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BVerfG, 23.02.1956 - 1 BvL 28/55, 1 BvL 49/55

Daten
Fall: 
Enteignungsverfahren
Fundstellen: 
BVerfGE 4, 387; NJW 1956, 625; DVBl 1956, 297; DÖV 1956, 676
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
23.02.1956
Aktenzeichen: 
1 BvL 28/55, 1 BvL 49/55
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • OLG Bremen - BU 18/55
  • LG Hamburg, 19.04.1955 - 10 O 221/54

1. Es gibt weder ein verfassungsrechtlich gesichertes Entscheidungsmonopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlich-rechtlichen Fragen schlechthin, noch gerade für den Streit um Zulässigkeit und Umfang einer Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG.
2. Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG gewährleistet nicht die Zweispurigkeit des Enteignungsverfahrens.
3. Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG gebietet die Zuweisung des Streites über die Enteignungsentschädigung an die allgemeinen ordentlichen Zivilgerichte, schließt also die Zuweisung an besondere Gerichte aus. Er gebietet jedoch nicht die ausschließliche Anwendung der allgemeinen für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Bestimmungenüber die Besetzung der Spruchkörper und das Verfahren.
4. Durch die Heranziehung zweier Verwaltungsrichter als Beisitzer wird das Gebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG jedenfalls dann nicht umgangen, wenn durch Vorsitz und Zahl das Übergewicht der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit gewahrt ist.
5. Der Verzicht auf eine zweite Tatsacheninstanz im Baulandbeschaffungsgesetz ist angesichts der dem Gerichtsverfahren vorgeschalteten umfassenden Tatsachenprüfung und angesichts der Zulässigkeit einer Revision sachgerecht; er verletzt keinen in der Zivilprozeßordnung verwirklichten allgemeinen Rechtsgedanken und infolgedessen auch nicht Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 23. Februar 1956
– 1 BvL 28/55, 49/55 –
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Vierten Abschnitts des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 3. August 1953 (BGBl. I S. 720) auf Antrag des Landgerichts Hamburg, Kammer für Baulandsachen, in dem Rechtsstreit St. Nachlaß, Testamentsvollstrecker Sch. und M. gegen F. – 10. 0. 221/54 – und des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, Senat für Baulandsachen, in dem Rechtsstreit "GEWOBA", Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH., gegen L. – BU 19/55 –.

Entscheidungsformel:

Der Vierte Abschnitt – §§ 32 bis 44 – des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 3. August 1953 (BGBl. I S. 720) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

A.

Nach dem Krieg reichte das freiwillige Angebot an Bauland nicht aus, um für Millionen von Menschen, die durch Zerstörung von Dörfern und Städten ihre Heime verloren hatten, und für Millionen von Umsiedlern und Flüchtlingen die notwendigen neuen Häuser und Wohnungen zu schaffen. Auch die durch das vorhandene Reichs- und Landesrecht vorgesehenen Möglichkeiten zwangsweiser Enteignung von Grundstücken schienen als Mittel zur Lösung einer Aufgabe von solchen Ausmaßen unzulänglich. Dem gab der Bundestag am 28. März 1950 bei der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes in folgender einstimmig gefaßten Entschließung Ausdruck:

"Um die Durchführung des Wohnungsbauprogramms zu ermöglichen, wird die Bundesregierung ersucht,
1. bis zum 30. September 1950 einen Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsneubaues und für den Wiederaufbau vorzulegen,
2. in diesem Gesetzentwurf Bestimmungen zu treffen, die gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen."

(Vgl. BT I/1949 Drucks. Nr. 2281, S. 16, und BT I/1949 Drucks. Nr. 4364, S. 1.)
Das Baulandbeschaffungsgesetz (BauLBG) verwirklicht die in jener Entschließung ausgesprochene Absicht. Bei seiner Vorbereitung berief man sich mehrfach auf die Ausprägung der Sozialstaatlichkeit in Art. 14 Abs. 2 GG:

"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."

(Vgl. z.B. aus der 1. Lesung des Gesetzes vom 15. Juni 1951, 153. Sitzung. S. 6083 und S. 6084, die Reden der Abgeordneten Funk [CDU] und Meyer [SPD]). Diese sozialstaatliche Auffassung zeigt sich im Baulandbeschaffungsgesetz nicht nur in den Bestimmungen über die Zulässigkeit der Enteignung und die Höhe der Entschädigung, sondern ebenso in den Verfahrensbestimmungen. Auch die Gestaltung der gerichtlichen Kontrolle, um die es sich bei den zur Prüfung vorgelegten Normen handelt, ist davon beeinflußt.

Nach dem bisherigen Enteignungsrecht war in aller Regel wegen der Zulässigkeit und des Umfangs einer Enteignung überhaupt kein Rechtsweg, sondern nur der Rekurs oder die Beschwerde an die Ministerialinstanz gegeben – sofern diese nicht über die Zulässigkeit von vornherein selbst entschieden hatte (vgl. z.B. preußisches Enteignungsgesetz vom 11. Juni 1874, GS S. 221, § 22; badisches Enteignungsgesetz vom 26. Juni 1899, GVBl. S. 359, §§ 31, 33; sächsisches Enteignungsgesetz vom 24. Juni 1902, GVBl. S. 153, §§ 2, 45; thüringisches Enteignungsgesetz vom 18. April 1921, GS S. 149, §§ 3, 29). Erst durch die Einführung der Generalklausel in die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde nach 1945 insoweit allgemein der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Hingegen war wegen der Höhe der Entschädigung in der überwiegenden Mehrzahl der Gesetze seit langem die Klage bei den ordentlichen Gerichten gegeben. Ein derartiges schwerfälliges Nebeneinander oder Nacheinander zweier Gerichtsverfahren mit je mehreren Instanzen würde naturgemäß zu einer erheblichen Verzögerung bei der Baulandbeschaffung führen. Da es angesichts der Dringlichkeit des Wohnungsbaus auf eine "schnelle, wirksame, endgültige" Enteignungsmöglichkeit ankommt, wurde deshalb hier eine gerichtliche Kontrolle in einem einheitlichen Rechtszug, sei es vor den Verwaltungsgerichten, sei es vor den ordentlichen Gerichten, erstrebt. Eine Übertragung der gesamten gerichtlichen Kontrolle auf die Verwaltungsgerichte war durch Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG ausdrücklich ausgeschlossen, der bestimmt:

"Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen."

In den gemeinsamen Beratungen der Bundestagsausschüsse für Bau- und Bodenrecht und für Wiederaufbau und Wohnungswesen wurde eine Änderung des Grundgesetzes zugunsten der Verwaltungsgerichte erwogen, fand jedoch keine Mehrheit (vgl. die gemeinsamen Protokolle beider Ausschüsse Nr. 100/106, S. 3, und Nr. 102/108, S. 4). Im Bundesrat wurde ein Initiativantrag der Freien und Hansestadt Hamburg, Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG zugunsten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu ändern, in der 93. Sitzung an den zuständigen Ausschuß verwiesen und offenbar nicht wieder aufgenommen (vgl. Sitzungsber. über die 93. Sitzung vom 10. Oktober 1952, S. 483, und BR-Drucks. Nr. 402/52).

