RG, 11.10.1883 - IV 253/83
Hat der Gläubiger gegen den Nichtgläubiger, welchem als vermeintlichem Gläubiger der Schuldner den Betrag der Forderung gezahlt hat, eine Klage auf Herauszahlung des gezahlten Betrages?
Tatbestand
Die Beklagte erstand in notwendiger Subhastation ein Grundstück, dessen gegen Feuersgefahr versicherte Gebäude einige Zeit vorher niedergebrannt waren. Sie baute die Gebäude wieder auf und erhielt von der Versicherungsgesellschaft die Versicherungssumme ausgezahlt. Der Kläger, welcher in der Subhastation mit Hypothekenforderungen ausgefallen war, klagte mit der Behauptung, daß ihm der Anspruch auf die Brandentschädigung zustände, auf Herauszahlung des gezahlten Betrages. Die Klage wurde in beiden Vorinstanzen für unbegründet erachtet, weil dem Kläger vermöge des von ihm behaupteten Gläubigerrechtes ein Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe des von der Schuldnerin der Forderung an die Beklagte als vermeintliche Gläubigerin gezahlten Betrages nicht zustände. Die vom Kläger eingelegte Revision wurde zurückgewiesen.
Aus den Gründen
"Zwischen demjenigen, der den Betrag einer Forderung ohne Recht von dem Schuldner erhoben hat, und dem wahren Gläubiger entstehen durch die Thatsachen jener Einziehung allein keine rechtlichen Beziehungen. Die fragliche Thatsache an sich läßt die Rechtssphäre des Gläubigers unberührt. Dem letzteren bleibt die rechtliche Möglichkeit, sein Gläubigerrecht gegen den Schuldner ohne Rücksicht auf jene Thatsache und ungehindert durch dieselbe geltend zu machen. Ein Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und demjenigen, der den Betrag der Forderung einzieht, kann zwar auch ohne das Vorhandensein eines Auftrages zur Einziehung oder eines der Fälle notwendiger Stellvertretung schon dann zur Entstehung gelangen, wenn der Einkassierende bei der Einziehung für den Gläubiger zu handeln beabsichtigt oder doch dem Schuldner gegenüber als Vertreter des Gläubigers auftritt. In einem solchen Falle würde der Einziehende als Geschäftsführer ohne Auftrag dem Gläubiger als Geschäftsherrn haften. Aber die Voraussetzungen einer solchen Haftung liegen nach dem Thatbestande des Berufungsurteiles nicht vor. Danach ist vielmehr anzunehmen, daß die Beklagte selbst Gläubigerin gewesen zu sein behauptet, und daß sie bei Einziehung des Betrages der Forderung ihr eigenes Gläubigerrecht gegen den Schuldner auszuüben beabsichtigt hat. Auch die Voraussetzungen der nützlichen Verwendung sind nicht als vorhanden zu erkennen. Denn aus dem Vermögen des Klägers ist in das Vermögen der Beklagten nichts übergegangen. Die Vermögenslage des Klägers ist der Einziehung des Betrages der Forderung ungeachtet dieselbe geblieben. Von einem unter den Gesichtspunkt der Kondiktionen zu bringenden Anspruche aus der Bereicherung kann ebenfalls nicht die Rede sein. Hat die Versicherungsgesellschaft an einen Nichtberechtigten gezahlt, so besteht das Forderungsrecht des Klägers, wenn es vor der Zahlung bestanden hat, unbeschadet durch die letztere fort. Ist aber der Zahlung an die Beklagte liberierende Kraft beizulegen, so ist ebensowenig abzusehen, wie eine mit dem Schaden des Klägers verbundene ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten angenommen werden soll.1
Auch von anderen rechtlichen Gesichtspunkten aus läßt sich ein Klagerecht nicht herstellen. Denn wenngleich ein Streit darüber, ob eine bestimmte Forderung dem einen oder dem anderen zustehe, zwischen den beiden Forderungsprätendenten unter den Voraussetzungen des §. 72 C.P.O. im Prozeßwege zum Austrage gebracht werden kann, und die Zulässigkeit eines Rechtsstreites zwischen den mehreren Forderungsprätendenten auch auf das Vorhandensein dieser Voraussetzungen nicht beschränkt sein mag, so würde doch die im vorliegenden Falle begehrte Zulassung eines Rechtsstreites, in welchem ein Zahlungsempfänger in die Lage käme, den ihm gezahlten Geldbetrag gegen einen Forderungsprätendenten zu verteidigen, obwohl der letztere nicht gehindert ist, sein Gläubigerrecht, wenn er ein solches hat, gegen den Schuldner geltend zu machen, zu den Rechtsgrundsätzen, auf denen die Scheidung der dinglichen und der persönlichen Rechte beruht, in Widerspruch treten. In der gegenwärtigen Instanz ist zwar auch der Versuch gemacht worden, den Klaganspruch in seiner Begründung auf das Hypothekenrecht des Klägers als einen dinglichen erscheinen zu lassen. Aber dieser Versuch, der Klage Halt zu geben, versagt ebenfalls. Denn wenn auch das Forderungsrecht des Versicherten an den Versicherer als Objekt des Hypothekenrechtes angesehen werden könnte, so handelt es sich im vorliegenden Falle doch nicht um dies Forderungsrecht, sondern um den von dem Versicherer an einen Dritten gezahlten Geldbetrag, von welchem letzteren nicht abzusehen ist, wie er der Beklagten auf Grund jenes Hypothekenrechtes soll entrissen werden können."
- 1. Vgl. Dernburg, Lehrbuch des preuß. Privatr. Bd. 2 §. 284 N. 4 und die dort allegierten Entscheidungen des vormaligen preußischen Obertribunales. D. E.