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BVerfG, 17.12.1958 - 1 BvR 615/52

Daten
Fall: 
Mahlquoten
Fundstellen: 
BVerfGE 9, 63; MDR 1959, 180; NJW 1959, 188
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
17.12.1958
Aktenzeichen: 
1 BvR 615/52
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • AG Münster, 04.10.1951 - 13 Gs 86/50
  • OLG Hamm, 03.07.1952 - 2 Ws 279/51

Die Grundsätze des Apothekenurteils (BVerfGE 7, 377) über die Voraussetzungen von Eingriffen in das Grundrecht der freien Berufswahl gelten nicht ohne weiteres für Recht aus der Zeit der Zwangswirtschaft, das nach Inkrafttreten des Grundgesetzes aus zwingenden sachlichen Gründen während einer kurzen Übergangszeit noch behalten werden mußte.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 17. Dezember 1958
- 1 BvR 615/52 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Müllermeisters Heinrich H. gegen a) den Bußgeldbescheid des Landesernährungsamts Nordhein-Westfalen vom 27. November 1950 - D 42 - 1395/50 -, b) den Beschluß des Amtsgerichts Münster/Westf. vom 4. Oktober 1951 - 13 Gs 86/50 -, c) den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Juli 1952 - 2 Ws 279/51 -.
Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer, Inhaber eines Mühlenbetriebes, wurde durch Bescheid des Landesernährungsamtes Nordrhein-Westfalen vom 27. November 1950 mit einer Geldbuße von 4000 DM belegt, weil er in den Monaten April bis Juni des Jahres 1950 die jeweils durch "Anordnungen" des Landesernährungsamtes festgesetzten Quoten für die Vermahlung von Brotgetreide überschritten hatte. Das Amtsgericht Münster i. W. hielt mit Beschluß vom 4. Oktober 1951 den Bußgeldbescheid aufrecht, das Oberlandesgericht Hamm verwarf die Rechtsbeschwerde mit Beschluß vom 3. Juli 1952 als unbegründet.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Bußgeldbescheid und die gerichtlichen Entscheidungen und rügt eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 und 12 Abs. 1 Satz 2 GG.

Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Zwangswirtschaft auf dem Gebiete der Getreideverarbeitung begann mit dem Reichsgesetz über den Zusammenschluß von Mühlen vom 15. September 1933 (RGBl. I S. 627). Danach konnte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft "zur Regelung der Verwertung von inländischem Roggen oder Weizen" Mühlen, die Roggen oder Weizen verarbeiteten, zusammenschließen. Gleichzeitig wurde er ermächtigt zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen künftig eine neue Mühle errichtet oder eine bestehende erweitert werden dürfe. Er konnte ferner Vorschriften u.a. darüber erlassen, "in welcher Weise der Umfang der Ausnutzung bestehender Mühlen zu regeln" sei und "in welchen Mengen die einzelnen Mühlen innerhalb eines bestimmten Zeitraums inländischen Roggen oder Weizen kaufen und verarbeiten müssen". Auf Grund dieses Gesetzes erging die Verordnung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft über den Zusammenschluß der Roggen- und Weizenmühlen vom 5. November 1933 (RGBl. I S. 810), die den Zusammenschluß der Mühlen zu einer rechtsfähigen Vereinigung unter dem Namen "Wirtschaftliche Vereinigung der Roggen- und Weizenmühlen" verfügte und vorsah, daß der Umfang der Ausnutzung bestehender Mühlen "durch Zuteilung von Kontingenten" zu regeln sei. Die Satzung der Wirtschaftlichen Vereinigung vom 1. März 1934 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 52) enthielt Vorschriften über die Zulassung von Mühlenbetrieben, wobei der Grundsatz galt, daß Roggen oder Weizen verarbeitende Betriebe nach dem 1. September 1933 nur noch ausnahmsweise zugelassen werden sollten; sie regelte ferner die Kontingentierung im einzelnen. Hierbei wurde unterschieden zwischen einem "Grundkontingent", das nach den von der einzelnen Mühle in den Jahren 1927 bis 1932 verarbeiteten Weizen- und Roggenmengen errechnet wurde, und einem "Verarbeitungskontingent", das in einem Hundertsatz des Grundkontingents bestand und jeweils für bestimmte Zeiträume, mindestens ein Vierteljahr, jeder Mühle durch die Wirtschaftliche Vereinigung zugeteilt wurde. Für Mühlen, die erst innerhalb der Jahre 1927 bis 1932 oder später in Betrieb genommen worden waren, wurde das Grundkontingent besonders festgesetzt. Von den Mühlen durfte nur die jeweils zur Verarbeitung freigegebene Getreidemenge vermahlen werden.

