BVerfG, 18.03.1953 - 1 BvL 11/51
1. Für die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG genügt es in der Regel, daß vom Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichtes aus die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von der Gültigkeit des von ihm für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes abhängt.
2. Ist der Inhalt für die Rechtsvorschrift einer deutschen Stelle vollständig von der Besatzungsmacht vorgeschrieben oder entspricht die Rechtsvorschrift einer Ermächtigung, die ausdrücklich oder nach Sinn und Zweck von der Beachtung deutschen übergeordneten Rechts entbindet, so werden die der Form nach deutschen Rechtsvorschriften vom Wesen des Besatzungsrechts in gewissem Umfang mitergriffen.
3. Deutsche Rechtsvorschriften, die im Vollzuge einer internen Anordnung der Militärregierung ergangen sind, bleiben trotz Widerspruchs mit dem Grundgesetz zunächst rechtswirksam fortbestehen, bis die Anordnung aufgehoben wird; sie können aber von dem zuständigen deutschen Gesetzgeber gemäß Ziff. 5 des Besatzungsstatuts geändert werden.
4. Die Prüfungszuständigkeit deutscher Gerichte gegenüber den nicht in den Amtsblättern der Besatzungsmächte veröffentlichten Besatzungsanordnungen richtet sich nach Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 13 der AHK. Die Zurückweisung offenkundig unberechtigter Zweifel eines Beteiligten zu einer Inzidentfrage ist keine "Entscheidung" im Sinne dieser Bestimmung.
5. Soweit eine zur Ausführung solcher Besatzungsanordnungen erlassene deutsche Maßnahme sich mit der Weisung deckt oder soweit die deutsche Stelle von der Besatzungsmacht ausdrücklich oder sinngemäß ermächtigt ist, höhere deutsche Normen außer acht zu lassen, ist die deutsche Maßnahme ebenso wie die Anordnung der Nachprüfung durch deutsche Gerichte entzogen.
6. Die Justizfreiheit von Maßnahmen deutscher Instanzen ist nicht davon abhängig, ob auf die besatzungsrechtliche Grundlage Bezug genommen worden ist.
Urteil
des Ersten Senats vom 18. März 1953
- 1 BvL 11/51 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Landesgesetzes von Rheinland-Pfalz über den Wegfall von Kürzungen der Verordnungsbezüge vom 10. März 1950 (GVBl. S. 75) auf Antrag des Oberlandesgerichts in Koblenz in dem Zivilprozeß des Justizinspektors a. D. L. gegen das Land Rheinland-Pfalz - 2 U 64/50 -.
Entscheidungsformel:
Das Landesgesetz von Rheinland-Pfalz über den Wegfall von Kürzungen der Versorgungsbezüge vom 10. März 1950 (GVBl. S. 75) widerspricht nicht dem Grundgesetz, soweit Absatz 2 seines einzigen Paragraphen anordnet, daß für die Zeit vor dem 1. Januar 1950 keine weitergehenden Ansprüche auf Zahlung von Versorgungsbezügen geltend gemacht werden können, als sie in § 2 A der Landesverfügung über die vorläufige Regelung der Zivilbeamtenversorgung vom 20. Januar 1948 zuerkannt sind.
Gründe:
A.
I.
Die Entwicklung des Versorgungsrechts im Gebiet von Rheinland- Pfalz, die durch das hier in Rede stehende Landesgesetz vom 10. März 1950 - Märzgesetz - abgeschlossen worden ist, hat sich in drei Stufen vollzogen:
1946 erhebliche Kürzungen der Versorgungsansprüche durch Anordnung der Oberpräsidenten,
1948 Abbau der Kürzungen durch Landesverfügung,
1950 Fortfall der Kürzungen durch das Märzgesetz.
1. Das Land Rheinland-Pfalz ist durch die Verordnung Nr. 57 des französischen Oberkommandierenden vom 30. August 1946 - Journal Officiel du Commandement en Chef Francais en Allemagne - JO - S. 292 - aus den Verwaltungsgebieten Rheinland-Hessen-Nassau - bestehend aus den ehemals preußischen Regierungsbezirken Koblenz und Trier sowie aus vier Landkreisen der ehemals preußischen Provinz Hessen-Nassau - und Hessen-Pfalz - bestehend aus den früheren hessischen und bayerischen Landesteilen Rheinhessen und Pfalz gebildet worden. Vorher war das Versorgungsrecht in den beiden selbständigen Verwaltungsgebieten gesondert geregelt worden:
a) In Rheinland-Hessen-Nassau galt der Präsidialerlaß - betreffend Regelung der Zivil- und Militärpensionen - des Oberpräsidenten der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau vom 19. März 1946 - Präsidialerlaß - in Verbindung mit der Anordnung der französischen Militärregierung für Rheinland-Hessen-Nassau vom 13. Februar 1946 - Anordnung der Militärregierung - und mit dem Grundlegenden Erlaß des Oberpräsidenten vom 14. März 1946 (sämtlich abgedruckt im Amtsblatt für das Oberpräsidium von Rheinland-Hessen-Nassau und für die Regierung in Koblenz, 1. Jg. Nr. 1 vom 15. April 1946). In diesen Erlassen und Anordnungen ist bestimmt, daß vom 1. Januar 1946 an Zivilpensionen - unbeschadet gewisser Einschränkungen mit Rücksicht auf Entnazifizierung und Wohnsitz - nur nach folgendem Schlüssel zu zahlen seien:
Pensionen bis zu 200 RM (prinzipiell) keine Herabsetzung
Pensionen von 200 - 300 RM (prinzipiell) 25% Herabsetzung
Pensionen von 300 - 400 RM (prinzipiell) 50% Herabsetzung
Pensionen von 400 - 500 RM (prinzipiell) 75% Herabsetzung
Pensionen über 550 RM (prinzipiell) 100% Herabsetzung
Die Anordnung der Militärregierung fährt dann fort:
"Sie werden bemerken, daß nach diesem Schlüssel eine monatliche Pension von 500 RM auf 350 RM zurückgesetzt wird. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Summe von 350 RM als Maximum zu betrachten ist, das keinesfalls zu überschreiten ist. Nur die Zuweisungen für Familienlasten, welche in allen Fällen unbegrenzt gezahlt werden sollen, können noch zugefügt werden.
Sie wollen bitte außerdem den Betreffenden klarmachen, daß die von ihren Pensionen abgezogenen Summen als endgültige Abzüge zu betrachten sind."
b) Für Hessen-Pfalz war durch die Rundverfügung des Oberregierungspräsidenten vom 24. April 1946 - Rundverfügung - (Amtliche Mitteilungen des Oberregierungspräsidiums Hessen- Pfalz 1946 S. 353) eine inhaltsgleiche Regelung erfolgt, jedoch ohne Veröffentlichung oder Erwähnung einer Anordnung der Militärregierung.
2. Etwa eineinhalb Jahre nach der Bildung des Landes Rheinland- Pfalz wurde das Versorgungsrecht durch die von dem Minister der Finanzen unterzeichnete Landesverfügung vom 20. Januar 1948 über die vorläufige Regelung der Zivilbeamtenversorgung (GVBl. S. 171) - Landesverfügung - neu geordnet. Daß ihr eine Weisung der Militärregierung zugrunde gelegen hätte, ist in oder bei der Veröffentlichung der Landesverfügung nicht zum Ausdruck gekommen.
Für das vorliegende Verfahren ist nur § 2 A der Landesverfügung von Belang:
"Die Versorgungsbezüge (einschließlich der Hinterbliebenenversorgungsbezüge) werden nach dem bisherigen Beamtenversorgungsrecht berechnet und festgestellt. Bei der Auszahlung werden folgende Kürzungen einbehalten:
Bei den staatlichen Beamten, welche zuletzt bei einer vom Land übernommenen Verwaltung im Gebiet von Rheinland-Pfalz angestellt waren, und bei deren Hinterbliebenen werden die Versorgungsbezüge um 20 v. H. gekürzt. Versorgungsbezüge bis zur Höhe von monatlich 450 RM werden gekürzt wie folgt:
Teile dieser Bezüge bis zu 200 RM monatlich um 0%
Teile dieser Bezüge von 200-400 RM monatlich um 20%
Teile dieser Bezüge über 400 RM monatlich 100%."
3. Am 10. März 1950 erging schließlich das Märzgesetz. Es lautet:
"Einziger Paragraph
(1) § 2 A, § 3, § 4, § 5 Satz 1 und § 6 Satz 2 der Landesverfügung über die vorläufige Regelung der Zivilbeamtenversorgung vom 20. Januar 1948 (GVBl. S. 171) werden mit Wirkung vom 1. Januar 1950 aufgehoben.
(2) Für die Zeit vor dem 1. Januar 1950 können weitergehende Ansprüche auf Zahlung von Versorgungsbezügen, als sie in der Landesverfügung über die vorläufige Regelung der Zivilbeamtenversorgung vom 20. Januar 1948 zuerkannt sind, nicht geltend gemacht werden."
II.
