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BVerfG, 10.06.1958 - 2 BvF 1/56

Daten
Fall: 
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)
Fundstellen: 
BVerfGE 8, 174; BayVBl 1959, 52; DÖV 1958, 944; JZ 1959, 90; MDR 1959, 21; NJW 1958, 2011; NJW 1959, 93; VerwRspr 11, 25
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
10.06.1958
Aktenzeichen: 
2 BvF 1/56
Entscheidungstyp: 
Beschluss

1. Die oberen Bundesgerichte (Art. 96 GG) sind grundsätzlich höchste Rechtsmittelgerichte innerhalb eines Gerichtszweiges. Daraus folgt aber nicht, daß sie nur Rechtsmittelgerichte sein können.
2. Dem Bundesverwaltungsgericht kann durch Bundesgesetz eine erstinstanzliche Zuständigkeit für Streitigkeiten eingeräumt werden, in denen Verwaltungsakte bestimmter oberster Bundesbehörden angegriffen werden, die von überregionaler oder allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung sind oder einer raschen endgültigen Klärung ihres Rechtsbestandes bedürfen.
Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.

Beschluß

des Zweiten Senats vom 10. Juni 1958
– 2 BvF 1/56 –
in dem Verfahren wegen verfassungsgerichtlicher Prüfung, ob § 9 Abs. 1 Buchst. a, b, e und f des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, Antragsteller: Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.
Entscheidungsformel:

§ 9 Absatz 1 Buchstaben a, b, e und f des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als oberste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit im allgemeinen zuständig zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen Urteile der Oberverwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtshöfe); es besitzt gemäß § 9 Abs. 1 BVerwGG außerdem eine beschränkte erstinstanzliche Zuständigkeit. § 9 Abs. 1 und 2 BVerwGG lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug
a) über die Anfechtung von Verwaltungsakten der obersten Bundesbehörden auf konsularischem Gebiet, in der Devisenbewirtschaftung, auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft und in der Aufsicht über das privatrechtliche Versicherungs- und Bausparwesen, in der Ernährungs-, Forst- und Holzwirtschaft, auf dem Gebiet des Arbeitsrechts sowie im Verkehrswesen und in der Wasserwirtschaft,
b) über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, wenn der Rechtsstreit eines der im Buchstaben a bezeichneten Rechtsgebiete betrifft und das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses von einer obersten Bundesbehörde bestritten wird,
c) über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen verschiedenen Ländern,
d) über den Antrag der Bundesregierung nach § 129 a des Strafgesetzbuchs auf Feststellung, daß eine Vereinigung gemäß Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten ist,
e) über die Anfechtung von Verwaltungsakten solcher Bundesbehörden, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ihren Sitz haben und
f) in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Fällen des Absatzes 1, Buchstaben a und b in der Sache selbst nur, wenn die Angelegenheit nach Umfang, Bedeutung oder Auswirkung über das Gebiet eines Landes hinausgeht oder von allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung ist oder aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses einer alsbaldigen Entscheidung bedarf. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, so verweist es die Sache durch Beschluß an das örtlich zuständige allgemeine Verwaltungsgericht des ersten Rechtszuges. Der Oberbundesanwalt ist vor der Entscheidung zu hören.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hält diese Vorschrift teilweise für verfassungswidrig und hat deshalb beantragt festzustellen,

daß das Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625) in § 9 Abs. 1 Buchst. a, b, e und f mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig ist.

Dazu trägt sie – von rechtspolitischen Erwägungen abgesehen – vor: Die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an das Bundesverwaltungsgericht als Gericht erster Instanz sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit sie nicht durch den "besonderen Charakter der Materie" (Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern oder zwischen verschiedenen Ländern; Feststellung, daß eine Vereinigung gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten ist) gerechtfertigt sei. Sowohl aus Art. 92 und 96 GG als auch aus Art. 30 GG ergebe sich, daß die oberen Bundesgerichte auch in Streitsachen, an denen eine oberste Behörde des Bundes beteiligt ist, nur als Rechtsmittelgerichte letzter Instanz Rechtsprechung ausüben dürften.

