RG, 03.07.1917 - VII 114/17

Daten
Fall: 
Kriegsklauseln in Versicherungsverträgen
Fundstellen: 
RGZ 90, 378
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.07.1917
Aktenzeichen: 
VII 114/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG München I
  • OLG München

Zur Auslegung von Kriegsklauseln in Versicherungsverträgen.

Tatbestand

Dem Kläger, welcher bis zum Ausbruche des gegenwärtigen Krieges deutscher Botschafter in St. Petersburg war, hat die Beklagte mit dem Versicherungsscheine Nr. 24138 vom 1. April 1913 Versicherung gegen Einbruchdiebstahl bis zur Summe von 264.000 M gewährt. Die Versicherung bezieht sich auf die Einrichtungsgegenstände des Botschaftspalastes in St. Petersburg. In der Nacht vom 4. zum 5. August 1914 sind leidenschaftlich erregte Volksmassen in die Botschaft eingedrungen und haben dort umfangreiche Zerstörungen angerichtet. Der Kläger behauptete, die Menge habe den Einbruch auch in diebischer Absicht ausgeführt und im Gebäude mittels Erbrechens von Räumen und Behältnissen die versicherten Gegenstände mit wenigen Ausnahmen geplündert. Er begehrte mit der Klage Zahlung von 4001 M als Teilbetrags des nach seiner Ansicht von der Verklagten auf Grund des Versicherungsvertrags zu ersetzenden Schadens. Die Beklagte widersprach dem Klagebegehren. Sie bestritt das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls, hielt eventuell ihre Ersatzpflicht in Gemäßheit der allgemeinen Versicherungsbedingungen für ausgeschlossen, weil zwischen Deutschland und Rußland Kriegszustand, außerdem in St. Petersburg Aufruhr geherrscht habe, wodurch der etwaige Diebstahl beeinflußt und begünstigt worden sei, wendete auch ein, daß die erst am 27. November 1914 erstattete Anzeige von dem angeblichen Diebstahl nach den Versicherungsbedingungen verspätet sei.

Das Landgericht erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf ihre Revision wurde die Klage abgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Streitfragen, ob bei dem von russischen Pöbelmassen verübten Eindringen in die Botschaft Einbruchdiebstähle im Sinne der Versicherungsbedingungen begangen sind, ob das Vorgehen des Pöbels als ein "Aufruhr" anzusehen ist oder nicht und ob der Kläger von dem Versicherungsfalle noch rechtzeitig oder zu spät Anzeige erstattet hat, können auf sich beruhen. Auch wenn unterstellt wird, daß in allen diesen Punkten den für den Kläger günstigen Erwägungen der Vorinstanz zu folgen sei, unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung, weil es die Anwendbarkeit der im § 2 Abs. 4 der allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltenen Kriegsklausel zu Unrecht verneint hat.

Die in Bettacht kommende Bestimmung lautet: "Für den Schaden durch Einbruchdiebstahl haftet der Versicherer nicht im Falle eines Kriegszustandes, eines Aufruhrs, eines Erdbebens oder eines vulkanischen Ausbruchs, es sei denn, daß sowohl diese Ereignisse als deren Wirkungen als die dadurch hervorgerufenen Zustände, insbesondere der Zerstörung und mangelnden Ordnung weder unmittelbar noch mittelbar, sei es die diebische Absicht, sei es die Ausführung des Einbruchdiebstahls irgendwie beeinflussen und / oder begünstigen konnten." ... Der Berufungsrichter meint, als einen allgemeinen Grundsatz des Versicherungsrechts aufstellen zu können, daß die Kriegsklausel nicht in juristisch völkerrechtlichem Sinne zu deuten, für den Begriff "Krieg" und "Kriegszustand" vielmehr nur der tatsächliche Zustand entscheidend sei und dies insbesondere für die räumliche und zeitliche Ausdehnung des Kriegszustandes derart gelte, daß dieser nur zu berücksichtigen sei, wenn er auf den Ort übergegriffen habe, wo sich die versicherte Sache befinde. Ein solcher Grundsatz ist jedoch nicht anzuerkennen. Zuzugeben ist freilich, daß Ehrenberg im Handbuche des Versicherungsrechts für die eine Haftung des Versicherers beschränkenden oder ausschließenden Kriegsklauseln die Auffassung vertritt, im Zweifel sei nicht der völkerrechtliche Begriff des Krieges, sondern der faktische Zustand entscheidend, da nur bei diesem die ausnahmsweise gesteigerte Gefahr vorhanden sei, welche der Versicherer ausgeschlossen wissen wollte, und dies gelte auch für die räumliche und zeitliche Ausdehnung des Kriegszustandes; so habe während des deutsch-französischen Krieges auf deutschem Landgebiete kaum für wenige Tage (Ende Juli bis Anfang August 1870) und nur für einige Grenzbezirke der "Kriegszustand" im Sinne des Versicherungsrechts geherrscht. Damit stimmt anscheinend der von Gerhard und anderen verfaßte Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetze (S. 388, 389, 556) überein.