Ohne Änderung des Grundgesetzes aber konnte ein einheitlicher Rechtszug nur erreicht werden, wenn alle Entscheidungen den ordentlichen Gerichten im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG übertragen wurden. Der Gesetzgeber hat dementsprechend die gesamte gerichtliche Kontrolle in die ordentliche Gerichtsbarkeit eingegliedert und grundsätzlich die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften für anwendbar erklärt, hat jedoch angesichts der Besonderheit der Materie für die Zusammensetzung der Spruchkörper und für das Gerichtsverfahren eine Reihe von mehr oder weniger erheblichen Sonderbestimmungen zum Gerichtsverfassungsgesetz und zur Zivilprozeßordnung erlassen, deren erheblichere hier folgen:

Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem alle Entscheidungen der Enteignungsbehörde angefochten werden können, entscheidet in I. Instanz "das Landgericht, Kammer für Baulandsachen" (§ 32 Abs. 1 BauLBG), in II. Instanz "das Oberlandesgericht, Senat für Baulandsachen" (§ 43 Abs. 2 Satz 1 BauLBG). Die bei den Landgerichten gebildeten Kammern für Baulandsachen und die bei den Oberlandesgerichten gebildeten Senate für Baulandsachen entscheiden "in der Besetzung mit drei Richtern des Landgerichts (bzw. des Oberlandesgerichts) einschließlich des Vorsitzenden sowie zwei beamteten Richtern der Verwaltungsgerichte" (§§ 35 Abs. 1 und 43 Abs. 2 Satz 2 BauLBG).

Die Landesregierungen sind ermächtigt, mehrere Landgerichtsbezirke in einem Baulandkammerbezirk zusammenzufassen (§ 34 Abs. 2 BauLBG).

Das Oberlandesgericht entscheidet nicht als zweite Tatsacheninstanz, sondern als Revisionsinstanz. Der Bundesgerichtshof wird mit einer Sache nur dann befaßt, wenn das Oberlandesgericht "bei der Auslegung einer Bestimmung dieses Gesetzes (sc. des Baulandbeschaffungsgesetzes) eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden" hat oder wenn es "von einer dieses Gesetz betreffenden Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen will"; dann legt das Oberlandesgericht die Revision unter Darlegung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor, die durch einen Zivilsenat getroffen wird (§ 43 Abs. 4 BauLBG).

In der I. Instanz sind – unter Ausschluß des Anwaltszwanges (§ 78 Abs. 1 ZPO) – im allgemeinen die Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten anzuwenden (§ 36 Abs. 1 BauLBG). Doch tritt an die Stelle der üblichen Einleitung des Zivilprozesses durch Erhebung der Klage bei Gericht die Einleitung des Gerichtsverfahrens durch einen "binnen zwei Wochen seit Zustellung der Entscheidung bei der Enteignungsbehörde" einzureichenden Antrag, den die Enteignungsbehörde dem zuständigen Landgericht unverzüglich mit ihren Akten vorzulegen hat (§ 32 Abs. 2, 4 BauLBG).

Die Gerichte haben von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen (§ 36 Abs. 2 BauLBG).

An dem Verfahren nehmen neben dem Antragsteller im gerichtlichen Verfahren alle sonstigen "Beteiligten" teil, deren Rechte und Pflichten durch die Entscheidung unmittelbar betroffen werden können. Auf sie sind die für Parteien geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 37 Abs. 1 BauLBG). Ferner ist die Enteignungsbehörde antragsberechtigt (§ 40 Abs. 2 BauLBG). Unter den "Beteiligten" begreift das Baulandbeschaffungsgesetz den Antragsteller im Enteignungsverfahren, die an dem zu enteignenden Grundstück Berechtigten, wenn Ersatzland bereitgestellt wird auch die hieran Berechtigten und endlich die Gemeinde (§ 21 BauLBG).

Wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung für begründet erklärt, so kann das Gericht die Entscheidung der Enteignungsbehörde entweder aufheben (und erforderlichenfalls an die Enteignungsbehörde zurückverweisen) oder das Gericht kann die Entscheidung der Enteignungsbehörde selbst ändern. "Es darf in diesem Falle über den Antrag des Beteiligten hinaus, der den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat, einen Enteignungsbeschluß auch ändern, soweit ein anderer Beteiligter oder die Enteignungsbehörde es beantragt hat" (§ 40 Abs. 2 BauLBG).

Die Frage, ob die so organisierten und so verfahrenden Spruchkörper als ordentliche Gerichte im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG angesehen werden können, hat bereits den Gesetzgeber beschäftigt. Im Bundestag erklärte der Berichterstatter, der Abgeordnete Jacobi (BT I/1949 Drucks. Nr. 4364 vom 22. Mai 1953, S. 6/7), der Ausschuß habe "nach eingehenden Beratungen und unter Berücksichtigung der vom Bundesjustizministerium eingeholten Stellungnahme die gestellte Frage (nämlich, ob die Baulandgerichte als ordentliche Gerichte im Sinne des Grundgesetzes zu betrachten seien) im Ergebnis unbedenklich bejaht". Trotzdem trug der Abgeordnete Kopf unter Bezugnahme auf einen entsprechenden Änderungsvorschlag (Umdruck Nr. 964) in der 270. Sitzung am 11. Juni 1953, also kurz vor der Schlußabstimmung, nochmals verfassungsrechtliche Bedenken dagegen vor, daß es an einer zweiten Tatsacheninstanz fehle. Nachdem ihm der Bundesminister für Wohnungsbau entgegengetreten war, wurde der Änderungsantrag ohne weitere Debatte abgelehnt (vgl. StenBer. S. 13361 bis 13363). Im Bundesrat begründete Bayern seine Stimmenthaltung bei der Abstimmung über das Baulandbeschaffungsgesetz in erster Linie damit, daß es fraglich erscheine, ob die Kammern und Senate für Baulandsachen als ordentliche Gerichte im Sinne des Art. 14 GG angesehen werden könnten. Doch stimmte die Mehrheit – wiederum ohne weitere Debatte – dem Gesetz zu (Sitzungsber. über die 111. Sitzung vom 26. Juni 1953, S. 311).

B.

I.

Dem Vorlagebeschluß des Landgerichts Hamburg, Kammer für Baulandsachen, liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kaufmann F. hatte auf einem zum St.'schen Nachlaß gehörigen Baugrundstück ein Wohngebäude errichtet; wie er behauptet, auf Grund einer Leistungsanforderung der Hamburger Baubehörde nach dem Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 (RGBl. I S. 1645). Auf seinen Antrag enteignete die Enteignungsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg zu seinen Gunsten 522 qm des St.'schen Grundstücks und setzte die von F. an den St.'schen Nachlaß zu zahlende Entschädigung auf 8,50 DM pro qm fest. Der Beschluß beruht der Sache nach auf § 56 Abs. 2 BauLBG, der die Enteignung zuläßt, wenn ein Bauherr "auf Grund einer behördlichen Anordnung auf einem ihm nicht gehörigen Grundstück vor dem 21. Juni 1948 ein Wohngebäude errichtet" hat. Gegen den Beschluß der Enteignungsbehörde haben die Testamentsvollstrecker des St.'schen Nachlasses Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 32 BauLBG gestellt. Sie haben in erster Linie beantragt, den Enteignungsbeschluß aufzuheben und den Enteignungsantrag in vollem Umfang abzuweisen, eventuell haben sie gebeten, in Abänderung des Enteignungsbeschlusses eine geringere Fläche als 522 qm zu enteignen und die Entschädigung statt auf 8,50 DM auf 10 DM pro qm festzusetzen.