1. Der Kläger L. - Kläger -, der zuletzt beim Amtsgericht Mayen im Regierungsbezirk Koblenz, also im Bereich des früheren Verwaltungsgebietes Rheinland-Hessen-Nassau beschäftigt war, ist zum 30. April 1949 wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden. Auf Grund der Landesverfügung wurden ihm von den auf 412 DM errechneten Versorgungsbezügen monatlich 52 DM abgezogen. Diesen Abzug hält der Kläger für unberechtigt; er hat deshalb am 8. Oktober 1949 vor dem Landgericht Koblenz gegen das Land auf Nachzahlung eines Teilbetrages von 312 DM geklagt.
2. Das Landgericht Koblenz hat durch Urteil vom 17. März 1950 der Klage mit der Begründung stattgegeben, daß der Kläger Landesbeamter des beklagten Landes gewesen sei, und daß sich § 2 A der Landesverfügung nicht auf Beamte erstrecke, die im Bereich des Landes Rheinland-Pfalz nach dem 8. Mai 1945 als aktive Beamte Dienst getan haben und erst später in den Ruhestand getreten sind, die sogenannten Neupensionäre, sondern nur auf die Reichs- oder Landesbeamten, die bereits in der Zeit vor dem 8. Mai 1945 in den Ruhestand getreten waren, die sogenannten Altpensionäre, und außerdem allgemein auf die Beamten nicht übernommener Verwaltungen.
3. Gegen dieses Urteil hat das Land Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht Koblenz, ist, anders als das Landgericht, der Ansicht, daß die Landesverfügung sich auch auf die Neupensionäre beziehe. Es sieht aber die Landesverfügung als unwirksam an, weil hier der Minister der Finanzen allgemeine Rechtsregeln setze, obgleich das nach Art. 107 der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz (in Kraft getreten am 18. Mai 1947) Aufgabe des Gesetzgebers, d. h. grundsätzlich des Landtages, sei. Auf die Kürzung der Versorgungsbezüge im Jahre 1946 könne nicht zurückgegriffen werden, da diese nur die Altpensionäre betroffen habe. Mindestens sei sie 1948 durch die Ermächtigung der Militärregierung zu einer Neuregelung weggefallen, so daß die Versorgungsbezüge wieder nach dem bis 1945 geltenden Reichsbesoldungsrecht hätten berechnet werden müssen. Es komme hiernach bei der Entscheidung des Prozesses auf die Gültigkeit des Ausschlusses von Nachforderungen im Märzgesetz an.
Das Märzgesetz jedoch wird vom Oberlandesgericht wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3, Art. 71 und Art. 79 GG insoweit für unwirksam gehalten, als es unter Absatz 2 seines einzigen Paragraphen anordnet, daß für die Zeit vor dem 1. Januar 1950 weitergehende Ansprüche, als sie in der Landesverfügung zuerkannt sind, nicht geltend gemacht werden können. Das Oberlandesgericht erblickt in dieser Bestimmung eine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung der Pensionäre im Vergleich zu der Bevölkerung im allgemeinen und zu den aktiven Beamten im besonderen.
Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hat das Oberlandesgericht deshalb durch Beschluß vom 17. November 1950 das Verfahren ausgesetzt und die Prozeßakten zur Entscheidung über die Wirksamkeit des Märzgesetzes dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
III.
Den in den §§ 82, 77 BVerfGG bezeichneten Verfassungsorganen ist ebenso wie den Parteien des Zivilprozesses Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden.
1. Der Kläger hat sich den Ausführungen des Oberlandesgerichts Koblenz zu Art. 3 GG angeschlossen und weiter geltend gemacht, daß das Märzgesetz auch gegen Art. 33 Abs. 5 GG - hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums - und gegen allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze - Trennung der Gewalten und gute Sitten - verstoße.
Die Anordnungen aus den Jahren 1946 und 1948 seien für die Beurteilung des Märzgesetzes ohne Belang, weil sie - unterstellt, daß sie Neupensionäre überhaupt betrafen - keinesfalls die Ansprüche auf die Kürzungsbeträge zum Erlöschen gebracht hätten.
a) Die Anordnungen von 1946 seien schon deshalb unwirksam, weil man bei ihrem Erlaß von der rechtsirrigen Ansicht ausgegangen sei, die früheren Beamten hätten gegen die nach 1945 gebildeten Gebietskörperschaften überhaupt keine Ansprüche.
b) Im übrigen hätten die Anordnungen von 1946 und 1948 nicht den Rang von Gesetzen, sondern nur den Charakter von Verwaltungsverfügungen gehabt, den Anspruch selbst also nicht berührt. Sei dies dem Gericht zweifelhaft, so müsse zunächst eine Entscheidung der Militärregierung über die Auslegung ihrer Weisungen herbeigeführt werden.
c) Präsidialerlaß, Rundverfügung und Landesverfügung müßten nicht nur am Grundgesetz, sondern auch an den Bestimmungen der Weimarer Verfassung über Enteignung und wohlerworbene Beamtenrechte (Art. 153 und 129 Weim. RV) gemessen werden; sie seien - auch wenn gesetzesvertretend - schon wegen Verstoßes gegen diese Bestimmungen jedenfalls seit Erlöschen der Weisungsbefugnis der Militärregierung unwirksam, das heiße spätestens seit Inkrafttreten des Besatzungsstatuts.
d) Betrachte man die Regelungen von 1946 und 1948 als Besatzungsrecht, so sei schließlich den Pensionären jedenfalls ebenso wie den Besatzungsgeschädigten ein Entschädigungsanspruch gegen das Land geblieben, der seiner Höhe nach den Kürzungsbeträgen gleichkomme.
2. Das Land Rheinland-Pfalz ist dem Verfahren beigetreten. Es wendet sich gegen die Rechtsansichten des Oberlandesgerichts und des Klägers und hat insbesondere vorgetragen: die Landesverfügung sei ebenso wie Präsidialerlaß und Rundverfügung auf bindende Weisung der Militärregierung ergangen; von allen drei Anordnungen seien auch die Neupensionäre betroffen worden.
Das Land hält deshalb das Märzgesetz in dem vorgelegten Prozeß nicht für entscheidungserheblich und die Vorlage daher in erster Linie für unzulässig, jedenfalls aber das Märzgesetz für vereinbar mit dem Grundgesetz.
3. Die Bundesregierung hat sich, ohne dem Verfahren beizutreten, schriftsätzlich in ähnlichem Sinne wie das Land zu einigen Rechtsfragen geäußert.
4. Die übrigen Verfassungsorgane von Bund und Land haben angezeigt, daß sie sich an dem Verfahren nicht beteiligen.
IV.
1. In der mündlichen Verhandlung waren das Land und der Kläger vertreten.
2. Das Land hat die Versorgungsakten der folgenden Beamten vorgelegt: 1. Oberwachtmeister Alois D., 2. Hauptwachtmeister Johann B., 3. Justizobersekretär Georg B., 4. Werkmeister Karl B., 5. Reg.-Oberbaurat Ludwig H., 6. Steuersekretär Heinrich B. Die Akten ergeben, daß die Genannten sämtlich erst in der Zeit von April 1946 bis Oktober 1947, also zwischen den Versorgungsregelungen von 1946 und 1948, teils im Gebiet von Rheinland-Hessen-Nassau, teils im Gebiet von Hessen-Pfalz, in den Ruhestand versetzt, und daß ihre Versorgungsbezüge von Anfang an den Kürzungen gemäß Präsidialerlaß und Rundverfügung unterworfen worden sind.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner den vom Land benannten Landrat R. als sachverständigen Zeugen vernommen. Nach seiner Bekundung hat er das Pensionswesen seit dem 1. April 1946 in der Finanzabteilung beim Oberregierungspräsidium Hessen-Pfalz und vom 3. August 1947 bis zum 1. November 1949 im Finanzministerium des Landes Rheinland-Pfalz bearbeitet. Nach der Übernahme auch der Sachen von Rheinland-Hessen-Nassau habe er festgestellt, daß die Rundverfügung und der Präsidialerlaß von 1946 auf einem einheitlichen, bindenden Befehl der Militärregierung in Baden-Baden beruhten. Zutreffend sei, daß Militärregierung und deutsche Stellen eine Rechtspflicht der neuen Gebietsverwaltungen zur Zahlung von Pensionen aus früheren Beamtenverhältnissen zunächst nicht anerkannt hätten. Das ergebe sich aus Verlautbarungen vom 20. August und 14. November 1945. Seit Anfang 1947 habe die Landesregierung mit der Militärregierung über eine Verbesserung der Versorgung verhandelt. Er habe diese Verhandlungen selbst geführt. Die französische Militärregierung habe zunächst die Ermächtigung zu einer neuen Regelung erteilt; als aber die Landesregierung die Kürzungen vollständig habe beseitigen wollen, sei die Militärregierung nicht einverstanden gewesen. Schließlich sei seitens der Militärregierung genau "in die Akten hinein" verbessert worden, wie die maßgebenden Paragraphen zu lauten hätten. Man habe lange um die Formulierung gekämpft und schließlich erst im Januar 1948 die Zustimmung der Militärregierung zu der Landesverfügung erhalten. - Was die Form anlange, so habe eine klare Anordnung dahin vorgelegen, daß die Weisung der Militärregierung im Text nicht erkennbar sein dürfe, die Versorgungsregelung vielmehr als deutsche Maßnahme erscheinen müsse. - Sowohl 1946 als auch 1948 sei von der Militärregierung klar zum Ausdruck gebracht worden, daß Alt- und Neupensionäre in gleicher Weise von den Kürzungen betroffen würden. Das sei nie anders verstanden und nie anders vollzogen worden. - Auch könne kein Zweifel darüber bestehen, daß nicht etwa schon die Ermächtigung zu einer Neuregelung die Aufhebung von Präsidialerlaß und Rundverfügung bewirkt habe, vielmehr hätte die Militärregierung selbstverständlich die Anordnungen von 1946 weitergelten lassen, wenn sich der Finanzminister geweigert hätte, die Landesverfügung zu erlassen. Man habe deshalb auch trotz der Verhandlungen über eine Neuregelung bis Januar 1948 nach den Bestimmungen von 1946 weitergearbeitet und sich gehütet, diese als nicht mehr gültig anzusehen. - Das Märzgesetz sei nach Inkrafttreten des Besatzungsstatuts ergangen, vorher habe das Land nicht handeln können.
