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RG, 10.07.1920 - I 100/20

Daten
Fall: 
Arbeitsgerät als Gebrauchsmuster
Fundstellen: 
RGZ 100, 35
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.07.1920
Aktenzeichen: 
I 100/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Düsseldorf
  • Oberlandesgericht Düsseldorf

1. Kann ein Arbeitsgerät, das aus zwei umfangreichen und technisch schwierigen Maschinen zusammengesetzt ist, als Gebrauchsmuster geschützt werden?
2. Zur Frage der widerrechtlichen Entnahme eines Gebrauchsmusters.

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des Gebrauchsmusters Nr. 648900, das die Verbindung eines Grabenbaggers mit einem Automobil betrifft.

Die Klägerin hat auf Grund des § 6 Abs. 1 und 2 GebrMG. beantragt, den Beklagten zur Einwilligung in die Löschung des Gebrauchsmusters zu verurteilen. Sie hat geltend gemacht, daß das Gebrauchsmuster keine neue Gestaltung zum Gegenstande habe und in Ansehung seines wesentlichen Inhalts den Beschreibungen und Zeichnungen der Klägerin ohne ihre Einwilligung entnommen worden sei.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Auch die Revision hatte keinen Erfolg.

Gründe

Das angegriffene Gebrauchsmuster betrifft die Verbindung eines Grabenbaggers mit einem Automobil. Aus der dem Patentamte bei der Anmeldung eingereichten Beschreibung des Schutzgegenstandes und dem Schutzanspruch ergibt sich, daß ein nach dem Trockeneimersystem gebauter Bagger über der Hinterachse eines Lastautomobils angebracht ist, und zwar dergestalt, daß der Motor des Automobils zugleich den Bagger antreibt. Die für diesen Antrieb erforderlichen Maschinenteile sind in der Beschreibung einzeln angegeben und in der zeichnerischen Darstellung des ganzen Arbeitsgeräts deutlich ersichtlich gemacht. ... Die Vereinigung von Automobil und Bagger soll dazu dienen, den Grabenbagger, der an einer Baustelle seine Arbeit verrichtet hat, schnell und ohne größere Montage mit eigener Kraft zu einer anderen Stelle zu schaffen. Hierfür hatte sich ein besonderes Bedürfnis im Kriege herausgestellt, wo es oft dringend nötig war, den Grabenbagger, den man bei Anbruch der Dunkelheit zur Anlegung von Schützengräben in die vordere Stellung geschafft hatte, bei Tagesanbruch möglichst schnell aus dem Bereiche des feindlichen Feuers herauszubringen oder ihn ohne Benutzung der Eisenbahn auf der Landstraße in kurzer Zeit nach einer entfernten Arbeitsstelle hinzuschaffen.