Bei dem Verfahren, in welchem der Vorlagebeschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, Senat für Baulandsachen, ergangen ist, ist nur Art und Höhe der Entschädigung streitig; sie war auf 4 228 DM für den zugunsten der "GEWOBA" enteigneten Grund und Boden der Plätterin Anna L. und auf 5 510 DM für ein dort errichtetes Gebäude festgesetzt worden. Die Begünstigte und die Enteignete trugen dagegen auf gerichtliche Entscheidung an: die "GEWOBA" mit dem Ziel der Herabsetzung der Gebäudeentschädigung auf 1 400 DM, Anna L. mit dem Ziel der Aufhebung des Entschädigungsbeschlusses, da sie in erster Linie Entschädigung in Form von Ersatzland begehrt, worüber der Senator für Bauwesen eine Vorentscheidung fällen müsse, ehe die Enteignungsbehörde überhaupt eine Entschädigung festsetzen dürfe. Das Landgericht, Kammer für Baulandsachen, hat unter Zurückweisung des Antrags der "GEWOBA" den die Entschädigung festsetzenden Beschluß gemäß dem Antrag der Anna L. – ohne Zurückverweisung – aufgehoben. Gegen dieses Urteil hat die "GEWOBA" Revision zu dem vorlegenden Oberlandesgericht, Senat für Baulandsachen, eingelegt.

Die vorlegenden Gerichte machen zur Begründung der Vorlage geltend: Wenn in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG vom Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten gesprochen werde, so seien damit die allgemein für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständigen Spruchkörper und die für das Verfahren vor diesen Gerichten allgemein geltenden Verfahrensvorschriften gemeint. Eine Änderung der Besetzung oder des Verfahrens dieser Gerichte könne zwar allgemein auch künftig durch einfache Gesetze erfolgen, doch dürften nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG für Streitigkeiten über die Höhe der Enteignungsentschädigung keine besonderen Bestimmungen erlassen werden, die von den für die Besetzung der Gerichte und das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten allgemeingeltenden Vorschriften grundlegend abwichen. Eine solche grundlegende Abweichung aber stelle das Verfahren und die Besetzung der Kammern und Senate für Baulandsachen dar, so daß diese nicht als Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG anzusehen seien. Besonders schwerwiegend erscheint es dem Oberlandesgericht Bremen, daß als nebenamtliche Richter Verwaltungsrichter vorgesehen sind, weil dadurch das in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG enthaltene Verbot der Entscheidung von Verwaltungsrichtern über die Höhe der Enteignungsentschädigung umgangen sei.

Das Landgericht Hamburg meint ferner, daß das Grundgesetz zwar nicht der Zuweisung des Streites um Zulässigkeit und Umfang der Enteignung an die ordentlichen Gerichte entgegenstehe, daß es aber "die Zweispurigkeit, wie sie bereits in Art. 153 Abs. 2 Satz 3 der Weimarer Reichsverfassung verankert war", bewußt aus der Weimarer Verfassung in das Grundgesetz übernommen habe, weil es dem Grundgesetzgeber darauf angekommen sei, "das Enteignungsverfahren nach Möglichkeit zu erschweren, und er nur in dieser Regelung eine Garantie zum Schutze des Eigentums" gesehen habe.

Beide Gerichte sind hiernach der Ansicht, daß die im Vierten Abschnitt des Baulandbeschaffungsgesetzes normierte besondere Besetzung der Kammern und Senate für Baulandsachen und die besonderen Verfahrensnormen gegen Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG verstoßen. Die vorlegenden Gerichte sehen sich daher an einer Entscheidung gehindert und haben deshalb ihre Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Das Landgericht Hamburg, Kammer für Baulandsachen, formuliert die Frage dahin, "ob das Baulandbeschaffungsgesetz vom 3. August 1953 (BGBl. I S. 720) gegen Art. 14 Abs. 3 GG verstößt". Das Oberlandesgericht Bremen, Senat für Baulandsachen, formuliert, "ob § 35 sowie § 43 Abs. 2 des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 3. August 1953 – BGBl. I S. 720 – mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Einklang stehen".

II.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, den Regierungen der Länder und den an den Ausgangsverfahren beteiligten Parteien gemäß §§ 82, 77 BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme, den Verfassungsorganen auch Gelegenheit zum Beitritt gegeben.

Schriftsätzlich geäußert haben sich zu beiden Verfahren der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg durch das Rechtsamt, die Landesregierung Rheinland-Pfalz durch das Ministerium der Justiz, ferner in dem Verfahren 1 BvL 28/55 (Hamburg) für die Testamentsvollstrecker des St.'schen Nachlasses Rechtsanwalt Sch. und endlich in dem Verfahren 1 BvL 49/55 (Bremen) für die "GEWOBA" Rechtsanwalt K. und für Anna L. Rechtsanwalt R.

Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg halten die zur Prüfung vorgelegten Normen für mit dem Grundgesetz vereinbar. Den gleichen Standpunkt vertritt Anna L. Hingegen schließen sich die Testamentsvollstrecker des St.'schen Nachlasses und die "GEWOBA" der in den Vorlagebeschlüssen geltend gemachten Ansicht an.
Für den St.'schen Nachlaß wird ferner vorgetragen, daß § 56 Abs. 2 BauLBG unvereinbar mit Art. 14 Abs. 3 GG sei. Diese Bestimmung lasse eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zu, während § 56 Abs. 2 BauLBG nur dem Wohle des einzelnen durch die Enteignung Begünstigten diene. Das Bundesverfassungsgericht müsse im Rahmen der vorliegenden Normenkontrolle auch diese Frage prüfen, da die Formulierung der vorgelegten Frage durch das Landgericht Hamburg das ganze Baulandbeschaffungsgesetz umfasse.

Ein Beitritt ist nicht erfolgt, so daß die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen kann (vgl. BVerfGE 2, 213 [217 f.]).

Beide Verfahren sind zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

C.

Angesichts der verschiedenen Formulierungen der Frage im "Tenor" der Vorlagebeschlüsse bedarf es der Klärung, welche verfassungsrechtlichen Fragen nach Ansicht der beiden Gerichte zu prüfen sind. Dabei kommt es allein auf den Sinn der Beschlüsse insgesamt an (BVerfGE 2, 266 [269]). Sieht man aber "Tenor" und "Gründe" der Beschlüsse als Einheit, so zeigt sich, daß die beiden vorlegenden Gerichte trotz der verschiedenen Formulierung des "Tenors" ihrer Beschlüsse in der Hauptsache die Entscheidung der gleichen verfassungsrechtlichen Frage begehren. Beide Gerichte sind der Meinung, daß die Zusammensetzung der Spruchkörper und das Verfahren, wie sie im Vierten Abschnitt des Baulandbeschaffungsgesetzes geregelt sind, in Einzelheiten und im Gesamtbild dem Begriff des Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG nicht entsprechen; daß deshalb jedenfalls Verfahren, soweit sie eine Enteignungsentschädigung betreffen, ohne Verwaltungsrichter als Beisitzer und ohne Anwendung der besonderen Verfahrensvorschriften betrieben und geführt werden müssen, so daß die vorlegenden Spruchkörper der Gerichte – mit Beisitzern und im besonderen Verfahren – eine Entscheidung über Art und Höhe der Entschädigung in den Ausgangsprozessen nicht fällen dürften.

