OLG Karlsruhe, 28.03.2012 - 6 U 146/10
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten (Ziff. 2) gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 06.08.2010 - 4 O 108/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte Ziff. 2 (im Folgenden: Beklagte) wegen irreführender Angaben auf ihrem Anwaltsbriefkopf und ihrer Internetseite in Anspruch.
Die Klägerin ist eine in K. niedergelassene und nach außen unter einer Unternehmensbezeichnung auftretende Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Beklagte ist Rechtsanwältin und als solche Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie für Familienrecht. Sie war alleinige Inhaberin einer Anwaltskanzlei. Bei ihr war Frau Rechtsanwältin F. M.-B. angestellt. Unter ihrer Homepage
Die Klägerin mahnte in an die "Rechtsanwälte D. R. & A." gerichteten Schreiben vom 01.02.2010 und 10.02.2010 die Beklagte sowie Frau Rechtsanwältin M.-B. wegen der Verwendung des Zusatzes "& A." und des Zusatzes "Fachanwälte" ab. Die entstandenen Anwaltsgebühren hat sie mit dem Klageantrag Ziff. 2 geltend gemacht. Den Zusatz "Fachanwälte" verwendet die Beklagte aufgrund der Abmahnung der Klägerin nicht mehr und hat insoweit eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Klägerin hat daraufhin zunächst Klage gegen die D. R. & A. GbR erhoben. Auf den Einwand der Beklagten, dass eine solche GbR gar nicht existiere, weil die Kanzlei nicht in der Rechtsform der GbR geführt werde, sondern es sich um die Einzelfirma der Beklagten handele, hat die Klägerin die Beklagte verklagt und die Klage gegen die D. R. & A. GbR zurückgenommen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00 für den Fall, dass dies nicht beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, es zu unterlassen auf der Homepage der Beklagten www.r.de und in dem als Anlage K1 mit der Klageschrift überreichten Briefbogen der Beklagten mit dem Datum "Januar 2010" mit dem Zusatz "& A." hinter dem Namen der Beklagten zu werben, solange die Kanzlei nicht aus mehr als zwei Berufsträgern besteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere EUR 1.005,40 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt:
Mit am 06.08.2010 verkündetem Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist ferner der Ansicht, dass das Landgericht eine Entscheidung des BGH (BGH v. 3.11.2008, AnwSt (R) 10/08, AnwBl. 2009, 451) nicht richtig gewertet habe. In Anbetracht dieses Urteils sei im konkreten Falle die Verwendung des Zusatzes "& A." zulässig so dass die geltend gemachten und vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche der Klägerin nicht zustünden. Schließlich sei die ursprünglich verklagte Gesellschaft Adressatin der Abmahnung gewesen und nicht sie.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie den beanstandeten Hinweis "& A." nicht mehr verwende. Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht bestritten. Die Beklagte hat das Verfahren "für erledigt" erklärt, die Klägerin hat keine Erledigungserklärung abgegeben.
das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 06.08.2010, Az.: 4 O 108/10, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, dass das von der Beklagten genannte Urteil des Bundesgerichthofs durchaus auf eine Unzulässigkeit des Zusatzes "& A." im vorliegenden Falle schließen lasse. Die geltend gemachten Abmahngebühren seien weder der Höhe noch dem Grunde nach zu beanstanden.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig. Daran hat die einseitige "Erledigterklärung" der Beklagten nichts geändert. Eine Rücknahme der Berufung war, wie die Ausführungen der Beklagten zu der abgegebenen Erklärung zeigen, nicht beabsichtigt. Die Beklagte hat nämlich deutlich gemacht, dass sie annimmt, es werde nach ihrer Erklärung eine Kostenentscheidung ergehen, die sie dann, wenn zu ihren Ungunsten entschieden werde, vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen könne. Die mithin vorliegende einseitige Erledigungserklärung der Beklagten ist prozessual ohne Bedeutung und unbeachtlich.
