BVerfG, 10.06.1953 - 1 BvF 1/53
1. Die Verfassungsorgane, denen nach § 77 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden muß, werden auch dann nicht zu Beteiligten im Sinne des § 25 Abs. 1 BVerfGG, wenn sie zu dem Antrag Stellung genommen haben.
2. Für die Zulässigkeit eines auf die Prüfung einer Rechtsverordnung gerichteten Normenkontrollverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG genügt es, daß die Vorschrift sich ihrer äußeren Form nach als Rechtsverordnung darstellt.
3. In einem auf die Prüfung einer Rechtsverordnung gerichteten Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG muß das Bundesverfassungsgericht als Vorfrage entscheiden, ob der Inhalt der Verordnung von der in Anspruch genommenen Ermächtigung gedeckt wird.
4. Für die Änderung von Gerichtsbezirken besteht ein Vorbehalt des Gesetzes.
5. Der Fortbestand der Ermächtigung in einer Rechtsvorschrift aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages (7. September 1949) hängt nicht davon ab, daß die Ermächtigung sich im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 Satz 22 GG hält. Ob eine frühere Ermächtigung erloschen ist, beurteilt sich ausschließlich nach Art. 129 Abs. 3 GG.
6. Unter "Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" im Sinne des Art. 129 Abs. 3 GG sind gesetzvertretende Rechtsverordnungen zu verstehen.
7. Die in § 1 Abs. 2 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I Satz 403) enthaltene Ermächtigung ist am Tage des Zusammentritts des Bundestages (7. September 1949) außer Kraft getreten.
Beschluß
des Ersten Senats vom 10. Juni 1953
– 1 BvF 1/53 –
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung der Verordnung des Niedersächsischen Landesministeriums über die Änderung der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover vom 8. Juli 1952 (GVBl. S. 67) auf Antrag der Niedersächsischen Landesregierung.
Entscheidungsformel:
Die Verordnung des Niedersächsischen Landesministeriums über die Änderung der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover vom 8. Juli 1952 (GVBl. S. 67) ist nichtig.
Gründe
A.
I.
Das Niedersächsische Landesministerium hat am 8. Juli 1952 auf Grund des § 1 Abs. 2 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I S. 403) eine Verordnung über die Änderung der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover erlassen (GVBl. S. 67). Dadurch wurden die Amtsgerichtsbezirke Hessisch-Oldendorf und Rinteln von dem Landgerichtsbezirk Hannover abgetrennt und dem Landgerichtsbezirk Bückeburg zugelegt (§ 1). Nach § 2 trat für die bei diesen Amtsgerichten zugelassenen Rechtsanwälte, soweit sie bisher zugleich bei dem Landgericht Hannover zugelassen waren, an die Stelle dieser Zulassung die Zulassung bei dem Landgericht Bückeburg.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Niedersächsischen Landtag richtete am 7. Oktober 1952 eine Große Anfrage an die Landesregierung (Nieders. Landtag, Zweite Wahlperiode, Drucks. Nr. 711), wie es sich rechtfertige, daß die Änderung der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover durch Verwaltungsanordnung vorgenommen worden sei. Der Landtag behandelte die Große Anfrage auf seiner 38. Sitzung am 27. November 1952 und überwies die aufgeworfene Rechtsfrage dem Rechts- und Verfassungsausschuß zur Prüfung und zum Bericht (Nieders. Landtag, Zweite Wahlperiode, StenBer. S. 2376 ff.).
Die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hält in den Gründen eines Versäumnisurteils vom 11. November 1952 - 13 O 186/52 - die Verordnung vom 8. Juli 1952 für unwirksam mit der Begründung, daß die Ermächtigung, auf die sich die Verordnung stütze, gegenstandslos und gemäß Art. 129 Abs. 3 GG erloschen sei; außerdem verstoße die Verordnung gegen die Vorläufige Niedersächsische Verfassung.
II.
1. Die Niedersächsische Landesregierung beantragt:
die Vereinbarkeit der Verordnung vom 8. Juli 1952 mit dem Grundgesetz und dem sonstigen Bundesrecht festzustellen.
im Wege der einstweiligen Anordnung zu bestimmen, daß die Verordnung bis zum Erlaß des Urteils als mit dem Grundgesetz und dem sonstigen Bundesrecht vereinbar zu behandeln sei.
Die Landesregierung ist der Ansicht, daß es sich bei Vorschriften, durch die Gerichtsbezirke geändert werden, nicht um Bestimmungen mit Rechtssatzcharakter handle; die Änderung von Gerichtsbezirken sei vielmehr eine Organisationsangelegenheit, für die es keinen Gesetzesvorbehalt gebe; selbst wenn aber der Verordnung Rechtssatzcharakter kraft Herkommens beigemessen werden müsse, so beruhe sie jedenfalls auf einer noch fortgeltenden reichsrechtlichen Ermächtigung, die weder durch die Veränderung der politischen Verhältnisse noch auf Grund von Bestimmungen des Grundgesetzes oder sonstigen Bundesrechts erloschen sei; diese Ermächtigung decke nicht nur die Änderung der Gerichtsbezirke, sondern kraft Sachzusammenhangs auch die Regelung über die Simultanzulassung der betroffenen Rechtsanwälte.
Die Landesregierung ist im übrigen der Ansicht, daß die Vereinbarkeit der Verordnung mit der vorläufigen Niedersächsischen Verfassung in diesem Verfahren nicht geprüft werden könne; vorsorglich trägt sie vor, daß die Verordnung mit dieser Verfassung vereinbar sei.
Seitdem das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist, haben einige Zivilkammern der Landgerichte Bückeburg und Hannover mehrere Rechtsstreitigkeiten aus den Bezirken der Amtsgerichte Hessisch-Oldendorf und Rinteln bis zum Erlaß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung vom 8. Juli 1952 ausgesetzt.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 77 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Niedersächsischen Landtag und - im Hinblick auf die Bedeutung der zur Entscheidung gestellten Rechtsfrage - allen Landesregierungen sowie der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
der Bundesminister der Justiz für die Bundesregierung, die Hessische Landesregierung, der Niedersächsische Landtag und die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle.
Der Bundesminister der Justiz hält die Verordnung der Niedersächsischen Landesregierung für vereinbar mit dem Grundgesetz und mit sonstigem Bundesrecht: die Bestimmung von Gerichtsgrenzen müsse als Rechtssatz kraft Herkommens angesehen werden; zum Erlaß eines solchen Rechtssatzes sei die Niedersächsische Landesregierung auf Grund der Ermächtigung des § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 befugt gewesen; diese Ermächtigung sei keine auf den Übergang der Justizhoheit auf das Reich beschränkte Vorschrift, sondern stelle eine das Gerichtsverfassungsrecht ergänzende Dauerregelung dar, die durch den Wegfall der Justizhoheit des Reichs nicht berührt worden und auch nicht nach Art. 129 Abs. 3 GG erloschen sei.
Die Hessische Landesregierung sieht die Verordnung gleichfalls als gültig an, weil die Änderung der Bezirke von Gerichten eine Maßnahme der Behördenorganisation sei und daher nicht dem Gesetzgeber, sondern dem Träger der Organisationsgewalt im Staate zukomme.
Der Niedersächsische Landtag hingegen hält die Änderung von Gerichtsbezirken für eine Maßnahme, die dem Gesetzgeber vorbehalten sei; die Niedersächsische Landesregierung sei zum Erlaß der Verordnung nicht befugt gewesen, weil die Ermächtigungsvorschrift des § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 gemäß Art. 129 Abs. 3 GG erloschen sei; im übrigen verstoße die Verordnung vom 8. Juli 1952 auch gegen die Vorläufige Niedersächsische Verfassung.
Die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle erachtet die Ermächtigung aus § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 in erster Linie ihres Übergangscharakters wegen, im übrigen aber auch nach Art. 129 Abs. 3 GG für erloschen; darüber hinaus verstoße § 2 der Verordnung vom 8. Juli 1952 gegen die Rechtsanwaltsordnung für die britische Zone, die gemäß Art. 125 Ziff. 1 GG Bundesrecht geworden sei.
3. Die Niedersächsische Landesregierung hat ausdrücklich auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.
I.