Das Landgericht Hamburg hält darüber hinaus die "Zweispurigkeit" des Rechtsweges für verfassungsrechtlich garantiert und deshalb in dem durch §§ 32 bis 44 BauLBG einheitlich geregelten Verfahren auch die Entscheidung über Zulässigkeit und Umfang der Enteignung für unzulässig.

Die Zulässigkeit der hiernach begehrten Überprüfung des ganzen Vierten Abschnitts des Baulandbeschaffungsgesetzes hängt davon ab, ob es bei der Entscheidung der beiden Gerichte auf die Organisations- und Verfahrensvorschriften dieses Abschnittes insgesamt oder nur auf die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen ankommt, die von den beiden Gerichten angewendet werden müßten; denn in diesem Falle wäre nur über die Vereinbarkeit der einzelnen Normen mit der Verfassung zu entscheiden. Es ist jedoch nicht möglich, die Organisations- und Verfahrensvorschriften im Vierten Abschnitt des Baulandbeschaffungsgesetzes derart auseinanderzureißen. Der Gesetzgeber wollte eine der Besonderheit der Materie angepaßte einheitliche Organisations- und Verfahrensordnung schaffen. Würden sich einzelne Normen, die das Gesamtbild dieser Regelung bestimmen, als verfassungswidrig erweisen, so könnte sie um ihres inneren Zusammenhanges willen auch nicht in einzelnen, begrenzten Teilen angewendet werden. Es kommt daher, wie die beiden Gerichte zutreffend annehmen, für die Frage, ob sie ordentliche Gerichte im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG sind, nicht auf die einzelnen, gerade in den beiden anhängigen Verfahren anzuwendenden Normen, sondern auf den ganzen Vierten Abschnitt des Baulandbeschaffungsgesetzes an. Die von Rechtsanwalt Sch. für den St.'schen Nachlaß angeregte verfassungsrechtliche Überprüfung des § 56 Abs. 2 BauLBG hingegen ist im Rahmen der vorliegenden Normenkontrolle nicht zulässig. Das Normenkontrollverfahren kommt nur in Gang, soweit das vorlegende Gericht bei seiner Vorprüfung eine Norm mit höherrangigem Recht für unvereinbar hält. Diese Voraussetzung ist für § 56 Abs. 2 BauLBG nicht erfüllt. Weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes können in demselben Verfahren nur für nichtig erklärt werden, wenn sie aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz unvereinbar sind wie die zur Prüfung vorgelegte Norm (§ 78 Satz 2 BVerfGG). Davon kann bei § 56 Abs. 2 BauLBG keine Rede sein (vgl. auch BVerfGE 1, 184 [188/189]).

D.

I.

Die Zuweisung der gerichtlichen Entscheidung über Zulässigkeit und Umfang der Enteignung an die sogenannten Kammern und Senate für Baulandsachen und die "Einspurigkeit" der gerichtlichen Kontrolle verletzen das Grundgesetz nicht.

Zutreffend gehen die vorlegenden Gerichte davon aus, daß die Kammern und Senate für Baulandsachen dem allgemeinen Begriff des Rechtsweges im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG genügen und daß – gleichviel, ob man sie als "ordentliche" oder als "besondere" Gerichte im Sinne von §§ 13, 14 GVG ansieht – die Zuweisung des Streites um Zulässigkeit und Umfang der Enteignung für sich betrachtet verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnet. Die Zuweisung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten an die ordentlichen Gerichte durch den Gesetzgeber ist hergebracht. Die Einführung der Generalklausel und die rechtsstaatliche Ausgestaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mag die Zuweisung öffentlich-rechtlicher Verfahren an die ordentliche Gerichtsbarkeit künftig weithin unnötig und systematisch unerwünscht machen; doch ändert das nichts an der grundsätzlichen Befugnis des Gesetzgebers, solche Zuweisungen vorzunehmen. Es gibt weder ein verfassungsrechtlich gesichertes Entscheidungsmonopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlich-rechtlichen Fragen schlechthin noch gerade für den Streit um Zulässigkeit und Umfang einer Enteignung. Insbesondere kann aus Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG nicht der Umkehrschluß gezogen werden, dieser Streit dürfe den ordentlichen Gerichten nicht zugewiesen werden, weil das Grundgesetz darüber schweige und ihnen nur den Streit um die Höhe der Entschädigung ausdrücklich vorbehalte. Es bedarf in diesem Zusammenhang keines Eingehens darauf, ob das Grundgesetz – Art. 96 – die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch in den Ländern institutionell garantiert und ob es dem gesetzgeberischen Ermessen bei der Zuweisung einer Materie an den einen oder den anderen Zweig der Gerichtsbarkeit äußerste Grenzen setzt. Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Abschnitten des Enteignungsverfahrens ist so eng, daß die Zusammenfassung ihrer gerichtlichen Kontrolle bei den ordentlichen Gerichten keinesfalls die äußersten Grenzen gesetzgeberischen Ermessens berührt, solange die Verfassung selbst den ordentlichen Gerichten die Kontrolle für einen dieser Abschnitte zuweist.

Die Bestimmung des § 40 Abs. 2 Satz 1 BauLBG, die dem Gericht gestattet, die Entscheidung der Enteignungsbehörde nicht nur aufzuheben, sondern sie zu ändern, auch soweit Zulässigkeit und Umfang der Enteignung in Rede stehen, fällt zwar aus dem Rahmen des geltenden Zivilprozeßrechts heraus; das gleiche gilt jedoch für das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, das ebenfalls eine konstitutive Änderung von Verwaltungsakten nicht vorsieht. Die verfassungsrechtliche Frage ist hier also nicht, ob eine solche in den Bereich der vollziehenden Gewalt übergreifende Entscheidung nur den Verwaltungsgerichten, sondern ob sie überhaupt einem Gericht anvertraut werden könnte, ohne das Verfassungsprinzip der Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 2 GG) zu verletzen. Die in Rede stehende Überschneidung ist jedoch zu geringfügig, um eine solche Verletzung zu bejahen. Es ist zu berücksichtigen, daß im Enteignungsverfahren weitgehend nicht nur die Beziehungen zwischen Staat und Bürger, sondern auch – ähnlich wie im Zivilrecht – die Beziehungen zwischen zwei Bürgern zueinander geordnet werden und daß z.B. von jeher die Entscheidung der Enteignungsbehörde über die Höhe der Entschädigung, obwohl auch sie im öffentlichen Recht wurzelt, von den Gerichten nicht nur aufgehoben, sondern auch abgeändert werden konnte.

