LG Hamburg, 11.05.2016 - 416 HKO 47/16

Daten
Fall: 
Irreführende Zigarettenwerbung bei Suggerieren gesundheitlicher Unbedenklichkeit durch den Begriff "mild"
Fundstellen: 
GRUR-RR 2017, 206
Gericht: 
Landgericht Hamburg
Datum: 
11.05.2016
Aktenzeichen: 
416 HKO 47/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Lucky Strike mild

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre,) zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für Tabakerzeugnisse mit dem Begriff „MILD“ zu werben oder werben zu lassen, wie geschehen in den Anlagen K1 und K 2.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/5tel und die Beklagte 3/5tel zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 17.000,- vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf € 25.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger, der B.-Verband d. V.-Zentralen und -verbände, verlangt von der Beklagten, welche u.a. Zigaretten vertreibt, die Unterlassung bestimmter Plakatwerbung für die Marke L. S.,

Die Klägerin ist der Auffassung, die Werbung mit den Begriffen „MILD THING“ (K 1), „TAKE A WALK ON THE MILD SIDE“ (K 2) sowie „L. MIT EXTRA MILDEM GESCHMACK“ (K 3) verstoße gegen §§ 17 Nr. 5, 22 Abs. 2 Nr. 1 C VTabakG.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es

zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen für Tabakerzeugnisse mit den Begriffen „mild“ und/oder „mildem“ zu werben oder werben zu lassen, wie geschehen in den Anlagen K1, K 2 und K 3.

Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht die angegriffene Werbung verstoße nicht gegen die Vorschriften des VTabakG.

Nicht nur bei der Aussage „mit extra mildem Geschmack“ sondern auch im Hinblick auf die anderen beiden Aussagen werde der Begriff „mild“ von den angesprochenen Verkehrskreisen vordergründig geschmacksbezogen verstanden. Aussagen über sonstige Produkteigenschaften, insbesondere, dass das so beworbene Produkt weniger schädlich sein soll als andere, könnten diesen Formulierungen nicht entnommen werden. Hierfür hätte „mild“ vielmehr in Verbindung mit einem niedrigeren Teergehalt beworben werden müssen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Im Hinblick auf die Aussagen „MILD THING“ und „TAKE A WALK ON THE MILD SIDE“ handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine Irreführung i.S.d. § 17 Nr. 5 VTabakG sowie eine verbotene Aussage i.S.d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG.

Auch wenn die Beklagte mit Werten von 0,6 mg Nikotin und 8 mg Kohlenmonoxid (Kondensat) die Grenzwerte des „Mild-Abkommens" von 1980 nicht überschritten hat, sind diese Aussagen bedenklich. Die vom Rauchen ausgehenden Gefahren der Gesundheitsschädigung werden verharmlost, wenn eine Zigarette in der Werbung als „mild“ bezeichnet wird ohne den Zusatz, dass diese Aussage ausschließlich als geschmacksbezogen zu verstehen ist. Der Zusatz, dass die Zigaretten einen neuen Flow Filter enthalten, genügt insoweit nicht, um eine reine Geschmacksbezogenheit zu begründen. Zwar gibt es kaum einen Raucher, dem die Gefahren des Rauchens gänzlich unbekannt sind. Die Werbung mit „mild“ ist jedoch geeignet, Bedenken gegen das Rauchen zu zerstreuen und den Eindruck zu erwecken, bei einer so beworbenen Zigarette könnten eher als bei anderen die Gesundheitsgefahren vernachlässigt werden. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, „mild“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen im Zusammenhang mit Lebensmitteln bzw. vergleichbaren, vom Verbraucher zu konsumierenden Produkten immer geschmacksbezogen verstanden, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Das Attribut „mild“ führt direkt zur Assoziation mit „harmlos“, was das Rauchen nun einmal nicht ist. Auch die soeben aufgrund der Richtlinie 2014/40/EU in Kraft getretene Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes impliziert eine restriktive Werbung mit dem Begriff „mild“. Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung wird demgemäß gefördert, wenn das Wort „mild“ in der Werbung vom Grundsatz her nicht mehr zur Beschreibung von Zigaretten verwendet wird. Ein Verbot dieser Bezeichnung steht in Einklang damit, dass der menschlichen Gesundheit nach allgemeiner Auffassung besondere Bedeutung zukommt und deshalb strenge Maßstäbe bei der Beurteilung einer Werbung anzulegen sind, die geeignet ist, Gesundheitsgefahren zu verharmlosen (so bereits - wenn auch in der Sache die Frage der Bewerbung mit „mild“ offenlassend BGH, 14.01.1993 - I ZR 301/90, LMRR 1993, 3; s. auch Zipfel/Rathke/Sosnitza, in Zipfel/Rathke 162. EL. 2015, § 22 VTabakG Rn. 12). Hierin liegt sowohl eine Irreführung der Verbraucher als auch eine verbotene Aussage, welche die gesundheitliche Unbedenklichkeit suggeriert.

2. Anders ist die Aussage „L. MIT EXTRA MILDEM GESCHMACK“ zu beurteilen. Die Verwendung des Begriffes „mildem“ ist hier ausdrücklich und ausschließlich geschmacksbezogen zu verstehen. Insofern kann keine Irreführung i.S.d. § 17 Abs. 5 VTabakG angenommen werden, da rauchen - wie die Beklagte treffend ausführt - für viele Menschen durchaus ein Genusserlebnis ist. Ferner ist auch kein Verbot i.S.d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG anzunehmen, da mit der Aussage „L. MIT EXTRA MILDEM GESCHMACK“ keine gesundheitliche Unbedenklichkeit suggeriert wird.

Der Ordnungsmittelausspruch beruht auf § 890 ZPO.

Die prozessualen Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.