B.
I.
1. Bei Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage konnte dahingestellt bleiben, ob zur Zeit des Aussetzungsbeschlusses, d. h. vor rechtlicher oder tatsächlicher Konstituierung des Bundesverfassungsgerichts, das Oberlandesgericht selbst über die Gültigkeit des Märzgesetzes hätte entscheiden oder ob es die Frage dem Landesverfassungsgericht hätte vorlegen dürfen und müssen (siehe hierzu Holtkotten im Bonner Kommentar, Anm. 9 zu Art. 100 GG, S. 162). Da nichts dergleichen geschehen ist, sind jetzt jedenfalls die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG für die Nachprüfung des Märzgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht gegeben.
2. Unzutreffend ist die vom Land vertretene Meinung, die Vorlage müsse schon deshalb als unzulässig verworfen werden, weil das Märzgesetz nach richtiger Rechtsansicht nicht entscheidungserheblich sei.
Für die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG genügt es in der Regel, daß vom Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichtes aus die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von der Gültigkeit des von ihm für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes abhängt. Ob diese Regel eine Ausnahme erleidet, wenn der Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichtes offensichtlich unhaltbar ist, bedarf keiner Erörterung, denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Daß die Prozeßentscheidung nach den vom Oberlandesgericht entwickelten Ansichten von der Gültigkeit des Märzgesetzes abhängt, ist nicht zu bezweifeln. Das Bundesverfassungsgericht hat also bei Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage nicht zu untersuchen, ob die vom Oberlandesgericht zu den Inzidentfragen vertretenen Ansichten zutreffen.
Zwar wird es im Verfahrensrecht allgemein als selbstverständlich angesehen, daß ein Gericht berechtigt und verpflichtet ist, vor der Sachentscheidung die Zulässigkeit der gestellten Anträge in vollem Umfange nachzuprüfen, doch ergibt sich für das Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aus der Natur der Sache die oben dargelegte Einschränkung dieses Prinzips. Die gegenteilige Auffassung würde zu unerträglichen praktischen Ergebnissen führen. Denn dann könnte das Bundesverfassungsgericht eine Sachentscheidung nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht treffen, wenn es seiner Ansicht nach auf die Gültigkeit des angegriffenen Gesetzes bei der Entscheidung des vorlegenden Gerichts nicht ankommt; der vorlegende Richter aber würde ohne die von ihm als notwendig angesehene Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Entscheidung in seinem Verfahren nicht fällen können. Es geht nicht an, dieser Folgerung durch einen Hinweis auf die Bindung des vorlegenden Gerichts an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszuweichen. Denn diese Bindung erstreckt sich nicht auf die zu Inzidentfragen entwickelten Rechtsansichten, die das Bundesverfassungsgericht zur Abweisung eines Antrages aus prozessualen Gründen bestimmen. Eine so umfassende Bindung würde die Freiheit des vorlegenden Gerichts, in dem konkreten Rechtsstreit selbständig gemäß den seiner Überzeugung nach einschlägigen rechtlichen Gesichtspunkten zu urteilen, in einer Weise einengen, die im Grundgesetz keine Stütze findet. Das Bundesverfassungsgericht soll vielmehr nach Sinn und Zweck des Art. 100 Abs. 1 GG nur die vorgelegte Verfassungsfrage auf der Grundlage der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts entscheiden.
3. Es bedarf einer Nachprüfung des Märzgesetzes nur insoweit, als es die in § 2 A der Landesverfügung angeordnete Kürzung der Versorgung der Landesbeamten in Bezug nimmt, denn nur insoweit ist das Märzgesetz für den Rechtsstreit von Bedeutung, wie das Oberlandesgericht selbst zutreffend ausführt. Die übrigen vom Märzgesetz in Bezug genommenen, die Versorgung beschränkenden Bestimmungen der Landesverfügung: widerrufliche und verkürzte Versorgung nicht in den Landesdienst übernommener Beamten, Vorbehalt der politischen Säuberungsmaßnahmen, grundsätzliche Verknüpfung der Versorgung mit dem Wohnsitz im Lande, Gleichstellung der Kommunal- und sonstigen Beamten im Lande mit den Landesbeamten, spielen hier keine Rolle. Sie sind aber auch mit dem § 2 A der Landesverfügung nicht dergestalt verknüpft, daß anzunehmen wäre, das Märzgesetz würde den § 2 A nicht ohne die übrigen Bestimmungen der Landesverfügung bestätigt haben; vielmehr ist die Regelung der Versorgung der Landesbeamten gegenüber den anderen Bestimmungen von durchaus selbständiger Bedeutung, so daß die Bestätigung des § 2 A der Landesverfügung von der Bestätigung der übrigen Bestimmungen unabhängig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich deshalb auf die aus dem Tenor ersichtliche Prüfung beschränkt, zumal auch die Bestimmungen der §§ 82, 78 Satz 2 BVerfGG nicht zu einer weitergehenden Untersuchung nötigen.
II.
1. Der Vorlagebeschluß beruht auf der Ansicht des Oberlandesgerichts, der Kläger als Neupensionär hätte ohne die streitige Bestimmung des Märzgesetzes für die Zeit vor dem 1. Januar 1950 einen Rechtsanspruch auf die vollen Versorgungsbezüge nach dem Reichsbesoldungsgesetz gehabt; er sei daher durch das Märzgesetz um den vorher bestehenden Rechtsanspruch auf Nachzahlung der Kürzungsbeträge gebracht worden. Diese Beeinträchtigung bestehender Rechte wird vom Oberlandesgericht und vom Kläger als Verletzung von Grundrechten und damit als Verstoß gegen das Grundgesetz gewertet. Hätten die Neupensionäre also auch unabhängig von dem Märzgesetz keinen Anspruch auf Nachzahlung der Kürzungsbeträge gehabt, so wäre die Ansicht, das Märzgesetz sei grundgesetzwidrig, schon damit hinfällig; es würde dann nicht in bestehende Rechte eingreifen, sondern es nur bei dem belassen, was ohnehin Rechtens war, nur klarstellen, daß der Gesetzgeber nicht rückwirkend neue Ansprüche gewähren wolle. Das aber schließt notwendig eine Grundrechtsverletzung aus. Der Gesetzgeber ist durch das Grundgesetz nicht verpflichtet, die Folgen von Maßnahmen der Besatzungsmächte, die mit dem Grundgesetz nicht in Einklang stehen, nachträglich auszugleichen, also Zustände der Vergangenheit mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen.
Es ist also für die Entscheidung über die Gültigkeit des Märzgesetzes erheblich, ob die Nachzahlungsansprüche der Pensionäre nicht etwa schon vor Erlaß dieses Gesetzes unbegründet waren. Deshalb ist es geboten, zunächst diese Frage zu untersuchen. Das Gericht ist an dieser Untersuchung nicht durch die oben zu B I 2 angestellten Erwägungen gehindert. Sie gelten nur für die Beurteilung der Zulässigkeit des Verfahrens. Bei der materiellen Beurteilung der vorgelegten Verfassungsfrage hingegen muß das Bundesverfassungsgericht die tragenden Inzidentfragen unabhängig von der Rechtsansicht des vorlegenden Richters prüfen, da die eigene Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von ihnen abhängt (vgl. Beschluß vom 21. Januar 1953 - 1 BvR 520/52).
Vor Erlaß des Märzgesetzes waren die Ansprüche der Pensionäre auf Nachzahlung der Kürzungsbeträge davon abhängig, welche Bedeutung dem Präsidialerlaß und der Rundverfügung von 1946 und der Landesverfügung von 1948 beizumessen ist. Der zeitlichen Entwicklung folgend wird mit der Erörterung des Präsidialerlasses und der Rundverfügung begonnen.