Die Wirtschaftliche Vereinigung ging später in der "Hauptvereinigung der deutschen Getreide- und Futtermittelwirtschaft" auf, die dem Reichsnährstand angeschlossen war. Die Satzung der Hauptvereinigung wurde mit Bekanntmachung des Reichsbauernführers vom 27. Juli 1937 (RNVBl. A S. 349) veröffentlicht und durch Anordnungen des Reichsbauernführers vom 6. April 1938 (RNVBl. A S. 119) und vom 29. August 1938 (RNVBl. A S. 446) geändert.

Die Hauptvereinigung erließ die Anordnung über die Regelung der Verarbeitung der Roggen- und Weizenmühlen vom 15. Juli 1938 (RNVBl. A S. 325). Sie übernahm im wesentlichen die bisherige Regelung der Kontingentierung, doch trat deren warenlenkende Funktion stärker in den Vordergrund. Nach Ziffer 3 Abs. 1 der Anordnung erfolgte demgemäß "die Festsetzung, Erhöhung oder Herabsetzung des Grundkontingentes der einzelnen Mühlen ... nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Rahmen des Gesamtmühlenkontingentes und der Gebietskontingente unter angemessener Berücksichtigung der Anbau- und Versorgungsverhältnisse des betreffenden Wirtschaftsgebietes und der wirtschaftlichen Lage des Betriebes". Berechnungsgrundlage für das Grundkontingent blieb die von den Mühlen in den Jahren 1927 bis 1932 verarbeitete Roggen- und Weizenmenge. Nach Ziff. 4 Abs. 1 erhielten die Mühlen "entsprechend den volkswirtschaftlichen Erfordernissen" ein Verarbeitungskontingent, indem jeweils für bestimmte Zeitabschnitte Verarbeitungsquoten in Hundertsätzen des Grundkontingentes festgesetzt wurden. In dieser Form wurde die Kontingentierung der Mühlen zu einem Zweig der durch die Verordnungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft über die öffentliche Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 27. August 1939 (RGBl. I S. 1521) und über die öffentliche Bewirtschaftung von Getreide, Futtermitteln und sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 7. September 1939 (RGBl. I S. 1705) eingeführten allgemeinen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, deren Vollzug durch § 2 der zuletzt genannten Verordnung der Hauptvereinigung übertragen worden war.

Diese Regelung blieb auch nach dem Kriege zunächst bestehen. Im Vereinigten Wirtschaftsgebiet wurde die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Erzeugnisse durch das Gesetz des Wirtschaftsrates über Notmaßnahmen auf dem Gebiete der Wirtschaft, der Ernährung und des Verkehrs (Bewirtschaftungsnotgesetz) vom 30. Oktober 1947 - GuVBl. 1948 S. 3 - und die gleichfalls vom Wirtschaftsrat erlassene Zweite Verordnung zur Durchführung des Bewirtschaftungsnotgesetzes vom 23. April 1948 - GuVBl. S. 37- (im folgenden: 2. DVO) aufrechterhalten. Vor Erlaß der Verordnung waren durch das Gesetz des Wirtschaftsrates über die Auflösung des Reichsnährstandes im Vereinigten Wirtschaftsgebiet vom 21. Januar 1948 - GuVBl. S. 21- die Hauptvereinigungen aufgelöst worden; ihre Aufgaben auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft waren grundsätzlich auf die obersten Landesbehörden für Ernährung und Landwirtschaft übergegangen, die nach dem Zusammenbruch praktisch bereits an die Stelle der Hauptvereinigungen getreten waren (§§ 1, 3 a.a.O.).

Auf Grund der Ermächtigungen im § 2 Abs. 2 und 3 der 2. DVO erließ der Direktor der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (im folgenden: Direktor der VELF) die sog. Getreidebewirtschaftungsanordnung (Anordnung über die Bewirtschaftung und Marktregelung in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft vom 29. September 1948 - Öffentl. Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Nr. 10 S. 6 -), die die bestehende Kontingentierung der Mühlen zunächst beibehielt (§ 20). Durch das Gesetz zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes usw. vom 21. Januar 1950 (BGBl. S. 7) wurde die Bewirtschaftung auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet bis zum 30. Juni 1950 aufrechterhalten; auch die Geltungsdauer der Getreidebewirtschaftungsanordnung wurde bis zu diesem Zeitpunkt verlängert.

