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Letztes Update: vor 1 Jahr 20 Wochen

Fruchtgummis sind nicht klimaneutral!

Fr, 28.06.2024 - 13:00

Der BGH verschärft die Anforderungen für die Werbung mit dem Begriff "klimaneutral".

Mit Urteil vom 27. Juni 2024 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie "klimaneutral" regelmäßig nur dann zulässig ist, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung dem Begriff zukommt.

Hintergrund der Entscheidung war eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen den Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes. Katjes hatte in einer Fachzeitung damit geworben, dass alle ihre Produkte klimaneutral hergestellt werden. Erst auf der, über einen in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Code abrufbaren Internetseite eines Kooperationspartners von Katjes, konnten die Verbraucher nachlesen, dass Katjes nicht emissionsfrei produziert, sondern Klimaschutzprojekte unterstützt.

Die Wettbewerbszentrale hielt die Aussage, dass das Unternehmen "klimaneutral" produziere, für irreführend und klagte daher auf Unterlassung. Die Verbraucher verstünden die Angabe so, dass die Produktherstellung selbst klimaneutral ablaufe. Zumindest müsse klargestellt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde.

Das Landgericht wies die Klage ab und auch die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht war der Auffassung, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch wegen Irreführung zu. Die Leser der Fachzeitung verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen, da ihnen bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Zudem bestehe auch kein Unterlassungsanspruch wegen Vorenthaltens der Information, auf welche Weise die "Klimaneutralität" des beworbenen Produkts erreicht werde. Nach Auffassung des Gerichts sei es ausreichend, dass diese Information auf der Website des Kooperationspartners von Katjes verfügbar war, die über einen QR-Code in der Werbeanzeige abrufbar war.

Entgegen der Entscheidung des Berufungsgerichts urteilte der BGH nun, dass die beanstandete Werbung irreführend sei. In der Pressemeldung zum Urteil führt der BGH aus, dass die Werbung mehrdeutig sei, weil der Begriff "klimaneutral" sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden könne. Der BGH betont, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung eine Irreführungsgefahr besonders groß sei und daher ein gesteigerter Aufklärungsbedarf bestehe. Bei einer Werbung mit einem umweltbezogenen Begriff wie "klimaneutral", müsse deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung seien hingegen nicht ausreichend. Dabei betonte der BGH, dass eine Erläuterung des Begriffs "klimaneutral" auch deshalb erforderlich sei, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen seien, sondern die Reduktion unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig sei.

Dr. David Moll

Finanzsanktion: Deutsche Bundesbank veröffentlicht stark überarbeitetes Merkblatt zur Einhaltung von Finanzsanktionen!

Fr, 28.06.2024 - 13:00

Wir geben einen Kurzüberblick über dieses zentrale Dokument für die Sanctions Compliance im Finanzsektor:

Was ist das Ziel des Merkblattes?

Das von der Deutschen Bundesbank herausgegebene "Merkblatt zur Einhaltung von Finanzsanktionen" dient Personen und Unternehmen im Finanzsektor als zentrale Orientierungshilfe, wie den Vorgaben der in Deutschland geltenden Finanzsanktionen entsprochen werden kann und welche Maßnahmen von den Verpflichteten im Finanzsektor erwartet werden, um Verstößen gegen Finanzsanktionen wirksam vorzubeugen. Es enthält neben generellen Informationen zu Finanzsanktionen, Zuständigkeiten, einen Überblick über einzelne Sanktionsmaßnahmen und – für die Praxis von besonderer Bedeutung - konkrete Hinweise zu "Vorbildlichen Verfahren" ("Best Practices") zur Einhaltung von Finanzsanktionen.

Warum ist das Merkblatt für den Finanzsektor so wichtig?

Das Merkblatt der Bundesbank ist für den Finanzsektor von zentraler Bedeutung, da es für die Institute/Unternehmen nach wie vor eine der wenigen offiziellen Quellen mit behördlichen Hinweisen zum Umgang mit Finanzsanktionen und zur Ausgestaltung ihrer Sanctions Compliance Programme (SCP) darstellt. Die nun stark überarbeitete Neufassung des Merkblatts (Stand: Juni 2024) war von den Instituten/Unternehmen mit Spannung erwartet worden, da die Vorgängerversion (Stand: Juli 2021) noch aus der Zeit vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine stammte. Ganze Bereiche neuartiger Sanktionsmaßnahmen, die vor allem mit den EU-Sanktionen gegen Russland eingeführt wurden, sowie weitere Neuerungen wie z.B. Sanktionen mit Bezug zu Kryptowährungen waren daher von der Vorgängerversion nicht erfasst.

Die besondere Dynamik, mit der sich das Sanktionsrecht infolge des anhaltenden Krieges Russlands gegen die Ukraine fortentwickelt hat, stellt die für die Einhaltung von Sanktionen zuständigen Bereiche in den Unternehmen weiterhin vor große Herausforderungen. So hat die EU am 24. Juni das inzwischen 14. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Für die Praxis der Sanctions Compliance besteht die besondere Herausforderung darin, dass neuen EU-Sanktionen gegen Russland nicht nur eine starke Ausweitung der bereits bekannten Verfügungs- und Bereitstellungsverbote (Einfrieren von Geldern) sowie Ein-/Ausfuhrverbote enthalten. Vielmehr enthalten die Sanktionspakete auch eine Vielzahl neuartiger Sanktionsmaßnahmen, wie etwa den SEPA-Ausschluss Russischer Banken, oder neuartige Meldepflichten. Damit betreffen die EU-Sanktionen gegen Russland alle Pflichtenkreise und sämtliche für das SCP relevanten Geschäftsbereiche und Prozesse der Institute.

Was ist neu?

Exemplarischer Überblick:

  • Die Zuständigkeiten der durch das 2. Sanktionsdurchsetzungsgesetz geschaffenen Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS) wurden in das Merkblatt aufgenommen.
  • Neu aufgenommen wurde eine Übersicht über die verschiedenen Finanz- und kapitalmarktbezogenen Verbote, die über die bekannten Verfügungs- und Bereitstellungsverbote hinausgehen. Neu enthalten sind auch exemplarische Verweise auf entsprechen-de Normen in EU-Verordnungen. Behandelt werden u.a. Wertpapierhandels- und Dienstleistungsverbote.
  • Die Erläuterungen zu Bereitstellungsverboten von Finanzhilfen beziehen jetzt auch Versicherungen und Investitionsverbote mit ein.
  • Jeweils ein neuer Abschnitt behandelt Sanktionen mit Bezug zu Kryptowerten und Versicherungen.
  • Abweichend zur Vorversion wurden die Anforderungen zur Einhaltung von Finanzsanktionen nicht nur erweitert, sondern auch in einen allgemeinen Teil für alle Unterneh-men im Finanzsektor und je einen spezifischen Teil für Finanzinstitute und (Rück)Versicherungen unterteilt.
  • Der neue allgemeine Teil wurde insbesondere im Hinblick auf das Erkennen indirekt sanktionierter Personen, die Umgehung von Sanktionsvorschriften sowie Umgang mit Neu- und Bestandskunden und Entlistungen erweitert.
  • Der spezifische Teil mit Anforderungen für Finanzinstitute konkretisiert jetzt u.a. die Einrichtung geeigneter kunden- oder kontobezogener Sperren. Die Anforderungen für die Erbringung von Zahlungsdiensten erfassen jetzt ebenfalls den Transfer von Kryptowerten und behandeln "Echtzeitüberweisungen".
  • Der ebenfalls neu eingeführte spezifische Teil mit Anforderungen für (Rück)Versicherungsgesellschaften enthält neben Pflichten hinsichtlich neuer und bestehender Versicherungsverträge auch Versicherungsprämien und Leistungsauszahlungen.
Was ist zu tun?

Mit dem erheblich erweiterten Merkblatt der Bundesbank zur Einhaltung von Finanzsanktionen wurden einige neue Themen aufgenommen und alte Themen für die Praxis weiter konkretisiert. Institute/Unternehmen des Finanzsektors sollten daher zeitnah prüfen, ob ihr SCP den aktualisierten Vorgaben der Bundesbank entspricht und ob die von ihnen getroffenen Maßnahmen zur Einhaltung von Sanktionen den aktuellen Erwartungen der Bundesbank entsprechen.

Das überarbeitete Merkblatt finden Sie hier: https://www.bundesbank.de/resource/blob/843142/8fd337452027396759e5245ca79bfc03/mL/merkblatt-einhaltung-data.pdf

Martin Seevers
Guido Storck

Draft bill on the modernization of the German arbitration law of the Federal Government of Germany

Mi, 26.06.2024 - 13:00

Today the Federal Government of Germany has presented a draft bill on the modernization of the German arbitration law [BMJ - Aktuelle Gesetzgebungsverfahren - Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts]. The draft bill follows a longer public consultation process, in which possible changes and amendments were identified and discussed.

Developments like the revision of the UNICITRAL Model Law on International Commercial Arbitration in 2006, as well as various reforms of national arbitration laws and arbitration rules of arbitral institutions, plus the constantly advancing digitalisation of procedural law, were considered for the draft bill as well.

The key objective of the proposed draft bill is (i) to make German arbitration law more efficient, (ii) to adapt it to modern needs and (iii) to promote Germany's attractiveness as a place for arbitration. The last comprehensive reform of the German arbitration law dates back to 1998. With the draft bill, the Federal Government of Germany does not want to regulate German arbitration law anew, but to (i) eliminate some ambiguities that have emerged over time and (ii) adapt it to the realities of today's world. Therefore, the Federal Government of Germany has included only very few completely new regulations and only slightly adapted others to adjust or clarify their scope of application:

1. The New Commercial Courts, Sec. 1062 (5), 1063a, 1065 (3) ZPO-Draft

The biggest innovation in German arbitration law is the introduction of commercial courts which was already introduced in the "Justizstandorts-Stärkungsgesetz" [see our blog: Federal Government of Germany approved on the establishment of Commercial Courts | Advant Beiten (advant-beiten.com)]. The German arbitration law delegates the competence to introduce commercial courts to the Federal States (which are referred to as "Land", or plural "Länder" in the draft). The idea is to establish special divisions at a particular Higher Regional Court or a Supreme Court in the "Länder". Those divisions will be the commercial courts with special expertise in trade and commerce. "Länder" may also create a joint commercial court. Over time the commercial courts will acquire special experience in the deciding of arbitration matters.

What makes a commercial court special is not merely the expertise but that the proceedings can be conducted in English. If such proceedings are appealed to the Federal Court of Justice, the Federal Court of Justice may also on application of a party conduct the proceedings in English. The commercial courts shall promote Germany as a place for arbitration and establish a useful basis of case law.

This regulation depends very much on whether the Federal Court of Justice agrees to the proceedings being conducted in English. It could nullify the advantages of the commercial courts if the Federal Court of Justice does not play along.

2. Loosening of the Form Requirement for an Arbitration Agreement, Sec. 1031 ZPO-Draft

Generally, the arbitration agreement must be in writing. This form requirement shall be abandoned for all-party commercial transactions. The form requirement was entered into the German arbitration law in the changes as to 1 January 1998. Since 2006 the UNCITRAL Model Law foresees the possibility to agree on arbitration without any form requirement, Article 7 Option II. This approach was introduced to the working group by Mexico. It is notable that Art. 1416 (1) sentence 2 Mexican Commercial Code now stipulates that arbitration agreements must be included into a contract or an independent agreement while in Belgium, Luxembourg, Ireland, Scotland and Sweden there is no form requirement. However, most countries still require some form of writing, especially to ensure proof (e.g. Austria, Spain, Italy and the US).

In the event of an all-party commercial transaction the parties do not require the special protection given by the form requirement. The free form of the conclusion of arbitration agreements shall live up to the complex supply chains and framework agreements. If it is unclear which parties may be involved and has obligations to fulfil, the parties may not include an arbitration agreement at first even though they in general agree on arbitration as mechanism for dispute resolution.

Nevertheless, each party is entitled to demand that the other party provides a confirmation of the arbitration agreement's substance in text form. This serves the interest of the parties in documenting their transactions and clarifying the substance of the agreement. Whether such documentation exists, however, has no effect on the existence of the arbitration agreement. Being one of the most criticized changes for its potential to raise conflicts about the existence of an arbitration agreement it remains to be seen whether this change will make it to the final draft. This provision will cause further uncertainties for the parties whether arbitration is the agreed forum for dispute resolution or not. The risks of the provision outweigh in our view the benefits by far.

3. English language, Sec. 1063a/b ZPO-Draft

The introduction of commercial courts and the possibility to conduct proceedings in English is accompanied by the new regulation that any document in English that had been prepared or submitted in arbitral proceedings may be submitted without a translation in a proceeding that is conducted in German. This should help to save time and most importantly costs for the parties as English is the lingua franca in arbitration. A translation must only be submitted if there is a special need. The Federal Government of Germany explains that such a special need may exist if the court does not have sufficient command of the English language. However, the court has the discretion to decide when the threshold of a special need is met.

This proposal follows the needs of arbitration practice. It also follows the practice of many judges at the German courts not asking for translations of English language documents.

4. Electronic documents and video hearing, Sec. 1054 (2), (5), 1064 (1), 1047 (2), (3) ZPO-Draft

The Federal Government of Germany tries to keep up with the constantly advancing digitalisation with the following two innovations. For one, the arbitral award may be issued as an electronic document, if the parties have not agreed otherwise. In any event, it remains possible to request a traditional hard-copy of the arbitral award signed by all arbitrators as an electronic document may not be recognized in other jurisdictions as an arbitral award for enforcement. However, in Germany an arbitral award in the form of an electronic document may be declared enforceable even if only the electronical form is transmitted to the state court.

The other innovation is the recognition of video hearings. The German arbitration law thereby follows the increasing practice of the last years. The arbitral tribunal may hold an oral hearing via video conference. The parties do not have a right to be heard in person. The arbitral tribunal has the procedural discretion to order a video hearing. In deciding this, the arbitral tribunal must weigh the right to be heard of the opposing party with the other party's right to access to justice. Additionally, factors such as climate neutrality, the substance of the arbitration, and the obligation to conduct arbitral proceedings in an efficient manner may also be taken into consideration.

Those steps are welcomed to help German arbitration law to keep up with digitalization. Especially the introduction of video hearings eliminated uncertainties in practice where they are already widely used and accepted.

5. Publication of Awards, Sec. 1054b ZPO-Draft

Generally, arbitral awards are confidential and do not get published like judgments from state courts. This is a source for criticism for years: the confidentiality leads to a lack of development regarding those disputes which are almost exclusively heard by tribunals like post M&A disputes. Following this critique, the Federal Government of Germany has included a provision on the publication of arbitral awards. With the consent of the parties, the award and any concurring or dissenting opinion may be published, as a whole or in part, in anonymised or pseudonymised form. The balance between the interest to further develop law on one hand and the interest of the parties in confidential proceedings on the other hand is held by the fact that the parties must agree to the publication which will be anonymous or pseudonymised. However, the agreement of the parties is assumed if they don't object to publication within one month of being requested to do so by the arbitral tribunal. It is doubtful whether the suggested change will lead to more transparency. The users value the confidentiality of arbitration highly. In many cases no matter what is undertaken competitors will be able to identify the parties of the dispute. And the "German way" may lead to unpleasant surprises if the parties do not pay attention at a time when the arbitration is already closed.

6. Request for retrial, Sec. 1059a ZPO-Draft

The draft bill introduces a novel possibility that allows an arbitral award to be set aside by a state court even though the deadline for set aside proceedings has expired. The arbitral award may be set aside by a state court if the party filing the request shows sufficient cause that the prerequisites for an action for retrial of the case are given. A request for retrial is only admissible if the party filing the request was unable, through no fault of its own, to assert the cause for retrial in earlier proceedings. The request must be filed within a statutory period of one month following the detection of the grounds for retrial. As grounds for a retrial are in general quite rare, the number of successful applications for a retrial are expected to be low.

Grounds for a retrial may exist if (i) a document on which the award is based was falsely drawn up or falsified, (ii) in a testimony or expert opinion on which the arbitral award is based, the witness or expert is guilty of a punishable breach of the duty to tell the truth, (iii) the arbitral award was influenced by an offence committed by a party's representative or by the opposing party or its representative in relation to the dispute, (iv) an arbitrator who is guilty of a criminal offence in relation to the dispute has participated in the making of the arbitral award, (v) the judgment of a court or another award on which the award is based has been set aside by another final judgment or a final order, (vi) the party finds or is enabled to use a judgment or arbitral award rendered in the same case which has previously become final and binding or (vii) the party discovers or is enabled to use another document which would have resulted in a more favourable decision.

7. Clarifications

There are several points the Federal Government of Germany has now clarified with the draft bill by slightly adapting already existing regulations.

7.1 Appointment of arbitrators in Multi-party arbitration, Sec. 1035 (4) ZPO-Darft

Regarding the appointment of arbitrators, a paragraph has been added to clarify the appointment of an arbitrator in multi-party arbitrations. This will only apply to arbitral proceedings with more than one arbitrator. Unless otherwise agreed, joined parties must jointly make the appointment of an arbitrator. If an arbitrator is not appointed within one month following receipt of a corresponding request to do so from the other party, then the state court is to appoint the arbitrator upon request of the other party. However, the court may also appoint an arbitrator for the other party as well. The mandate of the arbitrator already appointed ends upon such an appointment. Therefore, the regulation grants judicial discretion to the state court as to appoint an arbitrator only for one side or to appoint arbitrators for both sides.