Die Entscheidung ergeht auf Grund des § 25 Abs. 1 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung.
Nach dieser Vorschrift kann das Bundesverfassungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn alle Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichten. Wer als Beteiligter im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, richtet sich nach der jeweiligen Verfahrensart. Es kann zweifelhaft sein, ob es in einem Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG überhaupt Beteiligte geben kann, weil dieses Verfahren ein seinem Wesen nach von subjektiven Berechtigungen unabhängiges objektives Verfahren zum Schutze der Verfassung ist und lediglich der Prüfung von Rechtsnormen am Maßstab des Grundgesetzes und sonstigen Bundesrechts, nicht aber dem Schutze einer Rechtsstellung des Antragstellers dient (Urteil vom 30. Juli 1952 1 BvF 1/52 -, BVerfGE 1, 396 [407]). An einem solchen Verfahren ist begrifflich notwendig niemand "beteiligt". Die Befugnis eines Antragstellers, auf Grund des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG ein Verfahren in Gang zu bringen, kann jedoch als ein prozessuales "Recht" aufgefaßt werden, überhaupt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen (Urteil vom 30. Juli 1952 - 1 BvF 1/52 -, BVerfGE 1, 396 [407f.]). In diesem Sinne ist die antragstellende Landesregierung am Verfahren "beteiligt". Die Verfassungsorgane, denen nach § 77 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist, werden auch dann nicht zu Beteiligten im Sinne des § 25 Abs. 1 BVerfGG, wenn sie zu dem Antrag Stellung genommen haben (vgl. Geiger, Komm. z. BVerfGG, § 77 Anm. 1).
Da der Antragsteller, die Niedersächsische Landesregierung, ausdrücklich auf mündliche Verhandlung verzichtet hat, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.
II.
1. Es handelt sich bei der zu prüfenden Verordnung um "Recht" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG i. V. m. § 76 Ziff. 2 BVerfGG.
Unter (Bundes- oder Landes-) Recht im Sinne dieser Vorschriften sind zunächst alle formellen Gesetze zu verstehen, ohne Rücksicht darauf, ob sie Rechtssätze im Sinne des überkommenen Rechtssatzbegriffes enthalten oder nicht (vgl. Urteil vom 30. Juli 1952 - 1 BvF 1/52 -, BVerfGE 1, 396 [410]).
Das gleiche muß für Rechtsverordnungen gelten. Auch hier genügt es für die Zulässigkeit des Normenkontrollverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG, daß die Vorschrift sich ihrer äußeren Form nach als Rechtsverordnung darstellt, d. h., daß sie von der erlassenden Stelle als "Verordnung" bezeichnet ist, eine Ermächtigung zu ihrem Erlaß angibt und in den für die Verkündung von Rechtsnormen bestimmten Publikationsblättern bekanntgemacht worden ist.
Die von der Niedersächsischen Landesregierung zur Prüfung gestellte Verordnung ist hiernach, ohne daß es auf ihren Inhalt ankommt, als der Normenkontrolle zugängliches "Recht" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG i. V. m. § 76 Ziff. 2 BVerfGG anzusehen, da sie als "Verordnung" bezeichnet ist, eine ermächtigende Vorschrift angibt und in dem für die Verkündung von niedersächsischen Rechtsnormen bestimmten Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt (Art. 36 Abs. 1 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung vom 13. April 1951 - GVBl. S. 103 -) veröffentlicht worden ist.
2. Die weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrags sind ebenfalls erfüllt. Die Erörterungen im Niedersächsischen Landtag, das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. November 1952 sowie die Aussetzungsbeschlüsse dieses Gerichts und des Landgerichts Bückeburg ergeben, daß Meinungsverschiedenheiten und Zweifel über die Vereinbarkeit der Verordnung mit dem Grundgesetz bestehen (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG); auch die Voraussetzungen des § 76 Ziff. 2 BVerfGG liegen vor. Die Antragsberechtigung der Landesregierung bedarf keiner weiteren Begründung.
III.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da die Verordnung vom 8. Juli 1952 in förmlicher Hinsicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
1. Die Änderung von Gerichtsbezirken unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes.
a) Dieser Vorbehalt besteht jedenfalls dann, wenn etwas ungeachtet seines Inhalts - in Gesetzesform geregelt worden ist; dies kann dann nur in der gleichen Form oder auf Grund besonderer Ermächtigung durch Verordnung aufgehoben oder geändert werden. Soweit die in § 1 der Verordnung vom 8. Juli 1952 bestimmte Änderung von Gerichtsbezirken in Frage steht, ergibt sich ein Vorbehalt des Gesetzes allerdings nicht aus der Entstehungsgeschichte der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover.
Zusammensetzung und Umfang des Landgerichtsbezirks Hannover waren ursprünglich durch das Preußische Gesetz betr. die Errichtung der Oberlandesgerichte und der Landgerichte vom 4. März 1878 (GS S. 109) geregelt. § 2 dieses Gesetzes bestimmte u. a., daß in Hannover ein Landgericht errichtet werde. Nach § 3 wurden die Bezirke der Landgerichte nach Maßgabe eines dem Gesetz anliegenden Verzeichnisses gebildet, das, an die politische Einteilung anknüpfend, dem Landgericht Hannover die Kreise Hannover (Stadt und Land), Wennigsen, Rinteln, Hameln, das Amt Burgwedel und das Fürstentum Pyrmont zuteilte. Die Gliederung des Landgerichtsbezirks in Amtsgerichtsbezirke erfolgte auf Grund der in § 21 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. April 1878 (GS S. 233) enthaltenen Ermächtigung durch die Verordnung betr. die Errichtung der Amtsgerichte vom 26. Juli 1878 (GS S. 275). Durch diese Verordnung wurden im Landgerichtsbezirk Hannover folgende Amtsgerichte errichtet: Burgwedel, Calenberg, Coppenbrügge, Hameln, Hannover, Lauenstein, Münder, Neustadt a. R., Obernkirchen, Oldendorf, Polle, Pyrmont, Rinteln, Rodenberg, Springe und Wennigsen.
Alle diese preußischen Bestimmungen traten gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgesetz in Kraft.
Seitdem sind folgende Veränderungen des Landgerichtsbezirks Hannover eingetreten:
Durch die Verordnung des Preußischen Staatsministeriums über die Aufhebung von Amtsgerichten vom 30. Juli 1932 (GS S. 253) wurden die Amtsgerichte Coppenbrügge, Kalenberg (zuvor Calenberg) und Polle aufgehoben. Die Verordnung erging auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden vom 24. August 1931 (RGBl. I S. 453). Die Bezirke der drei Amtsgerichte wurden durch die Preußische Verordnung über die Aufteilung der Bezirke der aufgehobenen Amtsgerichte vom 13. September 1932 (GS S. 301) auf benachbarte Amtsgerichtsbezirke aufgeteilt. Dabei wurden unter Ausgliederung aus dem Landgerichtsbezirk Hannover einige zum Bezirk der Amtsgerichte Coppenbrügge und Kalenberg gehörende Gemeinden dem Landgerichtsbezirk Hildesheim zugelegt. Die übrigen Gemeinden aus den Bezirken der aufgehobenen Amtsgerichte wurden auf die Amtsgerichte Hameln, Hannover, Lauenstein, Pyrmont und Springe aufgeteilt, verblieben also im Landgerichtsbezirk Hannover.
Durch das vom Preußischen Staatsministerium beschlossene Gesetz über die Wiedereinrichtung aufgehobener Amtsgerichte und die Schaffung von Zweigstellen der Amtsgerichte vom 29. August 1933 (GS S. 319) wurde das Amtsgericht Coppenbrügge wieder eingerichtet. Es wurde während des Krieges geschlossen und ist noch nicht wieder eröffnet, jedoch auch nicht aufgehoben worden, sondern wird z. Zt. vom Amtsgericht Hameln mitverwaltet.