2. Zur Zeit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verstöße - in den Monaten April, Mai und Juni 1950 - waren sonach Rechtsgrundlage der Getreidebewirtschaftung das Bewirtschaftungsnotgesetz, die 2. DVO, die Getreidebewirtschaftungsanordnung und die hiernach aufrechterhaltenen früheren Regelungen. Auf diesen Vorschriften beruhen auch die vom Beschwerdeführer angegriffenen Anordnungen des Landesernährungsamts Nordrhein-Westfalen G Nr. 53, G Nr. 54, G Nr. 55, durch die für die Monate April, Mai und Juni 1950 die Verarbeitungsquoten der Roggen- und Weizenmühlen festgesetzt worden waren.

Nach § 2 Abs. 1 Buchst. a der 2. DVO und § 1 Abs. 1 der Getreidebewirtschaftungsanordnung waren u.a. Getreide und Getreideerzeugnisse "bewirtschaftet". Danach galt das Getreide mit der Trennung von Grund und Boden als beschlagnahmt (§ 8 Nr. 1 der 2. DVO); es durfte nur nach den Anordnungen und Weisungen der zuständigen ernährungswirtschaftlichen Dienststellen verarbeitet werden (§ 10 a.a.O.). Da nach § 20 der Getreidebewirtschaftungsanordnung die bestehende Kontingentierung aufrechterhalten blieb, war eine Vermahlung von Getreide auch weiterhin nur im Rahmen der jeweils freigegebenen Verarbeitungsquoten zulässig.

Für die Mühlenbetriebe bestand somit ein allgemeines Verarbeitungsverbot, von dem im Wege der Zuteilung von Kontingenten Befreiung erteilt wurde. Die Rechtslage entsprach der des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Die Freigabe der Verarbeitungsquoten, die in der Form der "Anordnung" gleichzeitig für sämtliche Mühlen verfügt wurde, ist - für sich betrachtet - ein begünstigender Verwaltungsakt, weil sie von einem Verbot befreit.

Bei dieser rechtlichen Gestaltung der Bewirtschaftung ist der Beschwerdeführer der Sache nach nicht durch die Anordnungen G Nr. 53, G Nr. 54 und G Nr. 55 beschwert, die Getreide zur Vermahlung freigeben, sondern allenfalls durch das - in seinem Umfang durch jene Anordnungen näher bestimmte - grundsätzliche Verarbeitungsverbot.

3. Gegen die Rechtsgültigkeit der Bewirtschaftungsregelung bestehen keine Bedenken formeller Art. Der Direktor der VELF war ermächtigt, die Einzelheiten der Bewirtschaftung zu regeln und die erforderlichen Anordnungen, Weisungen und Richtlinien zu erlassen (§ 2 Abs. 3 der 2. DVO). In der Getreidebewirtschaftungsanordnung vom 29. September 1948 ordnete er die einstweilige Beibehaltung der Mühlenkontingentierung an, also des Systems der Kontingentierung mit Grund- und Verarbeitungskontingent. In § 33 der Anordnung bestimmte er, daß Durchführungsbestimmungen zu der Anordnung, soweit er sie nicht selbst erließ, von den obersten Landesbehörden getroffen werden sollten und daß diese die ihnen nach der Anordnung zustehenden Befugnisse auf nachgeordnete Dienststellen übertragen könnten. Dazu gehörte, wie das Oberlandesgericht mit Recht annimmt, auch die Festsetzung der Verarbeitungsquoten, die praktisch schon seit 1945 durch die obersten Landesbehörden vorgenommen worden war.