​​​​​​​7.2 Enforcement of foreign arbitral awards on interim measures, Sec 1025 (2), 1041 (2) ZPO-Draft

The question of whether foreign arbitral awards on interim measures can be enforced by German state courts are a matter of dispute under the current German arbitration law. Sec. 1025 (2) ZPO-Draft now clarifies that interim measures issued by foreign arbitral tribunals may be enforced in Germany by way of a state court order.

The Federal Government of Germany has also clarified the wording of Sec. 1041 (2) ZPO. This provision governs the procedure for the state court order permitting enforcement. The new Sec. 1041 (2) ZPO-Draft contains in particular a statement of reasons as to when an application for enforcement is to be dismissed, such as (i) if one of the grounds for setting aside the arbitral award is given, (ii) if an application for a corresponding interim measure already has been filed with a state court, (iii) if the arbitral tribunal's requirement as to the provision of security has not been complied with or (iv) if the interim measure has been terminated or suspended by the arbitral tribunal.

This regulation is welcomed in order to reduce the existing uncertainties. It facilitates the enforcement of foreign arbitral awards on interim measures. However, it is unclear whether this section also applies to foreign arbitral awards on interim measures by emergency arbitrators.

​​​​​​​​​​​​​​7.3 Court Review, Sec. 1040 ZPO-Draft

The state courts already have the jurisdiction to review a decision by an arbitral tribunal in which it declares itself to have jurisdiction. The state courts' jurisdiction has now been extended to review also negative decisions, i.e. when an arbitral tribunal holds that it does not have jurisdiction to decide the dispute. This possibility had been repeatedly called for by German legal scholars to strengthen a valid arbitration agreement.

​​​​​​​​​​​​​​7.4 Concurring or dissenting opinion, Sec. 1054a ZPO-Draft

With the draft bill it has now been clarified that, in arbitration proceedings seated in Germany with more than one arbitrator, it is possible to submit a concurring or dissenting opinion. This is to eliminate the concern that arbitral awards which contain a concurring or dissenting opinion do not comply with procedural public policy (ordre public) in Germany. This concerns date back to an internationally and nationally badly received obiter dictum by the Higher Regional Court of Frankfurt (OLG Frankfurt, decision dated 16. January 2020 – 26 Sch 14/18, BeckRS 2020, 4606). The Federal Government of Germany clarifies that such opinions do not violate the principle of secrecy of deliberations. A violation of the principle would only occur if insights into the deliberation process were to be provided. Thus, the draft achieves legal clarity and internationally accepted standards.

8. Summary

The draft bill includes various provisions which may increase efficiency or adapt to the needs of today's world. The DIS has provided a markup version of the relevant provisions of the ZPO comparing the current ZPO with the draft bill (Deutsches_Schiedsverfahrensrecht_mit_den_vom_RegE_vorgesehenen_Aenderungen.pdf (disarb.org)). As the Federal Government of Germany follows the suggestion of the draft bill of the Federal Ministry of Justice, it will be interesting to see which ideas will survive the debates of the Bundestag (Federal Parliament) and whether the comments from the arbitration scene will have any influence on the draft.

Dr Ralf Hafner
Dr Tobias Pörnbacher

Stromsteuer und E-Mobility – Vereinfachungen in Sicht

Di, 25.06.2024 - 13:00

Um die Entwicklung des Markts für Elektromobilität zu beschleunigen, setzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vordergründig auf drei finanzwirksame Maßnahmen: zeitlich befristete Kaufanreize, öffentliche Beschaffung von Elektrofahrzeugen und Ausbau der Ladeinfrastruktur. Bis 2030 sollen eine Million Ladestationen geschaffen und sieben Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die Bundesregierung aktuell sogar mit einer E-Ladesäulen-Pflicht. Die Konzepte, Strom zum Laden des E-Autos zur Verfügung zu stellen, sehen vielfältig aus und werden immer komplexer. Dabei ergeben sich regelmäßig Herausforderungen bei der Frage, wer Versorger und damit Schuldner der Stromsteuer ist. Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Energie- und Stromsteuerrecht des BMF vom 17. Mai 2024 soll erleichtern und Klarheit schaffen.

Worum geht es?

Nach aktueller Rechtslage gilt ein Ladesäulenbetreiber („Charge-Point-Operator“ oder „CPO“) gemäß § 1a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StromStV unter Rückgriff auf das Begriffsverständnis des § 3 Nr. 25 EnWG als Letztverbraucher im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG. Er stellt damit keinen Versorger aus stromsteuerlicher Sicht dar und ist somit auch nicht Schuldner der Stromsteuer. Was aber gilt, wenn der CPO einen sog. Elektromobilitätsanbieter („Electro-Mobility-Provider“ oder „EMP“) einschaltet, der den Nutzern von Elektrofahrzeugen das punktuelle Aufladen ermöglicht?

Was soll kommen?

Um diesen und weiteren Konstellationen Rechnung zu tragen, hat das BMF den Entwurf eines neuen § 5a StromStG-E vorgelegt, der die Rollen beim E-Charging vereinfachend regeln und die Inanspruchnahme der Stromsteuerbefreiungen ermöglichen soll. Gedacht hat das Ministerium dabei auch an das bidirektionale Laden, in die Ladesäule integrierte Batteriespeicher sowie mit der Ladesäule verbundene Energiegewinnungsanlagen.

Kern der Regelung ist, dass alle Leistungen von Strom an den Ladepunkt sowie alle Entnahmen am Ladepunkt grundsätzlich dem Betreiber des Ladepunkts zugerechnet werden. Es erfolgt damit eine Annäherung an die im Energiewirtschaftsrecht geltende Letztverbraucherfiktion, wonach der Strombezug des Ladepunktes dem Letztverbrauch gleichgestellt wird.

Darüber hinaus soll eine einheitliche Betrachtung stattfinden, wenn ein Betreiber eines Ladepunkts sich zusätzlich eines integrierten Batteriespeichers bedient. Dies betrifft insbesondere jene Fälle, in denen zum Beispiel Strom aus Photovoltaikanlagen aber auch aus dem Netz im Stromspeicher zwischengespeichert und erst später über den Ladepunkt ins Elektrofahrzeug geladen wird.

Der Letztverbraucherfiktion folgend spricht die neue Vorschrift die Steuerschuldnerschaft dem Versorger des Ladesäulenbetreibers zu, sofern der Ladesäulenbetreiber nicht ohnehin in Personalunion Versorger ist oder als Eigenerzeuger agiert.

In der Regel dürfte somit Versorger und Steuerschuldner die Person sein, mit der der Betreiber der Ladesäule einen Vertrag zur Strombelieferung geschlossen hat. Etwaige Leistungsbeziehungen innerhalb der Ladesäule, z.B. vom Ladesäulenbetreiber an einen EMP, einen Roaminganbieter oder sonstige Beteiligte spielen damit für die Bestimmung des zutreffenden Steuerschuldners keine Rolle mehr und sind für die stromsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich, da die entscheidende Entnahme des Stroms aus dem Versorgungsnetz durch den Betreiber der Ladesäule fingiert wird. Reine Ladepunktbetreiber werden nach § 5a Absatz 1 Satz 6, auch wenn sie tatsächlich Strom leisten, mithin nicht mehr Versorger, sofern sie dies nicht bereits aus anderen Gründen sind (z.B. klassisches Stadtwerk, welches Ladepunkte betreibt).

Neben der Vereinfachung der Versorgerproblematik, bedient sich der Entwurf der Vorschrift der Entnahmefiktion auch für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen. Im Übrigen einschlägige Steuerbefreiungen sollen nicht allein aufgrund komplexer Geschäfts- oder Beteiligungskonstrukte am Ladepunkt entfallen. Insoweit kann bspw. an Dritte abgegebener begünstigt erzeugter Strom als steuerbefreiter Selbstverbrauch gewertet werden.

Wer profitiert?

Von einer klareren Rollenverteilung profitieren letztendlich alle am Ladevorgang beteiligten Akteure gleichermaßen. Die Steuerschuldnerschaft kann – sollte der Entwurf Gesetz werden – nun eindeutiger zugeordnet werden. Dies verhindert böse Überraschungen und daraus folgende Konflikte, die gerade in Mehrpersonenkonstellationen nicht selten den Projekterfolg im Ganzen gefährden.

Wie geht es weiter?

Die Vereinfachung aus § 5a StromStG-E soll mit Wirkung zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Die Verbände haben zu dem Entwurf bereits Stellung genommen. Wann dieser in den Bundestag eingebracht wird, ist nicht bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung nicht kommt, bestehen nicht. Stay tuned! Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Bei Fragen zu energierechtlichen Themen steht Ihnen ebenso unser Energy-Team zur Verfügung.

Teresa Werner

针锋相对:就欧盟对电动汽车销售征税事件,中国对进口白兰地和猪肉开展调查

Mo, 24.06.2024 - 13:00

这种针锋相对的做法似乎是历史的重演。然而,由于欧盟汽车行业担心会失去数十万个就业机会,其利害关系会比以往更大。目前的反补贴调查将会很快建立起第一个里程碑:对从中国进口的电动汽车征收临时反补贴税。

据笔者所了解到的情况,调查显示,无论是国内中央还是地方都为中国制造商提供了大量的帮助。这一点从欧盟委员会公布调查结果和正式征收关税之前通报的税率中可以明显看出;预计将在 2024 年 7 月 4 日之前公布临时关税。


这些关税必将引发中国与欧盟之间的进一步争端。而欧盟 27 个成员国的利益往往并不完全一致。调查将持续到 2024 年 11 月,在此之前,欧盟必将做出许多努力来减少中欧之间的贸易摩擦。

历史会重演吗?欧盟从 2012 年 9 月开始调查从中国进口的太阳能电池板。该调查系根据当时的欧盟的太阳能电池板生产商提出的申请,内容涉及反倾销和反补贴。反倾销调查关注的是中国出口生产商在国内市场销售和出口之间的价格设定。由于国内当时被视为非市场经济国家,中国国内市场的价格和成本被所谓的模拟第三国(当时是印度)的价格和成本所取代。调查发现倾销幅度高达 88%,但关税较低,因为欧盟也计算着造成损害的幅度,并按两者的较低幅度确定关税(与美国等国不同)。损害幅度是指必须提高多少价格才能使欧盟产业不受到损害。此外,欧盟还对中国太阳能电池板生产商从国家和其他地方政府获得了多少补贴进行了调查,并最终计算出了反倾销和反补贴的 "综合 "税率。在此程序中,中国和欧盟就中国出口产品的特殊待遇达成一致。

相比之下,目前对出口到欧盟的电动汽车补贴的调查只涉及补贴,而且是由欧盟委员会依职权主动发起的。欧盟委员会通报了临时调查结果,但尚未说明理由。据欧盟委员会称,对中国电动汽车生产的补贴贯穿整条价值链,包括地方、省和国家层面。补贴从以过低价格出售的锂开始,一直延伸到特别融资优惠和税收减免。据欧盟称,它发现了针对个别制造商的个案补贴和针对所有制造商的联合补贴。只有在 2024 年 7 月 4 日左右,我们才能知道更多细节。预先披露的关税尚未生效。

在调查中,欧盟计算每个合作的中国出口生产商的反补贴税率。在所谓的抽样调查中,有三家生产商被选中接受单独审查。中国国家工商行政管理总局最初给予了合作,但后来没有提供所要求的数据。随后,欧盟以最佳(调查)证据取代了缺失数据,从而得出 38.1%的高税率。反补贴税是相对较低的汽车进口正常关税(10%)之外的额外关税。比亚迪的反补贴税率为 17.4%,这意味着比亚迪在参考期内获得了相当数额的补贴。第三家参与调查并提供具体数据的公司吉利汽车的税率为 20%。在欧盟官方公报正式通过临时税率之前,这些税率也可能发生变化,因为可能会有计算错误需要纠正。今后几个月的进一步调查也可能使税率发生变化。调查必须在今年 11 月初完成。

值得注意的是,其他电动汽车生产商的税率取决于其在调查中的地位: 吉利为其沃尔沃品牌生产和出口的汽车采用吉利税率。其他致函欧盟并在调查中给予合作但未被选中作为样本的生产商则享受加权平均税率,即 21%。 这适用于特斯拉对欧盟的出口,也适用于爱驰、江淮、宝马、奇瑞、一汽、长安、东风、长城零跑、南京金龙客车、蔚来和小鹏。特斯拉希望获得单独的税率,但能否获得还有待观察。所有其他出口商均需缴纳最高税率 38.1%。

欧盟进口商不必预付临时关税,但可以提供银行担保等。一旦调查结束,将明确计算和征收关税。

欧盟与中国之间的针锋相对始于对干邑白兰地出口的调查,然后是最近对猪肉产品的调查。这种情况在以前就出现过。可以说,从目前开始到 11 月,有充足的时间来影响调查结果使其最终不会导致反补贴税。

Tit-for-Tat: Chinese investigations into imports of cognac and pork for EU duties on electric vehicle sales

Mo, 24.06.2024 - 13:00

The tit-for-tat exercise looks as if history repeats itself. However, with the EU automotive industry fearing the loss of hundred thousands of employment, the stakes are higher than in the past. The current investigation into subsidies will very soon pass a first milestone: the imposition of provisional anti-subsidy duties on imports of electric vehicles.

The investigation demonstrated, as far as we know, substantial help to the manufacturers in China, be it from the central government or local entities. This is apparent from the duty rates that were communicated prior to the publication of the European Commission’s findings and the formal introduction of duties; the publication of the provisional duties is expected before 4 July 2024.

The duties will certainly be a cause for further disputes between China and the EU. And as often, the interests of the 27 EU countries are not fully aligned. The investigation continues until November 2024, and until then, many efforts will be made to reduce frictions between the EU und China.

Will the history repeat itself? The European Union investigated solar panel imports from China starting in September 2012. The investigation concerned both dumping and subsidies, and was requested by the then EU producers of solar panels. The investigation into dumping looked at the price setting of the Chinese exporting producer between sales on its home market and for export. As China was then regarded a non-market-economy country, prices and costs on the Chinese home market were replaced by those in a so-called analogue country, at that time India. Dumping margins as high as 88 percent were found but the duty was lower because the European Union calculates also an injury margin and sets duties at the lower margin of both (different from e.g. the USA). The injury margin looks at by how much the prices must be increased so that the EU industry does not suffer injury. Additionally, the EU conducted an investigation into how much subsidies the Chinese solar panel producers had received from the state and other public entities, and calculated in the end a “combined” duty rate for both dumping and subsidies. In that procedure, China and the EU agreed on special treatment for the Chinese exports.

By way of comparison, the current investigation into subsidies for electric vehicles that are exported to the EU concerns only subsidies and was started by the European Commission on its own motion. The European Commission communicated its provisional findings but not yet the reasoning. According to the European Commission, subsidisation of Chinese electric vehicle production runs through the entire value chain, at local, provincial and national level. This begins with lithium sold at too low a price and extends to special financing concessions and tax breaks. According to the EU, it found case-specific subsidies for individual manufacturers and joint subsidies for all manufacturers. Only around 4 July 2024 will we know more details. The duties pre-disclosed are not in force.

In the investigation, the EU calculates anti-subsidy duty rates per cooperating Chinese exporting producer. Three producers were selected for individual examination, in a socalled sample. SAIC initially cooperated but then did not provide requested data. The EU then replaces missing data with best evidence, and this leads to the high rate of 38.1 percent. Anti-subsidy duties are in addition to the relatively low normal customs duty of 10 percent for car imports. The rate for BYD is 17.4 percent which means that BYD had received a quite substantial amount of subsidies in the reference period. The third company which participated in the investigation and provided company specific data, Geely, has a duty rate of 20 percent. These rates could change even before the formal adoption of provisional duties by way of publication in the Official Journal of the EU, as there could be calculation errors to be corrected. And the duty rates can change following further investigation in the next few months. The investigation must be finalized early November.

It is important to note that the duty rates of other electric vehicle producers depends on their position in the investigation: Cars manufactured and exported by Geely for its Volvo brand have the Geely rate. Other producers which wrote to the EU and cooperated in the investigation but were not selected for the sample, receive the weighted average duty which is 21%.  This applies to Tesla’s exports to the EU, as well to Aiways, JAC, BMW, Chery, FAW, Changan, Dongfeng, GWM, Leapmotor, Nanjing Golden Dragon Bus, Nio, and Xpeng. Tesla wants an individual duty rate, but it remains to be seen whether they receive one. All other exporters are subject to the highest duty rate of 38.1 percent.

The importers in the EU do not have to pay the provisional duty upfront but can offer bank guarantees and the like. Once the investigation will be concluded, the duties will be definitively calculated and collected.

As regards the issue of the collection of retroactive duties, this issue will be decided together with the decision on the definitive duties.

The tit-for-tat between the EU and China started with the investigation into exports of Cognac and then most recently of pork products. We have seen this before. Suffice to say that there is ample time between now and November to find an outcome of the investigation that does not result in anti-subsidy duties.