Im Jahre 1943 wurden die Amtsgerichte Obernkirchen und Rodenberg auf Grund einer - unveröffentlichten - Ermächtigung des Reichsministers der Justiz vom 20. Mai 1943 - 3200/7 - I a 995 - durch den - ebenfalls unveröffentlichten - Erlaß des Oberlandesgerichtspräsidenten in Celle vom 7. Juni 1943 - 3200 VI - in ihrem Geschäftsbetrieb eingeschränkt. Das Amtsgericht Obernkirchen wurde in ein Gerichtstage-Gericht des Amtsgerichts Bückeburg, das Amtsgericht Rodenberg in ein Zweigstellen-Gericht des Amtsgerichts Stadthagen umgewandelt. Der Reichsminister der Justiz bestimmte mit AV vom 7. September 1943 (DJ S. 443), daß diese Amtsgerichte auf Grund der getroffenen Maßnahmen für die Dauer der Geschäftsbeschränkung aus dem Bezirk des bisher übergeordneten Landgerichts Hannover ausgeschieden und in den Bezirk des Landgerichts Bückeburg getreten seien. Durch die - nicht veröffentlichten - Erlasse des Reichsministers der Justiz vom 6. Dezember 1943 - 3200/7 - I a 1955 - und 16. Januar 1945 -3200/7 - I a 66 - wurden alle Gerichtstage - und Zweigstellen-Gerichte noch enger in die aufnehmenden Gerichte eingegliedert.
Nach dem Zusammenbruch wurde durch eine mündliche Anordnung der britischen Militärregierung Hannover, über die beim Oberlandesgericht Celle ein Aktenvermerk am 23. November 1945 aufgenommen wurde, bestimmt, daß die Amtsgerichte Obernkirchen und Rodenberg wieder zu eröffnen seien, jedoch weiterhin beim Landgericht Bückeburg verbleiben sollten. Daraufhin gab der Oberlandesgerichtspräsident in Celle in der "Hannoverschen Rechtspflege" ( 1946 S. 24, 35) bekannt, daß die Amtsgerichte Obernkirchen und Rodenberg "im Landgerichtsbezirk Bückeburg" wieder eröffnet seien. Seitdem werden die Amtsgerichte Obernkirchen und Rodenberg als zum Landgerichtsbezirk Bückeburg gehörig betrachtet.
Der Landgerichtsbezirk Hannover bestand demnach beim Erlaß der Verordnung vom 8. Juli 1952 aus den Amtsgerichtsbezirken Burgwedel, Coppenbrügge (vom Amtsgericht Hameln mitverwaltet), Hannover, Lauenstein, Bad Münder, Neustadt a. R., Hessisch-Oldendorf (früher Oldendorf genannt), Bad Pyrmont, Rinteln, Springe und Wennigsen.
Zusammensetzung und Umfang des Landgerichtsbezirks Bückeburg waren ursprünglich durch das Schaumburg-Lippische Gesetz betreffend die Reorganisation der Behörden vom 31. Dezember 1877 (Schaumb.Lipp. Landesverordnungen Bd. 12 S. 481) geregelt, durch dessen § 2 ein Landgericht mit dem Sitz in Bückeburg errichtet wurde, dessen Bezirk sich mit dem Gebiet des Fürstentums Schaumburg-Lippe deckte. Der Landgerichtsbezirk bestand aus den Amtsgerichtsbezirken Bückeburg und Stadthagen, deren Abgrenzung durch die Verordnung betr. die Bestimmung der Bezirke der Amtsgerichte und der Ämter vom 2. Juli 1879 (Schaumb.-Lipp. Landesverordnungen Bd. 13 S. 255) näher geregelt war. Diese Verordnung erging auf Grund des § 10 des Schaumburg-Lippischen Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 30. Juni 1879 (Schaumb.-Lipp. Landesverordnungen Bd. 13 S. 221).
In den Jahren 1943 bis 1945 vergrößerte sich der Landgerichtsbezirk Bückeburg, wie bereits dargelegt, um die Amtsgerichtsbezirke Obernkirchen und Rodenberg. Er bestand demnach bei Erlaß der Verordnung vom 8. Juli 1952 aus den Amtsgerichtsbezirken Bückeburg, Obernkirchen, Rodenberg und Stadthagen.
Soweit es sich um die Bezirke der Amtsgerichte Hessisch-Oldendorf und Rinteln handelt, ist hiernach der Landgerichtsbezirk Hannover durch formelles Gesetz festgelegt worden. Im übrigen kann eine solche Feststellung für den gesamten Bereich der Landgerichte Bückeburg und Hannover nicht getroffen werden.
b) Der Vorbehalt des Gesetzes für die Änderung von Gerichtsbezirken ergibt sich jedoch aus dem Herkommen, aus der Eigenart einer solchen Maßnahme und aus allgemeinen, aus dem Grundgesetz abzuleitenden rechtsstaatlichen Erwägungen.
Die Errichtung und Aufhebung von Gerichten sowie die Änderung der Grenzen ihrer Bezirke sind seit langem weitgehend als Maßnahmen anerkannt, die mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Unabhängigkeit der Rechtspflege im Rechtsstaat aus dem Rahmen der allgemeinen Behördenorganisation derart herausfallen, daß sie grundsätzlich nur durch formelles Gesetz angeordnet werden dürfen. Ein solches Herkommen hat sich seit der Verwirklichung des gewaltenteilenden Rechtsstaates im 19. Jahrhundert herausgebildet.
Einen Vorbehalt des Gesetzes für die Gerichtsorganisation im weitesten Sinne kann man bereits in Titel VIII § 1 Satz 2 der Bayerischen Verfassung vom 26. Mai 1818 erkennen, wonach die Gerichtsbarkeit in einer gesetzlich bestimmten Instanzenordnung verwaltet wird. Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Kap. VII § 92 der Württembergischen Verfassung vom 25. September 1819 und in § 45 der Sächsischen Verfassung vom 4. September 1831. Nach Art. 89 der Preußischen Verfassung vom 31. Januar 1850 wird die Organisation der Gerichte durch das Gesetz bestimmt.
Darüber hinaus war in den Ausführungsgesetzen einiger Länder zu den Reichsjustizgesetzen die Bestimmung der Sitze und Bezirke der Gerichte im Einzelfall ausdrücklich der Gesetzgebung vorbehalten. So wurden nach § 21 Abs. 1 des Preuß. Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. April 1878 (GS S. 230) die Sitze und Bezirke der Amtsgerichte zwar zunächst durch Königliche Verordnung bestimmt, sie konnten jedoch gemäß § 21 Abs. 2 nach dem 1. Oktober 1882 nur durch Gesetz verändert werden; wurden bei solchen Änderungen die Grenzen von Landgerichtsbezirken überschritten, so zog die Änderung der Amtsgerichtsbezirke kraft Gesetzes die der Landgerichtsbezirke nach sich (§ 37 Abs. 2); im übrigen mußten Sitze und Bezirke der Landgerichte und Oberlandesgerichte durch Gesetz bestimmt werden (§ 37 Abs. 1, § 47). Ähnliche Vorschriften galten für Sachsen (§§ 4 bis 7 des Gesetzes vom 1. März 1879 - GVBl. S. 59 -) und Baden (§ 1 des Gesetzes vom 3. März 1879 - GVBl. S. 91 -).
Ein Vorbehalt des Gesetzes für die Gerichtsorganisation im allgemeinen findet sich ferner in verschiedenen Landesverfassungen seit 1918: Nach § 44 der Oldenburgischen Verfassung vom 17. Juni 1919 (GBl. S. 391) wird die Gerichtsgewalt durch die nach den Reichs- und Landesgesetzen bestellten Gerichte ausgeübt. § 5 Satz 3 der Bayerischen Verfassung vom 14. August 1919 (GVBl. S. 531) bestimmte, daß die Einrichtung der Gerichte durch Gesetz erfolgt. Nach Art. 6 Abs. 1 der Hessischen Verfassung vom 12. Dezember 1919 (RegBl. S. 439) wird die Gerichtsgewalt durch die nach den Gesetzen des Deutschen Reiches und den Landesgesetzen bestellten Gerichte ausgeübt. § 70 der Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 18. Mai 1920 (GBl. S. 183) sah vor, daß die Zuständigkeit der Gerichte durch Gesetz und die vom Senat mit Zustimmung der Bürgerschaft abgeschlossenen Staatsverträge bestimmt wird. Art. 44 der Verfassung des Landes Lippe vom 21. Dezember 1920 (Lipp. Gesetzsammlung 1920 S. 341) und § 42 Satz 2 der Verfassung von Schaumburg-Lippe vom 24. Februar 1922 (Schaumb.-Lippische Landesverordnungen S. 27) bestimmten, daß die Rechtspflege auf Grund der gesetzlichen Vorschriften durch die nach Reichs- und Landesgesetz eingesetzten Gerichte ausgeübt wird.