2. Die Ansicht des Oberlandesgerichts, der Präsidialerlaß sei nicht einschlägig, weil er sich nur auf Altpensionäre, nicht auf Neupensionäre wie den Kläger, bezogen habe, hält einer Prüfung nicht stand. Nichts im Wortlaut des Präsidialerlasses spricht für diese Einschränkung. Vielmehr wird - ohne Unterscheidung zwischen Alt- und Neupensionären - allgemein von der Regelung der Zivil- und Militärpensionen gesprochen. Das Oberlandesgericht stützt seine Ansicht vor allem auf die Bestimmung zu 1 b des Präsidialerlasses:
"Es darf nur an die Versorgungsempfänger gezahlt werden, die mit behördlicher Genehmigung in der Provinz Rheinland-Hessen- Nassau wohnen, und zwar auch dann, wenn die Anstellungsbehörde außerhalb der Provinz liegt. Es darf demnach nicht gezahlt werden an Versorgungsberechtigte, deren Anstellungsbehörde zwar in der Provinz Rheinland- Hessen-Nassau liegt, die aber nicht in dieser Provinz wohnen."
Das Oberlandesgericht meint, diese Verknüpfung der Pensionszahlung mit dem Wohnsitz könne sich nur auf Altpensionäre beziehen. Das ist nicht zwingend. Vielmehr entsprach es der damaligen Absonderung der einzelnen Verwaltungsgebiete voneinander, auch Neupensionären die Bezüge zu sperren, wenn sie "außer Landes" zogen.
Die aus dem klaren Wortlaut sich ergebende gleichmäßige Geltung des Präsidialerlasses für Alt- und Neupensionäre wird bekräftigt durch einen Vergleich mit der Regelung in der Rundverfügung für das benachbarte Verwaltungsgebiet Hessen- Pfalz. Die Gleichzeitigkeit der Veröffentlichung beider Anordnungen - 19. März 1946 und 24. April 1946 - und die Übereinstimmung der Kürzungssätze erbringen bereits vollen Beweis dafür, daß Präsidialerlaß und Rundverfügung mittelbar auf die gleiche Weisung der französischen Militärregierung in Baden-Baden zurückgehen. Das wird dadurch bestätigt, daß die unmittelbare Weisung der Militärregierung von Rheinland-Hessen- Nassau offenkundig auf einen höheren Befehl Bezug nimmt, wenn sie eingangs sagt:
"Es ist entschieden worden, mit Wirkung vom 1. Januar 1946 die Regelung der Bezahlung sowohl der Pensionen der Zivil- wie auch der Militärpersonen zu vereinheitlichen und zu erleichtern. Die auf diesem Gebiet festgesetzten neuen Regelungen sind folgende ... "
Auch hat der sachverständige Zeuge unzweideutig bekundet, daß eine zentrale Weisung vorlag. In der Rundverfügung aber werden die gleichen Kürzungen ausdrücklich für Alt- und Neupensionäre angeordnet.
Ferner hat die Beweisaufnahme ergeben, daß der Präsidialerlaß entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts ständig auf Neupensionäre ebenso wie auf Altpensionäre angewandt worden ist. Das Land hat Abschrift eines Schreibens des Präsidenten des Beratenden Finanzausschusses bei der Militärregierung für die französische Besatzungszone vom 30. Januar 1947 vorgelegt (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 5. Dezember 1951). Dort heißt es:
"Im Zusammenhang mit den Erörterungen über die Aufhebung der Pensionshöchstgrenze ist angeregt worden, einen Unterschied in der Behandlung der Altpensionäre und Neupensionäre zu machen. Danach sollen nur die Neupensionäre in den ungekürzten Genuß ihrer Pensionsansprüche kommen."
Diese Anregung - der nicht gefolgt wurde - beweist, daß zur Zeit dieses Schreibens die Neupensionäre nicht im "ungekürzten Genuß" ihrer Pensionsansprüche waren. Dasselbe ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dienstakten von sechs Beamten der beiden Verwaltungsgebiete, die in der maßgebenden Zeit neu-pensioniert worden sind; ihre Versorgungsbezüge sind nur mit den Kürzungen aus Präsidialerlaß und Rundverfügung angewiesen worden.
Endlich hat der sachverständige Zeuge bestätigt, daß nach den eindeutigen Weisungen der Militärregierung die Kürzungsanordnung alle Pensionäre betreffen mußte, und daß dies von den beteiligten deutschen Stellen nie anders verstanden worden ist. Der Präsidialerlaß regelte also - ebenso wie die Rundverfügung - die Versorgungsansprüche von Alt- und Neupensionären.
3. Bei beiden Anordnungen handelte es sich nicht nur - wie der Kläger meint - um vorläufige Zahlungsverbote der Exekutive, die den Versorgungsanspruch nicht berührten, sondern um gesetzesvertretende Rechtsregeln, die den Versorgungsanspruch selbst gestalteten. Mit der Kapitulation und der vollständigen Besetzung ist die oberste Gewalt in Deutschland auf die Besatzungsmächte übergegangen. Diese übten sie teils gemeinsam, teils nach Besatzungszonen getrennt aus. Eine eigenständige deutsche staatsrechtliche Organisation war nicht mehr vorhanden, ist vielmehr erst allmählich neu geschaffen worden. Bis zum Inkrafttreten der Landesverfassungen und des Grundgesetzes wurde die Kompetenz deutscher Stellen zur Gesetzgebung daher durch Organisationsanordnungen der Besatzungsmächte bestimmt.
In Rheinland-Hessen-Nassau überließ der zuständige Delegue Superieur der französischen Militärregierung am 1. März 1946 dem Oberpräsidenten nicht nur die Verwaltung, sondern - vorbehaltlich der Zustimmung der Militärregierung - auch die Gesetzgebung (Grundlegender Erlaß des Oberpräsidenten vom 1. März 1946 §§ 3 ff., Amtsblatt für das Oberpräsidium von Rheinland-Hessen-Nassau 1946 S. 1). Für Hessen-Pfalz war - wie gerichtsbekannt - eine entsprechende, nicht veröffentlichte Regelung erfolgt (vgl. Bericht über Verwaltungsaufbau und öffentliches Recht in Rheinland-Pfalz, DRZ 1947 S. 56 ff.). An der Befugnis der beiden deutschen Stellen zum Erlaß von Rechtsvorschriften mit Gesetzesrang kann also kein Zweifel bestehen (so auch Süsterhenn-Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz S. 480 Anm. 2b zu Art.137). Die Organisationsanordnungen, auf denen diese Befugnis beruht, sind als Besatzungsrecht deutscher Prüfungszuständigkeit entzogen.
Ob es sich bei einer Maßnahme der Oberpräsidenten um eine Rechtsvorschrift oder um eine Verwaltungsvorschrift handelte. kann allerdings im Einzelfall insofern zweifelhaft sein, als Legislative und Exekutive damals in ihrer Hand vereinigt waren. Präsidialerlaß und Rundverfügung aber sind unverkennbar Akte der Gesetzgebung. Dafür spricht schon ihre Veröffentlichung in den maßgebenden amtlichen Mitteilungsblättern und ihre Bezeichnung. Im Verwaltungsgebiet Rheinland-Hessen-Nassau war nämlich die Bezeichnung "Präsidialerlaß" ausdrücklich für die gesetzesvertretenden Anordnungen des Oberpräsidenten vorgesehen (§ 3 des oben zitierten Erlasses vom 1. März 1946); und in Hessen-Pfalz wurden die gesetzesvertretenden Anordnungen als "Rundverfügung" bezeichnet (Bericht über Verwaltungsaufbau..., DRZ 1947 S. 59 Spalte 1). Vor allem aber ergibt sich der Charakter der Anordnungen als Gesetze im materiellen Sinne daraus, daß sie allgemeinverbindliche Rechtsregeln für das Verhältnis der Versorgungsempfänger zum Staat aufstellen. Nur mit einer gesetzlichen Regelung konnte auch dem Sinn und Zweck der Anordnungen genügt werden, einen Ausgleich zwischen der Notlage der Pensionäre und der schwierigen Finanzlage der neuen Gebietskörperschaften herbeizuführen. Mit einem verwaltungsmäßigen vorläufigen Zahlungsverbot, das wachsende Verschuldung der öffentlichen Hand mit sich bringen mußte, wäre solchem Ausgleich nicht gedient gewesen. Endlich schließt der Befehl der Militärregierung, auf den der Präsidialerlaß sich ausdrücklich bezieht und der unmittelbar vor dem Präsidialerlaß im Amtsblatt abgedruckt ist, mit den Worten:
"Sie wollen bitte den Betreffenden klarmachen, daß die von den Pensionen abgezogenen Summen als endgültige Abzüge zu betrachten sind."
Das läßt keinen Zweifel an der Absicht der Militärregierung und des Oberpräsidenten, die Versorgungsverhältnisse endgültig, d. h. bis zu gesetzlicher Neuregelung, zu gestalten. Da die Rundverfügung auf die gleiche zentrale Weisung der französischen Militärregierung in Baden-Baden zurückging wie der Präsidialerlaß, gilt dasselbe für Hessen-Pfalz.