Recht auf Reparatur - Worauf Hersteller sich jetzt einstellen müssen

Fr, 14.06.2024 - 13:00

Für Verbraucher kann die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen sowie die Reparatur gekaufter Waren zu einem Hindernislauf mit möglicherweise hohen Kosten werden. Defekte Elektronikgeräte verschwinden daher allzu häufig in der Schublade oder enden in der Entsorgung. Hersteller und Händler beklagen dagegen überzogene Gewährleistungsansprüche und Produkthaftungsklagen.

In diesem Umfeld stellt nun ein in der Europäischen Union beschlossenes1 , begrenztes Recht auf Reparatur von bestimmten Konsumgütern ein Novum dar, das noch vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden muss.

Was dies für die Hersteller der erfassten Produkte bedeutet, beleuchtet der nachfolgende Beitrag.

Der Wegwerfmentalität ein Ende setzen

Im Rahmen ihrer "green deal"-Strategie verfolgt die Europäische Union das Ziel, nachhaltigen Konsum zu fördern und die Wirtschaft kreislauforientiert auszurichten. Hierzu soll die "Reparatur-Richtlinie", auf die sich Europäisches Parlament und Rat am 30. Mai 2024 in erster Lesung geeinigt haben, einen wesentlichen Beitrag leisten. Das Kernstück der Richtlinie bildet das in Art. 5 vorgesehene "Recht auf Reparatur". Hiernach sollen die Hersteller bestimmter Haushalts- und Alltagsprodukte verpflichtet werden, gekaufte Ware auf Verlangen eines Verbrauchers unentgeltlich oder zu einem erschwinglichen Preis zu reparieren. Auf diese Weise soll nicht nur der Ressourcenverbrauch reduziert, sondern auch der Reparaturmarkt angekurbelt werden, wodurch sich die Kommission bis zu 4,8 Mrd. EUR an zusätzlichen Investitionen erhofft. Dabei steht das Reparaturrecht nach der Konzeption des EU-Gesetzgebers in einem komplementären Verhältnis zum bestehenden Kaufgewährleistungsrecht. Die Reparaturverpflichtung soll also nur eingreifen, wenn Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer nicht (mehr) in Betracht kommen.

Für wen gilt die Reparaturpflicht?

Pflichtenadressat ist der Hersteller der Ware, und zwar unabhängig davon, ob er oder ein Dritter das Produkt an den Verbraucher verkauft hat, der die Reparatur verlangt. Die Reparaturpflicht greift damit auch bei Einschaltung eines Zwischenhändlers ein.

Wer als Hersteller anzusehen ist, beantwortet die Richtlinie unter Bezugnahme auf die künftige Ökodesign-Verordnung, mit der der Gesetzgeber Anforderungen an die Verwendung nachhaltiger Stoffe sowie an die Reparierbarkeit von Produkten aufstellt2 . Maßgeblich ist hiernach, wer das Produkt entwickelt oder hat herstellen lassen und es unter eigenem Namen oder eigener Marke vermarktet. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich erste Zweifelsfragen ab, die in Zukunft auch die Gerichte beschäftigen dürften. So schweigt der Rechtsakt etwa dazu, wer bei einem aus mehreren Produktkomponenten zusammengesetzten Endprodukt als Hersteller anzusehen ist.

In sachlicher Hinsicht beschränkt sich die Reparaturpflicht auf folgende Produktgruppen, für die in gesonderten Rechtsakten Anforderungen an die Reparierbarkeit aufgestellt werden:

  • Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner
  • Haushaltsgeschirrspüler
  • Kühlgeräte
  • Elektronische Displays
  • Schweißgeräte
  • Staubsauger
  • Server und Datenspeicherprodukte
  • Mobiltelefone, schnurlose Telefone und Slate-Tablets
  • Haushaltswäschetrockner
  • Waren, die Batterien für leichte Verkehrsmittel enthalten
Was ist geschuldet?

Besteht eine Reparaturverpflichtung, ist diese innerhalb eines "angemessenen Zeitraums" durchzuführen. Dabei bleibt es dem Hersteller überlassen, ob er die Reparatur selbst vornimmt oder einen Reparaturbetrieb beauftragt. In beiden Fällen können die Reparaturkosten dem Käufer in "angemessenem" Umfang in Rechnung gestellt werden. Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie ergibt sich insoweit, dass zu Abschreckungszwecken erhöhte Preise als unangemessen anzusehen sein sollen.

Um sicherzustellen, dass Verbraucher nicht von der Wahrnehmung ihrer Reparaturrechte abgehalten werden, untersagt Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie zudem die Verwendung limitierender Vertragsklauseln sowie den Einsatz von Hardware- oder Softwaretechniken, durch welche die Reparierbarkeit eingeschränkt würde. Hersteller dürfen insbesondere die Verwendung von Ersatzteilen durch unabhängige Reparaturbetriebe nicht behindern. Eine Ausnahme von dieser Maßgabe soll im Hinblick auf legitime Herstellerinteressen gelten, wobei etwa der Schutz des geistigen Eigentums Einschränkungen rechtfertigen können soll.

Einen Ausschluss der Reparaturpflicht sieht die Richtlinie nur dann vor, wenn die Reparatur technisch unmöglich ist. Allein aus wirtschaftlichen Gründen, z.B. wegen der hohen Kosten von Ersatzteilen, sollen Hersteller die Reparatur nach Erwägungsgrund (24) nicht ablehnen dürfen. Kommt eine Reparatur nicht in Betracht, soll der Hersteller berechtigt sein, dem Verbraucher ein repariertes Ersatzprodukt anzubieten.

Informationspflichten

Die Reparaturverpflichtung der Hersteller wird von Informationspflichten flankiert. So werden Hersteller künftig für die gesamte Dauer ihrer Reparaturverpflichtung kostenlose Informationen über ihre Reparaturdienstleistungen bereitzustellen haben. Den jeweiligen Reparaturbetrieben soll es zudem freigestellt werden, das "Europäische Formular für Reparaturinformationen" zu nutzen, das die für die Reparaturentscheidung relevanten Informationen in standardisierter Form zusammenfassen soll. Darüber hinaus soll die Europäische-Kommission eine "Europäische Online-Plattform für Reparaturen" entwickeln, über die Verbraucher passende Reparaturbetriebe und Gebrauchtwarenverkäufer unkompliziert ausfindig machen können sollen.

Verlängerung des Gewährleistungszeitraums nach Reparatur

Auch in Gewährleistungsfällen, die in den Verantwortungsbereich der Verkäufer fallen, soll die Reparatur mangelhafter Ware nach dem Willen des EU-Gesetzgebers attraktiver werden. Zu diesem Zweck soll sich der kaufrechtliche Gewährleistungszeitraum künftig einmalig um zwölf Monate verlängern, wenn ein Kaufgegenstand durch Nachbesserung in den vertragsgemäßen Zustand versetzt worden ist. Auf diese Weise werde, so die Begründung des Richtliniengebers, für Verbraucher ein Anreiz geschaffen, das eingeräumte Wahlrecht zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung zugunsten der Nachbesserung auszuüben.

Ausblick

Den EU-Mitgliedstaaten bleibt bis Mitte 2026 Zeit, um die Richtlinienvorgaben in nationales Recht umzusetzen. Diesen Zeitraum sollten Hersteller nutzen, um zu prüfen, ob ihre Produkte von der Reparaturverpflichtung umfasst sind. Dabei wird man vielfach nicht um eine detaillierte Auseinandersetzung mit den EU-Verordnungen umhinkommen, auf die die Richtlinie zur näheren Umschreibung der erfassten Produktgruppen verweist. Herstellern, die ihren Reparaturverpflichtungen nicht nachkommen, drohen empfindliche Sanktionen. Die aus der Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen sollen zudem klageweise durch Verbraucherverbände durchgesetzt werden können. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung gilt es zu beachten, dass die Europäische Kommission zur Erweiterung des Produktkatalogs ermächtigt wird. Künftige Aktivitäten der Kommission sind vor diesem Hintergrund genaustens zu beobachten. Zudem gilt es zu beachten, dass die Reparatur-Richtlinie nicht die einzige Quelle für künftige Herstellerpflichten bleiben wird. Insbesondere die erweiterten Anforderungen an nachhaltiges Produktdesign, die mit der Ökodesign-Verordnung eingeführt werden, werden für die Beteiligten der Lieferkette mit zusätzlichen Belastungen einhergehen. Diesem Themenkomplex werden wir uns in Kürze in einem eigenen Blog-Beitrag widmen.

Prof. Dr. Rainer Bierwagen
Angelika Kapfer
Simone Schmatz

1 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinien (EU) 2019/771 und (EU) 2020/1828; Stand 24. Mai 2024. 2 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG; Stand 16. Mai 2024. Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Im Zeichen der Nachhaltigkeit – Produktregulierung durch die Ökodesign-Verordnung

Fr, 14.06.2024 - 13:00

Mit der Ökodesign-Verordnung hat der Europäische Gesetzgeber kurz vor dem Ablauf der aktuellen Legislaturperiode einen zentralen Baustein seiner "green deal"-Strategie auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt stehen dabei erhöhte Anforderungen an nachhaltiges Produktdesign. Daneben soll mit dem digitalen Produktpass eine leicht zugängliche Informationsquelle für Verbraucher geschaffen werden. Auch die verbreitete Praxis, unverkaufte Ware zu vernichten, soll Einschränkungen erfahren. Was all dies für Hersteller, Händler und sonstige Glieder der Liefer- und Wertschöpfungskette bedeutet, beleuchtet der nachfolgende Beitrag.

Klimaziele und Ressourcenunabhängigkeit

Im Rahmen ihrer "green deal"-Strategie hat die Europäische Kommission das ehrgeizige Ziel ausgerufen, die CO2-Emissionen der EU bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu reduzieren und die Union bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll der gesamte Lebenszyklus der in der Union in den Verkehr gebrachten Produkte ressourcenschonend und kreislauforientiert ausgerichtet werden. Hierzu soll die Ökodesign-Verordnung, auf deren endgültige Fassung sich Europäisches Parlament und Rat am 27. Mai 2024 geeinigt haben, einen zentralen Beitrag leisten. Die Verordnung zielt auf eine nachhaltigere Produktgestaltung ab und schafft einen Rechtsrahmen für die Festlegung verbindlicher Ökodesign-Anforderungen. Hierunter fallen etwa Anforderungen an die Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit sowie die Energie- und Ressourceneffizienz. Anders als der Vorgängerrechtsakt, die Ökodesign-Richtlinie, beschränkt sich die Verordnung dabei nicht auf einzelne Produktgruppen. Vielmehr sind abgesehen von Lebensmitteln, Arzneimitteln und bestimmten Fahrzeugen alle Produkttypen vom Anwendungsbereich umfasst, einschließlich einzelner Bauteile und Zwischenprodukte wie Zement und Stahl. Von diesem holistischen Regulierungsansatz erhofft sich die Kommission neben Treibhausgaseinsparungen einen Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeit von außereuropäischen Rohstoffimporten.

Festlegung von Ökodesign-Anforderungen

Welche Anforderungen die verschiedenen Produktgruppen im Einzelnen zu erfüllen haben, regelt die Verordnung nicht selbst. Vielmehr schafft die Ökodesign-Verordnung hierfür einen Regulierungsrahmen, indem sie die Europäische Kommission ermächtigt, produktgruppenspezifische Designanforderungen durch delegierte Rechtsakte zu erlassen. Auf diese Weise soll eine dynamische und fachlich versierte Regulierung gewährleistet sein. Die Verordnung legt dazu in Art. 5 Abs. 1 übergeordnete Zielkategorien fest (sog. Produktaspekte). Hierzu zählt etwa die Recyclingfähigkeit, die Reparierbarkeit, der Anteil recycelter Materialien, das Vorhandensein besorgniserregender Stoffe, die Menge des entstehenden Abfalls sowie der allgemeine CO2- und Umweltabdruck. Für jede dieser Zielkategorien listet die Verordnung im Anhang I Indikatoren auf, anhand derer die zum Erreichen der erwünschten Produktaspekte erforderlichen Designanforderungen quantitativ und qualitativ umschrieben werden können. Diese Auflistung dient der Kommission gewissermaßen als Werkzeugkasten, aus dem sie die je nach Produktgruppe relevanten Stellschrauben auszuwählen hat. Legt die Kommission für eine bestimmte Produktgruppe etwa als Zielkategorie die einfache Reparatur und Wartung fest, kann sie die einzuhaltenden Designanforderungen in Gestalt von quantitativen Parametern wie der Anzahl der verwendeten Bauteile und/oder qualitativen Leistungsmerkmalen wie der Kompatibilität mit allgemein verfügbaren Werkzeugen definieren.

Verfahren

Der Festlegung der Designanforderungen hat für jede Produktgruppe eine technische, wirtschaftliche und ökologische Analyse vorauszugehen, in die eine Reihe marktgängiger Modelle einzubeziehen ist. Da ein solches Verfahren zeit- und ressourcenintensiv sein kann, hat die Kommission Produktgruppen zu priorisieren, bei denen das Einspar- und Effizienzsteigerungspotenzial als besonders hoch angesehen wird. Um den Beteiligten der Lieferkette im Hinblick auf die bevorstehende Regulierung Planungssicherheit zu geben, hat die Kommission die priorisierten Produktgruppen in einem öffentlich zugänglichen Arbeitsplan zu listen, der u.a. Angaben zum voraussichtlichen Zeitplan und zu den jeweils einschlägigen Zielkategorien enthalten soll. Der erste Arbeitsplan dieser Art soll gem. Art. 18 Abs. 5 der Verordnung binnen 9 Monaten nach deren Inkrafttreten aufgestellt werden und folgende Produktgruppen vorrangig berücksichtigen:

  • Eisen und Stahl
  • Aluminium
  • Textilien (insb. Bekleidung und Schuhwerk)
  • Möbel (einschließlich Matratzen)
  • Reifen
  • Waschmittel
  • Anstrichmittel
  • Schmierstoffe
  • Chemikalien
  • bestimmte energieverbrauchsrelevante Produkte
  • Elektronikgeräte (insb. Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie)
  • Zement (hierfür gelten bestimmte Einschränkungen)

Bei der Erstellung der Arbeitspläne sowie der Ausarbeitung der Ökodesign-Anforderungen wird die Kommission von einer Sachverständigengruppe, dem sog. Ökodesign-Forum, beraten. Das Konsultationsgremium soll dabei nicht nur ein hohes Maß an fachlicher Expertise sicherstellen, sondern den interessierten Kreisen – einschließlich Industrievertretern, Wissenschaft und Umweltorganisationen – auch als Forum für einen praxisnahen Meinungsaustausch dienen. Zudem können Wirtschaftsteilnehmer der Kommission im Hinblick auf Produkte bzw. Produktgruppen, die noch nicht im Arbeitsplan abgebildet sind, Selbstregulierungsmaßnahmen zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen unterbreiten und auf diese Weise frühzeitig einheitliche Standards etablieren.

Pflichtenadressaten

Die Ökodesign-Verordnung adressiert die gesamte Lieferkette, wobei die Produkthersteller vorrangig in die Pflicht genommen werden. Sie dürfen ihre Produkte gem. Art. 27 Abs. 2 der Verordnung erst in den Verkehr bringen, nachdem die Einhaltung der Ökodesign-Anforderungen durch ein im delegierten Rechtsakt näher bestimmtes Prüf- und Messverfahren (sog. Konformitätsbewertungsverfahren) bestätigt wurde. Entspricht das Produkt den Anforderungen, haben die Hersteller eine sog. EU-Konformitätserklärung abzugeben. Zudem erhalten die Produkte eine sog. CE-Kennzeichnung, anhand derer die Konformität mit den Ökodesign-Anforderungen für die Konsumenten gut sichtbar zu erkennen sein soll.

Neben den Herstellern wird auch den nachfolgenden Gliedern der Lieferkette Verantwortung für die Einhaltung der Design-, Kennzeichnungs- und Informationspflichten übertragen. So haben Importeure sicherzustellen, dass die Hersteller das Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt haben, bevor sie ihrerseits die Ware in den Verkehr bringen. Ebenso wie Vertreiber und Händler haben Importeure zudem die ordnungsgemäße Etikettierung und die Erfüllung der sogleich erläuterten Informationspflichten zu überprüfen. Bei Verstößen drohen empfindliche Sanktionen. Die aus der Verordnung erwachsenden Verpflichtungen sollen zudem klageweise durch Verbraucherverbände durchgesetzt werden können.

Digitaler Produktpass

Um den Konsumenten bewusstere Kaufentscheidungen zu ermöglichen, werden die Designanforderungen künftig von zusätzlichen Informationspflichten flankiert, die von der Kommission ebenso wie die Leistungsanforderungen durch delegierten Rechtsakt konkretisiert werden. Die Informationspflicht kann sich insbesondere auf die je nach Produktgruppe einschlägigen Nachhaltigkeitsindikatoren beziehen, einschließlich eines Reparierbarkeits- und Beständigkeits-Scores und eines CO2- oder Umweltfußabdrucks. Für diese Parameter kann die Kommission verschiedene Leistungsklassen festlegen. Weitere Informationen können u.a. in Bezug auf Reparatur, Wartung, Recycling, Entsorgung, die Verwendung besorgniserregender Stoffe und die Umweltauswirkungen des Produkts erforderlich sein. Für alle erfassten Produkte wird überdies ein sog. digitaler Produktpass obligatorisch, in dem die für die Verbraucher relevanten Informationen in digital abrufbarer Form gebündelt werden sollen. Hierfür sind – wie oben erläutert – neben dem Hersteller auch die weiteren Glieder der Lieferkette verantwortlich.