Die oben erwähnten Ausführungsgesetze zu den Reichsjustizgesetzen gelten auch nach 1918 weiter.
Nach dem Übergang der Justizhoheit auf das Reich wurde diese Regelung im wesentlichen als Reichsrecht übernommen: die Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I S. 403) bestimmte, daß die Errichtung und Aufhebung eines Gerichts und die Verlegung eines Gerichtssitzes durch Reichsgesetz angeordnet werden (§ 1 Abs. 1) und daß Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke der Reichsminister der Justiz verordnet (§ 1 Abs. 2). Damit war für die Errichtung und Aufhebung von Gerichten und für die Verlegung von Gerichtssitzen ausdrücklich erklärt, daß diese Organisationsakte aus dem Rahmen der allgemeinen Organisationsgewalt im Staate als Sondererscheinungen herausgelöst und dem Gesetz vorbehalten waren. Für Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke war dieser Vorbehalt des Gesetzes nicht ebenso ausdrücklich bestimmt. Aus dem inneren Zusammenhang solcher Maßnahmen mit der in § 1 Abs. 1 dem Gesetz vorbehaltenen Errichtung und Aufhebung eines Gerichts und der Verlegung eines Gerichtssitzes folgt jedoch, daß der damalige Gesetzgeber grundsätzlich auch die Änderung von Gerichtsbezirken als der Gesetzgebung vorbehalten ansah und nur die Ausübung dieser Befugnis dem Reichsminister der Justiz im Wege der Ermächtigung überlassen wollte. Das ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2, nach dem der Reichsminister der Justiz Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke "verordnet", sowie aus der TatsacWQhe, daß alle auf Grund dieser Ermächtigung ausgesprochenen Änderungen von Gerichtsbezirken von dem Reichsminister der Justiz ausdrücklich als Verordnungen bezeichnet, auf die Ermächtigung des § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 gestützt und im Reichsgesetzblatt verkündet, also als Rechtsverordnungen erlassen wurden. Die Richtigkeit dieser Auslegung wird schließlich bestätigt durch § 1 Ziff. 1 der Verordnung des Ministerrats für die Reichsverteidigung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege vom 1. September 1939 (RGBl. I S. 1658), durch die der Reichsminister der Justiz ermächtigt wurde, durch Verfügung Gerichte zu errichten, aufzuheben, ihren Sitz zu verlegen und Änderungen in der Abgrenzung ihrer Bezirke anzuordnen.
Ließe sich schon hiernach für die Änderung von Gerichtsbezirken der Vorbehalt des Gesetzes kraft Herkommens begründen (vgl. Holzweg, NJW 1953, 48; ähnlich wohl auch Thoma in HdbDStR II, 223 Anm. 7), so ergibt sich dieser Vorbehalt nach geltendem Recht jedenfalls aus der besonderen Eigenart solcher Maßnahmen und aus der streng rechtsstaatlichen Auffassung und der gewaltenteilenden Konzeption des Grundgesetzes. Dieses enthält zwar keine ausdrückliche Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form Gerichtsbezirke geändert werden können. Die Grundsätze hierfür ergeben sich jedoch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung, das auch für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern verbindlich ist (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG).
Die Maßnahmen, durch die Gerichte errichtet oder verändert werden, unterscheiden sich ihrem Wesen nach von allen anderen Maßnahmen der Behördenorganisation dadurch, daß sie die Wirkungsmöglichkeit der Rechtsprechung unmittelbar berühren und damit mittelbar in die vom Grundgesetz sorgfältig gehütete sachliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt eingreifen. Solche Eingriffe gehören nicht kraft allgemeiner, den funktionenteilenden Verfassungen immanenter Rechtsnormen zu dem Zuständigkeitskomplex, den man das "Hausgut der Verwaltung" (Thoma in HdbDStR II, 228) nennen könnte; sie sind diesem Zuständigkeitsbereich auch nicht durch ausdrückliche Zuweisung zugeordnet. Sie gehören daher zum Bereich der Legislative.
Der Vorbehalt des Gesetzes für die Änderung der Grenzen von Gerichtsbezirken ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt des "gesetzlichen Richters" (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Unabhängigkeit der Rechtspflege (Art. 97 GG). Das Postulat des "gesetzlichen Richters", das vom Grundgesetz zum Verfassungssatz erhoben worden ist, hat zur logischen Voraussetzung einen Bestand von Rechtssätzen, die für jeden denkbaren Streitfall im voraus den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist. Solche Bestimmungen sind durch das Gerichtsverfassungsgesetz und die Prozeßordnungen getroffen worden, die die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Gerichte und das Verfahren bei der personellen und sachlichen Geschäftsverteilung regeln. Diese gesetzlichen Bestimmungen werden durch "Organisationsakte" ergänzt und praktikabel gemacht. Hierzu gehören die Maßnahmen, durch die der Bezirk und damit die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts festgelegt werden. Diese Maßnahmen ermöglichen Eingriffe in die durch Art. 97 GG garantierte persönliche Unabhängigkeit der Richter, da nach Art. 97 Abs. 2 Satz 3 GG ein Richter bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke auch gegen seinen Willen an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden kann. Der Unabhängigkeit der Rechtspflege kommt jedoch als einem der wesentlichen Grundsätze unseres Staatsaufbaues im Hinblick auf die Erfahrungen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erhöhte Bedeutung zu.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich somit, daß die Änderung der Grenzen von Gerichtsbezirken als eine Maßnahme, die ihrem Wesen nach nicht zum Bereich der Exekutive gehört, dem Zuständigkeitsbereich der Legislative zuzurechnen ist, daß also für sie der Vorbehalt des Gesetzes besteht.
2. Die Landesregierung hat sich zum Nachweis ihrer Befugnis zum Erlaß der Verordnung vom 8. Juli 1952 auf § 1 Abs. 2 der Verordnung des Reichsministers der Justiz zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I S. 403) berufen, wonach der Reichsminister der Justiz Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke verordnet.
Die sich zunächst erhebende Frage, ob der Inhalt der Verordnung vom 8. Juli 1952 von der in Anspruch genommenen Ermächtigungsnorm gedeckt wird, muß in einem Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden. Zwar hat das Gericht in seinem Beschluß vom 20. März 1952 - 1 BvL 14/52 - (BVerfGE 1, 202 [206]) ausgesprochen, daß eine schon wegen fehlender Ermächtigung unwirksame Landesnorm eine Bundesnorm nicht verletzen könne, daß also in diesem Fall die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig sei. Diese für das Verfahren der Normenkontrolle auf Antrag eines Gerichts (Art. 100 Abs. 1 GG) entwickelte Auffassung kann jedoch für die Prüfung von Normen im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG keine Geltung beanspruchen. Dort beruhte sie auf der Erwägung, daß das vorlegende Gericht selbst prüfen und entscheiden muß, ob die in Anspruch genommene Ermächtigung besteht. Im Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG muß dagegen das Bundesverfassungsgericht diese Frage als Vorfrage selbst entscheiden, da im Rahmen dieses Verfahrens ein anderes für diese Entscheidung zuständiges Organ nicht vorhanden ist.
§ 1 der Verordnung vom 8. Juli 1952 wird von dem Wortlaut der als Ermächtigung genannten Vorschrift gedeckt. Für § 2 stellt sich die Frage einer inhaltlich genügenden Ermächtigung nicht, da er keinen Rechtssatz enthält.
3. § 1 der Verordnung vom 8. Juli 1952 ist jedoch nicht wirksam erlassen worden, da § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 damals nicht mehr in Kraft war.
a) Gegen die Geltung der Ermächtigungsnorm zu diesem Zeitpunkt können allerdings keine Bedenken aus ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zweck hergeleitet werden.
