RG, 10.07.1918 - V 119/18

Daten
Fall: 
Entbehrlichkeit der Annahmeerklärung beim Ersatz der Übergabe des Hypothekenbriefs
Fundstellen: 
RGZ 93, 248
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.07.1918
Aktenzeichen: 
V 119/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Unter welchen Umständen ist zum Zustandekommen der die Übergabe des Hypothekenbriefs ersetzenden Vereinbarung eine Annahmeerklärung entbehrlich, wenn die dem Zessionar vom Zedenten übermittelte Abtretungsurkunde die Erklärung enthält, daß der Brief dem Zessionar ausgehändigt werden soll?
2. Kann der Zedent seine Erklärung nachträglich dem Grundbuchamte gegenüber widerrufen?

Tatbestand

Am 7. Mai 1914 bestellte der Kläger seiner Ehefrau Bertha K. zur Sicherheit für ein von ihr angeblich gewährtes Darlehen von 14000 M zu notariellem Protokolle vor dem Notar F. eine auf seinen beiden Grundstücken einzutragende Hypothek. Am 9. Juni 1914 trat Frau K. die Hypothek mit seiner Genehmigung an die Beklagte ab. In der Abtretungsurkunde wurde zugleich die Aushändigung des Hypothekenbriefs an die Beklagte bewilligt und beantragt. Auch diese Erklärungen erfolgten sämtlich zu Protokoll des Notars F. Auf Veranlassung des Klägers und seiner Ehefrau reichte der Notar am 2. Juli 1914 die Urkunde vom 7. Mai 1914, betreffend die Bestellung der Hypothek für Frau K., dem Grundbuchamt ein, während er die Abtretungsurkunde vom 3. Juni der Beklagten übersandte. Darauf erfolgte sowohl die Eintragung der Hypothek für Frau K. wie auch die Umschreibung für die Beklagte. Di'efe erhielt vom Grundbuchamt auch den Hypothekenbrief zugesandt, wiewohl der Kläger hiergegen nachträglich Einspruch erhob.

Der Kläger legte des näheren dar, daß die Beklagte die Umschreibung der Hypothek vertragswidrig erlangt habe, vertrat im übrigen aber auch den Standpunkt, daß sie das Hypothekenrecht überhaupt nicht erworben habe.

Er beantragte,

die Beklagte zu verurteilen, 1. in die Löschung des Abtretungsvermerks zu willigen, 9. den Hypothekenbrief herauszugeben.

Das Landgericht wies den ersten Antrag zu 1 ab, erkannte aber nach dem zweiten. Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage gänzlich abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Gründe

... "Das Berufungsgericht erachtet den vorliegenden Berichtigungsanspruch insgesamt für hinfällig, weil es annimmt, daß die Beklagte die ihr abgetretene Gesamthypothek einwandlos erworben habe. ... Die Revision greift die Urteilsbegründung durchweg an. Ihre Einwendungen sind jedoch verfehlt.

Wenn sie zunächst geltend macht, daß es schon an dem Nachweise fehle, wie die Frau K., von der die Beklagte ihr Recht herleite, ihrerseits die Hypothek erworben hätte, so kann die Stichhaltigkeit dieses Angriffs dahingestellt bleiben. Allerdings fehlt im Berufungsurteile sowohl die Feststellung, daß Frau K. den Hypothekenbrief jemals körperlich übergeben erhalten habe, wie auch eine Feststellung dahin, daß die körperliche Übergabe durch eine den Anforderungen des § 1117 Abs. 2 entsprechende Vereinbarung ersetzt worden sei. Dieser erste Revisionsangriff versagt jedoch deswegen unbedingt, weil der Erwerb der Hypothek durch die Beklagte nach Lage des Falles überhaupt nicht davon anhing, daß das Hypothekenrecht zuvor an die Zedentin, Frau K., gediehen war. Ist nämlich der letztere Erfolg ausgeblieben, dann stand die Hypothek seit ihrer Eintragung in der Eigenschaft als Eigentümergrundschuld dem Kläger selbst zu und ihm gebührte dann auch die Verfügung über die Hypothek. War er aber der Verfügungsberechtigte, dann konnte er die Verfügung der nicht berechtigten Frau K. dadurch voll wirksam machen, daß er jener Verfügung seine Zustimmung erteilte. Die Revision übersieht nun die erhebliche Tatsache, daß der Kläger in der Tat die gesamte Abtretungserklärung der Frau K. vom 9. Juni 1914, einschließlich der Erklärung, daß der (zu bildende) Hypothekenbrief an die Beklagte herauszugeben sei, ausdrücklich genehmigt hat. Wäre also anzunehmen, daß Frau K. die Hypothek nicht erworben hat, dann griffen zugunsten der Beklagten die Vorschriften der §§ 182, 185 BGB. Platz, und ob die Beklagte die ihr abgetretene Hypothek alsdann auch rechtsgültig erworben hat, hinge in gleicher Weise hier wie in dem Falle, daß Frau K. in eigener Person die Verfügungsberechtigte gewesen wäre, nur noch von Beantwortung der weiteren Frage ab, ob auch die Übergabe des Hypothekenbriefs in gehöriger Weise erfolgt ist (§ 1154 BGB.).