Verbot der Vernichtung unverkaufter Ware

Als erhebliche und zugleich vermeidbare Quelle negativer Umweltauswirkungen hat der Europäische Gesetzgeber die Vernichtung unverkaufter Warenbestände identifiziert. Dieser Praxis schiebt die Verordnung mit einem Vernichtungsverbot für bestimmte Produktgruppen nunmehr einen Riegel vor. Hiervon sind ab Mitte 2026 zunächst Kleidungsstücke und Schuhe betroffen. Eine Ausnahme gilt lediglich für Kleinst- und Kleinunternehmen. Mittlere Unternehmen haben bis Mitte 2030 Zeit, bevor das Verbot für sie verbindlich wird. Die Europäische Kommission kann die Liste der Produktgruppen, für die das Verbot gilt, durch delegierten Rechtsakt erweitern, wobei auch insoweit der zu veröffentlichende Arbeitsplan Planungssicherheit schaffen soll. Hinsichtlich des ersten Arbeitsplans gibt die Verordnung der Kommission auf, insbesondere die Erstreckung des Vernichtungsverbots auf Elektrogeräte zu prüfen. Auch bestimmte Verbotsausnahmen sollen durch die Kommission vorgesehen werden können.

Ausblick

Durch die Ökodesign-Verordnung wird die Wertschöpfungs- und Lieferkette mehr denn je in die Verantwortung genommen. Hersteller, Importeure, Vertreiber und Händler sollten sich angesichts der erforderlichen Umstellungsprozesse frühzeitig und fortlaufend mit den für sie relevanten Anforderungen vertraut machen. Insoweit wird der erste Arbeitsplan der Kommission aufmerksam zu prüfen sein, dessen Erscheinen spätestens im zweiten Quartal 2025 zu erwarten ist. Hieraus werden sich vor allem für die priorisierten Produktgruppen wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Designanforderungen und des weiteren Zeitplans ableiten lassen. Der erste delegierte Rechtsakt darf nicht früher als 12 Monate nach dem Inkrafttreten der Ökodesign-Verordnung erlassen werden, sodass frühestens im dritten Quartal 2025 mit ihm zu rechnen ist. Nach dem Erlass verbleiben den betroffenen Unternehmen mindestens weitere 18 Monate bis der Rechtsakt für sie verbindlich wird. Für kleine und mittlere Unternehmen können längere Fristen und bestimmte Erleichterungen gelten. Wenngleich demnach eine Detailregelung der einzelnen Produktgruppen noch aussteht, sollte die Verabschiedung der Ökodesign-Verordnung für die Beteiligten der Lieferkette Anlass bieten, sich eingängig mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen, die mit einer an Nachhaltigkeitszielen orientierten Produktregulierung einhergehen können.

Prof. Dr. Rainer Bierwagen
Angelika Kapfer
Simone Schmatz

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Die Eigenschaft der "Fabrikneuheit" einer KWK-Anlage

Mi, 12.06.2024 - 13:00

Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 12. Februar 2024 (Az. 5 K 2396/21.F) rechtskräftig entschieden, dass eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage ("KWK-Anlage") auch dann als "fabrikneu" anzusehen ist, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung und der Inbetriebnahme circa fünf Jahre liegen.

Sachverhalt

Die Klägerin nahm im Januar 2020 eine KWK-Anlage mit dem Baujahr 2015 in Betrieb und beantragte im selben Monat beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ("BAFA") deren Zulassung für die Gewährung des KWK-Zuschlags. Zu diesem Zweck reichte sie alle notwendigen Unterlagen ein, einschließlich des Konformitäts- sowie des Hocheffizienznachweises. Das BAFA verweigerte jedoch mit einem Ablehnungsbescheid die Zulassung der KWK-Anlage als neue Anlage nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 2016 ("KWKG 2016"). Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein, der mittels Widerspruchsbescheid vom BAFA zurückgewiesen wurde. Die Klägerin erhob daraufhin eine Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main auf Zulassung der KWK-Anlage.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gab der Klage statt. Die Klägerin habe einen gebundenen Anspruch auf Zulassung der KWK-Anlage. Entgegen der Ansicht des Beklagten handele es sich auch bei einer circa fünf Jahre alten, noch nie verwendungsgemäß genutzten KWK-Anlage um eine "fabrikneue". Dies folge unmittelbar aus dem Wortlaut, der Gesetzgebungshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

So folge aus der Wortzusammensetzung "fabrikneu" einzig, dass eine Sache seit ihrer Fabrikation noch nicht gemäß ihrem Herstellungszweck verwendet worden sei. Insofern gehe der Wortlaut noch über den Begriff "neu" hinaus, da fabrikneu keine erstmalige Verwendung an einem anderen, neuen Ort oder nach einer Modernisierung zulasse.

Kein anderes Ergebnis folge aus der Gesetzgebungshistorie. Die entsprechende Vorschrift des KWKG 2002, die ursprünglich eine Möglichkeit zur Verwendung gebrauchter (Anlagen-)Teile vorsah, sei im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens so geändert worden, dass nunmehr zwischen "fabrikneuen" und "erneuerten" Anlagen im Sinne des § 2 Nr. 18 KWKG 2016 unterschieden werden sollte. Diese Unterscheidung zeige, dass nicht die Standdauer, sondern die Eigenschaft der KWK-Anlage als "gebraucht" entscheidend für die Fabrikneuheit sei.

Ebenfalls ließen die Systematik und Sinn und Zweck des Gesetzes keinen Raum für die Behauptung der Klägerin, dass eine fabrikneue KWK-Anlage dem Stand der Technik entsprechen müsse. Die gesetzlich intendierte Effizienzsteigerung sei auch ohne eine Kopplung an den Stand der Technik gewährleistet. Dieses Kriterium sei lediglich für "modernisierte" oder "nachgerüstete" KWK-Anlagen vorgesehen, und solle eine Untergrenze für Investitionen zur (erneuten) Zuschlagsberechtigung sicherstellen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die streitgegenständliche KWK-Anlage nicht dem Stand der Technik entspreche; die Klägerin habe den Nachweis erbracht, dass KWK-Anlagen desselben Herstellers und Typs von 2015 und 2020 denselben Gesamtwirkungsgrad aufwiesen. Wenn der Gesetzgeber eine Kopplung des Begriffs der Fabrikneuheit an den Stand der Technik gewollt hätte, hätte er dies regeln müssen.

Bedeutung des Urteils für die Praxis

Dem Ergebnis sowie der Argumentation des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main sind vollumfänglich zuzustimmen. 
Für Versorger und Eigenbetreiber von KWK-Anlagen bedeutet das Urteil eine lang ersehnte Klarstellung über den Begriff der Fabrikneuheit. Die bisherige Praxis des BAFA, Förderungsanträge pauschal aufgrund von Standdauern von einigen Jahren abzulehnen, hatte bislang zu einer verminderten Planbarkeit und verlorenen Investitionen geführt.

Das Urteil bietet eine Erleichterung für Projektierer für bereits erworbene KWK-Anlagen, da diese nun mit größerer Sicherheit den wirtschaftlichen Einsatz ihrer bereits erworbenen KWK-Anlagen planen können. Etwaig zurückgehaltene Förderanträge können gestellt und Wirtschaftlichkeitsberechnungen auf neuer Grundlage vorgenommen werden. Das BAFA ist als Bundesbehörde gehalten, dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main Folge zu leisten, da dieses am 11. Juni 2024 rechtskräftig geworden ist.

Dr. Malaika Ahlers
Anton Buro

KI im Social-Media-Einsatz

Mo, 10.06.2024 - 13:00

Ohne den Einsatz von Social Media ist eine zeitgemäße Unternehmenskommunikation nicht denkbar. Das gilt vor allem in der Konsumgüterindustrie. Wer seine Kunden erreichen will, der muss sie kennen, finden und Inhalte platzieren, die sie interessieren. Das ist kein neuer Trend, und Juristen beschäftigen die rechtlichen Aspekte von Social-Media-Marketing seit Jahren. So hat es die Influencerin Cathy Hummels schon 2021 bis zum Bundesgerichtshof (BGH) geschafft mit der Frage, ob sie ihre produktbezogenen Posts als 'Werbung' kennzeichnen muss. Muss sie nicht, wenn sie keine Gegenleistung erhält (BGH, Az. I ZR 126/20). Neu ist, dass sich Social-Media-Marketing durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) beliebig skalieren lässt. Ob es um die Analyse von Nutzerverhalten geht oder um die Erstellung von Inhalten: KI verändert die Unternehmenskommunikation. Was ist hier zu erwarten? Worauf sollte man unbedingt achten?

Nutzung von KI-Content

Die Nutzung von KI-generierten Texten und Bildern (Output) eröffnet neue Möglichkeiten der Kommunikation: Die Produktion von Inhalten hat keine personellen Limits mehr, wird schneller und kostengünstiger. Die Kehrseite ist der Kontrollaufwand. Wer KI nutzt, der kennt die Anfälligkeit für inhaltliche Fehler. Die Anbieter von KI weisen mit gutem Grund genau darauf hin. Das führt auch aus rechtlicher Sicht dazu, dass KI-generierte Inhalte gründlich überprüft werden müssen. Wer Unwahrheiten veröffentlicht, der ist dafür rechtlich verantwortlich. Unwahre Angaben in der Unternehmenskommunikation sind oft wettbewerbswidrig. Ansprüche von Wettbewerbern und Verbraucherschutzverbänden können die Folge sein.

Transparenz ist essenziell

Neben der Haftung für inhaltliche Fehler lautet ein Kernthema bei der Output-Nutzung Transparenz. Das Transparenzgebot gilt bei jeder öffentlichen Kommunikation, es ist in etlichen Normen verankert. Es besagt im Kern, dass der Zweck und die Herkunft einer Veröffentlichung erkennbar sein müssen: Wer für ein Produkt wirbt, darf das nicht im Gewand einer redaktionellen Berichterstattung tun; wer einen fremden Text veröffentlicht, darf ihn nicht als eigenen ausgeben; und wer KI-generierte Inhalte wiedergibt, der darf sich nicht als Autor bezeichnen. Das ergab sich schon bisher aus der bestehenden Gesetzeslage.
Im Mai 2024 ist durch mit Verabschiedung der KI-Verordnung der EU (AI Act) das Transparenzgebot jetzt auch speziell für Inhalte geregelt worden, die mit KI generiert sind. Danach muss der künstliche Charakter von Deepfakes offengelegt werden (Art. 52 Abs. 3 AI Act), gleiches gilt bei jeder Interaktion von KI mit Menschen (Art. 52 Abs. 1 AI Act), also auch bei automatisierten Postings und Chatbot-Inhalten. Die Transparenzpflichten nach dem AI Act treten erst im Sommer 2026 in Kraft. Verstöße gegen das Transparenzgebot können aber auch nach aktueller Rechtslage Folgen haben, insbesondere sind wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen irreführender Werbung denkbar.

KI richtig kennzeichnen

Wegen des Transparenzgebots ist es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein Text oder ein Bild KI-generiert sind, wenn das nicht aus sich heraus erkennbar ist. Ein solcher Hinweis kann beispielsweise nach Art eines Fotocredits lauten 'KI-generiert' oder 'Erstellt unter Einsatz von Dall-E'. In der Praxis taucht häufig die Frage auf, wie mit Mischformen umzugehen ist. Gerade Textautoren arbeiten häufig so, dass sie sich zunächst einen Vorschlag von einer generativen KI-Anwendung machen lassen, ihn dann aber überarbeiten. Ob ein Hinweis auf dieses Vorgehen rechtlich geboten ist, hängt davon ab, wie viel vom KI-Text im Endergebnis noch vorhanden ist. Sind ganze Sätze oder Absätze übernommen, dann muss auf den Ursprung hingewiesen werden. Sind dagegen nur noch Struktur und Information übernommen, dann ist das nicht notwendig – Chat GPT ist dann nur als Recherche-Tool genutzt worden.

Persönlichkeits- und Urheberrechte beachten

Ein weiteres wesentliches Output-Thema betrifft Persönlichkeitsrechte. Kurz gesagt: Finger weg von Deep Fakes in der Werbung! Aber auch die bloße Bezugnahme auf reale Personen, insbesondere Prominente, ist – wie immer in der Unternehmenskommunikation – ein No-Go, es sei denn sie haben eingewilligt. Das gilt selbst dann, wenn transparent gemacht wird, dass es sich um KI-Darstellungen handelt. Denn die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten löst immer Ansprüche aus, vor allem bei Prominenten. Dabei können auch im deutschen Recht hohe Zahlungsansprüche entstehen. Betroffene können das verlangen, was sie vertraglich vereinbart hätten, wenn sie gefragt worden wären. Weniger Probleme macht das Urheberrecht. Weder die Erstellung von Inhalten durch KI noch die Nutzung dieser Inhalte sind urheberrechtlich relevant. Ausnahmen kann dort geben, wo durch gezieltes Prompting ein Output provoziert wird, der bestehenden Werken zu ähnlich ist (z. B. »Erstelle eine Grafik, die wie ein Siebdruck von Marylin Monroe aus der Hand von Andy Warhol aussieht«).

Influencer und Mitarbeiter briefen

Die Grundsätze zum Output gelten auch für Inhalte, die Influencer oder beauftragte Agenturen erstellen und posten. Gerade hier kann die Versuchung groß sein, Beiträge mit KI-Unterstützung zu produzieren – ein Vorgehen, das nicht im Interesse des Auftraggebers ist. Es ist deshalb ratsam, bestehende Verträge mit Influencern oder Agenturen um eine KI-Klausel zu ergänzen, mit der die Nutzung von KI für vertraglich geschuldete Inhalte untersagt oder eingeschränkt wird. Was das eigene Business Development angeht, so sollten Unternehmen klare Anweisungen zur Erstellung, Kontrolle und Veröffentlichung von KI-Inhalten machen – beispielsweise im Rahmen einer KI-Richtlinie. Im Haftungsfall können solche Vorgaben dabei helfen, ein Verschulden auszuschließen. Das kann Schadensersatzrisiken senken.

Vorsicht bei der Datenanalyse

Soziale Medien bieten riesige Datenschätze, die mit KI-Hilfe analysiert und aufbereitet werden können, um das eigene Marketing zu optimieren. Wer spricht über welche Produkte, welche Memes gehen viral und warum? KI kann diese Datenmengen verarbeiten, Trends nachverfolgen und Ergebnisse analysieren. Die Plattformen selbst weiten zurzeit ihre Möglichkeiten für das Training von KI-Anwendungen aus: Meta hat am 1. Juni 2024 seine Nutzer darüber informiert, dass man ab Ende Juni 2024 Postings für Trainingszwecke der eigenen KIs nutzen werde. Für Unternehmen liegt es nahe, auf Mess- und Analyse-Tools der Plattformanbieter zurückgreifen. Die Gewinnung von Informationen auf eigene Faust ist technisch und rechtlich nicht trivial, vor allem dann, wenn sie nicht nur Inhalte auf eigenen Accounts betreffen. Denn das Auslesen von fremden Accounts zu Analysezwecken, das sogenannte »Scraping«, kann gegen Nutzungsbedingungen der Anbieter verstoßen und ist datenschutzrechtlich sowie urheberrechtlich problematisch. Es ist urheberrechtlich zwar erlaubt, frei zugängliche Inhalte für das KI-Training zu verwenden – wenn nicht der Rechtsinhaber einen Vorbehalt erklärt hat (§ 44b UrhG). Die Ausnahme gilt aber nur für KI-Training und nicht für die Datenauswertung unter Einsatz von KI. Außerdem sind die meisten Plattforminhalte nicht frei zugänglich, sondern erst nach Anmeldung abrufbar. Sofern man über die von Plattformanbietern angebotene Analyse-Tools hinaus Datenanalysen betreiben möchte, sollte man das deshalb über einen spezialisierten Dienstleister tun.

Dr. Holger Weimann

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Magazin markenartikel und im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Unternehmensnachfolge im Mittelstand – Private Equity, um die Zukunft zu sichern?

Fr, 07.06.2024 - 13:00
Was ist Private Equity?