Gegen die Rechtsgültigkeit des Gebrauchsmusters hat die Revision in erster Reihe eingewendet, daß der angemeldete Gegenstand kein Modell einer Arbeitsgerätschaft oder eines Gebrauchsgegenstandes im Sinne des § 1 GebrMG. sei, da die Verbindung von Grabenbagger und Automobil keine bloße Raumformkombination sei. Vielmehr handle es sich um eine kunstvolle, aus vielen ineinandergreifenden Arbeitsmitteln zusammengesetzte, zur Bewegung von Naturkräften bestimmte Maschine, die sich nicht mehr im Rahmen einer zum Gebrauchsmusterschutz geeigneten einfachen Vorrichtung halte. Dieser Angriff ist unbegründet. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist zwar mehrfach angenommen worden, daß Maschinen mit verwickelten und schwer verständlichen Getrieben sich für den Gebrauchsmusterschutz nicht eignen (RGZ. Bd. 36 S. 16, Bd. 41 S. 74, Bd. 66 S. 313). Einer erneuten Stellungnahme zu dieser zweifelhaften und auch im Schrifttum nicht unbestrittenen Frage bedarf es jedoch nicht, da die in Rede stehende Arbeitsgerätschaft, soweit ihre für den Musterschutz wesentlichen Teile in Betracht kommen, jedenfalls als eine Maschine mit verwickeltem Getriebe nicht anzusehen ist. Unter den Musterschutz fällt weder das Automobil als solches noch das Getriebe eines Trockeneimerkeltenbaggers. Beide Maschinen, die in die Technik längst eingeführt waren, werden vielmehr als bekannt vorausgesetzt und erfahren auch durch den Inhalt des Gebrauchsmusters keine Abänderung oder Umgestaltung ihres Wesens. Was das Gebrauchsmuster erstrebt, ist lediglich die Verbindung der beiden Maschinen zu einem einheitlichen Arbeitsgerät. Mithin sind für den Musterschutz nur diejenigen maschinellen Teile bedeutsam, die der Vereinigung von Bagger und Automobil dienen und besonders die Einwirkung des Automobilmotors auf den Antrieb des Baggers und die Umsetzung des Motors von Baggerantrieb auf Straßenfahrt regeln. Diese Teile sind aber, mag ihre erstmalige Einführung in die Praxis auch auf mancherlei technische Schwierigkeiten gestoßen sein, doch in ihrem Zusammenwirken verhältnismäßig leicht zu überschauen und zu verstehen. Deshalb kann auch der Schutzgegenstand als solcher nicht als eine Maschine angesehen werden, die wegen der technischen Schwierigkeit und Verzwicktheit ihres Getriebes des Musterschutzes unfähig wäre. Unerheblich ist es ferner, daß das Arbeitsgerät als Ganzes von beträchtlichem Umfang ist und zwei größere Maschinen mit verwickeltem Getriebe in sich vereinigt. Für den Gebrauchsmusterschutz kommt es nach § 1 GebrMG. in Ansehung der äußeren Gestalt des Schutzgegenstandes nicht auf dessen Größe, sondern allein darauf an, ob er durch ein Modell im Raume verkörpert werden kann. Diese Voraussetzung trifft auf das geschützte Arbeitsgerät unzweifelhaft zu.

(Die folgenden Ausführungen des Urteils beschäftigen sich mit der Rüge der mangelnden Neuheit. Die Rüge wird für unbegründet erklärt. Alsdann fährt das Urteil fort:)

Die dritte Rüge der Revision betrifft den vom Vorderrichter zurückgewiesenen Klagegrund der widerrechtlichen Entnahme (§4 Abs. 3, § 6 Abs. 2 GebrMG.). In dieser Hinsicht kommt nach den Feststellungen des Berufungsurteils folgender Sachverhalt in Betracht: Als im Kriege das Bedürfnis nach Schützengrabenbaggern auftrat und das Ingenieurkomitee in Berlin für einen solchen Bagger große Geschwindigkeit und die Verwendung eines Ölmotors verlangte, überreichte der Beklagte dem Komitee im Mai 1915 die Beschreibung eines Baggers, der als Antrieb für die Bagger- und für die Straßenfahrt einen Benzinmotor aufwies, aber die Verwendung eines Lastautomobils als Untergestell noch nicht erkennen ließ. Da das Komitee die Vorführung eines fertigen Baggers verlangte, so übertrug der Beklagte durch die Schreiben vom 3. und 8. Juli 1915 auf seine Kosten der Klägerin "die zeichnerische Durchkonstruktion und die Ausführung einer Grabenaushebemaschine" mit dem Hinzufügen, daß die Ausführung nicht den von ihm übergebenen Zeichnungen zu entsprechen brauchte, vielmehr dem Konstrukteur überlassen bliebe, und nur die dem Komitee in der Erläuterung angegebenen Eigenschaften der Maschine, insbesondere die von ihm zum Patent angemeldete Eimeranordnung, gewahrt werden sollten. Nach mehrfachen persönlichen Besprechungen zwischen dem Beklagten und Vertretern der Klägerin, insbesondere dem Oberingenieur R., und nach umfangreichem brieflichen Gedankenaustausch zwischen den Parteien fertigte die Klägerin die Zeichnung Nr. 9700 an, die sowohl dem Bau des Baggers als auch der in Rede stehenden Gebrauchsmusteranmeldung des Beklagten zugrunde gelegt wurde. Diese Zeichnung erachtet das Berufungsgericht als das Ergebnis der auf Kosten des Beklagten ausgeführten Bestellung und als alleiniges Eigentum des Beklagten, der die treibende Kraft und der geistige Urheber bei der Festlegung des Plans für den geschützten Bagger gewesen sei, die Klägerin nur zur Durchführung seines Planes herangezogen und allein das Risiko getragen habe. Die Tätigkeit der Klägerin bewertet das Berufungsgericht nur als die einer Gehilfin, möge auch der Plan, das neue Gerät als Lastautomobil zu bauen, nicht als fertiger Gedanke vom Beklagten mitgebracht, sondern beim mündlichen Gedankenaustausch der Parteien erst allmählich gereift sein, und möchten insbesondere einzelne Teile der Anordnung von R. in Vorschlag gebracht worden sein.