Der Beschwerdeführer meint, der Direktor der VELF hätte in § 33 der Anordnung den § 36 der 2. DVO als Rechtsgrundlage angeben müssen, wonach die Befugnisse der Hauptvereinigungen zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsanordnungen in gewissem Umfang (mit dem Recht der Weiterübertragung auf die obersten Landesbehörden) auf ihn übergegangen waren. Das ist allzu formalistisch: Der Direktor war durch § 2 Abs. 2 und 3 der 2. DVO allgemein ermächtigt, die der Bewirtschaftung unterliegenden Erzeugnisse zu bestimmen, die Einzelheiten der Bewirtschaftung zu regeln und die erforderlichen Anordnungen, Weisungen und Richtlinien zu erlassen. Wenn er "die bestehende Kontingentierung der Mühlen" aufrechterhielt, so wollte er damit offensichtlich die Bewirtschaftung auf diesem Gebiet so fortsetzen, wie sie sich bis dahin nach den einschlägigen Vorschriften und in der Praxis entwickelt hatte. Hierzu gehörten auch die Grundsätze über die Mitwirkung der obersten Landesbehörden bei der Durchführung der Getreidebewirtschaftung. Es kommt hinzu, daß eine dem Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG entsprechende Vorschrift im Vereinigten Wirtschaftsgebiet nicht galt, sowie schließlich, daß auch unabhängig von der besonderen Ermächtigung durch den Direktor der VELF die obersten Landesbehörden grundsätzlich für "die Bewirtschaftung" im Rahmen der 2. DVO und der dazu erlassenen Anordnungen zuständig waren (§ 5 der 2. DVO). § 33 der Getreidebewirtschaftungsanordnung reicht mithin als Ermächtigungsgrundlage für die Anordnungen G Nr. 53, G Nr. 54 und G Nr. 55 des Landesernährungsamts aus; Bedenken aus Art. 80 Abs. 1 GG können nicht auftreten, da es sich bei diesen Anordnungen nicht um Rechtsverordnungen handelt. An der Zuständigkeit des (von der obersten Landesbehörde ordnungsgemäß weiter ermächtigten) Landesernährungsamts zum Erlaß der Anordnungen ist sonach nicht zu zweifeln.

4. Der Beschwerdeführer fühlt sich durch die Bewirtschaftungsbestimmungen in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Er geht davon aus, daß das "Recht auf freie Berufsausübung" durch Gesetz eingeschränkt werden könne, meint aber, es bedürfe hierzu eines formellen Gesetzes; hier fehle nicht nur ein solches Gesetz, das Maß der Einschränkung des Grundrechts stehe sogar im Ermessen einer Behörde, weil das Landesernährungsamt die Kontingente frei festsetzen könne; damit sei das Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet. Diese Rügen sind nicht berechtigt.

Es kann dahinstehen, ob seit Inkrafttreten des Grundgesetzes zur Regelung der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein formelles Gesetz erforderlich ist. Eine Norm aus vorkonstitutioneller Zeit, die inhaltlich nicht zu beanstanden ist, kann die Berufsausübung auch dann wirksam regeln, wenn sie als Rechtsverordnung ergangen ist (vgl. Klein/v. Mangoldt Anm. V 6 [S. 386] zu Art. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Es ist auch nicht richtig, daß das Ausmaß, in dem die freie Berufsausübung hier beschränkt wird, im freien Ermessen des Landesernährungsamtes gelegen habe.

Die öffentliche Bewirtschaftung lebenswichtiger Konsumgüter kann sich praktisch nicht wohl anders als in der Form des allgemeinen Verfügungsverbots vollziehen, von dem die zuständigen Behörden Ausnahmen (durch "Freigabe" oder "Zuteilung") zulassen. Aus dem Sinn der Bewirtschaftung, die ja die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen soll, folgt aber, daß die Behörden solche Ausnahmen in dem sachlich möglichen und erforderlichen Umfang von Amts wegen machen müssen. So ist auch auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet von Anfang an verfahren worden. Auch für die Bemessung der Kontingente der einzelnen Mühlen bestanden feste Richtlinien: die Unterscheidung von Grundkontingent und Verarbeitungskontingent zeigt gerade, daß man die Zuteilung nicht in das Ermessen der Behörden gestellt, sondern diese grundsätzlich an einen objektiven Maßstab aus der Zeit vor der Bewirtschaftung (die von der einzelnen Mühle in den Jahren 1927 bis 1932 verarbeitete Roggen- und Weizenmenge) gebunden hat. Auch die Regeln über die Bemessung des Verarbeitungskontingents, dessen einzelne Quoten von Monat zu Monat festgesetzt wurden, lassen das Bestreben erkennen, das Ermessen der Verwaltung im Rahmen des in einer Zwangswirtschaft Möglichen zu beschränken; ganz ausschalten läßt sich dieses Ermessen nicht, weil die Möglichkeit rascher Anpassung der Zuteilungen an die jeweilige allgemeine Versorgungslage gewährleistet bleiben muß. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß hier die Ausübung eines Grundrechts im Sinne der vom Beschwerdeführer angezogenen Beispiele aus der Rechtsprechung (vgl. dazu auch BVerfGE 6, 32 [42] und 8, 71 [76]) von den Ermessensentscheidungen einer Behörde abhängig sei.