Unter Private Equity (PE) versteht man eine Investitionsform, bei der private Kapitalgeber Unternehmensanteile erwerben, die nicht an einer Börse gehandelt werden. PE-Investoren beteiligen sich meist mittel- bis langfristig an bereits etablierten Unternehmen, die sich nicht mehr in der Aufbauphase befinden (in Abgrenzung zum Venture Capital) (sog. Buy-Outs). Ein auf den Mittelstand spezialisierter PE-Investor möchte zunächst einmal die Unternehmens-fortführung sichern und das Unternehmen dann Schritt für Schritt modernisieren, um den Wert des Zielunternehmens langfristig zu erhöhen. Der Rückzug (Exit) des Investors aus dem Unternehmen ist zwar schon beim Beteiligungserwerb konkret eingeplant, jedoch im Mittel-stand regelmäßig langfristiger angelegt. Der Anlagehorizont beträgt im Mittelstand häufig acht Jahre. Mit diesem Zeithorizont können Unternehmen ihren Mitarbeitern ehrliche Zukunftsaus-sichten aufzeigen. Aus unserer Erfahrung ist die Mehrheit der Belegschaft erleichtert, wenn ein auf den Mittelstand spezialisierter PE-Investor das Nachfolgeproblem des Unternehmens löst. Denn ein PE-Investor führt mit seiner Erfahrung in Transformationsprozessen das Unternehmen in die Zukunft.

Überblick über den Ablauf einer PE-Transaktion

Zu Beginn einer Unternehmensnachfolge steht die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Häufig schauen sich familiengeführte Unternehmen für die Planung der Nachfolge im Familienkreis um und ziehen auch das bekannte Management in Erwägung (sog. Management Buy Out). Mittelständische Unternehmen können bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger und Käufer jedoch auch auf einen M&A-Berater zurückgreifen. Dieser hilft dabei, potenzielle Interessenten zu finden, indem er sie im Rahmen eines Bieterprozesses kontak-tiert und zur Abgabe initialer Angebote auffordert. Ein strukturiertes Bieterverfahren soll einen höheren Kaufpreis erzielen, da mehrere Käufer konkurrieren. Mittlerweile gibt es zahlreiche PE-Investoren, die sich insbesondere auf mittelständische Unternehmen in der Nachfolgephase spezialisiert haben.

Üblicherweise unterzeichnen Verkäufer und Kaufinteressent eine schriftliche Absichtserklä-rung, in der sie die Grundsätze der Transaktion festhalten. Diese Absichtserklärung hat regelmäßig keine rechtliche Bindung. Parallel dazu erstellt der Verkäufer ein Datenraum, in dem sich alle für eine Investition wesentlichen Informationen über das Zielunternehmen einsehen lassen. Die Informationen über das Zielunternehmen prüfen Käuferinteressenten im Rahmen einer sog. Due Diligence Prüfung.

Wenn sich unter den Interessenten ein bestimmter Käufer herauskristallisiert, werden die Verkäufer versuchen, sich mit ihm über den Inhalt des Kaufvertrags zu einigen und den Kaufvertrag abzuschließen. Die Übertragung von GmbH-Anteilen bedarf der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 3, 4 GmbHG). Die Transaktion ist abgeschlossen, wenn die Parteien den Kaufvertrag vollzogen haben, d.h. also der Käufer den Kaufpreis an den Verkäufer bezahlt und der Verkäufer die Anteile dem Käufer übertragen hat.

Beteiligung des Managements

Ein PE-Investor übernimmt das Zielunternehmen normalerweise mitsamt dem Management. Er selbst kann und möchte die Geschäfte regelmäßig nicht selbst führen. Stattdessen verlässt er sich für das Tagesgeschäft auf die Expertise des bisherigen Managements, um eine reibungslose Nachfolge zu ermöglichen. Den Verbleib des Managements im Unternehmen möchte der PE-Investor belohnen. Dieses soll dem PE-Investor langfristig zur Verfügung stehen. Auf Mittelstand spezialisierte PE-Investoren bieten dem bisherigen Management Unterstützung bei "neuen" Themen wie Berichtspflichten gegenüber Banken oder Transfor-mationsprozesse im Unternehmen an.

Um das Management des Zielunternehmens zu incentivieren, bietet der Investor dem Management häufig eine Minderheitsbeteiligung (ca. 5 bis 15 %) an (sog. Managementbeteili-gung). Dadurch nimmt das Management an der Wertsteigerung des Zielunternehmens teil und ist an das Unternehmen gebunden. Zudem wird ein Interessengleichlauf zwischen Management und Unternehmensinhaber erzielt. Das Management arbeitet nämlich nicht mehr nur für fremde Eigentümer, sondern gewissermaßen auch für sein eigenes Unternehmen. Beim Exit profitiert das Management von der Wertsteigerung der eigenen Beteiligung. Die Managementbeteiligung erfolgt im Wege einer Rückbeteiligung an der Erwerbsgesellschaft oder indirekt über eine vermögensverwaltende Management-Gesellschaft.

Finanzierung

Wesentliche Bedeutung hat bei PE-Investitionen die Finanzierung durch Fremdkapitalgeber, typischerweise Banken. Häufig finanzieren sie etwa 50 % des Kaufpreises fremd. Die Zinsen und Raten werden später primär aus den Erträgen des Zielunternehmens getilgt.

Die Finanzierung durch Fremdkapital hat nicht nur den Vorteil, den finanziellen Spielraum des PE-Investors zu vergrößern, indem etwa mehr Eigenkapital für weitere Investitionen bleibt. Darüber hinaus kann sie auch die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals durch den sog. Hebeleffekt (Leverage-Effekt) erhöhen. Dies ist der Fall, wenn die Gesamtrendite größer ist als der Zins, der für Fremdkapital in gleicher Höhe hätte aufgebracht werden müssen.

Fremdkapitalgeber wollen Kredite geeignet besichern lassen. Sicherheiten sind primär die Vermögenswerte der Zielgesellschaft, während der Käufer als Investor üblicherweise keine Sicherheiten an seinen eigenen Vermögenswerten bestellt. Denkbar sind insbesondere Grundpfandrechte an Grundstücken oder die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen der Zielgesellschaft.
Bei der Besicherung sind die gesetzlichen Vorgaben zur Kapitalerhaltung zu beachten. Besichert die Zielgesellschaft Verbindlichkeiten einer zwischengeschalteten Erwerbsgesell-schaft, darf dies nicht zu einer verbotenen Rückzahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens führen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Etwas anderes gilt aus-nahmsweise, wenn ein wirtschaftlich gleichwertiger Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter (hier die Erwerbsgesellschaft) besteht (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG).

Steuerliche Interessen der Parteien

Steuerliche Aspekte sind bei PE-Transaktionen von großer Relevanz. Der Verkäufer hat das Interesse, die Besteuerung seiner Veräußerungsgewinne zu reduzieren. Dies ist vor allem durch die Verrechnung mit Verlusten oder die Anwendung besonderer Steuertarife möglich.

Der Käufer und PE-Investor möchte den Zahlungsfluss (Cash Flow) des Zielunternehmens nutzen, um Kredite samt Zinsen zu tilgen. Gleichzeitig sollen Finanzierungaufwendungen mit den Gewinnen aus dem operativen Geschäft steuerlich verrechnet werden. Gewinne erwirt-schaftet das Zielunternehmen. Der Finanzierungsaufwand entsteht jedoch auf der Ebene der Erwerbsgesellschaft. Um die steuerliche Verrechnung zu ermöglichen, müssen beide Ebenen zusammengebracht werden (sog. Debt Push Down). Erreicht wird dies etwa durch Ver-schmelzung der Zielgesellschaft auf die Erwerbsgesellschaft. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Zielgesellschaft – sofern diese eine Kapitalgesellschaft ist – mit der Erwerbsgesellschaft eine steuerliche Organschaft errichtet. Dabei wird das Einkommen der Zielgesellschaft der Erwerbsgesellschaft zugerechnet und im Rahmen der Letzteren versteuert.

Fazit

PE kann eine attraktive Option bei der Unternehmensnachfolge sein. Mittelständler schrecken jedoch oft vor den "PE-Heuschrecken" zurück und sorgen sich um ihr Vermächtnis. Jedoch wollen die Investoren in der Regel am derzeitigen Management festhalten, um durch ihre Erfahrung die erfolgreiche Unternehmensfortführung zu gewährleisten. Die Belegschaft ist zudem meist froh, wenn eine solche Unternehmensfortführung gelingt. Denn PE-Investoren können über die Nachfolge hinaus helfen, die heutigen Herausforderungen – insbesondere die Digitalisierung und die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft – zu bewältigen.

Christian Burmeister
Damien Heinrich

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Verschiedene Nutzungsmodelle für Photovoltaik-Strom auf Mehrfamilienhäusern

Fr, 07.06.2024 - 13:00
Hintergrund

Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden. Die neue EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, EPDB, s. auch Blogbeitrag zu EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie, abrufbar unter https://www.advant-beiten.com/de/blogs/eu-gebaeudeeffizienzrichtlinie-angenommen-aenderungen-des-geg-zu-erwarten) führt in Art. 9a EPDB eine grundsätzliche "Solarpflicht" für Gebäudedächer ein. Zunächst müssen alle Neubauten so konzipiert sein, dass sie sich für die Installation von PV-Anlagen eignen. Zudem sollen auf Gebäuden der öffentlichen Hand ab 2027 schrittweise PV-Anlagen installiert werden, soweit das technisch, wirtschaftlich und funktionell machbar ist. Aber Deutschland verfolgt auch ohne Europa ambitionierte Klimaschutzziele, insoweit gewinnen die Ausbauziele für Solarenergie zunehmend an Bedeutung (vgl. auch die Neuregelungen im Solarpaket I, vgl. Blogbeiträge zum Solarpaket I, abrufbar unter https://www.advant-beiten.com/de/blogs/solarpaket-i-starker-rueckenwind-fuer-die-dezentrale-gebaeudeversorgung und https://www.advant-beiten.com/de/blogs/solarpaket-i-weitere-verbesserungen-fuer-solaranlagen). In diesem Zuge wird in den jeweiligen Landesbauordnungen der Länder zunehmend die Verpflichtung zur Installation und zum Betrieb von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Dachflächen eingeführt. Auch wenn aktuell meist nur Neubauten von Nichtwohngebäuden von dieser Solarpflicht betroffen sind, ist aufgrund der weitreichenden Vorgaben in der EPDB davon auszugehen, dass die Solarpflicht in näherer Zukunft auch auf den Neubau und die Dachsanierung von Wohngebäuden ausgeweitet wird. Beispielsweise sieht die EPDB vor, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, bis 31.12.2032 PV-Anlagen auf Gebäuden zu errichten, die einer größeren Renovierung unterzo-gen werden. Gleichzeitig wächst aber auch von Seiten der Mieter, insbesondere aufgrund der Energiekrise der letzten zwei Jahre, das Interesse an einer zuverlässigen, dezentralen und nachhaltigen Stromversorgung. Aus Sicht der Eigentümer von Mehrfamilienhäusern eröffnen sich verschiedene Chancen zur Nutzung ihres lokal erzeugten Photovoltaikstroms.

Nutzungsmöglichkeiten von PV-Strom

Zu den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten zählen die Einspeisung ins Netz der allgemeinen Versorgung (hierzu unter 2.1), die Nutzung als Mieterstrom (hierzu unter 2.2), die Nutzung zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (hierzu unter 2.3), oder zur Deckung des Verbrauchs der Liegenschaft, sog. Eigenversorgung (hierzu unter 2.4). Die Ausführungen beziehen sich nur auf PV-Anlangen, die sich noch in der Förderung befinden. Der Förderungszeitraum beträgt 20 Jahre zuzüglich des Inbetriebnahmejahres der Anlage gem. § 25 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Zudem sieht § 49 EEG eine lineare Reduzierung der Vergütungshöhe um 1 Prozent alle 6 Monate seit dem 1. Februar 2024 im Bereich der Einspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung und im Mieterstrommodell vor. Ein Wechsel zwischen den verschiedenen Veräußerungsformen ist jeweils zum ersten Kalendertages eines Monats möglich gem. § 21b Abs. 1 S. 2 EEG.

Einspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung

Bei der Einspeisung ins Netz der allgemeinen Versorgung ist grundsätzlich zwischen der sog. festen Einspeisevergütung und der (sonstigen) Direktvermarktung zu unterscheiden.

Bei ersterer erwirbt der Betreiber der PV-Anlage, also diejenige Person die – unabhängig vom Eigentum – die Anlage zur Stromerzeugung nutzt (im Folgenden Anlagenbetreiber), mit einer installierten Leistung von bis zu 100 kWp, einen Anspruch gegen den Netzbetreiber auf Zahlung der Einspeisevergütung gem. §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 oder Nr. 4 EEG. Der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses könnte die PV-Anlage selbst erwerben oder für den Betrieb pachten.

Der Anlagenbetreiber muss dem lokalen Netzbetreiber den gesamten Strom der PV-Anlage zur Verfügung stellen, der nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage verbraucht und nicht durch ein Netz geleitet wird. Eine gleichzeitige Teilnahme am Regelenergiemarkt ist ebenfalls ausgeschlossen. Möglich ist jedoch, dass der Anlagenbetreiber einen Teil des Stroms selbst verbraucht (s. hierzu 2.4), also nur einen etwaigen Überschuss ins Netz einspeist. In diesem Fall erhält er jedoch nicht die um bis zu 50 % erhöhte Förderung für die sog. Volleinspeisung gem. § 48 Abs. 2a EEG.

Grundsätzlich zeichnet sich die feste Einspeisevergütung dadurch aus, dass sie einfach in der Umsetzung und gut kalkulierbar ist. Bei der Frage, ob eine Voll- oder ein Teileinspeisung finanziell vorteilhaft ist, kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung bzw. -berechnung an.

Zudem besteht regelmäßig die Option der Direktvermarktung. Hierbei ist nicht der Netzbetreiber, sondern ein Direktvermarkter der Abnehmer. Die Vergütung richtet sich dann nach einen mit dem Direktvermarkter ausgehandelten Preis. Zudem erhält der Anlagenbetreiber eine Marktprämie nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 22 EEG. Die Höhe der Marktprämie richtet sich nach der Größe der Anlage und den Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Durch die Marktprämie wird zumindest bei Kleinanlagen bis 100 kWp eine Schlechterstellung gegenüber der festen Einspeisevergütung vermieden. Die Direktvermarktung ist üblicherweise aufgrund der höheren technischen Anforderungen an die PV-Anlage gem. § 10b EEG und der regelmäßig mit dem Direktvermarkter vereinbarten Vermarktungspauschale erst bei Anlagen mit einer höheren Leistung lohnend.

Mieterstrom

Neben dem Anlagenbetreiber können auch die Mieter – soweit der Anlagenbetreiber einen günstigeren als den am Markt verfügbaren Stromtarif anbieten kann - von einer PV-Anlage profitieren und gleichzeitig an der Energiewende teilhaben. Hierzu bietet sich der Anspruch des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber auf Zahlung des Mieterstromzuschlags, §§ 19 Abs. 1 Nr. 3, 21 Abs. 3 EEG, an. Der Anspruch auf Mieterstromzuschlag besteht für PV-Anlagen, die auf, an oder in einem Gebäude oder einer Nebenlage des Gebäudes installiert sind und der Stromlieferung durch den Anlagenbetreiber oder einem Dritten an den Letztverbraucher dient. Es ist jedoch erforderlich, dass die PV-Anlage sich in demselben Gebäude, Nebengebäude oder Quartier befindet und der Strom ohne Durchleitung durch ein Netz geliefert wird. Eine wesentliche Neuerung des Solarpaketes I ist, das Mieterstrommodell nicht mehr nur auf Wohngebäude zu limitieren. Vielmehr kann das Mieterstrommodell nun auch auf Gebäude und Quartiere mit gewerblichem Bezug angewendet werden. Einschränkungen bestehen hier, soweit verbundene Unternehmen gleichzeitig als Stromlieferant und Stromverbraucher agieren. Zudem wurde die Möglichkeit geschaffen, Mieterstromverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren zu vereinbaren.

Wenn das Mieterstrommodell gewählt wird, ist zudem ein Vermarktungsmodell für die Überschusseinspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung zu wählen, § 21b Abs. 1 S. 3 EEG.

Das Mieterstrommodell kann durch den Anlagenbetreiber in verschiedenen Modellen aufgesetzt werden.

Einerseits kann der Anlagenbetreiber direkt einem Mieterstromvertrag im Sinne des § 42a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit dem Mieter schließen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Anlagenbetreiber in Zeiten nicht ausreichender Stromproduktion durch die PV-Anlage selbst Strom für die Belieferung seines Mieters einkaufen muss. Der Anlagenbetreiber muss die umfassende Versorgung des Letztverbrauchers sicherstellen, sog. Vollversorgung. Für den zugekauften Stromanteil besteht eine Kennzeichnungspflicht hinsichtlich der verwendeten Energieträger (42a Abs. 5, S. 1, 42 Abs. 3a EnWG) und für den Mieterstromanteil besteht eine Kennzeichnungspflicht als EEG geförderter Strom (42a Abs. 5, S. 3 EnWG). Der Reststrombezug ist aufgrund der Netznutzungsentgelte deutlich teurer als rein dezentral erzeugter Strom; dabei schreibt der Gesetzgeber eine Preisobergrenze vor, wonach der Gesamtstrom 90 Prozent des in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grundversorgungstarif nicht überschreiten darf.

