RG, 03.07.1918 - I 423/17

Daten
Fall: 
Verpfändung von Wertpapieren
Fundstellen: 
RGZ 93, 230
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.07.1918
Aktenzeichen: 
I 423/17
Entscheidungstyp: 
Urteil

Tatbestand

Der Klägerin war von der N. Bank in Dortmund im Juni 1909 ein Akzeptkredit in Höhe von 160000 M eingeräumt. Zur Sicherheit hatte sie ein Depot von 100 Kuxen der Elzer Gruben-Gewerkschaft gestellt und der N. Bank eine Blankozession der Kuxe erteilt. Nach ihrer Behauptung soll ausdrücklich vereinbart sein, daß die Bank über das Depot nur verfügen dürfe, wenn und insoweit die Klägerin ihren Verpflichtungen nicht nachkommen werde. Die N. Bank genoß ihrerseits Akzeptkredit bei der Beklagten und hatte dieser im Juni 1909 die 100 Kuxe zur Sicherheit für ihre Schuld in Depot ("Depot A") gegeben.

Im März 1810 wünschte die Klägerin Umtausch der 100 Kuxe gegen 14 Anteile der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika. Sie schrieb der N. Bank, sie möge die Kuxe an die Deutsche P. Bank in Berlin aushändigen und werde dagegen die Kolonialanteile von der D. Bank in Berlin erhalten. Die N. Bank antwortete: "Sandten Elzer Kuxe an B. H. G. (Beklagte), welche dieselben gegen Auslieferung vierzehn Kolonialanteile seitens D. Bank an Deutsche P. Bank Berlin liefern wird." Gleichzeitig schrieb die Klägerin an die Beklagte, sie werde ihr die Kolonialanteile zugehen lassen, welche die Beklagte "nach Weisung der N. Bank" verwenden wolle. Der.Austausch wurde bewirkt. Die Beklagte legte die Anteile in das Depot A und hat sie später, als die N. Bank ihren Verpflichtungen nicht nachkam und in Konkurs geriet, verkauft.

Die Klägerin forderte Schadensersatz. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Kammergericht erklärte sie dem Grunde nach für berechtigt. Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil aufgehoben worden aus folgenden Gründen.

Gründe

"Das Kammergericht hat den Schadenersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach für berechtigt erklärt, weil die Beklagte an den ihr von der N. Bank verpfändeten, der Klägerin gehörigen Kolonialanteilen ein Pfandrecht weder nach §§ 1207, 929 flg. BGB. noch auf Grund einer Genehmigung der Klägerin erworben habe. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind in einem entscheidenden Punkte nicht bedenkenfrei.

Auszugehen ist davon, daß die Klägerin zwar wollte, daß die Kolonialanteile der N. Bank als Pfand für den Akzeptkredit dienen sollten, den diese Bank der Klägerin gewährte, daß sie aber nicht den inneren Willen hatte, daß die N. Bank für ihre Verbindlichkeiten an die Beklagte dieser die Anteile verpfänden durfte. Das ist vom Berufungsgerichte festgestellt, von der Revision nicht angegriffen und ergibt sich aus der Sachlage ohne weiteres.

Es fragt sich also zunächst, ob die Beklagte, trotzdem die N. Bank zur Verpfändung nicht befugt war, dennoch gemäß den §§ 932 flg., welche nach § 1207 auf die Pfandbestellung entsprechende Anwendung finden, ein Pfandrecht erworben hat. Dabei ist vorweg zu bemerken, daß der gute Glaube des Pfandnehmers, den das Gesetz erfordert, sich nicht darauf zu richten braucht, daß das Pfand dem Verpfänder gehöre (§ 932 Abs. 2), sondern nach § 366 HGB. nur darauf, daß der Verpfänder zur Verfügung für den Eigentümer berechtigt sei. §929 BGB. behandelt den Eigentumserwerb durch longa manu und brevi manu traditio, § 930 durch constitutum possessorium, § 931 durch Abtretung des Herausgabeanspruchs, falls ein Dritter im Besitze der Sache ist. Diese drei Möglichkeiten sind dann in den §§ 932 bis 934 für den Fall, daß der Veräußerer nicht Eigentümer ist, behandelt. § 933 nebst § 930 kommt nach § 1207 für eine Verpfändung nicht in Frage. 73. Verpfändung von Wertpapieren.

Der Tatbestand des § 934 (mitt § 931) liegt hier nicht vor, weil das Berufungsgericht mit Recht festgestellt hat, daß die Klägerin einen etwaigen Herausgabeanspruch nicht abgetreten hat. Zu erörtern sind sonach nur die §§ 929 und 932.