Der Reichsminister der Justiz hat die Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I S. 403) auf Grund des Art. 5 des Ersten Gesetzes zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 16. Februar 1934 (RGBl. I S. 91) erlassen. Darin war er ermächtigt worden, "alle Bestimmungen zu treffen, die durch den Übergang der Justizhoheit auf das Reich erforderlich werden". Dieses Gesetz steht in Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 (RGBl. I S. 75), in dem bestimmt war, daß die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übergehen.
Im Hinblick auf diese Entstehungsgeschichte der Verordnung vom 20. März 1935 ist im Schrifttum gegen die Fortgeltung der in § 1 Abs.2 ausgesprochenen Ermächtigung eingewandt worden, daß sie nur als Übergangsregelung für die Zeit und den Zweck der Überleitung der Rechtspflege auf das Reich gewährt worden sei. Für diese Auslegung ist zunächst der Wortlaut des Vorspruches der Verordnung herangezogen worden, wonach sie auf Grund des Gesetzes vom 16. Februar 1934 "übergangsweise" erlassen wurde. Auch aus der Überschrift dieses Gesetzes "zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich" hat man entnehmen wollen, daß die in Art. 5 gewährte weitgehende Ermächtigung des Reichsministers der Justiz nur für die Zeit und den Zweck der Überleitung der Rechtspflege auf das Reich dienen sollte (so Tasche, NJW 1952, 409).
Diese einschränkende Auslegung der in Art. 5 des Gesetzes vom 16. Februar 1934 und in § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 erteilten Ermächtigung entspricht jedoch nicht der Zweckbestimmung dieser Vorschriften. Dafür spricht schon der Wortlaut des Art. 5, der den Reichsminister der Justiz ermächtigte, "alle Bestimmungen zu treffen, die durch den Übergang der Justizhoheit auf das Reich erforderlich werden". Im Gegensatz zu der Überschrift des Gesetzes, in der von der Überleitung der Rechtspflege auf das Reich die Rede ist, geht Art. 5 von dem bereits vollzogenen Übergang der Justizhoheit auf das Reich aus, ermächtigt also nicht, die Rechtspflege überzuführen, sondern die auf Grund des erfolgten Überganges erforderlichen Neuregelungen zu treffen. Art. 5 beschränkt sich also nicht darauf, den Reichsminister der Justiz zum Erlaß der sich unmittelbar aus dem Übergang der Justizhoheit auf das Reich ergebenden organisatorischen Vorschriften zu ermächtigen, also etwa Zuständigkeiten der Landesjustizverwaltungen auf die Reichsjustizverwaltung oder andere Stellen zu übertragen. Vielmehr sollte diese Ermächtigung dazu dienen, die damals bestehende Rechtszersplitterung zu beseitigen und eine für die Dauer gedachte einheitliche Neuregelung herbeizuführen (vgl. Jonas in Pfundtner-Neubert, IIa 10, S.2). Sie umfaßt daher auch die Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts, soweit die Regelung von Einzelfragen dieses Rechtsgebietes bis dahin den Ländern zugestanden hatte.
Im Sinne dieser Auslegung des Art. 5 kann auch der "übergangsweise" erfolgte Erlaß der Verordnung vom 20. März 1935 nicht dahin verstanden werden, daß die in dieser Verordnung getroffenen Bestimmungen und damit auch die in § 1 Abs. 2 bezeichnete Ermächtigung nur für die Zeit und den Zweck der Überleitung der Rechtspflege auf das Reich dienen sollten (vgl. Wittland in Pfundtner-Neubert, IIa 5, S. 11 ff.). Der Ausdruck "übergangsweise" läßt sich ebenso dahin auslegen, daß durch ihn nur der Anlaß für die Schaffung der Verordnung bezeichnet werden sollte in dem Sinne, daß die Verordnung als Folge des Übergangs der Rechtspflege auf das Reich ergangen ist (so Holzweg, NJW 1953, 48).
Der Reichsminister der Justiz wollte mit der Verordnung vom 20. März 1935 keine zeitlich oder sachlich beschränkte Übergangsregelung treffen, sondern das Recht auf einigen Gebieten der Gerichtsverfassung einheitlich regeln. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift der Verordnung sowie daraus, daß der Inhalt einiger Vorschriften offensichtlich für die Dauer bestimmt war. Hinzuweisen ist auf die Regelungen über die Geschäftsverteilung bei den Amtsgerichten (§§ 5, 6), die Befugnis zur Bestimmung der Zahl der Kammern bei den Landgerichten und der Senate bei den Oberlandesgerichten (§ 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2), den rechtlichen Charakter der Beamten der Staatsanwaltschaft (§ 9) und die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Anordnungen für die Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften und für die Gerichtsvollzieher (§ 12).
Dementsprechend enthält auch § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 nicht eine auf die Überleitung der Rechtspflege auf das Reich zeitlich und sachlich beschränkte Ermächtigung, die Grenzen von Gerichtsbezirken zu ändern. § 1 Abs. 2 bestimmt vielmehr als eine Vorschrift, die der Rechtsvereinheitlichung dient, daß die Änderung von Gerichtsgrenzen nicht mehr durch die Länder, sondern durch das Reich, und zwar durch den Reichsminister der Justiz im Wege der Verordnung zu erfolgen habe.
§ 1 Abs. 2 enthält ebensowenig wie andere Bestimmungen der Verordnung (z. B. §§ 2, 3, 4, 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 12) etwas begrifflich Unmögliches, nämlich die Ermächtigung des Reichsministers der Justiz durch sich selbst. Der Reichsminister der Justiz war vielmehr auf Grund seiner umfassenden Ermächtigung aus Art. 5 des Gesetzes vom 16. Februar 1934 befugt, zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung Bestimmungen über das Gerichtsverfassungsrecht mit Gesetzesrang zu erlassen. In diesem Zusammenhang konnte er allgemein Rechtsetzungs- und andere Kompetenzen begründen, um so mehr also sich selbst solche Befugnisse vorbehalten. So hätte es z. B. ohne Zweifel innerhalb der ihm in Art. 5 eingeräumten Ermächtigung gelegen, den Oberlandesgerichtspräsidenten die Befugnis zur Änderung von Gerichtsgrenzen innerhalb ihrer Bezirke zu übertragen. Wenn er diese Befugnis statt dessen sich selbst vorbehielt, so können mit Rücksicht auf die ihm durch Reichsgesetz verliehenen umfassenden Gestaltungsmöglichkeiten begriffliche Bedenken hiergegen nicht geltend gemacht werden.
b) § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 ist jedoch durch die weitere Rechtsentwicklung in seiner Geltung beeinträchtigt worden.
Die durch diese Vorschrift erteilte Ermächtigung ist allerdings nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß der Reichsminister der Justiz durch Verordnung des Ministerrats für die Reichsverteidigung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege v. 1. September 1939 (RGBl. I S. 1658) u. a. ermächtigt wurde, durch Verfügung Änderungen in der Abgrenzung der Bezirke von Gerichten anzuordnen (§ 1 Ziff. 1). Diese Ermächtigung zielte offensichtlich darauf ab, die Justizverwaltung für die Dauer der Kriegsverhältnisse zu vereinfachen. Sie ließ daher die im Zusammenhang mit der Überleitung der Rechtspflege auf das Reich begründete Befugnis unberührt. Dies wird dadurch bestätigt, daß der Reichsminister der Justiz noch nach Inkrafttreten der Verordnung vom 1. September 1939 auf Grund des § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 Gerichtsbezirke durch Verordnung geändert hat (vgl. z. B. Verordnung vom 21. November 1939 - RGBl. I S. 2289 -).
Auch der Wegfall der Reichsjustizhoheit im Jahre 1945 hat die Geltung des § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 nicht berührt. Es handelt sich bei dieser Vorschrift, wie bereits dargelegt, nicht nur um eine durch den Übergang der Justizhoheit auf das Reich bedingte Kompetenzänderung, die durch den Wegfall des Trägers dieser Befugnis obsolet geworden sein könnte, sondern zugleich um eine für die Dauer geschaffene Bestimmung des Gerichtsverfassungsrechts, deren Fortgeltung von dem Bestand der Reichsjustizhoheit nicht abhängt.