Die Auffassung ist indes nicht als allgemeine und herrschende Ansicht zu bezeichnen. Wo anderweit im Schrifttum und in höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Deutung versicherungsrechtlicher Kriegsklauseln auf den tatsächlichen Kriegszustand Gewicht gelegt ist, geschah dies, soweit ersichtlich, in dem Sinne, daß es eines völkerrechtlichen Kriegszustandes nicht bedürfe, der tatsächliche genüge. Vgl. namentlich Manes, Versicherungslexikon S. 1119, Conradt, Feuerversicherung und Krieg in den Veröffentlichungen des deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Heft 26 S. 81, Josef im Recht 1914 S. 602. In dem auch vom Berufungsrichter angezogenen Reichsgerichtsurteile vom 26. April 1909 ist ausgeführt, der Begriff des Krieges im Sinne des Seeversicherungsrechts decke sich nicht mit dem Begriffe des Krieges im Sinne des Völkerrechts, begreife vielmehr auch solche gewalttätige, kriegsähnliche Handlungen, die von völkerrechtlich nicht anerkannten Mächten ausgehen. In seinem über einen Anspruch aus einem Unfallversicherungsvertrag entscheidenden Urteile vom 15. Juni 1917 (oben S. 318) hat der gegenwärtig erkennende Senat die Anwendung einer Vertragsklausel, wonach von der Versicherung Unfälle ausgeschlossen waren, die der Versicherte durch Kriegsereignisse erleidet, auf folgenden Tatbestand bejaht. Der im Bingerbrück wohnhafte Versicherungsnehmer fuhr am 6. August 1914 mit seinem Automobil nach Saarbrücken. Unterwegs wurde er von einem Grenz- und Bahnwächter festgenommen und in einer nicht zu rechtfertigenden Verkennung der Sachlage erschossen (näheres s. oben S. 319/320). Schon mit jener Entscheidung ist die Meinung bekundet, daß die Anwendung versicherungsvertraglicher Kriegsklauseln nicht grundsätzlich auf solche Schadenfälle einzuschränken ist, die sich innerhalb des tatsächlichen Raumgebiets kriegerischer Operationen ereignen. Daran hält der Senat auch bei der ihm gebührenden selbständigen (RGZ. Bd. 81 S. 117) Ermittlung des Sinnes der hier zu beurteilenden Vertragsbestimmung fest. Der Standpunkt Ehrenbergs und der Vorinstanz wird der Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der besonderen Verhältnisse, für welche im Versicherungsrechte Kriegsklauseln in Betracht kommen können, nicht gerecht. Auch die Reichsgerichtsentscheidungen, welche sich auf Kriegsklauseln für andere als versicherungsrechtliche Vertragsverhältnisse beziehen, und wovon einzelne in dem angefochtenen Urteile herangezogen sind, können der von der Vorinstanz vertretenen einschränkenden Deutung keine Stütze bieten. Allgemein und grundsätzlich und unbeschadet der Geltung engerer Regelung ist für eine befreiende Wirkung der Kriegsklauseln nur die Voraussetzung als berechtigt und notwendig anzuerkennen, daß eine ursächliche Beziehung zwischen dem Kriege und den Handlungen oder Unterlassungen, deren Beurteilung erheblich wird, gegeben sein muß.