Ein weiteres Modell stellt das Lieferkettenmodell dar. Hier wird der Strom aus der PV-Anlage durch den Anlagenbetreiber an einen Dritten verkauft. Der Dritte übernimmt dann die Vollversorgung des Letztverbrauchers im Sinne des § 42a Abs. 2, S. 6 EnWG. Dieses Modell birgt jedoch die Unsicherheit, dass die Stromsteuerbefreiung möglicherweise nicht beansprucht werden könnte und ein weitere Stromliefervertrag (onsite-PPA) ist zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Dritten erforderlich.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Im Mai 2024 wurde mit dem Solarpaket I die sog. gemeinschaftliche Gebäudeversorgung in § 42b EnWG eingeführt. Deren zentrale Neuerung ist, dass der Anlagenbetreiber bei dem Vorliegen der Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Gebäudeversicherung einen Gebäudestromnutzungsvertrag mit den Letztverbrauchern schließen kann. Der Gebäudestromnutzungsvertrag sieht gegenüber einem herkömmlichen Stromliefervertrag hinsichtlich des Vertragsinhalts und der Kennzeichnungspflicht einige Erleichterungen vor gem. § 42b Abs. 4 EnWG. Zudem besteht keine Vollversorgungspflicht des Letztverbrauchers durch den Anlagenbetreiber. Der Letztverbraucher kann vielmehr einen ergänzenden Stromliefervertrag mit einem Versorger seiner Wahl schließen.

Ein Letztverbraucher kann den PV-Strom nutzen, wenn die Nutzung ohne Durchleitung durch ein Netz unmittelbar in demselben Gebäude in, an oder auf dem die Erzeugungsanlage installiert ist erfolgt, die Strommengen viertelstündlich gemessen werden, und der Letztverbraucher einen Gebäudestromnutzungsvertrag abgeschlossen hat.

In dem Gebäudestromnutzungsvertrag wird insbesondere ein rechnerischer Aufteilungsschlüssel für die Nutzung des erzeugten PV-Stroms zwischen den Mietern oder, bei einer Wohnungseigentümergesellschaft den Eigentümern, sowie der Preis des Stroms festgelegt. Bei Vertragsbeginn wird der Letztverbraucher auch darüber informiert, dass der Anlagenbetreiber keine Verpflichtung zur Vollversorgung hat und der Letztverbraucher weiterhin einen Strombezugsvertrag mit dem Lieferanten seiner Wahl schließen kann, § 42b Abs. 3 EnWG.

Im Vergleich zum Mieterstrom-Modell liegt also kein Verkauf an die Mieter mehr vor, sondern der erzeugte Strom wird den Letztverbrauchern anteilig zugerechnet und von ihren regulären Strombezügen über das allgemeine Netz, das auch zur Deckung des Restbedarfs dient, abgezogen.

Verbrauch in der Liegenschaft

Ebenfalls kann der von der PV-Anlage erzeugte Strom auch vor Ort durch den Anlagenbetreiber bzw. den Vermieter im Rahmen eines sog. Eigenversorgungsmodells genutzt werden. Ein solcher Fall ist beispielsweise der sog. Allgemein- oder Hausstrom, also der Strom, der von den Bewohnern in gemeinsam genutzten bzw. allgemein zugänglichen Einrichtungen einer Immobilie verbraucht wird. Hierunter fallen insbesondere die Außenbeleuchtung sowie die Beleuchtung von Treppenhäusern und Tiefgaragen, der Betrieb von Aufzügen, und Tür-sprech- bzw. Klingelanlagen. Zwar ist der Begriff des Allgemein- oder Hausstroms nicht gesetzlich definiert, jedoch wird der Begriff zunehmend zur Beschreibung von Kostenpositionen im Rahmen der Betriebskostenabrechnung nach der Betriebskostenverordnung verwendet.

Darüber hinaus kann der in einer PV-Anlage erzeugte Strom auch für die Wärmeversorgung einer Liegenschaft mittels einer Wärmepumpe genutzt werden. Diese Nutzung als Betriebsstrom gewinnt nicht nur mittelbar zur Erreichung der Klimaschutzziele, sondern auch unmittelbar durch das als "Heizungsgesetz" bekannte Gebäudeenergiegesetz (GEG) an Bedeutung. Denn grundsätzlich müssen neue Heizungsanlagen gem. § 71 Abs. 1 GEG 65 Prozent der bereitgestellten Wärme (65-Prozent-EE-Vorgabe) durch den Einsatz erneuerbarer Energien erzeugen. Bei dem Einbau einer elektrischen oder hybriden Wärmepumpe kann ggf. nach Erfüllung weiterer Anforderungen eine gesetzliche Vermutung der gesetzlichen Zielsetzung greifen.

Sofern der eigene PV-Strom für zentrale Wärmeerzeugung durch eine Wärmepumpe genutzt wird, ist die Gesetzeslage derzeit unklar, ob einer Vergütung des Eigenstromes zum Betrieb einer Wärmepumpe über die Betriebskostenabrechnung möglich ist. Wenn der Gesetzgeber hier Klarheit schafft, könnte für einen Vermieter, der gleichzeitig auch Anlagenbetreiber wäre, ein weiterer wirtschaftlicher Anreiz zu Errichtung einer PV-Anlage geschaffen werden. Gleichwohl wäre zu bedenken, dass hier keine preisbildenden Marktmechanismen mehr greifen würden. Wenn der politische Wille vorhanden ist, erneuerbare Energien zu fördern, liegt einerseits nahe, dass der Vermieter durch die oben beschriebene Eigennutzung über die Betriebskostenabrechnung besser zu stellen wäre, als wenn er die allgemeine Einspeisevergütung erhalten hätte. Aus dem Gedanken des Mieterschutzes dürfte der Vermieter jedoch andererseits keine höheren Kosten über die Betriebskostenabrechnung erhalten als er marktüblich hätte aufbringen müssen. Hier ist auf das Solarpaket II zu hoffen, welches dieses Thema ebenfalls aufgreifen soll, nun aber wie das Solarpaket I in zähen Verhandlungen steckt und unklar ist, ob es überhaupt wie angekündigt kommen wird.

Zukünftige Änderungen

Mit Ausblick auf das – noch nicht terminierte – Solarpaket II soll die Nutzung von Dachflächen für die Installation und den Betrieb von PV-Anlagen noch attraktiver gestaltet werden. So sollen insbesondere bauliche und technische Anforderungen an PV-Anlagen weiter optimiert, d.h. im Sinne der wirtschaftlichen Nutzbarkeit angepasst, werden. Hier steht eine Absenkung der erforderlichen Abstandsvorgaben sowie eine Nutzung von größeren Modulen von über zwei Quadratmetern zur Effizienzsteigerung zur Debatte. Hinzukommend sollen die technischen Anschlussbedingungen (TAB) weiter vereinheitlicht werden, was einen schnelleren und transparenteren Anschluss aufgrund der Entbürokratisierung mit sich ziehen würde.

Zudem steht noch die Umsetzung der EU-Richtlinie Richtlinie 2018/2001/EU aus, die es Bürgerenergiegesellschaften nicht nur erlauben würde gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen zu betreiben, sondern die dort erzeugte Energie im Wege des "energy sharing" auch selbst zu nutzen.

Fazit

Über die letzten Jahre hinweg hat sich die PV-Stromversorgung zu einem Thema von zentraler Bedeutung für alle privaten und öffentlichen Akteure herauskristallisiert. Die vermehrte Nutzung von Dachflächen für Photovoltaik-Anlangen liegt hierbei im Interesse aller Beteiligten, da Vermietern bzw. Anlagenbetreibern eine weitere Möglichkeit zur Kapitalisierung ihrer Immobilien eröffnet wird, während Mieter, sowohl private als auch gewerbliche, von einer unabhängigen und vergünstigten Stromversorgung profitieren können. Der Gesetzgeber hat, zum Beispiel mit der Einführung der Solarpflicht, aber auch mit der Einführung neuer Absatzmodelle und insbesondere die Erweiterung auf Gewerbeimmobilien, bereits wichtige Impulse für die dezentrale Stromversorgung im Gebäudebereich insgesamt gesetzt. Nichtsdestotrotz fehlt es teilweise, so in Bezug auf die Umlagefähigkeit von Allgemein- bzw. Betriebsstrom in der Betriebskostenabrechnung sowie dem "energy sharing", noch an einer verbindlichen Regelung durch den Gesetzgeber. Nach dem Solarpaket I ist vor dem Solarpaket II.

Dr. Malaika Ahlers
Florian Böhm

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Stellungnahme der Finanzverwaltung: Begründet die Homeofficetätigkeit eine Betriebsstätte?

Do, 06.06.2024 - 13:00

Im Anwendungserlass vom 5. Februar 2024 hat sich die Finanzverwaltung erstmals dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer im Homeoffice eine Betriebsstätte begründet – oder eben nicht.

Spätestens mit der Covid-Krise hat sich das so genannte Homeoffice etabliert und ist heute fester Bestandteil vieler Arbeitnehmer. Aus steuerlicher Sicht ist bei einem regelmäßigen Tätigwerden des Arbeitnehmers in dessen privater Wohnung fraglich, ob hierdurch eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet wird. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wären die steuerlichen Folgen beträchtlich: So könnte ein inländischer Arbeitnehmer für ein ausländisches Unternehmen eine beschränkte Steuerpflicht auslösen. Anknüpfend daran folgen umfassende Betriebsstättengewinnermittlungs- sowie Anzeige- und Dokumentationspflichten. Selbst in reinen Inlandsfällen hätte die Annahme einer Betriebsstätte steuerliche Auswirkungen. Unternehmen mit einer Betriebsstätte in Deutschland sind verpflichtet, sich in Deutschland steuerlich zu registrieren und unterliegen der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie regelmäßig der Gewerbesteuer. Darüber hinaus sind sie zum Lohnsteuerabzug für ihre im Inland beschäftigten Mitarbeiter verpflichtet.

Zur Homeoffice-Betriebsstätte äußerte sich bislang der OECD-Musterkommentar, der den Betriebsstättenbegriff weiter auslegt und etwa bei einer Vereinbarung zur dauerhaften Heimarbeit eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet. Der OECD-Musterkommentar ist jedoch für die deutsche Finanzverwaltung und -gerichtsbarkeit nicht bindend und stellt vielmehr eine bloße "Auslegungshilfe" dar. Mit den am 20. Februar 2024 veröffentlichten Anpassungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) bezieht die Finanzverwaltung selbst nun erstmals Stellung (AEAO zu § 12 Nr. 4): Danach begründet die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice im Regelfall keine Betriebsstätte.

Hinter der klaren Positionierung der Finanzverwaltung steht der Gedanke, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt (etwa aufgrund von Eigentum oder Miete). Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt sich entnehmen, dass lediglich bei einer dauerhaften Nutzungsbefugnis des Arbeitgebers eine Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten des Arbeitnehmers und damit eine Betriebsstätte angenommen werden kann.

Die Grundsätze der Finanzverwaltung gelten selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung übernimmt oder der Arbeitgeber als Mieter mit dem Arbeitnehmer als Vermieter einen Mietvertrag über Räume in den Häuslichkeiten des Arbeitnehmers abschließt. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen besteht, sofern der Arbeitgeber befugt ist, die Räumlichkeiten über das Homeoffice seines die Räume bereitstellenden Arbeitnehmers hinaus anderweitig zu nutzen. Eine Betriebsstätte wird auch dann nicht begründet, sofern dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.

Die Aussagen der Finanzverwaltung beziehen sich ausdrücklich auf einfache Arbeitnehmer. Für Arbeitnehmer mit Leitungsfunktion trifft die Finanzverwaltung hingegen keine Aussage. Daher trifft etwa im Inland tätige, leitende Angestellte ausländischer Unternehmen (Inbound-Fall) das Risiko, dass die Finanzverwaltung eine Geschäftsleitungsleitungsbetriebsstätte annimmt (§ 12 S. 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 AO). In diesem Zusammenhang empfehlen wir, den tatsächlichen Ausübungsort zu dokumentieren, an dem die leitenden Angestellten ihrer Arbeit nachgehen. Damit kann nachgewiesen werden, dass das Tagesgeschäft nicht in Deutschland ausgeübt wird. Darüber hinaus könnte die Finanzverwaltung eine reguläre Betriebsstätte gemäß § 12 S. 1 AO annehmen, indem sie eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers bejaht. Insoweit sollte mit entsprechender Vertragsgestaltung ein Recht zum Betreten durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden.

Die klare Positionierung der Finanzverwaltung zur Homeoffice-Betriebsstätte, ist insbesondere für ausländische Unternehmen mit dem Einsatz einfacher Angestellter in Deutschland (Inbound-Fall) begrüßenswert.

Jedoch bleiben die steuerlichen Risiken für inländische Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter aus dem ausländischen Homeoffice heraus tätig werden lassen (Outbound-Fall), überwiegend bestehen. Denn die im ausländischen Homeoffice erbrachten Tätigkeiten sind nach lokalem sowie gegebenenfalls DBA-Recht eigenständig zu beurteilen. Daher kann es zu einem Qualifikationskonflikt kommen, soweit der ausländische Staat den weiteren Betriebsstättenbegriff des OECD-Musterkommentars zugrunde legt, eine Homeoffice-Betriebsstätte bejaht und Deutschland das Vorliegen einer Betriebsstätte ablehnt. Bei Bejahung einer ausländischen Betriebsstätte besteht ein erhöhter Compliance-Aufwand sowie die Gefahr der Doppelbesteuerung: Der ausländische Staat besteuert den Gewinn der Homeoffice-Betriebsstätte, Deutschland sieht mangels Betriebsstätteneigenschaft keine Freistellung vor. Betroffenen Unternehmen empfehlen wir, sich vor Tätigkeitsaufnahme in beiden Staaten über die steuerlichen Folgen des Homeoffice zu informieren.

Darüber hinaus besteht weiterhin Rechtsunsicherheit für leitende Angestellte, eine Geschäftsleitungs- oder, bei entsprechender Verfügungsmacht des Arbeitgebers, eine reguläre Betriebsstätte im Inland zu begründen. Hier wäre eine Aussage der Finanzverwaltung hilfreich gewesen, sodass abzuwarten bleibt, wie sich die Rechtsprechung zu den Kriterien der Verfügungsmacht entwickeln wird.

Markus P. Linnartz
Jakob Gerstung

Regen Regen Regen

Di, 04.06.2024 - 13:00

Mein Wochenende habe ich zum Teil im Keller verbracht, Wasser rauspumpen, vollgesaugte Kartons entsorgen, Gegenstände trocknen… Das Hochwasser ist in einigen Regionen Deutschlands dramatisch. Menschen kämpfen um ihr Leben und ihre Existenz. Unser Keller in München wurde dabei nur im geringen Umfang vom Wasser überflutet. Bei meiner sonntäglichen Kellerarbeit habe ich mir dennoch Gedanken gemacht, was arbeitsrechtlich im Zusammenhang mit Naturkatastrophen zu beachten ist.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Naturkatastrophen und deren Auswirkungen sind in Standard-Arbeitsverträgen (noch) nicht geregelt. Es wird deshalb auf die allgemeinen (gesetzlichen) Regelungen zurückgegriffen. Dieser Blog zeigt ein paar Grundsätze von Naturkatastrophen wie z.B. Hochwasser auf, die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben.

Schutz von Besitz und Eigentum der Arbeitnehmer

Arbeitnehmer, die von einer Naturkatastrophe persönlich betroffen sind, möchten / müssen ihren Besitz und ihr Eigentum schützen. Das ist – wie in meinem Fall – unproblematisch, wenn die Schutz- oder Aufräumarbeiten an einem Sonntag, jedenfalls außerhalb der Arbeitszeit erfolgen können. Wenn Tätigkeiten zum Schutz von Besitz und Eigentum oder Leib und Leben im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und deren Folgen während der Arbeitszeit stattfinden sollen / müssen, stellt sich die Frage, ob eine Freistellungs- und Vergütungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber besteht. 

In § 616 BGB ist die vorübergehende Verhinderung geregelt. Wie bei Arztbesuchen ist ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht nur möglich, wenn der Arztbesuch nicht auch außerhalb der Arbeitszeit stattfinden kann. Bei Naturkatastrophen und deren Folgen bedeutet dieser Grundsatz: Vorbereitende Maßnahmen, beispielsweise das Füllen von Sandsäcken oder die Verlagerung von Gegenständen aus dem Keller in den zweiten Stock bei Ankündigung von stärkeren Regenfällen in den nächsten Tagen und einem möglichen Hochwasser ist nicht ganz so zeitkritisch und kann außerhalb der Arbeitszeit erfolgen. Maßnahmen zur Bekämpfung eines Hochwassers, wenn beispielsweise der Damm gebrochen ist, zum Schutz von Besitz und Eigentum kann häufig nicht warten. Dann wäre eine Freistellung von der Arbeitspflicht zulässig. 
Es gilt der Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“. Dies bedeutet, dass ein Vergütungsanspruch nur dann besteht, wenn auch die Arbeitsleistung erbracht wird. § 616 BGB ist bei vorübergehender Verhinderung eine Ausnahme und der Vergütungsanspruch bleibt bestehen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit – Bei Naturkatastrophen und deren Folgen ist das allenfalls wenige Tage.
  • Aufgrund eines persönlichen Grundes – Naturkatastrophen betreffen nicht nur eine einzelne Person, sondern viele Personen oder ganze Regionen. Ein persönlicher Grund liegt deshalb beispielsweise nicht vor, wenn die allgemeine Infrastruktur betroffen ist, Züge nicht mehr fahren, Autobahnen gesperrt sind, etc. Es wird jedoch angenommen, dass die Folgen einer Naturkatastrophe am Besitz und Eigentum des Arbeitnehmers einen persönlichen Grund darstellen.
  • Verhinderung ohne Verschulden – Bei Naturkatastrophen trifft den Arbeitnehmer regelmäßig kein Verschulden.

