RG, 27.09.1883 - IV 229/83

Daten
Fall: 
Rechtliches Interesse einer Feststellungsklage
Fundstellen: 
RGZ 10, 368
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.09.1883
Aktenzeichen: 
IV 229/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Durch welche äußere Umstände wird für die Feststellungsklage aus §. 231 C.P.O. der Begriff des rechtlichen Interesse erfüllt?

Aus den Gründen

"Daß bezüglich der streitigen Forderung von 3000 M durch die Überweisung zum Zwecke der Einziehung und durch die auf diesem Wege vermittelte Stellvertretung für die Ausübung der Gläubigerrechte unter den Parteien ein Rechtsverhältnis, d. h. rechtliche Beziehungen der Parteien zu einander für obligatorische Leistungen entstanden sind, darüber kann bei der rechtlichen Natur der Überweisung im Zwangswege (§§. 736. 737 C.P.O.) kein Zweifel bestehen, und es fragt sich daher für die, vom Kläger auf Grund des §. 231 a. a. O. angestellte negative Feststellungsklage nur, ob der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Nichtbestehen des behaupteten Rechtsverhältnisses durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Der Berufungsrichter hat solches verneint, und zwar zunächst aus dem Grunde, weil die Gefahr des Verlustes von Beweismitteln ein solches Interesse überhaupt darzustellen nicht geeignet sei, indem gegen diese Gefahr der §. 447 a. a. O. ein ausreichendes prozessualisches Rechtsmittel durch Antizipierung des Beweises gewähre. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Grund theoretisch richtig ist, ob also das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung, hergeleitet aus der Gefahr des Verlustes von Beweismitteln, wenn diese Gefahr einmal besteht, durch die Möglichkeit der Sicherung des Beweises beseitigt wird, und ebenso kann unerörtert bleiben, ob und in welchem Umfange die thatsächliche Feststellung des Berufungsrichters über das Nichtvorhandensein dieses Interesse durch jenen rechtlichen Grund beeinflußt und aufgehoben werden könnte, denn der Berufungsrichter verneint auch, daß eine Gefahr des Verlustes der Beweismittel von dem Kläger überhaupt dargelegt worden ist, indem durch die mögliche Kassation der Vorprozeßakten, aus welchen gegen den Beklagten die Wirkung der rechtskräftig entschiedenen Sache hergeleitet werden soll, bei Konservierung der Urteilsausfertigungen eine Gefahr nicht zu befürchten sei, und weil der Kläger überhaupt nicht angegeben habe, inwiefern ihm zur Führung seiner Verteidigung ein Beweis obliege, und daß und welche bestimmte Beweismittel ihm hierzu erforderlich und dienlich sein sollen. Beim Mangel dieser thatsächlichen Voraussetzungen für ein Interesse überhaupt, kann von einem rechtlichen Interesse im Sinne des §. 231 a. a. O. überall nicht die Rede sein.

Der Berufungsrichter verneint ferner das Vorhandensein des rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Feststellung auch aus dem vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte der Kreditschädigung durch das Berühmen seitens des Beklagten, weil "dieser rein wirtschaftliche Nachteil den Begriff der rechtlichen Interesse ebensowenig, wie die durch das Schweben des fraglichen Anspruches angeblich bedingte Ungewißheit der Vermögenslage des Klägers treffe". Auch in dieser Auffassung ist ein Rechtsirrtum nicht zu erblicken. Das Gesetz hat den Begriff des rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Entscheidung über die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nicht näher bestimmt; derselbe ist vielmehr, weil von äußeren, wandelbaren Umständen beeinflußt, thatsächlicher Natur und in das Ermessen des Richters gestellt. Wenn nun auch das rechtliche Interesse einerseits nicht durch eine vorhergegangene Rechtsverletzung bedingt ist, und wenn auch andererseits dasselbe für die positive und negative Feststellungsklage verschieden sich gestalten kann, so muß man doch - bei Fixierung des Begriffes - davon ausgehen, daß die Negation des Bestehens eines Rechtsverhältnisses durch richterlichen Ausspruch nur die konkrete rechtliche Beziehung der Prozeßparteien zu einander betrifft, und daß der ergehende Richterspruch nur unter den letzteren Recht schafft, sowie endlich, daß ein rechtliches Interesse doch nur ein solches sein kann, welches für die Parteien, und zwar bezüglich eines bestimmten Rechtsverhältnisses von Bedeutung ist. Das rechtliche Interesse im Sinne des §. 231 a. a. O. kann daher lediglich aus dem konkreten streitigen Rechtsverhältnisse für das letztere entweder selbst oder für andere, davon abhängige und beeinflußte Rechtsbeziehungen, nicht aus anderen zufälligen, außerhalb jenes Rechtsverhältnisses liegenden und davon weder unmittelbar noch mittelbar rechtlich berührten Umständen und Verhältnissen entlehnt und hergeleitet werden. Es ist daher auch nicht gestattet, das rechtliche Interesse - in völliger Abstraktion von jeder Rechtsbeziehung - ausschließlich nach dem möglichen Einflusse zu bestimmen, welchen das prätendierte Recht auf die allgemeine Vermögenslage und auf den wirtschaftlichen Verkehr der klagenden Partei auszuüben imstande sein kann, und hierdurch an die Stelle eines rechtlichen Interesse ein ökonomisches und finanzielles Interesse zu setzen. Hiernach ist die Unterscheidung des Berufungsrichters eine berechtigte und nicht geeignet, seine thatsächliche Feststellung zu alterieren." ...