4. Unbeachtlich ist auch die Meinung des Klägers, Präsidialerlaß und Rundverfügung seien unwirksam, weil man seinerzeit von der - seiner Ansicht nach inzwischen als irrig erkannten - Rechtsansicht ausgegangen sei, es bestehe überhaupt kein Versorgungsanspruch; man habe also nichts nehmen, sondern etwas gewähren wollen. Zunächst spricht der Wortlaut der Anordnungen dagegen, daß der Gesetzgeber auch im Jahre 1946 von jener - im Jahre 1945 von ihm vertretenen - Ansicht ausgegangen ist. Die Ausdrücke "Herabsetzung" (Rheinland-Hessen-Nassau) oder "Kürzung" (Hessen-Pfalz) sprechen eher dafür, daß er das Vorhandensein von Versorgungsansprüchen unterstellt hat. Selbst wenn aber der Gesetzgeber durch eine irrige Rechtsansicht zum Erlaß einer Anordnung veranlaßt wird, ist das für ihre Wirksamkeit ohne Belang. Es kommt nur auf die objektive Rechtslage an.
Zusammengefaßt ergibt sich also, daß Präsidialerlaß und Rundverfügung den Versorgungsanspruch auch der Neupensionäre gestaltet und endgültig festgesetzt haben, und daß es sich in beiden Fällen um formell wirksam erlassene Anordnungen mit Gesetzesrang handelt.
5. Die weiteren Einwendungen gegen die Wirksamkeit von Präsidialerlaß und Rundverfügung beruhen auf der Meinung, daß diese Anordnungen inhaltlich gegen übergeordnete Normen des deutschen Rechts - Weimarer Verfassung und Grundgesetz - verstoßen hätten, und daß sie deshalb von Anfang an unwirksam gewesen, jedenfalls aber mit "Fortfall der Weisungsbefugnis der Besatzungsmacht, d. h. spätestens mit Inkrafttreten des Besatzungsstatuts" ipso iure, d. h. ohne neue gesetzgeberische Maßnahme hinfällig geworden seien.
Da der Inhalt beider Anordnungen von der Militärregierung bindend vorgeschrieben war, ergeben sich zunächst die Fragen, ob die Anordnungen als Besatzungsrecht oder als deutsches Recht erlassen worden sind, ob ihr Bestand durch Grundgesetz und Besatzungsstatut berührt worden ist, und ob und inwieweit die Prüfungszuständigkeit deutscher Gerichte gegenüber weisungsgebundenem Recht beschränkt ist.
a) Die Besatzungsmächte haben nicht nur selbst Rechtsvorschriften gesetzt, sondern durch Ermächtigungen, Anregungen, Wünsche und bindende Weisungen an die zuständigen deutschen Behörden die Rechtsentwicklung beeinflußt. Im Text der von deutschen Stellen erlassenen Rechtsvorschriften ist jedoch auf diesen Einfluß häufig nicht hingewiesen. In Rechtsprechung und Wissenschaft ist es teils von der Intensität der Einflußnahme, teils von ihrer Erwähnung im Text der Rechtsvorschrift abhängig gemacht worden, ob eine solche Rechtsvorschrift als deutsches oder als (verdecktes, indirektes) Besatzungsrecht zu charakterisieren sei.
Die Erwähnung im Text ist in anderem Zusammenhang zu erörtern (unten II 5c).
Was die Intensität der Einflußnahme anlangt, so beeinträchtigten Anregungen und Wünsche der Besatzungsmacht sowie Ermächtigungen zur Gestaltung nach freiem Ermessen die freie Willensbildung der deutschen Instanzen nicht; es wird deshalb nirgends bezweifelt, daß es sich in solchen Fällen nicht nur der Form, sondern auch dem Wesen nach um deutsches Recht handelt, daß die Einflußnahme der Besatzungsmacht rechtlich keine Rolle spielt.
War aber der Inhalt für die Rechtsvorschrift einer deutschen Stelle vollständig von der Besatzungsmacht vorgeschrieben, oder entsprach die Rechtsvorschrift einer Ermächtigung, die ausdrücklich oder nach Sinn und Zweck von der Beachtung deutschen übergeordneten Rechts entband, so ergab sich eine eigentümliche Verschränkung der Besatzungsgewalt und der eigenstaatlichen Gewalt mit der Wirkung, daß die der Form nach deutschen Rechtsvorschriften - in wechselndem Maße - vom Wesen des Besatzungsrechts mit ergriffen wurden. Das zeigt sich z. B. bei der Beurteilung ihrer Weitergeltung (Art. 123 ff. GG), bei der Beteiligung der Besatzungsmacht an einer gesetzlichen Änderung (Ziff. 5 des Besatzungsstatuts) und bei der Einschränkung der richterlichen Prüfungszuständigkeit (Gesetz Nr. 13 vom 25. November 1949, ABlAHK S. 54 in Verbindung mit Gesetz Nr. 58, ABlAHK S. 989, und Gesetz Nr. 71, ABlAHK S. 1399). Diese Erscheinung des Teilhabens formell deutschen Rechts an Wesensmerkmalen des Besatzungsrechts hat man - im Zusammenhang mit der richterlichen Prüfungszuständigkeit - durch die Bezeichnung als "verdecktes" oder "indirektes" Besatzungsrecht zu verdeutlichen gesucht. Da die Erscheinung selbst zum größten Teil positivrechtlich geregelt ist, hat der Streit um das "verdeckte Besatzungsrecht" mehr theoretische als praktische Bedeutung. Obwohl der Ausdruck die Lage besonders für die ersten Nachkriegsjahre sehr plastisch wiedergibt, mag es doch zweckmäßig sein, ihn künftig zu vermeiden. Einmal geht man damit terminologischen Schwierigkeiten aus dem Wege, die sonst auftreten, wenn der Einfluß des Besatzungsrechts allmählich schwindet, und dadurch der deutsche Wesensbestandteil einer Norm stärker hervortritt oder allein übrig bleibt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat z. B. ausgesprochen, daß die von den Ministerpräsidenten der amerikanischen Besatzungszone verkündeten Länderratsgesetze ursprünglich Besatzungsrecht gewesen, nach Aufhebung der Proklamationen Nr. 2 und Nr. 4 aber, d. h. seit dem 21. September 1949, deutsches Recht geworden seien (VGHE NF Bd. 2 II S. 143 [S. 158] und VGHE NF Bd. 5 II S. 103 [113]). Auch liegt es im Interesse einer einheitlichen Rechtssprache, den Ausdruck "verdecktes Besatzungsrecht" nicht mehr zu gebrauchen. So waren die am 22./23. Oktober 1949 in Weinheim tagenden deutschen Juristen aus Praxis und Wissenschaft einmütig der Ansicht, daß für die Bezeichnung einer Norm als deutsches Recht nur der formelle Erlaß durch eine deutsche Stelle maßgebend sein könne (Bd. 1 der Schriftenreihe des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten in Frankfurt am Main und Vermerk über die Weinheimer Tagung von Ernst Wolff in DRZ 1950 S. 6). Vor allem aber ist das die Terminologie des Besatzungsstatuts. Es behandelt in Ziff. 4 gesetzliche Maßnahmen auf den vorbehaltenen Gebieten, in Ziff. 5 die Änderung deutschen Rechts im allgemeinen, und in Ziff. 7 trifft es besondere Bestimmungen für die Ablösung oder Fortgeltung von "Rechtsvorschriften, die von den Besatzungsbehörden... erlassen worden sind". Die Praxis beweist, daß Ziff. 7 lediglich auf das unmittelbar von den Besatzungsbehörden geschaffene Recht Anwendung findet, während die Ablösung auch der auf Ermächtigung oder Weisung beruhenden gesetzgeberischen Maßnahmen deutscher Stellen nach Ziff. 5 des Besatzungsstatuts erfolgt. Das Märzgesetz, das die bindend angeordneten Kürzungen der Versorgung beseitigt, ist dafür das nächstliegende Beispiel.
Präsidialerlaß und Rundverfügung sind demnach, jedenfalls im Sinne des Besatzungsstatuts, deutsches Recht.
Damit ist jedoch nicht gesagt, daß sie der unbeschränkten Disposition des deutschen Gesetzgebers und der unbeschränkten Überprüfung durch deutsche Gerichte unterliegen. Der Einleitungssatz des Besatzungsstatuts beginnt mit den Worten: "In Ausübung der ... beibehaltenen obersten Gewalt"; die gesamte deutsche Rechtsordnung bleibt also vom Besatzungsrecht überlagert; auch das Grundgesetz ist nicht "besatzungsfest", sondern durch die im Besatzungsstatut verfaßte Besatzungshoheit begrenzt.
b) Was die Rechtsetzung anlangt, so ist sie für die in Ziff. 2 des Besatzungsstatuts aufgezählten vorbehaltenen Gebiete an das in Ziff. 4 vorgeschriebene besondere Verfahren gebunden. Doch kann diese Bestimmung hier außer Betracht bleiben, und die Frage, ob die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht unter Ziff. 2 h der vorbehaltenen Gebiete hätte subsumiert werden können, bedarf keiner Erörterung. Denn die Aufhebung der Kürzungen durch das Märzgesetz unter Beobachtung des Verfahrens nach Ziff. 5 (Änderung deutschen Rechts im allgemeinen), nicht 4 (Änderung auf den vorbehaltenen Gebieten) des Besatzungsstatuts beweist, daß die Besatzungsmacht und das Land übereinstimmend die Versorgungsregelung zu dieser Zeit nicht den vorbehaltenen Gebieten zugerechnet haben.
