Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung bei der Bilanzierung von Anzahlungen
Wann Anzahlungen vorliegen und wie diese zu buchen sind, wirft immer wieder Fragen auf. Auch die Verwendung unterschiedlicher Begriffe wie Anzahlung, Vorauszahlung, Abschlagszahlung, Vorleistung verwirren, statt dass diese den Sachverhalt erhellen. Ausgehend von den gesetzlichen Regelungen sowie der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes soll sich vorliegend einer Lösung / Aufklärung angenähert werden.
Die Unterscheidung, ob eine Anzahlung vorliegt oder nicht, bestimmt maßgeblich die Buchung auf der Passivseite als Verbindlichkeit (Anzahlung) im Gegensatz zu einer Buchung auf der Aktivseite als Forderung (Forderung aus Lieferung und Leistung) bzw. einer Buchung auf dem Ertragskonto (Erlös).
Zunächst ist festzuhalten, dass Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind, § 252 Abs.1 Nr. 4 HGB, § 5 Abs. 1 S.1 EStG.
Der Bundesfinanzhof führt hierzu aus:
„Nach dem (imparitätischen) Realisationsprinzip, das einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung i.S. des § 5 Abs. 1 EStG darstellt, darf ein Gewinn grundsätzlich erst ausgewiesen werden, wenn er durch Umsatz (Veräußerung oder sonstigen Leistungsaustausch) verwirklicht ist; Vermögensmehrungen dürfen nur erfasst werden, wenn sie disponibel sind. Gewinnrealisierung tritt dann ein, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen in der Weise erbracht hat, dass ihm die Forderung auf die Gegenleistung (z. B. die Zahlung) – von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen – so gut wie sicher ist (BFH-Urteil vom 23. März 2011 X R 42/08, BFHE 233, 398, Deutsches Steuerrecht - DstR - 2011, 1603, mit weiteren Nachweisen).“
– BFH vom 31.08.2011, Az: X R 19/10, Rn. 16
Dies bedeutet, der Werkunternehmer muss sein Werk erbracht haben, erst dann ist die Vergütung fällig (§ 641 Abs. 1 BGB); der Verkäufer muss dem Käufer den Kaufgegenstand übereignen, um im Gegenzug den Kaufpreis zu erhalten (§ 433 BGB). Haben Werkunternehmer und Verkäufer den Vertrag erfüllt, entsteht grundsätzlich der Anspruch auf die Gegenleistung, regelmäßig der Zahlungsanspruch. Die Forderung des Werkunternehmers / Verkäufers ist als Forderung aus Lieferung und Leistung auf der Aktivseite zu buchen.
Die Vertragsparteien können von dem gesetzlichen Regelfall abweichende Vereinbarungen treffen, z. B. dass der Besteller in Vorleistung geht und bereits vor den Erfüllungshandlungen des Werkunternehmers / Verkäufers Zahlungen leistet. Der Werkunternehmer / Verkäufer darf diese Zahlungen des Bestellers weder als Forderung aus Lieferung und Leistung noch als Erlös buchen, da er die geschuldete Erfüllungshandlung noch nicht erbracht hat, der Gewinn noch nicht realisiert ist. Aus diesem Grunde ist die Vorleistung / Anzahlung des Bestellers für den Werkunternehmer nicht erfolgswirksam zu buchen, sondern als Verbindlichkeit zu passivieren.
Der Bundesfinanzhof hat hierzu des Weiteren entschieden:
„a) Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden ... Während des Schwebezustands besteht die (widerlegbare) Vermutung, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen …“
– BFH vom 13.09.2023, Az: XI ZR 20/20, Rn. 25„Schwebende Geschäfte sind gegenseitige, auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge im Sinne der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), die von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei -abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten- noch nicht voll erfüllt sind ... Hat ausnahmsweise der zur Geldleistung Verpflichtete in Vorleistung zu treten, ist der Schwebezustand auch mit Erfüllung der Geldleistung beendet, obgleich die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist ... Ein Bilanzausweis ist bei schwebenden Geschäften daher nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners "gestört" ist ...“
– BFH vom 13.09.2023, Az: XI ZR 20/20, Rn. 26
Dies bedeutet, dass angeforderte Anzahlungen / Anzahlungsrechnungen auch bei vertraglicher Vereinbarung nicht zu bilanzieren sind, da bis zur Leistung der Anzahlung ein schwebendes Geschäft besteht.
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten:
- Auf die Bezeichnung Anzahlung, Vorleistung, Vorauszahlung kommt es nicht an.
- Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, und zwar ob der zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichtete den Vertrag erfüllt hat. Hat dieser den Vertrag von seiner Seite erfüllt, ist der Gewinn realisiert und die Forderung auf die Gegenleistung auf der Aktivseite zu buchen bzw. die Einnahme als Erlös. Hat der zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichtete die von ihm geschuldete Leistung noch nicht erbracht, besteht ein schwebendes Geschäft, welches in der Bilanz nicht auszuweisen ist. Das schwebende Geschäft endet jedoch, wenn der zur Geldleistung Verpflichtete in Vorleistung geht und Zahlung leistet; die Anzahlung ist damit in der Bilanz auszuweisen, mangels Leistungserbringung durch den zur Sach- und Dienstleistung Verpflichteten jedoch als Passivierung erhaltener Anzahlungen.