Am 4. August 1914 bestand zwischen Deutschland und Rußland sowohl ein völkerrechtlicher als auch schon ein tatsächlicher Kriegszustand. Daß es damals erst zu Kampfhandlungen von geringer Bedeutung in sehr fern von St. Petersburg gelegenen Grenzgebieten gekommen war, kann der Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 1 angesichts seines Wortlauts nicht hinderlich sein. Die Beklagte hat durch diese für den Versicherer sehr günstige Bestimmung vom Bereich ihrer Haftpflicht ganz unzweideutig alle Schäden ausgeschieden, die irgendwie ursächlich auf den Kriegszustand zurückzuführen sind; zum Ausschluß einer Haftung des Versicherers soll die Möglichkeit genügen, daß für den verübten Einbruchdiebstahl ein Kriegszustand in irgendeiner Weise unmittelbar oder mittelbar ursächlich geworden ist, sei es, daß die objektive Tat, sei es, daß die subjektive Willensrichtung der Täter durch den Kriegszustand oder etwaige von diesem hervorgerufene Zustände beeinflußt oder begünstigt sein kann. Der klare Wortsinn der Klausel läßt es nicht zu, ihre Geltung auf Schadenfälle einzuschränken, die innerhalb des Raumgebiets von unmittelbar gegen den Feind gerichteten Kriegsoperationen vorkommen. Der Versuch des Berufungsurteils, aus dem ersten und zweiten Satze des Absatzes 4 nachzuweisen, es müsse sich durchweg um Ereignisse handeln, die eine streng räumliche Beziehung zum Orte der versicherten Sache haben, geht fehl. Nach Wort- und Satzbildung können als zusammengehörig mit dem Kriegszustande behandelt nur die im ersten Satze noch erwähnten Fälle eines Aufruhrs, Erdbebens und vulkanischen Ausbruchs mit in Betracht kommen. Es ist aber nicht zuzugeben, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Ereignissen der drei letzterwähnten Arten und der Verübung eines Einbruchdiebstahls lediglich und ausschließlich innerhalb des Raumgebiets der unmittelbaren Wirkungen jener Ereignisse denkbar sei. Abgesehen hiervon bleibt beachtlich, daß dem zwischen zwei oder mehreren Staaten eröffneten Kriegszustande erfahrungsgemäß ein umfassender und störenderer Einfluß auf die allgemeine Ordnung der Lebensverhältnisse zukommt als einem Aufruhr, einem Erdbeben oder einem vulkanischen Ausbruche. Darum könnte es nicht auffallen, wenn die Wirkungen der Befreiungsklauseln im ersten Falle weiter reichten als in den drei anderen Fällen. Mit der Kriegsklausel wollte die Versicherungsgesellschaft, wie auch der Berufungsrichter nicht verkennt, die Möglichkeit gewinnen, eine unverhältnismäßige Gefahrsteigerung, die Haftung für außerordentliche und unübersehbare Schadenfälle von sich abzuwehren. Dem mit der Bestimmung verfolgten, an sich nicht unberechtigten Interesse des Versicherers wird nicht genügt, wenn man ihre Geltung auf das Raumgebiet unmittelbarer Kriegsoperationen einschränkt.