Die Ansicht des Landgerichts Hamburg, Art. 14 GG habe implicite die Zweispurigkeit des Enteignungsverfahrens gerade um ihrer Schwerfälligkeit willen zum Schutze des Eigentums garantieren wollen, entbehrt jeder Begründung; denn die angeführte Begründung, die Zweispurigkeit sei bereits in der Weimarer Verfassung verankert gewesen und mit der Rechtsweggarantie in das Grundgesetz übernommen worden, ist irrig. Eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidungen über Zulässigkeit und Umfang der Enteignung war in der Weimarer Verfassung überhaupt nicht vorgesehen, und über die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens ist weder in der Weimarer Verfassung noch im Grundgesetz etwas gesagt. Die Aufspaltung des Verwaltungsverfahrens in zwei Abschnitte ist auch in der Weimarer Zeit durchaus nicht immer erfolgt. Die Verordnung zur Behebung der dringlichsten Wohnungsnot vom 9. Dezember 1919 (RGBl. S. 1968), § 4, zum Beispiel kannte sie nicht.

II.

Auch die Zuweisung der gerichtlichen Entscheidung über Art und Höhe der Enteignungsentschädigung an die Kammern und Senate für Baulandsachen verletzt das Grundgesetz nicht.

1.) Zutreffend ist die Ansicht der vorlegenden Gerichte, daß Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG die Zuweisung des Streites über die Enteignungsentschädigung an die allgemeinen ordentlichen Zivilgerichte gebietet, also die Zuweisung an besondere Gerichte ausschließt. Das ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ebenso wie aus der ihren Sinn erschließenden Entstehungsgeschichte in Verbindung mit der historischen Entwicklung.

Die Frage des Rechtsweges im Entschädigungsstreit bei Enteignungen ist im Parlamentarischen Rat zuerst in der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 11. Januar 1949 (Drucks. Nr. 578, S. 10) angeschnitten und in der 48. Sitzung des Hauptausschusses (Verhandlungen S. 579) nochmals berührt worden; doch hatte man wegen der allgemeinen Rechtsweggarantie in Art. 19 Abs. 4 GG (damals Art. 20 c) auf eine besondere Regelung verzichtet. In der 57. Sitzung des Hauptausschusses am 5. Mai 1949 (Verhandlungen S. 747) wurde dann der Vorschlag Dr. Dehler (Drucks. Nr. 730), der die jetzige Fassung enthält, angenommen (Drucks. Nr. 932, S. 10), ohne daß der Antrag Gegenstand von Erörterungen gewesen wäre. Das rechtfertigt die Annahme, daß der Verfassungsgesetzgeber einfach durch Ausschluß der Verwaltungsgerichtsbarkeit (BVerfGE 4, 219 [233]) ein "für das deutsche Rechtsstaatsbewußtsein geradezu sakrosanktes Privileg der bürgerlichen Gerichtsbarkeit" (Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, I, 1950, S. 283) wahren wollte, indem er die bereits in Art. 153 Abs. 2 Satz 3 WV enthaltene Eröffnung des "Rechtsweges bei den ordentlichen Gerichten" übernahm.

Die Weimarer Verfassung selbst sagte freilich ebensowenig wie das Grundgesetz ausdrücklich, was sie unter "ordentlichen Gerichten" verstand, setzte vielmehr voraus, daß dies anderweitig bestimmt war. An der Spitze der anderweitigen Bestimmungen stand von jeher grundlegend § 13 GVG (so schon Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., S. 479/480). Dort aber werden die "ordentlichen Gerichte" in Gegensatz zu den "besonderen Gerichten" gestellt. Indem die Weimarer Verfassung den Ausdruck "ordentliche Gerichte" brauchte, schloß sie also die Zuweisung des Streites um die Höhe der Entschädigung an "besondere Gerichte" aus. Angesichts des unverkennbaren Zusammenhangs zwischen Art. 153 WV und Art. 14 GG muß für die Regelung des Grundgesetzes das gleiche gelten.

2.) Daraus folgt jedoch nicht, daß der Grundgesetzgeber besondere Bestimmungen für Besetzung und Verfahren in Enteignungssachen verbieten wollte.

Der Besonderheit der Materie entsprechende, sachgerechte Abweichungen von den allgemeinen Verfahrens- und Zuständigkeitsbestimmungen sind für den Streit um die Enteignungsentschädigung bereits im Wirkungsbereich der Weimarer Verfassung zugelassen worden: Die Verfassungsgarantie des ordentlichen Rechtsweges stand ohnehin unter dem Vorbehalt anderweitiger Regelung durch Reichsgesetz. Der Landesgesetzgeber aber war an die Verfassungsbestimmung gebunden. Das Verfahren und die Zuständigkeit bei Streitigkeiten, welche die Zwangsenteignung und die Entschädigung wegen derselben betrafen, waren in § 15 Ziff. 2 EGZPO, § 3 Abs. 3 EGGVG ausdrücklich landesgesetzlicher Regelung vorbehalten. In diesen Rechtszustand griff Art. 153 WV ein, indem er bestimmte, daß wegen der Höhe der Entschädigung im Streitfall der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offenzuhalten sei. Es tauchte daher schon damals die Frage auf, ob die allgemeinen Verfahrensvorschriften "in allen Stücken" maßgebend sein müßten oder ob und in welchen Grenzen der Landesgesetzgeber davon abweichen dürfe. Das Reichsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 3. März 1922 (RGZ 104, 137 ff.) die Zulässigkeit von Abweichungen bejaht, und die Wissenschaft hat dieser Entscheidung zugestimmt (Anschütz, a.a.O. S. 718). So fand nach § 45 Abs. 4 des badischen Enteignungsgesetzes vom 26. Juni 1899 (GVBl. S. 359) seit dem Änderungsgesetz vom 5. Oktober 1908 (GVBl. S. 625) gegen das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts ein weiteres Rechtsmittel nicht statt; das hamburgische Enteignungsgesetz vom 26. April 1920 (ABl. S. 605) in der Fassung vom 17. Februar 1941 (GVBl. S. 15) sieht vor, daß die Entschädigung in einem Urteil der dem Landgericht angegliederten Schätzungskommission für Enteignungssachen festgesetzt wird. Die Schätzungskommission verhandelt und entscheidet in der Besetzung mit einem rechtsgelehrten Mitglied des Landgerichts als Vorsitzendem und zwei nicht rechtsgelehrten, ehrenamtlichen Mitgliedern als Beisitzern (vgl. Änderungsgesetz vom 1. November 1922, GVBl. Hamb. S. 588). Gegen dieses Urteil der Schätzungskommission steht den Parteien binnen eines Monats die Klage unmittelbar an das Oberlandesgericht zu, das endgültig entscheidet (§§ 16 ff. a.a.O.). Für die Stadt besteht dabei – wie auch in anderen Enteignungsgesetzen für die öffentliche Hand – kein Anwaltszwang. In vielen Enteignungsgesetzen wird und wurde die Beschreitung des Rechtsweges an die vorherige Feststellung der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörde und an die Einhaltung einer von der Eröffnung des betreffenden Verwaltungsbescheides an laufenden Notfrist geknüpft.