Insoweit erklärt das Berufungsgericht der Aussage dieses Zeugen folgen zu wollen.

In diesen Ausführungen vermißt die Revision einen klaren Ausspruch darüber, ob es die weiteren Angaben des Zeugen für unglaubwürdig hält. (Diese Beanstandung der Beweiswürdigung wird widerlegt. Sodann heißt es weiter:)

Vor allem aber erscheinen die Angaben des Zeugen, selbst wenn ihnen durchweg gefolgt würde, nicht geeignet, die rechtliche Beurteilung des Falles zugunsten der Klägerin zu beeinflussen. Der Vertrag der Parteien stellt sich als ein Werkvertrag dar. Das Werk, das die Klägerin gegen die vereinbarte Vergütung gemäß § 631 BGB. dem Beklagten zu leisten hatte, bestand nach den Briefen vom 3. und 8. Juli 1915, wie der Vorderrichter zutreffend hervorhebt, in der "zeichnerischen Durchkonstruktion" des vom Beklagten angefertigten Entwurfs eines Grabenbaggers und in der Ausführung desselben. Ausdrücklich wurde in jenen Bestellschreiben auch bereits hervorgehoben, daß der Konstrukteur an den Entwurf des Beklagten, von gewissen Einzelheiten abgesehen, sich nicht zu halten brauchte, hieraus erhellt ohne weiteres, daß schon von vornherein mit einer erheblichen Umgestaltung des Entwurfs gerechnet wurde und daß alle Leistungen, die zu diesem Zweck von der Klägerin und ihren zur Mitarbeit herangezogenen Angestellten geleistet wurden, einerseits dem Beklagten zustatten kommen, anderseits durch die vereinbarte Vergütung abgegolten werden sollten. In Erfüllung dieses Vertrags erhielt der Beklagte von der Klägerin die Zeichnung 9700 geliefert. Indem er sie gemäß § 640 BGB, abnahm, erlangte er an ihr unbeschränktes Eigentum und wurde zur freien Verfügung über sie und die darin verkörperten technischen Gedanken befugt, gleichviel, ob diese von ihm selbst herrührten oder abweichend von seinem Entwurf erst auf Grund seiner Bestellung von der Klägerin oder ihren Angestellten neu entwickelt wurden (Urt. des Reichsgerichts vom 28. März 1917 l 183/16). Selbst Erfindungen, die bei Gelegenheit der Umkonstruktion gemacht wurden und in der Zeichnung ihren schließlichen Niederschlag fanden, wurden von dem Eigentumserwerbe des Beklagten mitbetroffen, da diesem das fertiggestellte Werk in vollem Umfange gegen die vertragsmäßige Vergütung gebührte. Deshalb bedarf es keiner Unterscheidung dessen, was als schöpferische Tätigkeit des Beklagten und was als Gedankenarbeit der klägerischen Angestellten zu bewerten ist; vielmehr ist der Beklagte als allein und unbeschränkt verfügungsberechtigt über die Zeichnung anzusehen. Demgemäß kann auch keine Rede davon sein, daß der Beklagte den Inhalt des von ihm angemeldeten Gebrauchsmusters den Zeichnungen, Gerätschaften oder Einrichtungen der Klägerin ohne deren Einwilligung entnommen habe (§ 4 Abs. 3 GebrMG.).