Der Kontrollrat für Deutschland und die Militärregierungen in den Westzonen haben schließlich die Verordnung vom 20. März 1935 nicht ausdrücklich aufgehoben. Für den hier in Betracht kommenden Bereich der britischen Zone hat der Militärbefehlshaber vielmehr die Weitergeltung des § 1 Abs. 2 dadurch anerkannt, daß er durch die Legal Division Instruction No. 30 (Amtsbl. d. MilReg. Deutschland - Brit. Kontrollgebiet - S. 752 -) die dem Reichsminister der Justiz verliehene Befugnis zur Änderung der Grenzen von Gerichtsbezirken auf die Justizminister der Länder übertragen hat. Die Aufhebung dieser Instruction durch die Verordnung Nr. 221 des Hohen Kommissars des Vereinigten Königreichs für Deutschland am 15. Dezember 1950 (Amtsbl. der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland S. 710) steht dieser Auslegung nicht entgegen, da durch die Aufhebung der Instruction No. 30 nur für den deutschen Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen werden sollte, dieses Rechtsgebiet fortan in eigener Zuständigkeit und ungehindert durch die alliierte Gesetzgebung zu regeln.
Die in § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 enthaltene Ermächtigung ist jedoch am Tage des Zusammentritts des Bundestages (7. September 1949) außer Kraft getreten. Zwar widerspricht diese Rechtsvorschrift an sich nicht dem Grundgesetz; die in ihr enthaltene Ermächtigung ist aber nach Art. 129 Abs. 3 GG erloschen.
Die oben dargelegte Bedeutung der Gerichtsorganisation für die Unabhängigkeit der Rechtspflege zwingt nicht zu dem Schluß, daß eine Übertragung der Befugnis zur Änderung der Grenzen von Gerichtsbezirken auf die Exekutive schlechthin ausgeschlossen sei und daß deshalb jede solche Ermächtigung gegen das Grundgesetz verstoße. Zwar sind die Errichtung von Gerichten und die Bestimmung ihrer Bezirke als Akte der Rechtsetzung anzusprechen und daher grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten. Hieraus folgt jedoch nicht, daß es der Legislative verwehrt wäre, ihre Befugnis zu solchen Maßnahmen innerhalb der vom Grundgesetz für die Übertragung rechtsetzender Gewalt bestimmten Grenzen der Exekutive zu übertragen. Ermächtigungen zur Änderung von Gerichtsgrenzen im Verordnungswege sind daher durch das Grundgesetz nicht schlechthin ausgeschlossen, vorkonstitutionelle Ermächtigungen dieser Art nicht ausnahmslos erloschen.
Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Prüfung, ob § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht und ob er bei Fehlen dieser Voraussetzungen wegen Widerspruchs mit dem Grundgesetz außer Kraft getreten ist (Art. 123 Abs. 1 GG).
Die Frage, ob Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auf Ermächtigungen aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages überhaupt anwendbar ist oder ob für sie Art. 129 Abs. 3 GG als Sondervorschrift gilt, ist im Schrifttum wiederholt behandelt worden. Die Auffassung, daß frühere Ermächtigungen nur dann fortbestehen, wenn sie den Vorschriften des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen, wird z. B. von Holtkotten (Bonn. Komm., Art. 129 Anm. II A 1 und II D 1, S. 3, 11 f.) und Bettermann (MDR 1952, 4) vertreten. Ihr kann jedoch nicht zugestimmt werden.
Das Grundgesetz hat die Frage des Weitergeltens früherer Ermächtigungen in der Sondervorschrift des Art. 129 GG behandelt. Dabei hat sich der Verfassungsgesetzgeber dahin entschieden, daß solche Ermächtigungen grundsätzlich aufrechterhalten werden. Dies ist zwar in Art. 129 Abs. 1, 2 und 4 GG nicht ausdrücklich bestimmt. Wenn aber nach diesen Vorschriften frühere Ermächtigungen auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen übergehen, so setzt dies den Fortbestand der Ermächtigungen voraus. Von dieser Regel macht Art. 129 Abs. 3 GG nur für bestimmte Delegationen eine Ausnahme. Dabei war es dem Parlamentarischen Rat zweifellos bekannt, daß die Frage des Fortbestehens früherer Ermächtigungen bereits in verschiedenen, nach 1945 ergangenen Landesgesetzen geregelt worden war. So bestimmt § 2 des bayer. Gesetzes Nr. 122 über den Erlaß von Rechtsverordnungen auf Grund vormaligen Reichsrechts vom 8. Mai 1948 (GVBl. S. 82), daß reichsrechtliche Ermächtigungen nicht ausgeübt werden dürfen, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß der damit erteilten Verordnungsgewalt durch die vom ermächtigenden Gesetzgeber selbst getroffenen Bestimmungen nicht hinreichend genau festgelegt und begrenzt sind. Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Baden haben ähnliche Regelungen getroffen.
In Kenntnis dieser Landesgesetzgebung und angesichts der Tatsache, daß in der Zeit vor der Kapitulation - und zwar nicht nur nach, sondern auch vor 1933 - dem deutschen Staatsrecht eine gesetzliche Begrenzung der Verordnungsbefugnis fehlte, wie sie jetzt Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG enthält, hat das Grundgesetz nur diejenigen früheren Ermächtigungen für erloschen erklärt, die zu einer Änderung oder Ergänzung der ermächtigenden Rechtsvorschrift oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen ermächtigen. Wenn der Parlamentarische Rat alte Ermächtigungen den Erfordernissen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hätte unterwerfen wollen, so hätte nichts näher gelegen, als dies in Art. 129 GG ausdrücklich anzuordnen. Dies hat das Grundgesetz jedoch nicht bestimmt; es hat vielmehr unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung früherer Delegationen nur das Erlöschen der in Art. 129 Abs. 3 GG bezeichneten Ermächtigungen angeordnet.
Hieraus ergibt sich, daß der Fortbestand der Ermächtigung in einer Rechtsvorschrift aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages nicht davon abhängt, daß die Ermächtigung sich im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hält (ebenso Wessel, SJZ 1949, 805; Bernhard Wolff, AöR 78, 211/12; Rubarth, NJW 1952, 958; Weitnauer, MDR 1952, 66f., Schmidt, NJW 1952, 1239; Kleinrahm, DÖV 1952, 105 Anm. 11).
Die Frage, ob eine frühere Ermächtigung erloschen ist, beurteilt sich daher ausschließlich nach Art. 129 Abs. 3 GG. Im vorliegenden Verfahren ist lediglich zu prüfen, ob es sich bei § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 um eine "Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" handelt.
Die Auslegung dieser Bestimmung ist im Schrifttum lebhaft umstritten. Es wird einerseits die Auffassung vertreten, daß der Verfassungsgesetzgeber mit dem Ausdruck "Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" an den in der Wissenschaft entwickelten Begriff der "gesetzvertretenden Rechtsverordnung" angeknüpft habe. Andererseits wird ausgeführt, daß Art. 129 Abs. 3 GG die während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft üblichen schrankenlosen "Global- Ermächtigungen" habe treffen, also Ermächtigungen unüberschaubaren Ausmaßes habe zum Erlöschen bringen wollen, die die ermächtigten Stellen in die Lage versetzten, nach Art eines unbeschränkten Gesetzgebers Rechtsvorschriften zu erlassen. Es wird dabei die Ansicht vertreten, eine "Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" sei jedenfalls dann nicht erloschen, wenn sie den für Ermächtigungen durch Bundesgesetze geltenden Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genüge.
Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 129 Abs. 3 GG kann für seine Auslegung nichts entnommen werden. Die Bestimmung wurde erst in der dritten Lesung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates auf Grund eines Vorschlags des Allgemeinen Redaktionsausschusses, dem der Fünfer-Ausschuß zugestimmt hatte, angenommen, ohne daß die Vorschrift im einzelnen erörtert wurde. Da über die Beratungen des Allgemeinen Redaktionsausschusses und des Fünfer-Ausschusses keine Niederschriften geführt wurden, kann nicht an Hand von Protokollen festgestellt werden, von welchen Erwägungen sich die Mitglieder dieser Ausschüsse bei ihren Vorschlägen leiten ließen.