2. Der Antrag ist dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Landesregierungen zugestellt worden. Der Bundesminister des Innern hat sich namens der Bundesregierung, die Bundestagsabgeordneten Dr. Arndt und Dr. Kopf haben sich namens des Bundestags geäußert. Bundestag und Bundesregierung halten die angegriffenen Rechtsvorschriften für gültig.

Der Antragsteller hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

I.

Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken.

II.

Die gegen § 9 Abs. 1 Buchst. a, b, e und f BVerwGG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch:

1. Die Vorschrift ist vereinbar mit Art. 92 und 96 GG, die zusammen mit anderen Vorschriften des IX. Abschnitts des Grundgesetzes die rechtsprechende Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend dem Grundsatz des Art. 30 GG auf die Gerichte der Länder und die Gerichte des Bundes verteilen.

a) Nach Art. 30 GG steht die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben – auch die Rechtsprechung – den Ländern zu, "soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt". Dementsprechend bestimmen die Art. 92 ff. GG abschließend, welche Gerichte der Bund errichten kann; im übrigen wird die rechtsprechende Gewalt... durch die Gerichte der Länder ausgeübt" (Art. 92 GG). Über den Zuständigkeitskreis der Bundesgerichte enthält das Grundgesetz, wenn man von der Regelung der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts absieht, keine ausdrücklichen Bestimmungen. Prinzipielle Begrenzungen der Zuständigkeit der im Grundgesetz genannten Bundesgerichte ergeben sich – teilweise auf dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung unseres Gerichtswesens, auf die noch zurückzukommen sein wird – aus der Bezeichnung der Gerichte. Art. 96 Abs. 1 GG fordert in Bestätigung jener geschichtlichen Entwicklung für die verschiedenen einander gleichgeordneten Gerichtszweige die Errichtung "oberer Bundesgerichte". Damit ist hinreichend eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß diese Gerichte innerhalb eines Instanzenzuges stehen und grundsätzlich als höchste Rechtsmittelgerichte innerhalb eines Gerichtszweiges gedacht sind. Aus der Bezeichnung "obere" Bundesgerichte folgt aber keineswegs zwingend, diese Gerichte könnten nur Rechtsmittelgerichte sein. Die Bezeichnung bleibt auch dann sinnvoll und zutreffend, wenn die so benannten Gerichte nach ihrem Zuständigkeitskreis im wesentlichen als Rechtsmittelgerichte tätig sind. Das Grundgesetz überläßt es also dem Bundesgesetzgeber – unter Beachtung der dargelegten im Grundgesetz enthaltenen Grundentscheidung – die notwendigen Bestimmungen über die Abgrenzung der Zuständigkeit der Bundesgerichte einerseits und der Gerichte der Länder andererseits im einzelnen zu treffen. Die Kompetenz hierzu gibt Art. 74 Nr. 1 GG (konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens).