Die Berufung ist aber unbegründet.
1. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch in dem vom Landgericht zugesprochenem Umfang zu, §§ 8, 3, 5 UWG.
Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Die werbliche Darstellung der Beklagten auf ihrer Homepage
Die Wahl der Bezeichnung einer Anwaltskanzlei stellt ebenso wie die Gestaltung und Verwendung des Briefkopfs oder -bogens ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen dieser Kanzlei zu gewinnen (vgl. BGH, NJW 1997, 3236; BGH, NJW 2001, 1573; BGH NJW 2003, 346; BGH, AnwBl. 2009, 451 ff.). Damit handelt es sich zugleich um eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Die Angabe "& A." begründet eine relevante Gefahr der Irreführung über die geschäftlichen Verhältnisse der Beklagten gem. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG.
Die Mitglieder des Senates gehören zu den potentiell angesprochenen Adressaten und sehen sich deshalb zur Beurteilung der Irreführungsgefahr in der Lage. Der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Rechtssuchende wird durch den Zusatz "& A." zu der Annahme veranlasst, dass in der Kanzlei der Beklagten neben ihr selbst mindestens zwei weitere Berufsträger tätig sind.
Der Begriff "& A." ist der englischen Sprache entnommen, was der durchschnittliche Adressat erkennt. Es bedarf keiner abschließenden Beurteilung, ob der Geschäftsverkehr den Begriff als Hinweis auf ein in Wahrheit nicht bestehendes Gesellschafts-, Partnerschafts- oder Sozietätsverhältnis mit den so Bezeichneten versteht (ebenfalls offen gelassen in BGH v. 3.11.2008, AnwSt (R) 10/08, juris-Rn. 7) oder nachvollzieht, dass die Praxis mit dieser Bezeichnung häufig die in einem Anstellungsverhältnis tätigen jüngeren Anwältinnen und Anwälte bezeichnet. Maßgeblich ist, dass er als Folge des durch die Kennzeichnung "&" geprägten Zusammenhangs mit einem namentlich genannten Berufsträger davon ausgeht, dass es sich um weitere Berufsträger handelt. Die in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vertretene Auffassung, mit "A." könnten auch in der Kanzlei zeitweilig tätige Rechtsreferendare oder Studenten gemeint sein, ist mit dem maßgeblichen Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise nicht vereinbar. Dass - wie die Beklagte in der Berufung außerdem geltend macht - ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs auf die Idee verfallen könnte, "A." könne der Name eines in der Kanzlei tätigen Rechtsanwalts sein, ist lebensfremd und kann nach der Überzeugung des Senats ausgeschlossen werden.
Weiter ist der durchschnittliche Adressat der englischen Sprache so weitgehend mächtig, dass er die Endung –s als Pluralform des Substantivs erkennt und davon ausgehend schließt, dass neben der in der Firmenbezeichnung zunächst genannten Beklagten mehrere Berufsträger dauerhaft tätig sind. Dies war zum Zeitpunkt der Abmahnung aber nicht der Fall, da neben Frau Rechtsanwältin F. M.-B. unstreitig kein weiterer Berufsträger dauerhaft tätig war.
Diese Auffassung des Senates steht nicht im Widerspruch zu der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. November 2008 (AnwSt (R) 10/08, AnwBl. 2009, 451). Auch der Bundesgerichtshof geht in dieser Entscheidung davon aus, dass bei dem "& A."-Zusatz der Verbraucher dieser Angabe entnimmt,
"dass der Betroffene (...) sich mit anderen Berufsträgern zu einer auf Dauer angelegten beruflichen Zusammenarbeit zusammengeschlossen hat." (BGH a.a.O. Rn. 7).