Von den vorbehaltenen Gebieten abgesehen, ist die Rechtsetzung dem deutschen Gesetzgeber grundsätzlich überlassen. Diese Regelung ist aber praktisch überlagert durch das Vetorecht der Besatzungsbehörden aus Ziff. 5 des Besatzungsstatuts. Nach der bei Erlaß des Märzgesetzes maßgebenden Fassung dieser Bestimmung konnten die Besatzungsbehörden jedes vom Bundesgesetzgeber oder von einem Landesgesetzgeber erlassene Gesetz binnen 21 Tagen beanstanden, wenn es nach ihrer Auffassung "mit dem Grundgesetz, einer Länderverfassung, mit Rechtsvorschriften oder sonstigen Anordnungen der Besatzungsbehörden selbst oder mit Bestimmungen dieses Statuts unvereinbar ... " war. Daß mit den "sonstigen Anordnungen" nicht nur publizierte Anordnungen gemeint waren, erhellt schon aus der Gegenüberstellung von Anordnungen und Rechtsvorschriften; und es wird dadurch bestätigt, daß die Besatzungsmächte nach Ziff. 8 des Besatzungsstatuts "ihre Entscheidungen entweder unmittelbar oder durch Weisungen an die zuständigen deutschen Behörden" bewirken können.
Da Präsidialerlaß und Rundverfügung auf Anordnungen der Besatzungsbehörden beruhten, unterlagen sie auch nach dem Besatzungsstatut nicht der freien Disposition des deutschen Gesetzgebers. Solange aber weisungsgebundenes Recht durch Besatzungsrecht der unbeschränkten Disposition des deutschen Gesetzgebers entzogen blieb, konnte es auch durch das Grundgesetz nicht unwirksam werden.
In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist allerdings teilweise die entgegengesetzte Ansicht vertreten worden - auf die sich der Kläger beruft -, daß nämlich solches Recht nur fortgelte, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht (vgl. z.B. Holtkotten im Bonner Kommentar zu Art. 123 GG, Anm. II 3, S. 5). Die Ansicht beruht auf der Annahme, die Besatzungsmächte hätten in Bezug auf das von deutschen Organen gesetzte Recht durch die Genehmigung des Grundgesetzes ganz allgemein dessen alleinige Maßgeblichkeit anerkannt. Diese Annahme aber ist für weisungsgebundenes Recht irrig, da - wie oben dargelegt - die Entscheidung über Rechtsänderungen, die mit Anordnungen der Besatzungsmächte unvereinbar sind, ohne Rücksicht auf den Gegenstand der Anordnung den Besatzungsmächten vorbehalten ist (vgl. dazu auch Gesetz Nr.71 der Alliierten Hohen Kommission, ABlAHK S. 1399 und die Ausführungen unten zu c). Zutreffend ist hiernach die Auffassung, daß deutsche Rechtsvorschriften, die im Vollzuge einer internen Anordnung der Militärregierung ergangen sind, auch falls sie dem Grundgesetz widersprechen, zunächst rechtswirksam fortbestehen, bis die Anordnung aufgehoben wird, daß sie aber von dem zuständigen deutschen Gesetzgeber gemäß Ziff. 5 des Besatzungsstatuts geändert werden können (so z. B. Maunz, Deutsches Staatsrecht, 1951, S. 63).
Waren hiernach Präsidialerlaß und Rundverfügung auch nach Inkrafttreten des Besatzungsstatuts, das den Einfluß des Besatzungsrechts einschränkte, nicht am Grundgesetz meßbar, so folgt daraus ohne weiteres, daß ihre Wirksamkeit auch vorher unabhängig von übergeordnetem deutschen Recht gewesen ist.
c) Was die Rechtsprechung anlangt, so ist sie zwar nicht weisungsgebunden; doch zeigt sich hier die Überlagerung des deutschen Rechts durch Besatzungsrecht in Zuständigkeitsbeschränkungen der deutschen Gerichte und in dem Evokationsrecht der Besatzungsmächte - gegenwärtig grundlegend geregelt in Gesetz Nr. 13 vom 25. November 1949 über die Gerichtsbarkeit auf den vorbehaltenen Gebieten, ABlAHK S. 54, in Verbindung mit Ziff. 2 e des Besatzungsstatuts. Hier ist allein Art. 3 des Gesetzes Nr. 13 in Betracht zu ziehen:
"1. Kein deutsches Gericht darf eine Entscheidung fällen, welche die Gültigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Gesetzes, einer Verordnung, Richtlinie, Entscheidung oder Anordnung verneint, die durch die Besatzungsbehörden oder eine von ihnen abgelöste Behörde veröffentlicht worden ist.
2. Wenn über das Bestehen, den Inhalt, die Rechtsgültigkeit oder den Zweck einer Anordnung der Besatzungsbehörden oder der Besatzungsstreitkräfte ... zu entscheiden ist, haben die damit befaßten deutschen Behörden das Verfahren sogleich auszusetzen und die Frage an die Besatzungsbehörden zu überweisen ... "
Ob die Weisung der Militärregierung zum Erlaß von Präsidialerlaß und Rundverfügung unter Absatz 1 oder Absatz 2 fällt, ist durch Auslegung zu ermitteln, die den Gerichten nach allgemeiner und zutreffender Anschauung auch gegenüber Besatzungsvorschriften nicht verwehrt ist.
In der deutschen Rechtsliteratur besteht im wesentlichen darüber Einhelligkeit, daß durch Abs. 1 den deutschen Gerichten nur verwehrt ist, eine von den Besatzungsmächten selbst in den dafür bestimmten amtlichen Blättern veröffentlichte Vorschrift als ungültig zu behandeln (vgl. v. Schmoller-Maier-Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts § 38 S. 34). Daß diese Auslegung auch der Ansicht der Besatzungsmächte entspricht, ergibt sich aus dem Bescheid des französischen Hohen Kommissars vom 3. Mai 1950, abgedruckt in AöR 76, 218 ff. (Der Bescheid befaßt sich mit einer Weisung der Militärregierung des Landes Baden an den Badischen Staatspräsidenten zum Erlaß einer Verordnung; und diese Weisung wird in dem Bescheid unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den zweiten Absatz des Art. 3 des Gesetzes Nr. 13 als verbindliche Rechtsgrundlage der badischen Verordnung bezeichnet.)
Da die Weisung der Militärregierung zum Erlaß von Präsidialerlaß und Rundverfügung nicht in der für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 erforderlichen Form veröffentlicht ist, kann sie nur unter Art. 3 Abs. 2 fallen.
Er bleibt auch maßgebend, obwohl die Materie der Weisung - das Versorgungsrecht -, wie oben dargelegt, jetzt nicht mehr zu den vorbehaltenen Gebieten gehört. Auf deutscher Seite bestand anfänglich die Neigung, Art. 3 Abs. 2 dahin auszulegen, daß interne Weisungen der früheren Militärregierungen an deutsche Instanzen nur dann von dieser Bestimmung erfaßt wurden, wenn die geregelte Materie im Besatzungsstatut vorbehalten ist (vgl. z. B. Grewe, AöR 76, 225, mit weiteren Hinweisen). Doch sind die Besatzungsmächte einer solchen Deutung in Gesetz Nr. 71 (ABlAHK S. 1399) mit authentischer Interpretation entgegengetreten:
" ... Der in Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 13 (abgeänderte Fassung) gebrauchte Ausdruck "eine Anordnung der Besatzungsbehörden oder Besatzungsstreitkräfte oder einer von ihnen abgelösten Behörde" bedeutet jede derartige Anordnung, ohne Rücksicht darauf, ob der Gegenstand derselben zu den vorbehaltenen Gebieten gehört."
Zur Begründung wird angeführt, "daß eine derartige Entscheidung selbst zu den vorbehaltenen Gebieten gehört".
Dem Wortlaut nach entzieht Art. 3 Abs. 2 allerdings nur die Anordnungen der Militärregierung, nicht die darauf gegründeten Maßnahmen deutscher Instanzen der richterlichen Prüfungszuständigkeit, und es ist geboten, zwischen der besatzungsrechtlichen Weisung und ihrer Ausführung durch deutsche Instanzen zu unterscheiden; denn die Weisung ist schlechthin exemt, die Ausführung hingegen ist als deutsche Maßnahme nicht allgemein der Nachprüfung durch deutsche Gerichte entzogen, sondern nur soweit sie sich mit der Weisung deckt oder soweit die deutsche Stelle im besonderen Falle von der Besatzungsmacht ausdrücklich oder sinngemäß ermächtigt ist, höhere deutsche Normen außer acht zu lassen. In diesem Umfang aber folgt eines zwingend aus dem anderen: denn die Exemtion einer Weisung oder Ermächtigung hätte keinen Sinn, wenn ihre Ausführung nicht daran teil hätte. Die Begrenzung der Prüfungszuständigkeit gegenüber formell deutschen Anordnungen, die auf Grund von Weisungen oder besonderen Ermächtigungen ergangen sind, ergibt sich aus den gleichen Erwägungen, die dazu führen, die auf Organisationsvorschriften einer Besatzungsmacht beruhende Rechtsetzungskompetenz deutscher Stellen ohne richterliche Nachprüfung als gegeben hinzunehmen: beides hat seine Grundlage nicht im deutschen, sondern im Besatzungsrecht.