Übereinstimmung besteht darüber, daß der Begriff "Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" nicht wörtlich ausgelegt werden darf; denn jede Rechtsverordnung ergeht insoweit an Stelle eines Gesetzes, als sie in einer grundsätzlich dem formellen Gesetz vorbehaltenen Weise in die Rechtssphäre des einzelnen Staatsbürgers eingreift. Zweifellos hat jedoch Art. 129 Abs. 3 GG Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen nicht schlechthin für erloschen erklärt, sondern das Erlöschen ausdrücklich auf bestimmte Ermächtigungen beschränkt.
Bei Art. 129 Abs. 3 GG handelt es sich um eine grundlegende, der Verwirklichung des Rechtsstaats dienende Bestimmung. Sie bezweckt den Schutz der Gewaltenteilung, die einen der wesentlichen Grundsätze der freiheitlichen Demokratie darstellt. Art. 129 Abs. 3 GG soll sowohl die gesetzgebende Gewalt gegen unzulässige Übergriffe der Exekutive auf Grund der früheren Rechtsordnung und Rechtsauffassung als auch die Exekutive gegen die Übernahme von Funktionen und damit von Verantwortungen schützen, die der Volksvertretung zukommen. Er ist somit Ausdruck der vom Verfassungsgesetzgeber gewollten eindeutigen Distanzierung von den Ermächtigungsgepflogenheiten vergangener Zeiten.
Schon der Wortlaut des Art. 129 Abs. 3 GG legt die Annahme nahe, daß der Parlamentarische Rat mit den Worten "Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" an den Begriff der "gesetzvertretenden Rechtsverordnung" angeknüpft hat, wie er während der Geltung der Reichsverfassung von 1919 in der Wissenschaft entwickelt worden ist. Bestätigt wird dies durch die Ausführungen des Abg. von Brentano in dem Schriftlichen Bericht, den er über die Übergangs- und Schlußbestimmungen des Grundgesetzentwurfs dem Plenum des Parlamentarischen Rates erstattet hat. Er legt dort dar (S. 71), daß mit dem Ausdruck "Rechtsvorschrift an Stelle von Gesetzen" der Begriff "gesetzvertretende Rechtsverordnung" gemeint sei. Die Ausführungen des Abg. von Brentano dürfen als authentische Darstellung des Willens des Verfassungsgesetzgebers angesehen werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen von Holtkotten (Bonn. Komm., Art. 129 Anm. II D 1, S. 12) hinzuweisen. Danach war der Allgemeine Redaktionsausschuß bei der Formulierung des Art. 129 Abs. 3 GG von der Erwägung geleitet, Ermächtigungen alten Rechts gegenüber denen neuen Rechts weder zu begünstigen noch sie verschärften Bedingungen zu unterwerfen. Holtkotten, der bei der Abfassung des Schriftlichen Berichts über die Übergangs- und Schlußbestimmungen des Grundgesetzentwurfs mitgewirkt hat, bezeichnet es deshalb als irrig, anzunehmen, daß Art. 129 Abs. 3 GG ausschließlich oder in der Hauptsache dem Sonderzweck habe dienen sollen, das weit ausgedehnte Ermächtigungswesen aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft zu bereinigen.
Art. 129 Abs.3 GG ist deshalb dahin auszulegen, daß der Verfassungsgesetzgeber an die von Jacobi (HdbDStR II, 248 f.) vorgenommene Einteilung der Rechtsverordnungen in gesetzvertretende (d. h. den Vorrang des Gesetzes besitzende) und einfache Rechtsverordnungen anknüpfen und insbesondere solche Ermächtigungen zum Erlöschen bringen wollte, die sich auf die Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes im formellen Sinne erstrecken (so auch Holtkotten aaO, Art. 129 Anm. II D 1, 2d, S. 11/12, 13; Ipsen, DVBl. 1950, 389; Tasche, NJW 1952, 408; Rubarth, NJW 1952, 957 f.). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Ermächtigung gerade zur Änderung oder Aufhebung eines formellen Gesetzes ausdrücklich erteilt worden ist oder ob sich aus der Form der Ermächtigung im ganzen ergibt, daß sie auch diese Befugnis umfassen soll.
Hiergegen läßt sich nicht einwenden, daß die Einteilung der Rechtsverordnungen in einfache und gesetzvertretende während der Geltung der Reichsverfassung von 1919 theoretischer Natur war und nicht dazu diente, die Rechtsgültigkeit der gesetzvertretenden Rechtsverordnung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen (vgl. dazu Jacobi in HdbDStR II, 242, 249, 254), daß vielmehr nach der damals herrschenden Ansicht in der Wissenschaft die Änderung eines formellen Gesetzes durch eine Rechtsverordnung dann nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstieß, wenn die Ermächtigung genügend konkretisiert war (vgl. Jacobi aaO S. 244; Triepel, Verhandlungen des 32. Deutschen Juristentages, Bamberg 1921, S.25, 54).
Diese Erwägungen sind für die Auslegung des Art. 129 Abs. 3 GG nicht geeignet, da sie die grundlegende Verschiedenheit der damaligen von der heutigen Rechtslage und ebenso die durchaus unterschiedliche Beurteilung von Ermächtigungen während der Geltung der Reichsverfassung von 1919 und unter dem Grundgesetz verkennen. Während die Weimarer Verfassung selbst in Art. 48 eine außerordentlich umfassende und schwerwiegende Ermächtigung enthielt, hat das Grundgesetz eine solche bewußt abgelehnt. Die Reichsverfassung von 1919 bot auch - notfalls im Wege der Verfassungsänderung oder -durchbrechung - die Möglichkeit zu einer umfangreichen Ermächtigungsgesetzgebung, die man damals nicht grundsätzlich als verfassungsrechtlich bedenklich ansah. Auch in dieser Hinsicht weicht das Grundgesetz bewußt von der früheren Rechtslage und Rechtsauffassung ab und ist vielmehr bestrebt, von vornherein jeden Ansatz zu einer mißbräuchlichen Erteilung und Verwendung von Ermächtigungen auszuschalten. Diese grundsätzliche Auffassung des Verfassungsgesetzgebers hat nicht nur in der strenger durchgeführten Gewaltenteilung, sondern auch in Art. 80 Abs. 1 und Art. 129 Abs. 3 GG ihren Niederschlag gefunden. Soweit es sich dabei um Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen handelt, müssen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz angegeben werden. Neue Ermächtigungen müssen also in bestimmter Weise konkretisiert sein. Dies konnte der Verfassungsgesetzgeber für die Zukunft ohne weiteres anordnen; der Bundesgesetzgeber muß und kann für eine dem Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung tragende Konkretisierung einer Ermächtigung sorgen. Würde dagegen Art. 129 Abs. 3 GG das Weiterbestehen der zahlreichen Ermächtigungen aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages davon abhängig machen, ob sie genügend konkretisiert sind, so ergäbe sich eine Fülle von Zweifelsfragen. Deshalb war es erforderlich, möglichst eindeutig zu bestimmen, welche Ermächtigungen erloschen sind. Dies konnte am besten durch Anknüpfung an einen klaren, leicht abgrenzbaren Begriff geschehen. Ein solches scharfes Abgrenzungsmerkmal bietet sich, wenn man ein formales Kriterium den Ausschlag geben läßt und es darauf abstellt, ob auf Grund der Ermächtigung ein Gesetz im formellen Sinne geändert oder aufgehoben werden könnte.
Diese Auslegung des Art. 129 Abs. 3 GG führt auch nicht, wie behauptet wird, zu unlösbaren Schwierigkeiten. Allerdings bilden die - in Art. 129 Abs. 3 GG besonders aufgeführten - das ermächtigende Gesetz ändernden Rechtsverordnungen keine besondere Art von Rechtsverordnungen neben den gesetzvertretenden. Der Abg. von Brentano hat in seinem Bericht (aaO S. 71) zutreffend auf diese "Unstimmigkeit" hingewiesen. Da auch die beiden ersten Alternativen des Art. 129 Abs. 3 GG jedenfalls grundsätzlich die gesetzvertretende Rechtsverordnung erfordern, liegt in der Tat insoweit eine Wiederholung vor. Durch die dritte Alternative werden jedoch auch die eigentlichen "Ermächtigungsgesetze" und solche Ermächtigungen zum Erlöschen gebracht, die der Exekutive gestatten, ein Rechtsgebiet zu regeln, das in dem ermächtigenden Gesetz selbst nicht geregelt war.