Gegen die bejahende Feststellung des Berufungsurteils hat sich die Revision ebenfalls gewendet, indes wiederum ohne Erfolg. Wie feststeht, enthält die Abtretungsurkunde formgerecht die Bewilligung und den Antrag auf Aushändigung des Hypothekenbriefs an die Beklagte, und diese Urkunde ist ihr auch ausgehändigt worden. Indem nun die Beklagte die Urkunde annahm und behielt, überdies auch dem Grundbuchamte mit dem Antrag auf Umschreibung der Gesamthypothek einreichte, sprach sich darin zugleich die Annahme des Angebots auf Übertragung der Hypothek sowie auf Aushändigung des Hypothekenbriefs aus, und so kam auch unzweifelhaft eine Vereinbarung des Inhalts zustande, daß die Beklagte berechtigt sein solle, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (§ 1117 Abs. 2 BGB.). Einer Erklärung der Annahme gegenüber der Zedentin Frau K. bedurfte es zum Zustandekommen des Vertrags nicht, weil eine solche Erklärung unter den gegebenen Umständen nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten war (§151 BGB.). Beruhte doch die Abtretung auf einer mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung. Schon der erste Grund, aus dem das Berufungsgericht die Übergabe des Hypothekenbriefs an die Beklagte als wirksam vollzogen erachtet hat, greift daher durch.

Die Revision macht hiergegen zwar zweierlei geltend: einmal, daß der Beklagten nach Inhalt der Abtretungsurkunde die Aushändigung des Hypothekenbriefs nur mit einer Beschränkung bewilligt worden sei. und zweitens, daß das Grundbuchamt den Hypothekenbrief für den Notar F. als Treuhänder in Besitz gehabt habe. ... (Zu dem ersten Einwande wird ausgeführt, daß ursprünglich nur zwischen dem Kläger und seiner Frau vereinbart war, der Hypothekenbrief solle nicht ihr sondern dem F. ausgehändigt werden.) Frau K. hat alsdann aber die Bewilligung und den Antrag, daß der (zu bildende) Hypothekenbrief ihrer Zessionarin, der Beklagten, ausgehändigt werden solle, vorbehaltlos erklärt, und der Kläger hat dieser Erklärung ebenfalls ohne jede Einschränkung zugestimmt. Demnach konnte die Beklagte die letzten, gerade an sie gerichteten Erklärungen dahin verstehen, daß beide Teile, sowohl Frau K. wie auch der Kläger, ungeachtet ihrer früheren unter einander getroffenen Verabredung, nunmehr dahin einverstanden seien, daß der Hypothekenbrief jetzt unmittelbar ihr, der Beklagten, ausgehändigt werden solle, und nahm die Beklagte das ihr so ohne Einschränkung gemachte Angebot an, dann kam hierdurch eben die Vereinbarung im Sinne des § 1117 Abs. 2 zustande. Ob der Kläger und Frau K. für sich gemeint hatten, ihre unter einander getroffene Abrede, daß der Hypothekenbrief an Notar F. auszuhändigen sei, solle entsprechend auch noch der Beklagten gegenüber gelten, kann nicht entscheidend sein, da der Beklagten gegenüber nur das Geltung hat, was ihr gegenüber klar und vorbehaltlos zum Ausdruck gekommen ist, und so, wie es nach Treu und Glauben zu verstehen war.

Unter diesen Umstanden stellt sich zugleich auch die fernere Behauptung des Klägers sowie der Revision als verfehlt dar, daß das Grundbuchamt den gebildeten Hypothekenbrief an die Beklagte nicht habe herausgeben dürfen, weil es ihn für den Treuhänder F. in Besitz gehabt habe. Für das Grundbuchamt war lediglich der Inhalt der Abtretungsurkunde maßgebend, und auch das Grundbuchamt konnte die dortigen Erklärungen nur dahin verstehen -- und hat sie offenbar auch so verstanden --, daß jetzt, nachdem die Hypothek an die Beklagte abgetreten war, ihr auch der Hypothekenbrief behändigt werden solle. Daß dieser auch jetzt noch dem Notar F., nicht aber der Beklagten ausgehändigt werden solle, war auch dem Grundbuchamt in der Abtretungsurkunde in keiner Weise erkennbar gemacht. Nachträglich soll zwar, wie die Revision noch anführt, F. durch seine Eingabe vom 10. September 1914 beim Grundbuchamte gegen die Aushändigung des Hypothekenbriefs an die Beklagte Widerspruch erhoben haben. Aber auch diese Behauptung war unwesentlich, weil ein einseitiger Widerruf der in der Abtretungsurkunde enthaltenen Erklärungen überhaupt nicht mehr zulässig war und vom Grundbuchamte daher auch nicht berücksichtigt werden durfte (vgl. Jur. Wochenschr. 1908 S. 547 Nr. 5)." ...