Demgemäß haben die Gerichte jedenfalls in den bezeichneten Grenzen (deutsche Gesetzgebungszuständigkeit auf Grund von Besatzungsvorschriften sowie inhaltlich weisungsgebundenes und auf besonderer Ermächtigung beruhendes Recht) ihre Prüfungszuständigkeit auch gegenüber Maßnahmen eigenstaatlicher Instanzen im Ergebnis einheitlich verneint, wenn auch teilweise mit verschiedener Begründung und in noch weiterem Umfang als hier angenommen.
Zum Beispiel: Bay. VerfGH, Entsch. vom 12. April 1948, VGHE NF 1 II, 34, Entsch. vom 9. Juni 1949, VGHE NF 2 II, 33, und Entsch. vom 13. Februar 1952, DÖV 1952, 373;
Bad. StGH, Entsch. vom 27. November 1948, SJZ 1949, 215, Entsch. vom 31. August 1949, VerwRspr 2, 129, und mehrere im AöR 75, 477 ff. abgedruckte Entscheidungen;
Hess. StGH, Beschl. vom 24. Juni 1949, SJZ 1949, 715;
ebenso in entsprechender Lage:
Höchstes Gericht von Norwegen, Urt. vom 10. Februar 1941, ZAuslÖffR 1942, 599, und
Hoher Rat der Niederlande, Urt. vom 12. Januar 1942, ebenda S.592.
Auch die vom Kläger zur Rechtfertigung seiner abweichenden Ansicht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 1952 - GSZ 1/52 -, BGHZ 6, 208 ff., besagt nichts anderes. Dort wird zwar eine auf Grund einer Ermächtigung der Besatzungsmacht erlassene deutsche Norm an übergeordnetem deutschem Recht gemessen; doch wird das ausdrücklich damit begründet, daß die Ermächtigung von der Bindung an übergeordnetes deutsches Recht nicht habe freistellen wollen, die Ermächtigung also überschritten sei.
Zu Unrecht ist an dieser Selbstbeschränkung der Gerichte gelegentlich Kritik geübt worden (vgl. insbesondere Schneider zu den Urteilen des Badischen Staatsgerichtshofs in AöR 75, 494 ff. und Dehler in SJZ 1949, 212 zum Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 12.April 1948, abgedruckt in VGHE NF 1 II, 34).
Die Kritik wird vor allem damit begründet, daß die Gerichte zwar Besatzungsanordnungen nicht nachzuprüfen hätten, daß ihnen aber freistehe zu entscheiden, ob eine Vorschrift überhaupt als Besatzungsanordnung anzusehen sei. Dabei wird jedoch übersehen, daß die Charakterisierung als deutsche oder als Besatzungsanordnung für die Grenzen der richterlichen Prüfungszuständigkeit nicht schlechthin maßgebend ist, weil die deutsche Maßnahme in dem oben erörterten Umfang an der Justizfreiheit der Weisung teil hat.
Ebenso geht die Kritik fehl, wenn sie die Justizfreiheit von Maßnahmen deutscher Instanzen davon abhängig machen will, ob auf die besatzungsrechtliche Grundlage Bezug genommen ist oder nicht, weil "ein Befehl der Militärregierung erst dann Allgemeinverbindlichkeit erlangt, wenn er veröffentlicht oder doch allen denen zur Kenntnis gebracht worden ist, von denen Gehorsam erwartet wird" (so Schneider a.a.O.). Dieses Argument beruht darauf, daß zwischen der deutschen Maßnahme und ihrer besatzungsrechtlichen Grundlage nicht scharf genug unterschieden wird. Die deutsche Maßnahme wird gewiß erst mit ihrer Veröffentlichung wirksam. Die Wirksamkeit der besatzungsrechtlichen Anordnung aber ist davon unabhängig, wie Gesetz Nr. 13 Art. 3 Abs. 2, Gesetz Nr. 71 sowie Ziff. 8 des Besatzungsstatuts klarstellen. Ist jedoch die Prüfungszuständigkeit auch gegenüber nicht publizierten Anordnungen der Besatzungsmacht versagt, so kann die Publikation für die Prüfungszuständigkeit nicht rechtserheblich sein. An deutschen Anschauungen über die Publizität der Rechtsgrundlagen einer Anordnung können diese besatzungsrechtlichen Vorschriften nicht gemessen werden. (Ähnlicher Gedankengang: Oberster Gerichtshof für die Britische Zone im Urteil vom 1. Juli 1948, OGHZ 1, 87, und Badischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 27. November 1948, SJZ 1949, 215.) Es hieße außerdem an der Wirklichkeit vorbeigehen, wollte man der Bezugnahme auf die Besatzungsanordnung eine entscheidende Bedeutung beimessen. Auch in dieser Beziehung kann die Besatzungsmacht von der deutschen Rechtsübung abweichende Vorschriften treffen. Es ist gerichtsbekannt, daß es vielfach von der persönlichen Ansicht des zuständigen Offiziers, d. h. vom Zufall abhing, ob eine solche Bezugnahme erlaubt oder untersagt wurde. Präsidialerlaß und Rundverfügung sind ein typisches Beispiel dafür. Obwohl beide auf der gleichen zentralen Weisung der Militärregierung in Baden-Baden beruhen, ist diese Weisung dem Präsidialerlaß wörtlich vorangedruckt, während in der Rundverfügung jeder Hinweis auf die Besatzungsanweisung fehlt.
Daß nur die in der Rechtsprechung geübte Beschränkung der Prüfungszuständigkeit den Tatsachen gerecht wird, erhellt z.B. aus dem bereits zitierten Bescheid des französischen Hohen Kommissars vom 3. Mai 1950: Obwohl er sich dem Wortlaut nach nur mit der Bindung aller deutschen Behörden an die Weisung der Militärregierung befaßt, läßt der Sinn des Bescheides keinen Zweifel daran, daß diese Bindung sich auch auf die der Weisung gemäß erlassene deutsche Verordnung erstreckt.
Da die hier allein streitigen Kürzungen der Versorgungsbezüge in Präsidialerlaß und Rundverfügung genau der Weisung der französischen Besatzungsmacht entsprechen, folgt aus dem Gesagten, daß beide Anordnungen, soweit sie die Versorgungsbezüge kürzen, ebenso wie die Weisung selbst deutscher Prüfungszuständigkeit entzogen sind. Es kann also gar nicht zu der Prüfung kommen, ob sie, wie der Kläger annimmt, übergeordnetem deutschem Recht widersprechen oder ob, zumal angesichts der Notlage des Landes und großer Teile der Bevölkerung, auch unabhängig vom Besatzungsrecht gleiche Maßnahmen erlaubt gewesen wären.
6. Der vom Kläger angeregten Aussetzung des Verfahrens und der Überweisung an die Besatzungsbehörde bedarf es nicht. Zwar ist eine solche Vorlage nach Gesetz Nr. 13 Art. 3 Abs. 2 nicht nur erforderlich, wenn die Anordnung der Besatzungsmacht unmittelbar Gegenstand der Entscheidung ist, sondern auch, wenn es sich, wie hier, um eine Vorfrage handelt, die nicht dahingestellt bleiben kann. Auch ist die Vorlage nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht nur geboten, wenn das Gericht die Rechtsgültigkeit einer Anordnung der Besatzungsmacht verneinen, sondern auch, wenn es sie bejahen will. Doch ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, daß die Bestimmung der Sicherung besatzungsrechtlicher Maßnahmen dienen soll und daß es sich jedenfalls um eine echte Entscheidung über eine Zweifelsfrage handeln muß. Daher bedarf es nach Art. 3 Abs.2 der Vorlegung dann nicht, wenn das Gericht seiner Entscheidung eine Anordnung der Besatzungsmacht zugrunde legen will, über deren "Bestehen, Inhalt, Rechtsgültigkeit oder Zweck" es keine Zweifel hat. So aber liegt der Fall hier: Bestehen, Inhalt und Rechtsgültigkeit der Weisung ergeben sich eindeutig aus der dem Präsidialerlaß vorangeschickten Veröffentlichung. Das gleiche aber gilt, wie oben zu B II 3 dargelegt, für den Zweck und die Tragweite der Weisung. Die Zweifel des Klägers an dieser Tragweite werden durch den klaren Wortlaut und Sinn der Weisung widerlegt. Die Zurückweisung offenkundig unberechtigter Zweifel eines Beteiligten zu einer Inzidentfrage ist aber keine Entscheidung im Sinne von Gesetz Nr. 13 Art. 3 Abs. 2. Andernfalls würden zahlreiche Prozesse mit völlig abwegigen Erwägungen verzögert und die Besatzungsmächte mit überflüssigen Vorlagen überschüttet werden.