Der Bundesgerichtshof nennt den "Betroffenen" und geht von mehreren Berufsträgern aus, die sich mit dem "Betroffenen" zu einer auf Dauer angelegten beruflichen Zusammenarbeit zusammengeschlossen haben müssen. Lediglich bei der von der Beklagten zitierten Stelle verwendet der Bundesgerichtshof den Singular ("zumindest einem Berufsträger", Rn. 9), um im darauffolgenden Satz wieder den Plural ("eine solche Zusammenarbeit mit anderen Berufsträgern") zu verwenden. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde die Zahl der Mitarbeiter gar nicht problematisiert. Die Zielrichtung der zitierten Äußerung war eine ganz andere. Der Senat teilt diesbezüglich die bereits in der Verfügung des Landgerichts vom 14. Juni 2010 zum Ausdruck gebrachte Deutung der in Rede stehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Es wäre fernliegend, der Äußerung zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof auch die dauerhafte Mitarbeit nur eines Berufsträgers für den im Plural gehaltenen Zusatz genügen lassen würde.
Die irreführende Verwendung des Zusatzes "& A." ist wettbewerblich relevant. Die Größe einer Kanzlei ist für den verständigen Rechtsratsuchenden ein nicht unerhebliches Kriterium bei seiner geschäftlichen Entscheidung über die Wahl seines Beraters. Dem liegt die Erwartung zugrunde, dass der Betrieb einer Kanzlei mit mehreren Anwältinnen und Anwälten eine weitergehende Spezialisierung gestattet und daher der Kanzlei ermöglicht, auch für möglicherweise abgelegenere Rechtsfragen einen Experten zu haben. Daneben indiziert die Verwendung des Plurals für den Geschäftsverkehr, dass die Zahl der Berufsträger zu groß ist, um eine namentliche Nennung in der Unternehmensbezeichnung zu gestatten. Würde der Singular verwendet, so würde dem Verkehr im Gegenteil abwertend signalisiert, dass nur ein weiterer Berufsträger tätig ist, dessen Name nicht wert ist, genannt zu werden. Das ist in der Tat unüblich.
Durch die Aufgabe der Benutzung der irreführenden Angabe ist die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Hierzu hätte es einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bedurft, die die Beklagte nicht abgegeben hat. Infolgedessen wäre es ihr jederzeit möglich, die Verwendung der irreführenden Angabe wieder aufzunehmen, ohne dass der Klägerin eine Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung stünde.
Die irreführende Angabe "& A." war daher zu untersagen.
2. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin war berechtigt (vgl. o. 1.). Das Landgericht hat in seiner insoweit von der Beklagten nicht angegriffenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, die Abmahnung sei an die nicht existierende GbR gerichtet gewesen. Selbst wenn die maßgeblichen Schreiben an "D. R. & A." adressiert waren, so sind sie der Beklagten jedenfalls zugegangen und ließen durch die persönliche Anrede der Beklagten keinen Zweifel, dass sie direkt an diese gerichtet waren. Maßgeblich ist insoweit, dass die Beklagte als persönlich angesprochene Gesellschafterin der vermeintlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus der Abmahnung den abzustellenden Rechtsverstoß erkennen konnte und jedenfalls nach dem objektiven Empfängerhorizont Adressatin dieses Schreibens war. Insoweit muss sie sich jedenfalls an dem von ihr selbst geschaffenen irreführenden Rechtsschein der Existenz einer im Geschäftsverkehr unter eigenem Namen auftretenden und deshalb teilrechtsfähigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts festhalten lassen.
In der Klageschrift hat die Klägerin geltend gemacht, die mit der Klage geltend gemachten Anwaltsgebühren seien durch die Abmahnung wegen der Verwendung des Zusatzes "& A." angefallen. Hiervon ist das Landgericht im angefochtenen Urteil ausgegangen. Insoweit hat die Beklagte das erstinstanzliche Urteil nicht angegriffen. Sie beanstandet den zugesprochenen Betrag lediglich der Höhe nach und allein mit der Begründung, das Landgericht sei von einem zu hohen Streitwert ausgegangen.
3. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.