Die Zulässigkeit einer besonderen Besetzung des Gerichts beim Streit um die Enteignungsentschädigung ist – soweit ersichtlich – im Bereich der Weimarer Verfassung nicht streitig geworden. Doch ist nicht einzusehen, warum ein Abweichen von den allgemeinen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Besetzung der Gerichte in diesem Zusammenhang grundsätzlich anders beurteilt werden sollte als ein Abweichen von den allgemeinen Verfahrensbestimmungen. Der Begriff "Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten" umfaßt gleichermaßen die Gerichtsorganisation wie das Verfahren, und das Gerichtsverfassungsgesetz kennt für besondere Sachgebiete eine besondere Besetzung der Spruchkörper, wie die Zivilprozeßordnung für besondere Sachgebiete besondere Verfahrensnormen gibt. Es genügt, an die Besetzung der Kammer für Handelssachen (§ 105 GVG) und an die besonderen Verfahrensbestimmungen zu erinnern, welche für Sachen gelten, die Ehe, Feststellung der Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern und Entmündigung betreffen (§§ 606 ff. ZPO). Der Begriff des "Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten" bezeichnet also nicht lediglich die nach den allgemeinen Regeln besetzten und verfahrenden Spruchkörper; er kann auch für besondere Materien besonders gebildete und verfahrende Spruchkörper umfassen.

Die Ansicht der vorlegenden Gerichte, der Gesetzgeber könne in Baulandbeschaffungssachen keinerlei besondere Bestimmungen für Besetzung und Verfahren erlassen, weil Art. 14 Abs. 3 GG ausschließlich die allgemeinen für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständigen Spruchkörper und die allgemeinen für sie geltenden Verfahrensvorschriften meine, geht daher fehl.

3.) Es muß sich also aus anderen Kriterien ergeben, was als Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG zu gelten habe.

Nach Erlaß des Grundgesetzes hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob ein Spruchkörper als Abteilung eines ordentlichen Gerichts oder als "besonderes Gericht" anzusehen sei, für die Landwirtschaftsgerichte der britischen Zone beantwortet (Beschl. vom 29. Januar 1952, BGHZ 4, 352). Er hat entschieden, daß diese Gerichte allein deshalb Teile der ordentlichen Gerichte seien, weil der Gesetzgeber sie in die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingeordnet habe, also ohne daß es auf ihre Besonderheiten in Besetzung und Verfahren ankomme. Der Fall entspricht dem hier zu entscheidenden nicht völlig, weil für die Landwirtschaftssachen nicht die verfassungsrechtliche Garantie des ordentlichen Rechtsweges im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG gilt. Doch ist der vom Bundesgerichtshof entwickelte Gedanke insofern von Bedeutung, als die für die Baulandgerichte vom Gesetzgeber vorgenommene Einordnung in das Gefüge der ordentlichen Gerichtsbarkeit jedenfalls notwendig war, um Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG zu genügen. Sie reicht aber allein dazu nicht aus. Die Eröffnung des Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten ist eine Sicherungsmaßnahme für die gerechte Bemessung des Entschädigungsanspruchs, die, ursprünglich zum Schutze des Enteigneten gedacht, schon nach Art. 153 WV auch dem Begünstigten diente, da beide, jeder selbständig, das Gerichtsverfahren einleiten konnten. Diesem ursprünglichen Sinn der Bestimmung muß nicht nur durch die formale Einordnung der Spruchkörper, sondern auch durch ihre Zusammensetzung und ihr Verfahren Rechnung getragen werden.

Das Reichsgericht hat in der bereits zitierten Entscheidung (RGZ 104, 137 [140]) aus Art. 153 WV gefolgert, daß "die prozessualen Grundlagen des für die ordentlichen Gerichte durch die Zivilprozeßordnung bestimmten Verfahrens und diejenigen Vorschriften, die wesentliche Unterschiedsmerkmale des Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten im Gegensatz zu dem Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten" darstellen, nicht angetastet werden dürfen. Die Unterscheidung zwischen den prozessualen Grundlagen des Verfahrens vor den ordentlichen und vor den Verwaltungsgerichten hat weitgehend ihre Bedeutung verloren, seitdem auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren allgemein rechtsstaatlich geordnet worden ist. Im übrigen haben die Ausführungen des Reichsgerichts ihre Gültigkeit behalten – für die Verfahrensnormen der Zivilprozeßordnung unmittelbar und für die Organisationsnormen des Gerichtsverfassungsgesetzes in entsprechender Anwendung.

Selbstverständlich müssen im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG die für jeden Rechtsweg verfassungsrechtlich unabdingbaren Merkmale in Organisation und Verfahren gewahrt werden. Das ist – unbestritten – im Baulandbeschaffungsgesetz geschehen. Darüber hinaus jedoch würde das Wesen der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG dann beeinträchtigt, wenn die zur sachgerechten Ordnung dieser Gerichtsbarkeit an sich zulässigen Abweichungen von den einzelnen Organisations- und Verfahrensnormen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeßordnung mit den allgemeinen in diesen Gesetzen verwirklichten Rechtsgedanken unvereinbar wären.

4.) Das aber ist im Baulandbeschaffungsgesetz nicht der Fall.

a) Anlaß für die Erweiterung der Spruchkörper der Landgerichte und Oberlandesgerichte durch zwei Verwaltungsrichter als Beisitzer war, daß die Zivilgerichte nicht wie bisher nur über die Höhe der Enteignungsentschädigung, sondern in einem einheitlichen Verfahren damit auch über die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes der Enteignung zu entscheiden haben; deshalb wollte man auf die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der Verwaltungsrichter auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts nicht verzichten.

Spruchkörper, in denen neben den Berufsrichtern andere Personen auf Grund ihrer Sachkunde für eine besondere Materie als Richter mitwirken, sind nicht nur in den übrigen Zweigen der Gerichtsbarkeit, sondern auch als Teile der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit bekannt.
So seit jeher: die Kammern für Handelssachen: ein Mitglied des Landgerichts als Vorsitzender und zwei Handelsrichter (§§ 105 ff. GVG);
und in neuerer Zeit: die den Kammern für Handelssachen nachgebildeten Kammern für Wertpapierbereinigung (Wertpapierbereinigungsgesetz vom 19. August 1949, WiGBl. 1949 S. 295, § 30)
und die Kammern und Senate für Landwirtschaftssachen: jeweils zwei landwirtschaftliche Beisitzer, in der I. Instanz – Amtsgericht – neben einem Berufsrichter, in der II. – Oberlandesgericht – und III. – Bundesgerichtshof – Instanz jeweils neben drei Berufsrichtern (§ 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen vom 21. Juli 1953, BGBl. I S. 667).