Demnach sind Präsidialerlaß und Rundverfügung bis zum Inkrafttreten des Märzgesetzes für die Berechnung der Versorgungsbezuge maßgebend gewesen, wenn sie nicht durch die Neuregelung des Versorgungsrechts in der Landesverfügung von 1948 oder durch die ihr zugrunde liegende Ermächtigung zur Neuregelung aufgehoben worden sind.
7. a) Das Bundesverfassungsgericht ist überzeugt, daß die Besatzungsmacht die Kürzungen ihrer Höhe nach auch für die Landesverfügung bindend vorgeschrieben hat; das ergibt sich aus der Aussage des Zeugen R. und daraus, daß die Sätze in allen Ländern der französischen Besatzungszone weitgehend übereinstimmen:
Für Baden Landesverfügung vom 23. Juni 1947 (GVBl. S. 193), für Württemberg-Hohenzollern Gesetz vom 22. Januar 1948 (RegBl. S. 35),
für Rheinland-Pfalz die hier streitige Landesverfügung vom 20. Januar 1948 (GVBl. S. 171).
Inhaltlich ist die Landesverfügung deshalb in demselben Maße justizfrei wie Präsidialerlaß und Rundverfügung.
Doch gilt nicht das gleiche für ihr Zustandekommen. Anders als bei der Entstehung von Präsidialerlaß und Rundverfügung war beim Erlaß der Landesverfügung die Gesetzgebung durch Art. 107 der Landesverfassung dem Landtage zugewiesen. Materielles Recht zu setzen, wie die Landesverfügung es enthält, war daher der Landesregierung nach deutschem Verfassungsrecht versagt. Dieses war jedoch damals in noch stärkerem Maße vom Besatzungsrecht überlagert als seit dem Erlaß des Besatzungsstatuts. Maßgebend war in der französischen Besatzungszone die Verordnung Nr. 95 vom 9. Juni 1947 (JO S. 783) in Verbindung mit der Verfügung Nr. 218 vom 10. Juni 1947 (JO S. 796).
In Art. 3 der Verordnung Nr. 95 hatte sich der Commandant en Chef die Gesetzgebungsgewalt "für diejenigen Gebiete der Wirtschaft vorbehalten, auf denen eine Anpassung der Länder aneinander geboten erschien": und in Art. 1 der Verfügung Nr. 218 wurden die "Schulden des früheren Reiches" zu den vorbehaltenen Gebieten gezählt. Ob hiernach die Regelung der Versorgungsbezüge seinerzeit zu den vorbehaltenen Gebieten gehörte, ist zweifelhaft. Dafür spricht, daß nicht nur die Versorgungsansprüche der Altpensionäre zu einem großen Teil Reichsschulden darstellten, sondern daß auch die Pensionsansprüche der Neupensionäre in erheblichem Maße auf die dem Reich geleistete Dienstzeit gestützt wurden. Dafür spricht ferner, daß die Verhandlungen über die Gestaltung der Versorgungsbezüge nicht unmittelbar von den einzelnen Ländern, sondern von dem aus Vertretern aller Länder zusammengesetzten Beratenden Finanzausschuß in Speyer geführt worden sind (vgl. den bereits oben II, 2 zitierten Brief des Präsidenten dieses Ausschusses vom 30. Januar 1947) und schließlich die tatsächlich erzielte, weitgehende "Anpassung der Länder". Dagegen spricht, daß die Versorgungspflicht gegenüber den Neupensionären niemals im üblichen Wortsinne zu den "Schulden des Reiches" gehört hat und daß man das Versorgungsrecht allgemein nicht den "Gebieten der Wirtschaft" zuzurechnen pflegt.
Zweifelhaft ist ferner, ob die französische Militärregierung auf Grund ihrer vorbehaltenen Gesetzgebungsgewalt die Landesregierung - außerhalb der Verfassung - zum Erlaß der Landesverfügung ausdrücklich ermächtigt hat oder ob aus Sinn und Zweck der erteilten Weisung jedenfalls eine Ermächtigung der Landesregierung folgt, ohne das Parlament Recht zu setzen. Dafür spricht, daß es sich um eine Minderung der früheren, auf klarer Besatzungsweisung beruhenden Regelung handelte, es also nahelag, die Änderung auf dem entsprechenden Wege anzuordnen. Dafür spricht weiter, daß in zwei von den drei Ländern der französischen Besatzungszone die Regelung tatsächlich durch Landesverfügung erfolgt ist, daß man möglicherweise eine Debatte im Parlament für unerwünscht hielt, und endlich, daß der Zeuge R. gesagt hat, die Weisung der Militärregierung sei dahin gegangen, ihre Einflußnahme im Text nicht erkennbar zu machen, die Versorgungsregelung vielmehr durch deutsche Anordnung zu treffen.
Immerhin könnte diese Aussage auch dahin gedeutet werden, daß es der Militärregierung nur darum zu tun war, die Versorgung von einer deutschen Stelle regeln zu lassen, während die Weisung im Hinblick auf die Form der deutschen Maßnahme (Landesverfügung oder Gesetz) indifferent war. Für diese Deutung spricht, daß das Land Württemberg-Hohenzollern die Versorgung auf dem verfassungsmäßigen Wege der Gesetzgebung geregelt hat.
Beide Zweifelsfragen: die der Zurechnung des Versorgungsrechts zu den vorbehaltenen Gebieten und die des Sinnes und Zweckes der Ermächtigung hinsichtlich der Form der Rechtsetzung, könnten nur durch eine Vorlage bei der Besatzungsmacht geklärt werden. Einer solchen Vorlage bedarf es jedoch nicht, da die Frage, ob die Versorgungsberechtigten bis zum Erlaß des Märzgesetzes mehr fordern konnten als die Landesverfügung zubilligt, von der Gültigkeit der Landesverfügung unabhängig ist: War sie gültig, so konnten die Pensionäre deshalb keine weitergehenden Ansprüche stellen; war sie ungültig, so blieb es bei der im Präsidialerlaß und in der Rundverfügung getroffenen Regelung, die den Pensionären noch ungünstiger war.
b) Zu Unrecht nimmt das Oberlandesgericht an, daß Präsidialerlaß und Rundverfügung von 1946 auch bei Unwirksamkeit der Landesverfügung weggefallen wären. Die Landesverfügung enthält keine ausdrückliche Aufhebung der früheren Kürzungsanordnungen. Diese wären vielmehr bei Gültigkeit der Landesverfügung ohne weiteres gegenstandslos geworden, weil bei gleicher Materie stets das jüngere Recht dem älteren vorgeht. War die in der Landesverfügung getroffene Neuregelung jedoch unwirksam, so konnte sie auch die Aufhebung des älteren Rechts nicht bewirken. Beides kann nicht auseinandergerissen werden; denn der Fortfall des älteren Rechts ist nichts als die Folge der Neuregelung. Dies Ergebnis entspricht auch allein dem Sinn der Landesverfügung und der Absicht der Militärregierung. Ziel der Landesverfügung war, die Pensionsansprüche in für den Staat tragbaren Grenzen zu halten. Daraus folgt, daß ein völliger Wegfall der 1946 angeordneten Kürzungen von der Militärregierung keinesfalls bewilligt worden wäre. Es bedurfte also kaum noch der Erklärung des Zeugen, daß es ohne die Neuregelung in der Landesverfügung bei den 1946 bestimmten Versorgungssätzen geblieben wäre.
Die Neupensionäre des Landes hatten hiernach bis zum Erlaß des Märzgesetzes in keinem Falle höhere Versorgungsansprüche als in der Landesverfügung zugebilligt.
8. Der Kläger hat schließlich ausgeführt, daß ihm bei Rechtswirksamkeit der Kürzungen jedenfalls gegen das Land ein Entschädigungsanspruch in Höhe der Kürzungen zugestanden habe, um den er erst durch das Märzgesetz gebracht worden sei. Daß diese Ausführungen unrichtig sind, ergibt sich schon daraus, daß eine Entschädigung in Höhe der Kürzungen keinen anderen Zweck und keine andere Wirkung haben würde, als den Kürzungsanordnungen die Bedeutung zu nehmen, die sie nach dem Willen der Besatzungsmacht und der rechtsetzenden deutschen Instanzen haben sollten.
9. Das Märzgesetz hat es hiernach, was die Wirksamkeit der Kürzungen für die zurückliegende Zeit anlangt, nur bei der bestehenden Rechtslage belassen. Damit entfällt die rechtliche Möglichkeit, daß diese Bestimmung wegen Verletzung von Grundrechten der Beamten verfassungswidrig sein könnte. Es war deshalb, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Ausführungen des Oberlandesgerichts und des Klägers bedurft hätte, festzustellen, daß die zu prüfende Bestimmung dem Grundgesetz nicht widerspricht.