Es besteht auch kein genügender Anhalt für die Annahme, daß der Verfassungsgesetzgeber mit Art. 129 Abs. 3 GG nur die typischen Ermächtigungen nationalsozialistischer Prägung habe treffen wollen.Allerdings hat das Grundgesetz nicht die Ermächtigungen zur Änderung oder Ergänzung von Gesetzen schlechthin als erloschen bezeichnet, sondern nur solche Ermächtigungen, die sich auf Änderungen oder Ergänzungen des die Ermächtigungsnorm enthaltenden Gesetzes erstrecken. Insoweit hat es der Parlamentarische Rat deutlich auf die typischen Ermächtigungsformeln des nationalsozialistischen Gesetzgebers abgestellt. Hieraus läßt sich jedoch nicht zwingend folgern, daß mit den Rechtsvorschriften, die zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen ermächtigen, lediglich die in der Zeit nach 1933 üblichen unbegrenzten "Global-Ermächtigungen" zur Regelung ganzer Rechtsgebiete gemeint seien. Hiergegen spricht vor allem, daß sich Art. 129 Abs. 3 GG offensichtlich nicht auf Ermächtigungen beschränkt, die in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft erteilt wurden, sondern daß sich diese Bestimmung auch auf Ermächtigungen aus der Zeit vor 1933 und von 1945 bis zum Zusammentritt des Bundestages bezieht. Eine Beschränkung auf die Ermächtigungsgesetzgebung der Jahre 1933 bis 1945 wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt gewesen, weil nach der streng rechtsstaatlichen Auffassung des Grundgesetzes auch die zur Zeit der Geltung der Reichsverfassung von 1919 anerkannten Ermächtigungsmöglichkeiten zu weit gehen.
Abzulehnen ist auch die Auffassung (Schmidt, NJW 1952 S. 1239 ff.), daß nach Art. 129 Abs. 3 GG nur solche Ermächtigungen erloschen seien, bei denen die Regelung der Materie im Hinblick auf ihre Bedeutung für das Lebensgefüge der Allgemeinheit nach rechtsstaatlicher Auffassung oder rechtsstaatlichem Herkommen dem ordentlichen Gesetzgeber vorbehalten sei und kein hinreichender Anlaß bestehe, von diesem Grundsatz eine Ausnahme zuzulassen. Eine solche Beschränkung der dritten Alternative des Art. 129 Abs. 3 GG findet im Wortlaut keine Stütze. Sie würde im übrigen zu weitgehenden Fehlergebnissen bei der Auslegung führen, da die angegebenen Gesichtspunkte als Auslegungsregeln zu unbestimmt und daher nicht geeignet sind, als Abgrenzungsmerkmale für eine hinreichend sichere Erkenntnis der nach Art. 129 Abs. 3 GG erloschenen Ermächtigungen zu dienen.
Unter "Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" sind daher gesetzvertretende Rechtsverordnungen im Sinne Jacobis zu verstehen. Jede Ermächtigung früheren Rechts, die zum Erlaß solcher Rechtsverordnungen ermächtigt, ist erloschen.
Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Stellungnahme zu der von Bernhard Wolff (AöR 78, 206, 210, 212) vertretenen Auffassung, daß frühere Ermächtigungen zu gesetzvertretenden Rechtsverordnungen ausnahmsweise dann fortbestehen, wenn die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG erfüllt sind; denn die Ermächtigung des § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 entspricht den Erfordernissen dieser Bestimmung nicht.
An der nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG notwendigen Beschränkung fehlt es dann, wenn die Ermächtigung so unbestimmt ist, daß nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (Urteil vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51 -, BVerfGE 1, 14 [60]). Der Gesetzgeber muß also selbst die Entscheidung treffen, daß bestimmte Fragen geregelt werden sollen, er muß die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll (Wolff aaO S. 198). Wenn das Gesetz zur Regelung bestimmter Fragen ermächtigt, so ergibt sich als Voraussetzung einer zulässigen Ermächtigung, daß das Gesetz selbst schon etwas bedacht, etwas gewollt haben muß (Wolff aaO S. 198). Aus der Formulierung, daß Ermächtigungsinhalt, -zweck und -ausmaß "im Gesetz" angegeben sein müssen, folgt schließlich, daß dies grundsätzlich ausdrücklich, jedenfalls aber mit einwandfreier Deutlichkeit geschehen muß.
§ 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 läßt zwar erkennen, welchen Inhalt die Verordnungen haben können, zu deren Erlaß ermächtigt wird. Dagegen fehlt eine eindeutig klare Bestimmung des Ausmaßes der Ermächtigung, selbst wenn man berücksichtigt, daß die Änderung der Gerichtsgrenzen nur ein Teilausschnitt aus dem Gesamtbereich der Errichtung von Gerichten und daß die Errichtung selbst nach § 1 Abs. 1 dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Ebensowenig ist der Zweck der Ermächtigung in § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 mit einwandfreier Deutlichkeit angegeben. Entgegen der Ansicht von Holzweg (NJW 1953, 48/49) genügt es nicht, daß der Zweck der Ermächtigung aus dem Charakter der Vorschrift zu entnehmen ist. Wenn nach Ansicht des Bundesministers der Justiz § 1 Abs. 2 dazu dienen soll, innerhalb der durch das Gerichtsverfassungsgesetz für den Aufbau der Gerichte bestimmten grundlegenden Gestaltungsprinzipien nach allgemeinen verwaltungstechnischen Grundsätzen das organisatorische Optimum zu schaffen, so ist dieser Zweck in dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck gekommen. Wegen der Bedeutung der Unabhängigkeit der Rechtspflege muß hier eine deutliche Begrenzung des Zwecks der Ermächtigung um so mehr verlangt werden, als § 1 Abs. 2 der Justizverwaltung die Möglichkeit bietet, die gesamte Gerichtseinteilung erheblich umzugestalten, wenn nur die Gerichte selbst und ihr Sitz bestehen bleiben.
Sind sonach "Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen" als gesetzvertretende Rechtsverordnungen zu verstehen, so bleibt festzustellen, daß es sich bei den Verordnungen, zu deren Erlaß § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 1935 ermächtigt, um gesetzvertretende Rechtsverordnungen handelt (so auch Tasche, NJW 1952, 408), da § 1 Abs. 2 ohne Zweifel die Justizverwaltung ermächtigt, auch solche Gerichtsbezirke zu ändern, die durch formelles Gesetz bestimmt worden sind. Die Ermächtigung aus § 1 Abs. 2 ist daher nach Art. 129 Abs. 3 GG erloschen.
4. § 1 der Verordnung vom 8. Juli 1952 über die Änderung der Landgerichtsbezirke Bückeburg und Hannover ist somit ohne die erforderliche Ermächtigung zustandegekommen. Er ist in förmlicher Hinsicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und daher nichtig.
Die Bestimmung des § 2 der Verordnung über die Simultanzulassung der bei den Amtsgerichten Hessisch-Oldendorf und Rinteln zugelassenen Rechtsanwälte ist wegen ihrer inhaltlichen Abhängigkeit von § 1 einer selbständigen rechtlichen Prüfung nicht zugänglich, nachdem die Unvereinbarkeit des § 1 mit dem Grundgesetz festgestellt worden ist. Die Nichtigkeit des § 1 ergreift deshalb auch § 2 und damit die ganze Verordnung.
IV.
Die Vereinbarkeit der Verordnung vom 8. Juli 1952 mit der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung kann das Bundesverfassungsgericht nicht prüfen. Die Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG erstreckt sich, soweit es sich um Landesrecht handelt, nur auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und sonstigem Bundesrecht, nicht aber auf seine Vereinbarkeit mit Landesverfassungsrecht.
V.
Gemäß § 78 Satz 1 BVerfGG ist die Nichtigkeit der Verordnung vom 8. Juli 1952 festzustellen. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist gegenstandslos.