Damit besteht in Eilfällen und für einen kurzen Zeitraum bei Naturkatastrophen und deren Folgen eine vorübergehende Verhinderung und damit ein Freistellungs- und Vergütungsanspruch.

Freiwillige Mitarbeiter in einer Organisation

Bei Katastrophen (wie Hochwasser, Schneemassen, Sturm, Erdbeben, etc.) sind zahlreiche Organisationen zum Katastrophenschutz im Einsatz. Beispielsweise das THW, das Deutsche Rote Kreuz, das DLRG oder die Freiwillige Feuerwehr. In diesen Organisationen sind einerseits Arbeitnehmer, im großen Umfang andererseits aber auch freiwillige Helfer / Mitarbeiter tätig. Bei diesen freiwilligen oder ehrenamtlichen Helfern handelt es sich nicht um Arbeitnehmer der jeweiligen Organisationen. Der Einsatz und die Folgen dieser freiwilligen / ehrenamtlichen Helfer sind üblicherweise in Ländergesetzen geregelt. Grundsätzlich gilt, dass im Falle von Katastrophen ein Freistellungsanspruch der ehrenamtlichen / freiwilligen Helfer gegenüber ihrem Hauptarbeitgeber für die Dauer des Einsatzes besteht. Dieser Freistellungsanspruch ergibt sich aus den Feuerwehrgesetzen für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, für Personen beim THW nach dem THW-Helferrechtsgesetz und für sonstige Organisationen nach Katastrophenschutzgesetzen. In der Regel folgt aus diesen Gesetzen auch ein Vergütungsanspruch gegen den Hauptarbeitgeber. Der Hauptarbeitgeber kann sich die Vergütungsansprüche bei der Organisation üblicherweise erstatten lassen.

Das Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer

Arbeitnehmer tragen das sog. „Wegerisiko“. Arbeitnehmer haben dafür zu sorgen, dass sie rechtzeitig zu Arbeitsbeginn am Arbeitsort eintreffen und zur Arbeitsleistung zur Verfügung stehen. Der Arbeitgeber ist nicht verantwortlich für das Wetter, Staus oder Einschränkungen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Arbeitnehmer müssen mögliche und zumutbare Vorkehrungen treffen, um eine Verspätung am Arbeitsplatz zu vermeiden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es absehbar ist, dass es zu Behinderungen und / oder Verzögerungen auf dem Arbeitsweg kommen kann. Bei einem plötzlich auftretenden Stau wegen eines Unfalls oder bei einem unerwarteten Schaden am Zug kann keine oder kaum Vorsorge des einzelnen Arbeitnehmers getroffen werden. Streiks bei Bus und Bahn sowie den Arbeitsweg beeinträchtigendes Wetter, wie Schneefälle, Eisglätte oder Hochwasser ist oft mehrere Tage, jedenfalls am Vortag bekannt. Auch beim jetzigen Hochwasser wurde Tage vorher von erheblichen Einschränkungen berichtet. Arbeitnehmern ist in diesem Zusammenhang zuzumuten – und dazu sind sie auch rechtlich verpflichtet – morgens früher loszufahren, um die wahrscheinlichen Behinderungen im Straßenverkehr zeitlich auszugleichen. Zumutbar ist sicher auch der Umstieg von den öffentlichen Verkehrsmitteln auf das Auto und umgekehrt.

Passen Sie auf sich auf.

Mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen aus München 
Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

Реформа российского законодательства о банкротстве

Di, 04.06.2024 - 13:00

29 мая 2024 года вступили в законную силу следующие ключевые изменения в Федеральный закон "О несостоятельности (банкротстве)" (далее – "Закон о банкротстве") и в Арбитражный процессуальный кодекс Российской Федерации (далее – "АПК РФ"):

Увеличен порог для возбуждения банкротства

Ранее минимальный размер денежных требований кредитора, необходимый для инициирования процедуры банкротства в отношении должника - юридического лица, составлял 300 тысяч рублей.

В новой редакции Закона о банкротстве повышено минимальное пороговое значение до 2 миллионов рублей.

Письменное судопроизводство вместо устного слушания по отдельным вопросам

Новая редакция Закона о банкротстве отменяет обязанность суда по проведению судебного разбирательства с вызовом сторон при рассмотрении:

  • заявлений кредиторов о включении требований в реестр;
  • ходатайств о продлении процедуры внешнего управления и конкурсного производства;
  • ходатайств об истребовании документации и ценностей должника;
  • заявлений о распределении судебных расходов и расходов на выплату вознаграждения арбитражным управляющим.

Указанные вопросы разрешаются судьей единолично без проведения судебного заседания. В исключительных случаях арбитражный суд по собственной инициативе или по ходатайству стороны, может назначить судебное заседание с вызовом сторон.

Порядок оспаривания решения, на котором основано требование кредитора к должнику

Если требование конкурсного кредитора, заявленное ко включению в реестр, основано на вступившем в силу решении суда или определении о принудительном исполнении решения третейского суда, то арбитражный управляющий или иные кредиторы вправе обратиться в арбитражный суд с требованием об отмене данного судебного акта по правилам пересмотра по вновь открывшимся обстоятельствам.

Ранее в п. 24 Постановления Пленума ВАС РФ от 22 июня 2012 г. № 35 "О некоторых процессуальных вопросах, связанных с рассмотрением дел о банкротстве", п. 17 Обзора судебной практики Верховного Суда РФ № 2 (2018), утвержденного 4 июля 2018 года, было установлено схожее право лиц, участвующих в деле о банкротстве. Однако был предусмотрен механизм подачи апелляционной жалобы, а не заявления о пересмотре по вновь открывшимся обстоятельствам.

Порядок и сроки обжалования определений

Ранее Законом о банкротстве и АПК РФ были установлены различные сроки для обжалования отдельных видов определений арбитражного суда в процедуре банкротства: 10 дней, 14 дней, 1 месяц.

Действующей редакцией Закона о банкротстве устанавливается единый месячный срок для обжалования определений в суд апелляционной инстанции.

Также установлена возможность кассационного обжалования постановлений арбитражных судов апелляционной инстанции в месячный срок со дня их вступления в законную силу. Исключение составляют следующие постановления судов апелляционной инстанции, которые являются окончательными и не подлежат обжалованию в кассационном порядке:

  • о назначении экспертизы или об отказе в ее назначении;
  • об обязании внести на депозитный счет суда денежные средства в размере, достаточном для погашения расходов по делу о банкротстве;
  • о перечислении денежных средств с депозитного счета суда.

С уважением,

Александр Безбородов
Наталья Богданова
Артем Николаев

В России вводится механизм лишения США, их граждан и юридических лиц прав на имущество

Mo, 03.06.2024 - 13:00

23 мая 2024 года вступил в силу Указ Президента РФ № 4421 ;("Указ"), которым устанавливается концепция лишения США и связанных с ними лиц, то есть американских граждан и юридических лиц прав на имущество в России.

На основании Указа США и американские лица не могут быть лишены имущества, Указ задает лишь вектор и основные черты будущего нормативного регулирования, разработкой которого займется Правительство РФ. На это Правительству предоставлено 4 месяца.

Рассмотрим ключевые элементы концепции лишения имущества, предложенной Президентом РФ, подробнее.

Суть концепции

Первый элемент концепции – это так называемый "ущерб". В Указе дано определение данного термина: под ним предлагается понимать "ущерб", причиненный (1) Российской Федерации или (2) Центральному Банку Российской Федерации в связи с решениями государственных или судебных органов США (по какой-то причине судебные органы выделены отдельно от государственных. – прим.). Из буквального толкования п. 1 Указа можно сделать вывод, что решения указанных американских органов должны приводить к "необоснованному лишению российских правообладателей (то есть России и ЦБ РФ – прим.) прав на имущество".

Следует обратить внимание на использованный термин "ущерб". Согласно п. 2 ст. 15 Гражданского код��кса Российской Федерации ("ГК РФ") (реальный) ущерб представляет собой один из элементов убытков, наряду с упущенной выгодой. Под ущербом в п. 2 ст. 15 ГК РФ понимаются расходы, которые лицо, чье право нарушено, произвело или должно будет произвести для восстановления нарушенного права, утрата или повреждение его имущества.

Таким образом, можно предположить, что внедряемая концепция на упущенную выгоду от так называемого "необоснованного" лишения России и ЦБ РФ имущества распространяться не будет.

Судебная стадия

Указом предполагается, что Россия или ЦБ РФ, в соответствии с правилами подсудности, которые установлены российским
законодательством, будут вправе обратиться с заявлением в суд:

  • об установлении "факта необоснованного лишения" их прав на имущество, а также
  • о компенсации ущерба.

Расчет ущерба истцу необходимо будет предоставить в заявлении в суд.

Приняв к рассмотрению такое заявление суд, как предполагается в Указе, должен оценить представленные истцом сведения и сделать "обоснованное предположение об отсутствии достаточных оснований" для лишения истца прав на имущество. То есть, суду будет достаточно сделать лишь "предположение" о том, что достаточных оснований, для лишения России или ЦБ РФ имущества у государственных (и судебных) органов США не было.

Сделав указанное "предположение" суд направляет в российскую Правительственную комиссию по контролю за осуществлением иностранных инвестиций ("Правительственная комиссия") запрос об имуществе США и связанных лиц, которое может быть использовано для так называемой "компенсации ущерба".

Получив ответ, суд либо принимает решение об установлении факта необоснованного лишения России или ЦБ РФ прав на имущество и о компенсации ущерба, либо об отказе в удовлетворении заявления.

Американское имущество

В ответ на запрос суда Правительственная комиссия должна будетпредоставить список американского имущества, в который по субъектному составу может быть включено следующее:

  • собственно имущество США;
  • имущество лиц, связанных с США.

Категория "лиц, связанных с США" достаточно широкая. Сюда включены:

  • юридические лица с местом регистрации в США;
  • граждане США;
  • резиденты США;
  • лица, зарегистрированные в США;
  • лица, чье место преимущественного ведения хозяйственной деятельности или место преимущественного извлечения прибыли от деятельности является США.

Также в Указе приведены категории имущества, которые включают следующее:

  • движимое и недвижимое имущество, находящееся в России;
  • ценные бумаги, доли в уставных (складочных) капиталах российских юридических лиц;
  • имущественные права.

Правовые последствия судебного решения В случае удовлетворения требований истца, правовым последствием принятого судом решения будет прекращение прав на имущество США или связанных с ними лиц. Затем права на данное имущество будут переданы России или соответственно ЦБ РФ.

ADVANT Beiten оказывает комплексную юридическую поддержку по защите прав и законных интересов иностранных инвесторов в Российской Федерации, в том числе, в судебном и административном порядке.

С уважением,
Александр Безбородов
Илья Титов

1 Указ Президента РФ от 23.05.2024 №442 "О специальном порядке компенсации ущерба, причиненного Российской Федерации и Центральному банку Российской Федерации в связи с недружественными действиями Соединенных Штатов Америки".

Schweigsame Hinweisgeber? Auswirkungen des Hinweisgeberschutzgesetzes auf Vertraulichkeitsvereinbarungen

Fr, 31.05.2024 - 13:00

Neben den viel beachteten Pflichten, insbesondere zur Einrichtung von Meldekanälen, finden sich im neuen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vor allem Rechte für die hinweisgebenden Personen (sog. Whistleblower). Sie haben nämlich nunmehr das ausdrückliche Recht, gewisse Rechtsverstöße zu melden. Dabei sollen sie sich zunächst an die internen Meldestellen halten (§ 7 Abs. 1 HinSchG), können sich aber auch direkt an externe Meldestellen wenden, die bei bestimmten Behörden eingerichtet wurden. Gemeldet werden dürfen insbesondere Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind, wobei die bußgeldbewehrten Verstöße wiederum dahingehend eingeschränkt werden, dass nur solche betroffen sind, die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Hinzu kommt ein langer Katalog an Verstößen gegen allerlei Spezialgesetze, die in § 2 HinSchG aufgeführt sind.

Dieses Recht, entsprechende Verstöße zu melden, wird unter anderem durch § 39 HinSchG abgesichert. Die Norm regelt: „Vereinbarungen, die die nach diesem Gesetz bestehenden Rechte hinweisgebender Personen oder sonst nach diesem Gesetz geschützter Personen einschränken, sind unwirksam.“

Vereinbarungen, die geeignet sind, das Melden von Verstößen zu verbieten, sind typischerweise Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitsvereinbarungen, auch als Non-Disclosure-Agreements (NDA) bekannt. Sie werden häufig in Arbeitsverträgen, tariflichen oder auch betrieblichen Vereinbarungen zu finden sein. Sie sind aber auch oft in Verträgen mit anderen Unternehmen oder Personen enthalten, die nicht im Arbeitsverhältnis mit demjenigen stehen, dem die Verschwiegenheit zugutekommen soll. Das HinSchG schützt aber nicht nur die Beschäftigten eines Unternehmens, sondern auch diejenigen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangen können (vgl. § 1 Abs. 1 HinSchG). Der Schutzbereich ist also sehr weit gefasst, so dass zunächst alle Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsvereinbarungen betroffen sein dürften.

Derartige Vereinbarungen gebieten typischerweise, während oder im Vorfeld eines Vertragsverhältnisses erlangte Informationen nur für die vorgesehenen Zwecke zu verwenden, oder untersagen es generell, diese Informationen mit Dritten zu teilen. Es kommt dabei natürlich auf die genaue Gestaltung der Vereinbarung an. Wenn diese etwa Meldungen an interne Stellen nach ihrer Formulierung zulässt, ist das Recht der internen Meldung eines Verstoßes nicht betroffen; externe Meldungen dürften aber jedenfalls betroffen sein. Die allgemeine Beschränkung der Weitergabe von Informationen, also auch intern, beschneidet daher zwangsläufig das Recht aus dem HinSchG, während des Vertragsverhältnisses wahrgenommene Verstöße zu melden. Wenn eine solche Vereinbarung nämlich pauschal verbietet, sich gegenüber anderen über interne Sachverhalte zu äußern, so bleibt von dem Recht, Hinweise über Rechtsverstöße zu geben, nichts mehr übrig.

Zwar stellt § 6 Abs. 2 HinSchG klar, dass Informationen, die einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, unter den Voraussetzungen des HinSchG trotzdem an die zuständige Stelle weitergegeben oder offengelegt werden dürfen. Darüber hinaus kann aber § 39 HinSchG auch die ganze Vertraulichkeitsvereinbarung beseitigen.

Vertraulichkeitsvereinbarungen, welche die Rechte aus dem neuen HinSchG nämlich nicht berücksichtigen, sind gemäß § 39 HinSchG unwirksam und damit nichtig (§ 134 BGB). Dabei wird in den meisten Fällen auch kein Raum für Umdeutungen oder erweiterte Vertragsauslegungen bleiben, um einen Restgehalt der Vereinbarung zu retten. Denn Vertraulichkeitsvereinbarungen sind regelmäßig für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert (§ 305 Abs. 1 BGB). Daher unterliegen sie der AGB-Kontrolle, womit eine geltungserhaltende Reduktion der Vertraulichkeitsvereinbarungen ausscheidet (§ 306 Abs. 2 BGB). Sie können also nicht einfach mit der Maßgabe weiterbestehen, dass der zur Verschwiegenheit Verpflichtete alles, was nach dem HinSchG erlaubt ist, weitersagen darf, über alles andere aber Stillschweigen bewahren muss. Es besteht vielmehr aufgrund des neuen HinSchG das Risiko, dass Vertraulichkeitsvereinbarungen, die den Schutz der hinweisgebenden Person nicht berücksichtigen, insgesamt nichtig sind. Dies hat wiederum zur Folge, dass derjenige, der im Rahmen einer solchen Vereinbarung versprochen hat, Verschwiegenheit zu bewahren, an diese nicht mehr gebunden ist und theoretisch Informationen frei preisgeben kann, sofern dies nicht von anderen Normen (etwa § 4 Geschäftsgeheimnisgesetz oder § 201 StGB) untersagt ist.

Auswirkungen auf bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes abgeschlossene Verträge scheinen nicht gegeben zu sein. Da eine Rückwirkung im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet ist, kann schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rückwirkung auf ältere Verträge durch den Gesetzgeber gewollt ist, womit diese nicht betroffen sein dürften. Für zukünftige Vertraulichkeitsvereinbarungen, bzw. Templates oder Muster, auf denen diese basieren, sollte jedoch geprüft werden, ob sie die Rechte aus dem HinSchG ausreichend berücksichtigen, d.h. die Anforderungen des § 6 HinSchG widerspiegeln. Wir gehen derzeit davon aus, dass diese durch geringfügige Anpassungen der Drohkulisse des § 39 HinSchG und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der gesamten Vertraulichkeitsvereinbarung entkommen können.