Die Kammern und Senate für Baulandsachen unterscheiden sich von diesen Spruchkörpern dadurch, daß nicht Laien mit spezieller Erfahrung und Kenntnis des zu beurteilenden besonderen Sachgebietes, sondern Richter eines anderen Gerichtszweiges mit spezieller Erfahrung und Kenntnis eines besonderen Rechtsgebietes als Beisitzer herangezogen werden. Das Gerichtsverfassungsgesetz selbst sieht zwar die Mitwirkung von Berufsrichtern anderer Gerichtszweige nicht vor, schließt sie aber auch nicht allgemein aus. Überdies ist bereits im Gerichtsverfassungsgesetz – § 4 – der Gedanke der Befruchtung der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch Vertreter eines anderen rechtsgelehrten Berufs ausgesprochen, indem den ordentlichen öffentlichen Lehrern des Rechts an einer deutschen Universität die Befähigung zum Richteramt und damit die Befugnis zur nebenamtlichen Tätigkeit als Richter zuerkannt wird. Später sind die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der Zivilrichter durch personelle Verbindung für andere Zweige der Gerichtsbarkeit nutzbar gemacht worden: Nach dem bis 1945 gültigen Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926 (RGBl. S. 507) führte den Vorsitz im Landesarbeitsgericht ein ständiges Mitglied des Landgerichts oder ein Oberlandesgerichtsrat (§ 36), der Vorsitzende und die beiden richterlichen Beisitzer der Senate des Reichsarbeitsgerichts waren Senatspräsidenten und Räte des Reichsgerichts (§ 41). Eine entsprechende personelle Verbindung bestand in Hamburg schon nach dem Verwaltungsgerichtsgesetz vom 2. November 1921 (GVBl. S. 585): die rechtsgelehrten Richter der Verwaltungsgerichte wurden in beiden Instanzen aus den Berufsrichtern des Landgerichts und des Oberlandesgerichts auf die Dauer des Hauptamtes ernannt (§ 2 Abs. 2 und § 5 Abs. 2). Die Verwaltungsgerichtsgesetze der Länder haben dieses System nach 1945 teilweise übernommen: nach § 11 der süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetze werden nur der Vorsitzende sowie mindestens ein weiteres beamtetes Mitglied jeder Kammer hauptamtlich bestellt, während die übrigen beamteten Mitglieder aus den planmäßigen Richtern der bürgerlichen Gerichte, den höheren Verwaltungsbeamten oder den Universitätsprofessoren des öffentlichen Rechts für die Dauer ihres Hauptamtes ernannt werden. Entsprechende Bestimmungen für die II. Instanz, den Verwaltungsgerichtshof, enthält § 4 Abs. 3 und 4, und für Norddeutschland gilt eine ähnliche Regelung gemäß MRVO 165, §§ 14, 15. Trotz dieser Beschäftigung von Zivilrichtern in den Spruchkörpern der Arbeits- und der Verwaltungsgerichte ist der Charakter jener Spruchkörper als Teile der Arbeits- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht bezweifelt worden; und umgekehrt hat man nicht daran gedacht, dem in der Arbeits- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit beschäftigten Zivilrichter deshalb den Charakter als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die Fähigkeit zum weiteren Judizieren an den ordentlichen Gerichten abzusprechen.

Wenn das Baulandbeschaffungsgesetz zum ersten Mal nicht Richter der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit zugleich mit der Tätigkeit in einem anderen Gerichtszweig betraut, sondern umgekehrt Richter eines anderen Gerichtszweiges zur Tätigkeit an den ordentlichen Gerichten heranzieht, so geschieht also nichts dem Wesen der Zivilgerichtsbarkeit Fremdes: denn das Wesentliche ist die seit langem unbedenklich praktizierte Personalunion zwischen der Tätigkeit in einem ordentlichen Gericht und dem Gericht eines anderen Zweiges der Gerichtsbarkeit.

Der Vorwurf, daß durch die Heranziehung gerade zweier Verwaltungsrichter als Beisitzer das Gebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG umgangen sei, ist jedenfalls so lange nicht berechtigt, als durch Vorsitz und Zahl das Übergewicht der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit gewahrt ist. Maßgebend ist im Hinblick auf Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG allein, daß die Unabhängigkeit des Gerichts, die der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten herkömmlich bietet, durch die Heranziehung von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht beeinträchtigt ist, da diese nicht nur in ihrem Hauptamt unabhängig sind, sondern auch für ihr Nebenamt auf die Dauer von drei Jahren unwiderruflich bestellt werden, und daß sie wegen ihrer besonderen Erfahrung und Kenntnisse, d. h. in Übereinstimmung mit einem auch sonst in der Organisation der ordentlichen Gerichte tragenden Gedanken herangezogen werden.

Die Zusammenfassung mehrerer Gerichtsbezirke für eine besondere Materie, wie sie § 34 Abs. 2 BauLBG für die Baulandkammern vorsieht, ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit auch in anderen Gesetzen zugelassen, so in § 98 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BGBl. 1953 S. 1387), in §§ 29 Abs. 1 und 34 Abs. 5 des Wertpapierbereinigungsgesetzes (WiGBl. 1949 S. 295) und in § 4 des Binnenschiffahrtsgesetzes (BGBl. I 1952 S. 641). Solche Zusammenfassung ist weder mit dem Wesen der Zivilgerichtsbarkeit unvereinbar, noch kann eine solche allgemeine organisatorische Regelung durch den Gesetzgeber einen Beteiligten seinem gesetzlichen Richter entziehen.

b) Auch die Verfahrensbestimmungen des Baulandbeschaffungsgesetzes weichen nicht wesensmäßig von den Verfahrensbestimmungen der Zivilprozeßordnung ab, sondern passen die allgemeinen, dort ausgeprägten Rechtsgedanken lediglich sachgerecht der Besonderheit der Materie an:

§ 32 Abs. 1 BauLBG, wonach das Gerichtsverfahren nicht durch eine beim Gericht zu erhebende "Klage", sondern durch einen bei der Enteignungsbehörde einzureichenden "Antrag" eingeleitet wird, ist eine der Beschleunigung dienende reine Formvorschrift, die jedermann leicht erfüllen kann.

Die Festsetzung der Entschädigung im Verwaltungsverfahren als Voraussetzung des Gerichtsverfahrens und die in § 32 Abs. 2 BauLBG vorgesehene Befristung des Antrags entsprechen nicht nur dem Herkommen in Enteignungssachen;
– vgl. z.B. § 30 des preußischen Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874, GS 221, und § 45 des badischen Enteignungsgesetzes vom 18. Juni 1899, GVBl. S. 359 –

die Zulässigkeit des Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten ist auch anderweit in verschiedenen Formen von einer Vorentscheidung der Verwaltung abhängig und befristet (vgl. Zusammenstellung bei Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., vor § 1 Anm. II D Ziff. 1 und 2, S. 18 ff.).

Die Anwendung der Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten samt dem Ausschluß des Anwaltszwanges (§ 36 Abs. 1 BauLBG) ist offensichtlich unbedenklich, denn auch die Amtsgerichte sind ordentliche Gerichte. Offensichtlich unbedenklich ist ferner die Einführung der Offizialmaxime (§ 36 Abs. 2 BauLBG) statt der reinen Parteiherrschaft und des Beibringungsgrundsatzes; denn abgesehen davon, daß diese Prinzipien in der Zivilprozeßordnung allgemein nicht rein durchgeführt sind (vgl. hierzu Boehmer, a.a.O. S. 111 ff.), schränkt die Zivilprozeßordnung sie entscheidend ein, wo das Interesse der Allgemeinheit im Spiel ist, wie in den im 6. Buch der Zivilprozeßordnung geregelten familienrechtlichen Verfahren (vgl. z.B. §§ 617, 622, 640, 653, 670, 680). Dieser Gesichtspunkt ist auch hier maßgebend.