Wie aus einem Aufsätze Lübstorffs in Masius Rundschau, Jahrgang 28 S. 5 flg. hervorgeht, sind gegenüber dem als Verbandsklausel für eine Reihe von Gesellschaften eingeführten § 2 Abs. 4 Satz 1 Befürchtungen dahin laut geworden, die Versicherung habe während der Kriegszeit überhaupt keine Bedeutung mehr, weil es sehr schwierig sein würde, den Nachweis zu erbringen, daß ein Einbruch während der Kriegszeit nicht in irgend einer Weise durch den Kriegszustand begünstigt worden sei. Die Besorgnisse gingen zu weit. Einbruchdiebstahlsfälle, bei denen eine innere Beziehung der Tat und der Absicht der Täter zum Kriege fehlt, werden nicht selten auch im Laufe eines Krieges vorkommen, und bei angemessen fachlicher Erörterung und Würdigung wird sich vermeiden lassen, daß die Befreiungsklausel auf Fälle Anwendung findet, für die sie nach ihrem Inhalt und Grunde nicht bestimmt ist. Wenn dagegen dem Kriege eine ursächliche Bedeutung für Einbruchdiebstähle zukommt, so darf man nicht zwischen den in der Gegend der Kampfhandlungen und den fern von dieser Gegend begangenen Diebstahlsfällen unterscheiden. Nach dem Sinne der Befreiungsklausel rechtfertigt sich dann vielmehr ihre gleichmäßige Anwendung auf jene wie auf diese Fälle. Das Berufungsurteil betont, § 2 Abs. 4 stelle eine allgemeine Bedingung dar, die gegenüber jedem Versicherten dieselbe Auslegung erfordere. Der Ansicht ist beizustimmen. Daraus folgt aber keineswegs, daß die Klausel für alle im Laufe eines Krieges an demselben Orte vorkommenden Fälle von Einbruchsdiebstahl eine gleichmäßige Wirkung üben müsse. Wollte man auch einräumen, daß es bei Diebstählen fern vom Kriegsschauplatze, häufig an einer inneren Beziehung zum Kriege fehlen wird, so kann doch bei einzelnen Tatfällen immerhin solche Beziehung vorliegen. Die Frage der Anwendbarkeit der Kriegsklausel ist für jeden einzelnen Tatfall nach den für seine Gestaltung und Bedeutung maßgeblichen Sachumständen besonders zu prüfen. Dabei kann auch die Staatsangehörigkeit einerseits des Versicherten und Geschädigten, anderseits der Einbrecher ins Gewicht fallen, zumal, wenn die versicherten Gegenstände im Gebiet eines mit dem Heimatstaate des Versicherten im Kriege befindlichen Staates aufbewahrt werden. Natur und Entwicklung des Versicherungswesens bringen es mit sich, daß deutsche Gesellschaften ihren Geschäftsverkehr nicht selten auch auf Versicherung von Gefahrumständen erstrecken, deren Sitz im Auslande liegt. Solchenfalls dürfen und müssen bei Prüfung der Anwendbarkeit einer Kriegsklausel des im § 2 Abs. 4 gegebenen Inhalts alle Sachumstände berücksichtigt werden, die nach der Eigenart des einzelnen Tatfalls für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Kriege und dem Einbruchsdiebstahl sprechen. Das Berufungsurteil gedenkt des Grundsatzes, daß unklare und unbestimmte Ausdrücke der Versicherungsbedingungen im Zweifel gegen den Versicherer als Verfasser der Bedingungen auszulegen sind. Der Grundsatz ist anzuerkennen, für seine Anwendung bleibt indes hier kein Raum. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtfalles können sich weder aus der Wortfassung des § 2 Abs. 4 noch aus der Zweckbestimmung der Klausel wesentliche Zweifel und Bedenken über ihre Tragweite ergeben. Den Erwägungen allgemeiner Art, mit denen die Vorinstanz einen Ausschluß der Haftung der Beklagten verneint, ist sonach nicht beizustimmen.

In zweiter Reihe hat das Berufungsurteil die Frage, auf welche es nach richtiger Ansicht für die Entscheidung ankam, behandelt, nämlich ob ein Kausalzusammenhang des Sturmes auf die Botschaft und der verübten Plünderungen mit dem Kriege bestand. Der Berufungsrichter verneint die Frage. Er sieht in dem Kriege nur einen "Anlaß" zu jenen Vorkommnissen und findet ihre adäquate und ausschließliche Ursache in gewissen besonderen Umständen, "die keine Begleiterscheinung des Krieges zu sein brauchten", einmal in den unwahren, die Volksleidenschaft aufpeitschenden Gerüchten, die Kaiserin Mutter sei in Deutschland übel behandelt und das Botschaftsgebäude in Berlin sei verbrannt worden, und sodann entscheidend darin, daß die Organe der Petersburger Polizeigewalt die Plünderungen geflissentlich geduldet und sich dadurch eines Völkerrechtsbruchs schuldig gemacht haben. Mit Recht greift aber die Revision diese Urteilsbegründung als unhaltbar an.