5. Der Beschwerdeführer, der seit langen Jahren eine Mühle betreibt, fühlt sich durch die Kontingentierung in seinem Recht auf freie Berufsausübung beschränkt. Ist die Kontingentierung als Berufsausübungsregelung nicht zu beanstanden, so wäre doch denkbar, daß das System der Bewirtschaftung im ganzen mit dem Erfordernis der Zulassung der einzelnen Mühle und angesichts der nicht auszuschließenden Möglichkeit, mittels der Kontingentbemessung oder -versagung mittelbar auf die Zulassung einzuwirken, in das Recht der freien Berufswahl eingriffe. Indessen kann dies dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn das Recht der Berufswahl im Sinn der Entscheidung vom 11. Juni 1958 (BVerfGE 7, 377 [400 ff.]) berührt würde, könnten die strengen Voraussetzungen, an die diese Entscheidung die Einschränkung der freien Berufswahl bindet, für die hier in Frage stehende Regelung nicht ohne weiteres gelten. Es handelt sich um Recht aus der Zeit der Zwangsbewirtschaftung. Mag das System der Mühlenkontingentierung ursprünglich vorwiegend anderen Zielen als denen der Ernährungssicherung des Volkes zu dienen bestimmt gewesen sein, so nötigte in der ersten Nachkriegszeit die überaus ernste Versorgungslage jedenfalls zunächst noch zur Beibehaltung dieses Systems. Wenn bestehende Regelungen der Zwangswirtschaft zur Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern noch unentbehrlich waren, so war es verfassungsrechtlich vertretbar, das seit Jahren eingespielte System der Bewirtschaftung für eine kurze Übergangs- und Auslaufzeit beizubehalten, selbst wenn an sich ein anderes, dem Grundgesetz besser entsprechendes System hätte entwickelt werden können. In Fällen wie dem hier vorliegenden wird die Notwendigkeit, so zu entscheiden, besonders augenfällig: einerseits konnte die bestehende Regelung nicht mit dem 23. Mai 1949 ersatzlos wegfallen, wenn nicht ein Chaos entstehen sollte; andererseits wäre es dem hier allein zum Handeln berufenen Bundesgesetzgeber unmöglich gewesen, in einigermaßen absehbarer Zeit die bestehende Regelung durch eine neue zu ersetzen - denn er konnte seine Tätigkeit erst nach dem 7. September 1949 aufnehmen, und er hätte hier vor besonders großen sachlichen Schwierigkeiten gestanden, da die Entscheidung darüber, ob die zwangswirtschaftliche Ordnung ganz oder in Teilen verfassungswidrig sei, schwierige Rechtsfragen aufgeworfen hätte, für deren rasche Klärung damals die Voraussetzungen fehlten. Damit war die einstweilige Beibehaltung der bestehenden Regelung unvermeidlich. Der Rechtsstaat konnte eben auch auf diesem Gebiet nicht an einem Tage voll verwirklicht werden.

Voraussetzung für diese zeitweilige Weiterführung dieses Bewirtschaftungssystems war freilich, daß das Bestreben erkennbar war, es möglichst bald abzubauen oder, soweit etwa nötig, mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Das Bewirtschaftungsnotgesetz und die 2. DVO sollten nach ihrer ursprünglichen Fassung schon am 31. Dezember 1949 außer Kraft treten. Durch das Gesetz vom 21. Januar 1950 wurde die Bewirtschaftung bis zum 30. Juni 1950 - also nur bis zum Anschluß an die neue Ernte erstreckt (die späteren teilweisen Weiterverlängerungen der Geltungsdauer um jeweils ein Vierteljahr können hier außer Betracht bleiben). Eine Getreidebewirtschaftung bestand demnach, wie der Bundesernährungsminister ausdrücklich bestätigt hat, nur bis zum 30. Juni 1950. Diese kurze Frist zeigt, daß der Gesetzgeber bestrebt war, die geltende Regelung nur noch so lange beizubehalten, als es unumgänglich notwendig war.

Aus dieser Entscheidung kann sonach nichts für die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen entnommen werden, die der an das Grundgesetz gebundene Gesetzgeber nach Aufhören der Zwangswirtschaft auf dem in Frage stehenden Gebiet getroffen hat oder die er etwa in Zukunft treffen würde.

6. Da die Regelung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, bedarf die Frage einer Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG keiner Prüfung (BVerfGE 6, 32 [37]). Der Beschwerdeführer hat insoweit auch keine selbständige Rüge erhoben.