Die Bestimmung, daß an dem Verfahren neben dem Antragsteller diejenigen "Beteiligten" des Enteignungsverfahrens teilnehmen und befugt sind Anträge zu stellen, deren Rechte und Pflichten durch die Entscheidung unmittelbar betroffen werden können (§ 37 i.V.m. § 21 BauLBG), wandelt lediglich den Gedanken der Zivilprozeßordnung ab, daß die Beteiligung und das Antragsrecht Dritter im Rechtsstreit in verschiedenen, der Besonderheit der Sache angemessenen Formen zu gewährleisten ist (§§ 64 ff. ZPO). Der "Antragsteller" ist auch nicht dadurch schlechter gestellt als ein "Kläger" im allgemeinen Zivilprozeßverfahren, daß die ursprünglich nur von ihm angefochtene Entscheidung der Enteignungsbehörde auf Antrag eines anderen Beteiligten auch zu seinem Nachteil abgeändert werden kann, so daß er durch die gerichtliche Entscheidung schlechter gestellt wird als zuvor. Im Zivilprozeß können Widerklage und Anschlußberufung zu dem gleichen Ergebnis führen, und auch die Ausgestaltung des Verfahrens in dem badischen Enteignungsgesetz vom 26. Juni 1899 in der Fassung v. 5. Oktober 1908 (GVBl. S. 625), § 45, eröffnet eine derartige Möglichkeit.

Einer eingehenderen Erörterung bedürfen lediglich die Beteiligung der Enteignungsbehörde an dem gerichtlichen Verfahren und der Fortfall einer zweiten Tatsacheninstanz.

Die Beteiligung der Enteignungsbehörde (§ 37 BauLBG), deren Entscheidung angefochten wird, an dem gerichtlichen Verfahren legt den Vergleich mit dem Verwaltungsgerichtsverfahren nahe, wo die angegriffene Behörde entweder selbst die Rolle der beklagten Partei übernimmt (MRVO 165) oder noch häufig als Vertreter des beklagten Staates oder der beklagten Körperschaft erscheint (süddeutsche Verwaltungsgerichtsgesetze). Doch wäre es falsch, daraus auf eine unzulässige Verfälschung des ordentlichen Rechtsweges zu schließen. Denn wo, wie in den familienrechtlichen Verfahren, das Interesse der Allgemeinheit im Spiele ist, räumt auch die Zivilprozeßordnung einem Vertreter der Allgemeinheit Einfluß auf das Gerichtsverfahren ein, der von Aufklärungsanträgen (§ 607 ZPO) bis zur vollen Parteistellung (§§ 634, 638 ZPO) reicht. Das außerordentliche Interesse der Allgemeinheit am Bereitstellen von Bauland zu "günstigen Preisen" ist evident: Das Grundgesetz gebietet in Art. 14 Abs. 3, die Entschädigung "unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" zu bestimmen. Selbst wenn ein Vertreter der Interessen der Allgemeinheit der Zivilprozeßordnung sonst unbekannt wäre, würde sich die parteigleiche Rolle der Enteignungsbehörde allein als verfahrensrechtliche Entsprechung zu dieser materiellen Norm der Verfassung selbst rechtfertigen.

Der Ausschluß der Berufung widerspricht zwar nicht den allgemeinen Vorschriften des Grundgesetzes über die Offenhaltung des Rechtsweges (vgl. BVerfGE 4, 74 [94]), Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG aber hebt auf die ordentliche Gerichtsbarkeit ab, und hier stehen den Parteien für vermögensrechtliche Streitigkeiten allgemein zwei Tatsacheninstanzen, allerdings steht häufig keine Revisionsinstanz offen. Doch ist schon in der Zivilprozeßordnung selbst daraus kein starres Prinzip gemacht, vielmehr läßt sie es in Bagatellsachen, weil es dort sachgerecht ist, bei einer Instanz bewenden.

Bei den Baulandsachen ist zu berücksichtigen, daß der Sachverhalt, soweit er für die Höhe der Entschädigung bedeutsam ist, weitgehend objektiv festliegt und daß in dem vorgeschalteten Verwaltungsverfahren bereits alle für die Angemessenheit der Entschädigung maßgeblichen Umstände in einem förmlichen, dem Gerichtsverfahren weitgehend angeglichenen Verfahren geprüft werden müssen (§§ 18 ff. BauLBG): Der Vorsitzende muß die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben, die zwei Laienbeisitzer werden auf die Dauer von zwei Jahren unwiderruflich bestellt (§ 18 Abs. 3 BauLBG). Eine mündliche Verhandlung ist zwingend vorgeschrieben, zu der alle Beteiligten unter Wahrung einer Ladungsfrist zu laden sind (§§ 23 Abs. 1, 29 Abs. 1 BauLBG). Auch unabhängig von der Mitwirkung der Beteiligten soll die Enteignungsbehörde schon durch vorbereitende Maßnahmen für eine möglichst vollständige Aufklärung des für das Enteignungsverfahren wesentlichen Sachverhalts Sorge tragen. Bereits in diesem Stadium des Verfahrens erhalten die Eigentümer und die beteiligten Behörden Gelegenheit zur Äußerung (§ 22 Abs. 1 BauLBG). Diese Gestaltung des Verfahrens garantiert, daß alle Beteiligten ausreichende Gelegenheit haben, alles vorzutragen, was nach ihrer Ansicht für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sein könnte, und gewährleistet eine vollständige Tatbestandsermittlung. Unter diesen besonderen Umständen war der Verzicht auf die Berufungsinstanz sachlich nicht weniger gerechtfertigt als in Bagatellsachen – wenn auch aus anderen Gründen: Es wäre nämlich von einer zweiten Tatsacheninstanz nach solcher Vorschaltung einer umfassenden Tatsachenprüfung keine weitere Aufklärung zu erwarten gewesen; die Möglichkeit einer Berufung würde nur der Prozeßverschleppung Vorschub leisten. Der Verzicht auf die Berufungsinstanz ist um so unbedenklicher, als gegen die Urteile der I. Instanz die Revision an das Oberlandesgericht und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Grundsatzrevision an den Bundesgerichtshof vorgesehen ist.

c) Nach alledem ist keiner der von den vorlegenden Gerichten dargelegten einzelnen Gründe geeignet, die Verfassungswidrigkeit einzelner Normen des Vierten Abschnitts des Baulandbeschaffungsgesetzes zu rechtfertigen. Die vorstehend nicht einzeln behandelten Bestimmungen des Vierten Abschnitts des Baulandbeschaffungsgesetzes bedurften keiner besonderen Erörterung, da sie für sich betrachtet offensichtlich nicht gegen Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG verstoßen. Aber auch wenn man die Organisationsund Verfahrensnormen für die gerichtliche Kontrolle in Baulandsachen im ganzen betrachtet, ergeben sie kein Verfahrensbild, das mit den allgemeinen im Gerichtsverfassungsgesetz und in der Zivilprozeßordnung verwirklichten Rechtsgedanken und dadurch auch mit Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG unvereinbar wäre.