Das Kammergericht hat ausgeführt, daß die Beklagte zeitlich früher in den Besitz der Kolonialanteile gelangt sei, als der Pfandvertrag perfekt geworden sei. Somit komme der Satz 2 des § 929 in Betracht; dann aber sei ein Pfandrecht nicht rechtsgültig entstanden, weil die Beklagte den Besitz nicht von dem Veräußerer, der N. Bank, sondern von einem Dritten, der Klägerin, erlangt habe (§ 932 Abs. 1 Satz 2 BGB.). Die Revision bemängelt die Feststellung, daß die Beklagte erst den Besitz der Kolonialanteile erlangt hate und daß dann zeitlich nachfolgend die Aushändigung der Kuxe, worin das Kammergericht den Abschluß des Pfandvertrags erblickt, erfolgt sei. In der Tat ist der Revision zuzugeben, daß sich heute kaum noch mit Sicherheit feststellen lassen wird, ob zuerst der Bote mit den Kolonialanteilen gekommen und dann erst der Bote mit den Kuxen fortgegangen ist oder umgekehrt. Und noch weniger erscheint es angezeigt, dem Zufalle der Reihenfolge beider Ereignisse einen maßgebenden Einfluß auf die Entscheidung des Rechtsstreits einzuräumen. Vielmehr spricht manches dafür, den Austausch der Wertpapiere als in demselben Akte geschehen anzusehen. Legt man diesen Ausgangspunkt zugrunde, so entsteht die Frage, ob nun § 929 in Verb. mit § 932 den Klaganspruch rechtfertigt; es fragt sich nämlich, ob die Aushändigung der Kolonialanteile durch die Klägerin der vom Gesetze geforderten Übergabe durch den Veräußerer gleichzustellen ist. Die Entscheidung dieser Frage erscheint nicht unzweifelhaft. Einerseits war die Klägerin bei der Aushändigung nicht im eigentlichen Sinne Beauftragte der N. Bank, denn sie wollte die Aushändigung aus eigenem Antriebe und im eigenen Namen vornehmen, und nur dahin ging die Anweisung der N. Bank, daß die Aushändigung gerade an die Beklagte erfolgen sollte. Anderseits aber ist die Aushändigung nicht auf Grund irgendeines anderen Rechtsgrundes, sondern aus Anlaß des in Rede stehenden Geschäfts erfolgt.

Es kann jedoch die Entscheidung dieser Frage dahingestellt bleiben, denn dem Berufungsgerichte kann in der Auslegung des Briefes, den die Klägerin am 26. März 1910 an die Beklagte gerichtet hat und der für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend ist, nicht gefolgt werden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Klägerin im Inneren nicht den Willen gehabt haben wird, der Verpfändung der Kolonialanteile durch die N. Bank zuzustimmen. Geschrieben hat sie aber der Beklagten am 26. März 1910 das Folgende: "wir verständigen Sie hiermit höflich, daß wir Ihnen am 23. cr... M 14000 Anteile der Deutschen Kolonialgesellschaft aushändigen lassen, welche Sie gefl. nach Weisung der N. Bank, Kommanditgesellschaft auf Aktien zu Dortmund, verwenden wollen". Die entscheidenden Worte sind, daß die Beklagte die Anteile "nach Weisung der N. Bank" verwenden sollte. Diese Worte sind so auszulegen, wie sie nach der Auffassung des Verkehrs unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles zu verstehen sind und wie deshalb die Beklagte als verständiger Geschäftsmann sie aufzufassen berechtigt war (RGZ. Bd. 68 S. 128). Die Verkehrssitte faßt derartige Worte dahin auf, daß demjenigen, nach dessen Weisung mit den Papieren verfahren werden soll, damit die Berechtigung zur Verfügung über die Papiere eingeräumt wird. Das ergibt sich aus der täglichen Erfahrung; es wird bestätigt durch das Gutachten des in erster Instanz gehörten Sachverständigen H., der ohne jedes Bedenken annimmt, daß die Klägerin gegenüber der Beklagten die N. Bank zur freien Verfügung über die Kolonialanteile ermächtigt habe. Deshalb muß die Klägerin in ihrem Verhältnis zur Beklagten gegen sich gelten lassen, was die N. Bank über die Anteile verfügte, und zwar auch die Verfügung, welche in der Einräumung eines Pfandrechts an die Beklagte bestand. Das muß um so mehr gelten, als die Beklagte unmittelbar darauf am 29. März 1910 der Klägerin geantwortet hat. daß sie die Anteile zugunsten der N. Bank verwende. Dies hat die Klägerin zur Kenntnis genommen (vgl. Brief vom 30. März 1910), während sie doch, wie der Sachverständige H. mit Recht ausführt, sofort hätte Verwahrung einlegen müssen, wenn sie die von der N. Bank getroffene Verfügung nicht gegen sich gelten lassen wollte.

Das so erhaltene Ergebnis ist allein mit den Erfordernissen der Verkehrssicherheit vereinbar. Die Klägerin hat ihr Vertrauen der N. Bank geschenkt und sich darauf verlassen, daß diese die Verfügung über die Anteile gemäß der Weisung, die die Klägerin ihr erteilt hätte, treffen würde. Ist ihr Vertrauen getäuscht worden, so kann sie sich deswegen nur an die N. Bank halten. Nicht aber kann die Beklagte darunter leiden, denn diese hat nur um deswillen die Kuxe aus der Pfandhaftung entlassen, weil die Klägerin der N. Bank die Kolonialanteile als Ersatz zur Verfügung stellte und die N. Bank diese an Stelle der Kuxe der Beklagten zum Pfande gab.

Deshalb kann den Ausführungen des Berufungsgerichts, das Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 29. März 1910 habe keine weitere Wirkung gehabt, als die Beklagte in guten Glauben zu versetzen, was aber zur Rechtswirksamkeit der Pfandbestellung nicht genüge, nicht zugestimmt werden. Das Schreiben hat vielmehr die Wirkung, daß die Klägerin in ihrem Verhältnis zur Beklagten die Verfügung der N. Bank gegen sich gelten lassen muß. Dann aber ist ein Pfandrecht bindend zustande gekommen (vgl. Wolff, Sachenrecht § 69 IV.)."...