einwendung gegen die Klage erhoben, weder in erster noch in zweiter Instanz die Unstatthaftigkeit der Klagenhäufung geltend gemacht hat. Die Vorschriften der §§. 232. 575 C.P.O. betreffen wesentliche Bestandteile des Verfahrens und unterliegen als solche nicht der freien Verfügung der Parteien; sie sind, auch wenn deren Verletzung im Laufe des Prozesses nicht gerügt wurde, von Amts wegen zur Anwendung zu bringen. (Vgl. §. 267 Abs. 2 C.P.O.).

2.

Der zweite Revisionsangriff ist dagegen nicht gerechtfertigt. ...

Die Ehefrau ist nur dann verpflichtet, dem Ehemanne an den von diesem gewählten Wohnort zu folgen, wenn derselbe die zu ihrer standesgemäßen Aufnahme erforderlichen Einrichtungen trifft, mithin auch für eine zum Zwecke des ehelichen Zusammenlebens geeignete Wohnung sorgt. Dem Ehemanne kann jedoch nicht zugemutet werden, vor der Rückkehr der Frau, sogar während der Dauer des durch die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens hervorgerufenen Prozesses, eine Wohnung bereit zu halten; es genügt vielmehr der Regel nach, wenn er nach der Verurteilung und vor der Anordnung etwaiger Zwangsmaßregeln gegen die Ehefrau eine Wohnung beschafft. Ob aber der Ehemann als Voraussetzung des Klagerechtes auf Nachfolge zu erweisen habe, daß er der Frau eine den Verhältnissen entsprechende Wohnung zu bieten imstande sei, oder ob umgekehrt die Klage schon durch die Thatsache allein begründet werde, daß die Frau getrennt von ihrem Manne lebt, und die erstere deshalb im Wege des Einredebeweises besondere Umstände darthun müsse, welche sie zur Verweigerung der ehelichen Folge berechtigen, kann für den vorliegenden Fall unentschieden bleiben. Denn das Berufungsgericht stellt, ohne auf die Frage der Anführungs- und Beweisverbindlichkeit einzugehen, auf Grund des Ergebnisses der Verhandlung und Beweisführung fest, daß der Kläger in der Lage sei, eine Familie zu ernähren, daß er insbesondere die zur Herstellung eines ehelichen Haushaltes erforderlichen Mittel besitze und solche zu leisten nicht verweigert habe. Damit ist die Möglichkeit der Beschaffung einer passenden Wohnung auf seiten des Klägers, sowie dessen Bereitwilligkeit hierzu außer Zweifel gesetzt, und es ist auch im übrigen durch die Erwägung des Vorderrichters, daß entgegengesetzten Falles der Beklagten alle Rechtszuständigkeiten vorbehalten blieben, jedem nach Lage der Sache rechtlich begründeten Interesse derselben Rechnung getragen worden." ...