Fabian Eckstein

Споры о банкротстве: обзор практикиВерховного Суда за 2023 год

Mi, 29.05.2024 - 13:00

15 мая 2024 года Верховный Суд РФ утвердил Обзор судебной практики разрешения споров о банкротстве за 2023 г. (далее –
"Обзор") 1.

Обзор включает в себя позиции о привлечении контролирующих должника лиц к субсидиарной ответственности, разъяснения, касающиеся оспаривания сделок должника и иных вопросов, возникающих при применении положений Федерального закона от 26 октября 2002 г. №127-ФЗ "О несостоятельности (банкротстве)" (далее – "Закон о банкротстве").

Обращаем Ваше внимание на следующие разъяснения.

Субсидиарная ответственность
Если компания уже исключена из Единого государственного реестра юридических лиц, то при рассмотрении заявления кредитора о привлечении контролирующих лиц к субсидиарной ответственности суд обязан оценить возможность кредитора получить сведения о хозяйственной деятельности должника (п. 8 Обзора).

Ситуация: должник ликвидирован, о чем внесена соответствующая запись в ЕГРЮЛ. После этого кредитор обращается в суд с заявлением о привлечении контролирующих должника лиц к субсидиарной ответственности. Нижестоящие суды отказали кредитору в удовлетворении заявления, поскольку кредитор не предоставил доказательств, обосновывающих наличие оснований для субсидиарной ответственности.

Позиция Верховного Суда РФ: нижестоящим судам следовало занять более активную позицию и рассмотреть вопрос о возложении бремени доказывания на ответчика вместо истца ввиду следующего:
- у кредитора имеется объективная невозможность представить документы о хозяйственной деятельности должника;
- ответчик не предоставил отзыв на заявление о привлечении к субсидиарной ответственности;
- ответчик не раскрыл доказательства, отражающие реальное положение дел и оборот в подконтрольном ему обществе.

Таким образом, исключение компании из ЕГРЮЛ само по себе не препятствует кредиторам привлекать контролирующих лиц компаниибанкрота к субсидиарной ответственности. Более того, суд вправе возложить бремя доказывания добросовестного поведения на самих ответчиков, поскольку после ликвидации компании у кредиторов нет возможности истребовать документы о деятельности компании у конкурсного управляющего.

Контролирующее должника лицо, действия которого привели к банкротству компании, может быть привлечено к субсидиарной ответственности при совокупности фактов: (1) привлечение должника к налоговой ответственности в результате действий ответчика и (2) доначисление сумм налога на сумму более 50% размера требований кредиторов третьей очереди (п. 7 Обзора).

Ситуация: конкурсный управляющий обратился с заявлением о привлечении к субсидиарной ответственности бывшего директора должника и бывшего ликвидатора. Управляющий ссылался на то, что из-за действий директора должник был привлечен к ответственности за совершение налогового правонарушения. Нижестоящие суды пришли к выводу о наличии оснований для привлечения бывшего директора к субсидиарной ответственности.

Позиция Верховного Суда РФ: для привлечения ответчика к субсидиарной ответственности необходимо доказать наличие именно совокупности двух обстоятельств:
- привлечение к налоговой ответственности за неуплату или неполную уплату сумм налога в результате занижения налоговой базы или иных неправомерных действий;
- доначисленные суммы налогов составили более 50% совокупного размера основной задолженности перед реестровыми кредиторами третьей очереди.

Таким образом, Верховный Суд РФ обратил внимание на количественный критерий, поскольку небольшой размер задолженности по налогам, по общему правилу, не является основанием для субсидиарной ответственности. Указанная позиция ранее была изложена в Постановлении Пленума Верховного Суда РФ от 21 декабря 2017 г. № 53 "О некоторых вопросах, связанных с привлечением контролирующих должника лиц к ответственности при банкротстве" (п. 26), но не была учтена нижестоящими судами.

Оспаривание сделок должника
Действия по сальдированию договорной неустойки, начисленной заказчиком за просрочку выполнения работ подрядчиком, к стоимости выполненных подрядчиком работ не могут быть квалифицированы в качестве недействительной сделки, направленной на оказание предпочтения заказчику перед иными кредиторами подрядчика (п. 4 Обзора).

Ситуация: заказчик сальдировал свои требования к подрядчику (банкроту), а именно требование о компенсации неустойки за просрочку выполнения работ против встречного требования подрядчика к заказчику о выплате стоимости выполненных работ.

Конкурсный управляющий подрядчика обратился с заявлением об оспаривании сделки, поскольку квалифицировал действия заказчика в качестве зачета, который влечет оказание предпочтения заказчику перед остальными кредиторами подрядчика.

Суды поддержали требование управляющего, указав, что до зачета права требования подрядчика к заказчику были переданы в залог банку. В результате зачета были нарушены права залогового кредитора, а заказчик получил предпочтительное удовлетворение своих требований.

Позиция Верховного Суда РФ: сальдирование неустойки в качестве механизма компенсации потерь заказчика (кредитора), вызванных ненадлежащим исполнением подрядчиком (должником) основного обязательства, не является основанием для признания сальдирования в качестве недействительной сделки с предпочтением.

Если сумма договорной неустойки, подлежащей учету при сальдировании, явно несоразмерна последствиям допущенного нарушения основного обязательства, то права и законные интересы банкрота и его кредиторов подлежат защите посредством применения ст. 333 ГК РФ о снижении неустойки.

При сальдировании недопустимо нарушение ст. 319 ГК РФ, т.е. действия заказчика по установлению сальдо не могут быть направлены на погашение требования заказчика по неустойке до погашения его же требования о возмещении должником реального ущерба. Сказанное подлежит проверке судом при рассмотрении вопроса о включении требований заказчика в реестр требований кредиторов подрядчика.

Таким образом, Верховный Суд РФ вновь поддержал допустимость сальдирования встречных однородных требований сторон из одного договора, указав, что такие действия не являются сделкой с предпочтением перед другими кредиторами.

Александр Безбородов
Наталья Богданова
Артём Николаев

1 https://vsrf.ru/documents/thematics/33548/

Zur Verletzung des Teilnahmerechts von Aktionären

Mo, 27.05.2024 - 13:00

OLG Schleswig, Urteil vom 07.02.2024 – 9 U 41/23

Das Recht der Aktionäre auf Teilnahme an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft stellt ein grundlegendes Mitgliedschaftsrecht dar und ist grundsätzlich unbeschränkbar. Eine Einschränkung ist nur zulässig, soweit diese erforderlich ist, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung sicherzustellen.

Hintergrund

Aktionäre müssen ihr Teilnahmerecht nicht persönlich wahrnehmen, sondern können sich auf der Hauptversammlung auch vertreten lassen. Das OLG Schleswig hatte sich in seiner Entscheidung mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen dem Vertreter eines Aktionärs die Teilnahme an der Hauptversammlung verweigert werden kann. Insbesondere hatte es darüber zu entscheiden, ob die Teilnahme des Vertreters von der Vorlage einer Vollmacht abhängig gemacht werden darf.

Sachverhalt

In dem vom OLG Schleswig entschiedenen Fall stritten die Beklagte, eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, und die Klägerin, die Aktionärin der Beklagten im Umfang von 10 % des Grundkapitals ist, um die Wirksamkeit verschiedener Hauptversammlungsbeschlüsse, die in Abwesenheit eines Vertreters der Klägerin gefasst wurden.

Die Beklagte hatte zu dieser Hauptversammlung unter Beifügung der Tagesordnung eingeladen. Am Tag der Hauptversammlung erschien Rechtsanwalt B, der als Vertreter der Klägerin an der Hauptversammlung teilnehmen wollte, kurz vor Beginn der Versammlung an der Eingangstür zu den Geschäftsräumen der Beklagten, in denen die Hauptversammlung stattfinden sollte.

Besondere Voraussetzungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung sah die Satzung der Beklagten nicht vor, insbesondere wurde darin kein schriftlicher Nachweis der Bevollmächtigung gefordert wird. Vielmehr stellte die Satzung lediglich Anforderungen an die Personen, die Vertreter von Aktionären sein können. Hiernach kamen insbesondere Rechtsanwälte in Betracht. Ob Rechtsanwalt B eine schriftliche Vollmacht bei sich hatte, war zwischen den Parteien streitig.

Das Vorstandsmitglied P der Beklagten verweigerte B den Zutritt zu den Geschäftsräumen. An der Hauptversammlung nahm sodann entsprechend weder die Klägerin selbst noch ein Vertreter für sie teil.

Rechtsanwalt B hatte die Klägerin indes schon in der vorangegangenen Hauptversammlung vertreten. Die beklagte Aktiengesellschaft behauptete in diesem Zusammenhang, Rechtsanwalt B habe sich bei dieser Hauptversammlung „ungebührlich verhalten“, insbesondere habe er mehrfach zu schreien begonnen und sich auch nicht durch den Versammlungsleiter beruhigen lassen.

Das Landgericht gab der Anfechtungsklage statt und erklärte die angefochtenen Beschlüsse für nichtig. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

Entscheidung des OLG Schleswig

Das OLG Schleswig hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Zur Begründung führte es aus, dass das Teilnahmerecht der Klägerin verletzt worden sei, indem ihr Vertreter zu der Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen worden sei.

Die Satzung der Beklagten mache die Teilnahme an der Hauptversammlung weder von einer Anmeldung abhängig noch bestimme sie, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Versammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen sei. In der Satzung heiße es lediglich, dass zur Teilnahme und Abstimmung alle am Tag der Hauptversammlung im Aktienbuch eingetragenen Aktionäre der Gesellschaft oder deren bevollmächtigte Vertreter berechtigt seien. Rechtsanwalt B sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht seine Berechtigung zur Teilnahme an der Versammlung nachzuweisen. Zweifel an seiner Identität als anwaltlicher Bevollmächtigter der Klägerin hätten nicht bestanden, zumal das Vorstandsmitglied P Rechtsanwalt B aus der vorangegangenen Hauptversammlung als Vertreter der Klägerin gekannt habe. Es sei daher unerheblich, ob B eine schriftliche Vollmacht dabeihatte oder nicht. Das Teilnahmerecht sei der Regelfall des § 118 Abs. 1 AktG und bestehe ohne Rücksicht auf das Stimmrecht. Lediglich für die Stimmrechtsausübung hätte B gemäß § 134 Abs. 3 S. 1 u. 3 AktG eine Vollmacht in Textform benötigt.

Das OLG führte weiter aus, dass auch sonst kein Grund vorgelegen habe, der die Zutrittsverweigerung hätte rechtfertigen können. Sofern die Beklagte hierfür das von ihr behauptete „ungebührliche Verhalten“ des Rechtsanwalts B in der vorangegangenen Hauptversammlung anführe, stelle das geschilderte rein verbale Verhalten („schreien“), sofern es zutreffen sollte, keinen ausreichenden Grund dar, um das grundlegende Mitgliedschaftsrecht eines Aktionärs auf Teilnahme und Abstimmung in der Hauptversammlung zu beschränken. Zum einen habe von dem vorangegangenen Verhalten nicht zwingend auf eine Wiederholung in der anstehenden Hauptversammlung geschlossen werden können. Zum anderen sei eine Hauptversammlung keine „Wohlfühlveranstaltung“, es könne auch mal „laut werden“, sofern die Grenzen des Strafrechts nicht überschritten würden.

Die Verletzung des Teilnahmerechts der Klägerin als Aktionärin begründe einen selbstständigen und stets relevanten Anfechtungsgrund im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG. Das Landgericht habe daher zu Recht der Anfechtungsklage stattgegeben und die angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig erklärt.

Anmerkungen und Praxistipp

Die Entscheidung des OLG Schleswig verdeutlicht, dass das Recht von Aktionären, an der Hauptversammlung teilzunehmen oder sich auf dieser vertreten zu lassen, nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden kann. Die Teilnahme kann nur dann von einer vorherigen Anmeldung oder einem besonderen Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme abhängig gemacht werden, wenn die Satzung entsprechende Regelungen enthält. Das gilt auch hinsichtlich der Teilnahme von Vertretern von Aktionären.

Störungen von Aktionären oder Aktionärsvertretern können einen Ausschluss von der Teilnahme nur dann rechtfertigen, soweit dieser zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ablaufs der Hauptversammlung erforderlich ist. Dass ein Aktionär oder sein Vertreter in der Hauptversammlung in der Vergangenheit laut wurde, genügt für eine Zutrittsverweigerung – wie das OLG zutreffend festgestellt hat – regelmäßig noch nicht. Denn der Versammlungsleiter hat im Falle einer tatsächlichen Störung der Hauptversammlung zunächst mildere Mittel zu ergreifen. Hierzu gehört insbesondere der Entzug des Rederechts nach vorheriger Androhung. Erst wenn der Wortentzug fruchtlos bleibt, kann der Versammlungsleiter sich des äußersten Mittels bedienen und den Störer von der weiteren Teilnahme ausschließen. Auch die Ausschließung ist zunächst anzudrohen.

Die unberechtigte Nichtzulassung eines Aktionärs führt zur Anfechtbarkeit sämtlicher Beschlüsse, die auf der Hauptversammlung gefasst werden. Um die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse nicht zu gefährden, sollte von dem Mittel des Ausschlusses von Aktionären während der Versammlung nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Versammlungsleiter müssen gegen Störer abgestuft vorgehen und diesen insbesondere zunächst das Rederecht entziehen. Ein Ausschluss kommt erst dann in Betracht, wenn keine der vorherigen Maßnahmen ausgereicht hat, um den ordnungsgemäßen Fortgang der Hauptversammlung zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund dürfte es (mit Ausnahme von aufgrund in der Satzung festgelegten Formalkriterien, etwa zum Nachweis der Bevollmächtigung bei Vertretung eines Aktionärs) schließlich nur in besonders gelagerten Extremfällen zulässig sein, Aktionären oder deren Vertretern den Zutritt zur Versammlung bereits von vornherein zu verweigern.

Dr. Moritz Jenne
Simon Schuler

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Bei Doppeltätigkeit muss der Makler umfassend informieren

Mo, 27.05.2024 - 13:00

BGH, Urteil vom 21.03.2024 – I ZR 185/22

Umfassende Informationspflichten für Makler – wenn beim Verkauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses an einen Verbraucher der Makler für beide Kaufvertragsparteien tätig wird.

Der Fall

Der klagende Makler verlangt vom beklagten Käufer einer Doppelhaushälfte die Zahlung des Maklerlohns. Der Kläger war als Makler sowohl für den Beklagten als auch für den Verkäufer tätig geworden. Nachdem der zwischen Verkäufer und Beklagtem vermittelte Kaufvertrag zu Stande gekommen war, verlangte der Kläger vom Beklagten die Zahlung der vereinbarten Provision. Der Beklagte verweigerte die Zahlung und forderte den Kläger zur Vorlage des mit dem Verkäufer geschlossenen Maklervertrages auf. Der Kläger versicherte, mit dem Verkäufer sei eine Provision in gleicher Höhe vereinbart worden, lehnte aber die Vorlage des entsprechenden Vertrages ab. Das erstinstanzlich befasste LG München I wies die Klage des Maklers als derzeit unbegründet ab. Auf die Berufung des Klägers hin verurteilte das OLG München den Beklagten zur Zahlung des Maklerlohns.

Die Folgen

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der BGH war der Auffassung, der Kläger sei verpflichtet, den mit dem Verkäufer geschlossenen Maklervertrag vorzulegen. Im Anwendungsbereich des § 656 c BGB habe der Makler nur dann einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung, wenn Käufer und Verkäufer in gleicher Höhe verpflichtet seien. Um dies zu prüfen, habe der Beklagte zunächst einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) bezüglich der Höhe des Provisionsanspruches. Ohne einen solchen Anspruch könne der verbraucherschützende Zweck des § 656 c BGB nicht effektiv gewährleistet werden. Darüber hinaus habe der Beklagte einen Anspruch auf Vorlage des mit dem Verkäufer geschlossenen Maklervertrages aus § 810 BGB. Aufgrund des in § 656 c BGB niedergelegten Halbteilungsgrundsatzes könne der Beklagte seine Zahlungsverpflichtung erst nach Vorlage des mit dem Verkäufer geschlossenen Maklervertrages prüfen. Diesen Anspruch auf Vorlage des Vertrages könne der Beklagte dem Zahlungsanspruch einredeweise entgegenhalten.

Was ist zu tun?

Ist der Makler beim Verkauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses an einen Verbraucher sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer tätig, so hat er umfassende Informationspflichten. Er muss dem Käufer zunächst Auskunft über die Umstände erteilen, die für das Entstehen und den Fortbestand der Verpflichtung des Käufers zur Zahlung der Provision relevant sind. Darüber hinaus muss er dem Käufer aber auch den mit dem Verkäufer geschlossenen Maklervertrag vorlegen, damit der Käufer prüfen kann, ob der Verkäufer in gleicher Höhe zur Zahlung verpflichtet ist. Solange der Makler den Kaufvertrag nicht vorlegt, steht dem Käufer eine Einrede zu.

Jakob Bodensteiner

Der Text ist erstmals in der Immobilien Zeitung erschienen.