Durch § 9 BVerwGG wird nur eine eng begrenzte erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts begründet. Der überwiegende Teil erstinstanzlicher Rechtsprechung verbleibt bei den Gerichten der Länder. Wie gering der Umfang der dem Bundesverwaltungsgericht in erster Instanz zugewiesenen Streitigkeiten ist, ergibt sich aus der unwidersprochen gebliebenen Zusammenstellung der Bundesregierung in ihrem Schriftsatz vom 30. April 1953, die die gesetzlichen Grundlagen der Verwaltungsmaßnahmen aufzählt, die unmittelbar vor dem Bundesverwaltungsgericht angegriffen werden können. Der Gesetzgeber hat überdies nur diejenigen Sachen dem Bundesverwaltungsgericht in erster Instanz zugewiesen, die an Umfang, Bedeutung oder Auswirkung über das Gebiet eines Landes hinausgehen, Sachen von allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung, die aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses einer alsbaldigen Entscheidung bedürfen (vgl. Kurzprot. der 129. Sitzung des Rechtsausschusses des 1. Deutschen Bundestags vom 24. Oktober 1951; Bericht des Abg. Laforet, Ausschuß-Drucks. Nr. 52 und StenProt. über die 226. Sitzung des Bundestags vom 18. Juli 1952 S. 10177 D). Abs. 2 a.a.O. zwingt das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich, die Sache in den Fällen des § 9 Abs. 1 Buchst. a und b "an das örtlich zuständige allgemeine Verwaltungsgericht des ersten Rechtszugs" zu verweisen, wenn die Angelegenheit nicht "nach Umfang, Bedeutung oder Ausführung über das Gebiet eines Landes hinausgeht" oder nicht "von allgemeiner Bedeutung ist" oder nicht "aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses einer alsbaldigen Entscheidung bedarf". § 9 Abs. 1 Buchst. e a.a.O. betrifft Fälle, in denen meist eine der genannten materiellen Voraussetzungen für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als gegeben angesehen werden kann. Davon abgesehen erscheint die Regelung sachgerecht, weil es in diesen Fällen an einem natürlichen Anknüpfungspunkt für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts eines Landes fehlt. Die in § 9 Abs. 1 Buchst. f. vorgesehene Erweiterung der erstinstanzlichen Zuständigkeit durch ein neues Bundesgesetz unterliegt ebenfalls keinen Bedenken. Gegen den Inhalt dieser Bestimmung können unter den hier erörterten Gesichtspunkten von vornherein keine Bedenken erhoben werden, da sie in der Sache nur eine Verweisung auf andere bundesgesetzliche Regelungen enthält; sie begründet überhaupt keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts; die Rechtslage wäre nicht anders, wenn die Vorschrift fehlte. Solange der Charakter der Ausnahmeregelung, welcher dem § 9 BVerwGG insgesamt anhaftet, durch ein neues, die erstinstanzliche Zuständigkeit erweiterndes Bundesgesetz nicht zerstört wird, wäre es ebenso verfassungsmäßig wie der jetzige § 9 Abs. 1 BVerwGG.

b) § 9 Abs. 1 BVerwGG fügt sich auch in den historischen Zusammenhang ein, in dem das Grundgesetz steht. Weder der deutsche Bundesstaat von 1871 noch der deutsche Bundesstaat unter der Verfassung von Weimar kannte eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten des Reichs. Die Verwaltungsgerichte der Länder waren nur zur Überprüfung von Verwaltungsakten der Landesbehörden zuständig; soweit überhaupt die Möglichkeit bestand, Verwaltungsakte von Reichsbehörden anzufechten, waren besondere Verwaltungsgerichte des Reiches eingerichtet. Nach der Zäsur, die das nationalsozialistische Regime für eine kontinuierliche Entwicklung bedeutete, fehlten zunächst funktionierende Gerichte oberhalb der nach 1945 auch Reichsaufgaben wahrnehmenden Länder; das Bedürfnis, Verwaltungsakte der zonalen Behörden und der Behörden des Vereinigten Wirtschaftsgebiets gerichtlich zu kontrollieren, führte dazu, daß die Verwaltungsgerichte der Länder auch über Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte entschieden, die nicht von Landesbehörden ausgingen. Vor allem aber gewannen die Verwaltungsgerichte mit der allgemeinen Einführung der Generalklausel, mit der ein entsprechender personeller und organisatorischer Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit einherging, eine solche Bedeutung und Gestalt, daß dieser Gerichtszweig ebenbürtig neben den älteren der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit trat Die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte war nun so unbezweifelbar Rechtsprechung wie die eines anderen Gerichtszweigs, insbesondere der sogenannten ordentlichen Gerichte, daß auch die allgemeinen Grundsätze, die für die Aufteilung der rechtsprechenden Tätigkeit zwischen Bundes- und Landesgerichten galten, für die Verwaltungsgerichtsbarkeit selbstverständlich anwendbar erscheinen mußten. Dieser Entwicklung entsprach es einerseits, daß nunmehr die Verwaltungsgerichtsgesetze der Länder dahin ausgelegt wurden, daß Verwaltungsakte, auch soweit sie nicht von Landesbehörden ausgingen, von den Verwaltungsgerichten der Länder nachgeprüft werden konnten. Dieser Zusammenhang spricht aber andererseits dagegen, daß der Verfassungsgeber 1949 alle Verwaltungsstreitigkeiten, die Maßnahmen von Bundesbehörden betreffen, in erster Instanz vor die Verwaltungsgerichte der Länder verwiesen hat. Viel eher berechtigen die dargelegten Zusammenhänge zur Auslegung der Art. 92 und 96 GG, daß die oberen Bundesgerichte – auch das Bundesverwaltungsgericht zwar grundsätzlich als Rechtsmittelgerichte letzter Instanz errichtet werden müssen, daß ihnen aber aus sachlich einleuchtenden Gründen ausnahmsweise auch eine erstinstanzliche Zuständigkeit eingeräumt werden kann. Die durch das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz begründete Aufteilung der Rechtsprechung zwischen den Verwaltungsgerichten der Länder und dem Bundesverwaltungsgericht entspricht durchaus der Ordnung innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das Reichsgericht hat neben seiner Zuständigkeit als Revisionsgericht von Anfang an eine gegenständlich beschränkte erstinstanzliche Zuständigkeit in gewissen politischen Strafsachen besessen, die als nötig empfunden wurde. Diese Regelung wurde auch nach 1949 bei der Errichtung des Bundesgerichtshofs beibehalten und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bei den Beratungen des Rechtseinheitsgesetzes vom 12. September 1950 von keiner Seite beanstandet (vgl. § 134 GVG). Ebenso besitzt der Bundesfinanzhof – ohne daß bisher dagegen verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden wären – eine erstinstanzliche Zuständigkeit gemäß § 4 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950; er entscheidet danach über "Beschwerden" gegen Entscheidungen des Bundesmonopolamtes für Branntwein.

c) Überdies hält das Land Nordrhein-Westfalen selbst die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Buchst c und d, nach denen das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig ist zur Entscheidung "über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen verschiedenen Ländern und über den Antrag der Bundesregierung nach § 129 a des Strafgesetzbuches auf Feststellung, daß eine Vereinigung gemäß Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten ist", für verfassungsmäßig. Damit hat der Antragsteller im Prinzip zugegeben, daß das Grundgesetz nicht fordert, daß ein oberes Bundesgericht – hier das Bundesverwaltungsgericht – als reines Rechtsmittelgericht gestaltet werden muß und in keinem Falle als Gericht erster Instanz tätig werden kann.

In Würdigung dieser Zusammenhänge bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß dem Bundesverwaltungsgericht durch Bundesgesetz eine erstinstanzliche Zuständigkeit für Streitigkeiten eingeräumt wird, in denen Verwaltungsakte bestimmter oberster Bundesbehörden angegriffen werden, die von überregionaler oder allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung sind oder einer raschen endgültigen Klärung ihres Rechtsbestandes bedürfen (ebenso Koehler, Kommentar zum Bundesverwaltungsgerichtsgesetz Anm. 2 zu § 9; Ule, Kommentar zum Bundesverwaltungsgerichtsgesetz Anm. zu § 9; Schunck/de Clerk, Kommentar zum Bundesverwaltungsgerichtsgesetz Anm. 1 und 2 zu § 9; v. Mangoldt, Kommentar zum Grundgesetz Anm. 4 zu Art. 92; Bachof, DRZ 1950, 245; Schultz, MDR 1952, 727; Naumann, DVBl. 1953, 530).

2. § 9 BVerwGG widerspricht auch nicht dem Rechtsstaatsprinzip. Aus diesem Prinzip sind u.a. auch gewisse Regeln für das gerichtliche Verfahren entwickelt worden; ihr Inhalt und ihre Tragweite können hier unerörtert bleiben, da sie § 9 a.a.O. nicht berührt. Daß das gerichtliche Verfahren in den in § 9 a.a.O. geregelten Fällen einstufig gestaltet ist, verletzt das Rechtsstaatsprinzip nicht. Es verlangt nicht einmal, daß für jede Rechtsstreitigkeit ausnahmslos der Weg zu einem Gericht offenstehen muß; Art. 19 Abs. 4 GG beschränkt sich darauf, zu bestimmen, daß jedermann, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, ein Gericht anrufen kann. Ob der gerichtliche Schutz durch ein Gericht oder durch einen gerichtlichen Instanzenzug oder durch verschiedene Gerichte, die denselben Streit entsprechend ihrer Zuständigkeit unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten je nur in beschränktem Umfang zum Gegenstand ihrer gerichtlichen Entscheidung machen, gewährt wird, ist weithin eine rechtspolitische Frage. Die Entscheidung durch ein Gericht genügt jedenfalls dann rechtsstaatlichen Ansprüchen, wenn ein Verwaltungsverfahren vorangegangen ist, innerhalb dessen die Behörde Gewähr dafür bietet, daß sie ihre Entscheidung in Bindung an das Recht getroffen hat (vgl. dazu BVerfGE 4, 74 [94 f.]; 4, 387 [411 f.]; Bayer. Verfassungsgerichtshof in VGHE n.F. Bd. 6 Teil II S. 27 [34]).

3. Abwegig ist die Auffassung, die Sondervorschrift des § 9 Abs. 1 Buchst. a, b, e und f BVerwGG mache das Bundesverwaltungsgericht zu einem Ausnahmegericht im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG oder schaffe einen sachlich nicht gerechtfertigten privilegierten Gerichtsstand für oberste Bundesbehörden und sei deshalb unvereinbar mit dem Gleichheitssatz.

a) Ausnahmegerichte sind Gerichte, die in "Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individueller Fälle berufen sind (BVerfGE 3, 213 [223]). Davon kann beim Bundesverwaltungsgericht, was die Zuständigkeitsabgrenzung in den Fällen des § 9 a.a.O. anlangt, nicht die Rede sein. Denn die nach § 9 a.a.O. vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Sachen sind abstrakt und generell bestimmt.

b) Die für die Regelung des § 9 maßgeblich gewesenen sachlichen Gesichtspunkte ergeben sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst als auch aus den Beratungen zum Gesetz. Sie orientieren sich gerade nicht an dem Rang oder der Stellung der den Verwaltungsakt setzenden Behörde, sondern an der Materie und ihrer Eigenart, so daß offen bleiben kann, ob eine solche Überlegung ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt einer "Willkür" als mit dem Grundsatz der Gleichheit unvereinbar beanstandet werden könnte. Die getroffene Regelung ist erkennbar auch nicht bestimmt von der Rücksicht auf "Empfindlichkeiten der Ministerialbürokratie". Von einer willkürlich ungleichen Behandlung kann in diesem Zusammenhang demnach nicht die Rede sein. § 9 Abs. l BVerwGG verletzt den Gleichheitssatz auch nicht dadurch, daß er dem Anfechtungskläger in den dort genannten Fällen nur eine Instanz gewährt, während einem Kläger in Verwaltungssachen, die nicht unter § 9 a.a.O. fallen, regelmäßig ein zwei- oder dreistufiger Instanzenzug zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber verletzt den Gleichheitssatz nicht, wenn er die Zuständigkeit und Rechtsmittel von sachlichen Gesichtspunkten her für einzelne Fallgruppen verschieden regelt, z. B. vom Streitwert oder vom Charakter der zu entscheidenden Rechtsfragen abhängig macht. Erst wenn "für eine vom Gesetzgeber angeordnete Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so daß ihre Aufrechterhaltung ein Verstoß gegen das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden darstellen würde", kann das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Bestimmung wegen Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz für nichtig erklären (BVerfGE 3, 58 [136]; 4, 7 [18]). Daß sachliche Gründe dafür sprechen, die in § 9 Abs. 1 a.a.O. genannten Verwaltungsakte bestimmter oberster Bundesbehörden vom Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz entscheiden zu lassen, ist dargelegt.