Die Erfahrung, und zwar nicht erst des jetzigen Krieges, sondern auch schon früherer Kriege, lehrt, daß gerade in der ersten Zeit nach der Kriegserklärung eine starke Erregung völkischer Empfindungen und Leidenschaften einzutreten pflegt; aus der Luft geholte, unwahre, der feindlichen Macht und deren Angehörigen ungünstige Gerüchte und Nachrichten werden aufgebracht, finden Verbreitung und Glauben, bringen eine Steigerung der Gefühle der Erbitterung und des Hasses mit sich und führen auch zu tätlichen Ausschreitungen, die sich gegen erreichbare Angehörige des feindlichen Staates und gegen deren Eigentum richten. Bei den Einbrüchen und Plünderungen in der Nacht zum 5. August 1914 handelt es sich also keineswegs um dem Kriege fremde, mit ihm nicht zusammengehörige Dinge, sie sind durch den Kriegszustand erst möglich geworden, finden darin ihre Grundlage, und es entspricht durchaus den Richtlinien der Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhange, hier dem Kriegszustand eine eng ursächliche Bedeutung für die verübten Plünderungen und den herbeigeführten Sachschaden beizumessen. Hieran kann die Tatsache nichts ändern, daß wesentlich mitwirksam das Verhalten der zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in St. Petersburg berufenen Organe der russischen Polizei wurde, die in grober Pflichtverletzung die Plünderungen duldeten und begünstigten. Hieraus folgt nur, daß auch in diesen Mitgliedern der russischen Volksgemeinschaft das durch den Kriegszustand hervorgerufene Gefühl des Hasses gegen Deutschland und dessen Angehörige übermächtig geworden ist und sie dazu gebracht hat, sich über jede gebotene Rücksicht auf Anstand, Amtspflicht und Völkerrecht hinwegzusetzen.

Das Berufungsurteil legt eingehend dar, man habe nach den Erfahrungen aus der Zeit bis zum gegenwärtigen Kriege einen so schweren Völkerrechtsbruch nicht vorhersehen können, weder die Beklagte noch der Kläger hätten an eine derartige Möglichkeit gedacht. Wäre der Gesichtspunkt überhaupt beachtlich, so ließe sich doch nicht folgern, daß die Beklagte für den eingetretenen Schaden aufzukommen habe. In erster Linie trifft der Schade den Eigentümer der gestohlenen und zerstörten Gegenstände. Zu einer Feststellung, wonach es im Sinne des Vertragswillens liege, daß die Versicherungsgesellschaft den Schaden zu ersetzen habe, läßt sich nicht gelangen, wenn für beide an der Versicherung beteiligten Personen bei Abschluß des Vertrags ein Schade, wie er später eingetreten ist, außerhalb des Rahmens jeder denkbaren Möglichkeit und Berechnung gelegen hat. Die angedeuteten Urteilserwägungen müssen aber auch schon deshalb versagen, weil hier der Vertrag auf Grund allgemeiner Bedingungen der Versicherungsgesellschaft zustande gekommen ist. Es bleibt dann für Feststellungen an der Hand des für den einzelnen Abschluß besonders zu ermittelnden Vertragswillens kein Raum. Die Frage ist dann nach dem Sinne der betreffenden Bestimmungen in ihrer allgemeinen Geltung zu stellen, und in dem so zu ermittelnden Sinne sind diese für und gegen jeden Versicherungsnehmer, der den Vertrag auf dieser Grundlage eingegangen ist, maßgebend (RGZ. Bd. 81 S. 119). Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint es unerheblich, ob ein so grober Völkerrechtsbruch, wie er in der Nacht zum 5. August 1914 verübt ist, vorhersehbar war. Die Beklagte hat sich durch den § 2 Abs. 4 einen weitgehenden Schutz gegen Haftung für Schäden aus Abweichungen von normalen Friedens-, Ordnungs- und Ruhezuständen gesichert, und der streitige Schade fällt in das Gebiet der Befreiung des Versicherers, weil er in engeursächlichem Zusammenhange mit dem Kriege und einem dadurch hervorgerufenen Zustande mangelnder Ordnung erwachsen ist.

Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben, und, da die Sache zur Entscheidung im Sinne des Antrags der Beklagten reif ist, in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen."