EuGH, 14.02.1995 - C-279/93
Leitsätze
1. Obwohl der Bereich der direkten Steuern als solcher nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, dürfen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen insoweit verbliebenen Befugnis das Gemeinschaftsrecht nicht ausser acht lassen.
Insoweit ist Artikel 48 des Vertrages dahin auszulegen, daß er das Recht eines Mitgliedstaats, die Voraussetzungen und die Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats erzielten Einkünfte festzulegen, insoweit einschränken kann, als er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Rechts auf Freizuegigkeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, bei der Erhebung der direkten Steuern schlechter zu behandeln als einen eigenen Staatsangehörigen, der sich in der gleichen Lage befindet.
2. Zwar steht Artikel 48 des Vertrages grundsätzlich nicht der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen das Einkommen eines Gebietsfremden, der eine nichtselbständige Beschäftigung in diesem Staat ausübt, höher besteuert wird als das eines Gebietsansässigen, der die gleiche Beschäftigung ausübt; etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so daß der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben. Zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen, der eine vergleichbare nichtselbständige Beschäftigung ausübt, besteht nämlich kein objektiver Unterschied, der eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands des Steuerpflichtigen bei der Besteuerung rechtfertigen könnte.
Somit ist Artikel 48 des Vertrages dahin auszulegen, daß er der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, in dem er auch wohnt, und der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, höher besteuert wird als ein Arbeitnehmer, der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates wohnt und dort die gleiche Beschäftigung ausübt, wenn der Staatsangehörige des zweitgenannten Mitgliedstaats sein Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus der Beschäftigung erzielt, die er im ersten Mitgliedstaat ausübt, und im zweitgenannten Mitgliedstaat keine ausreichenden Einkünfte erzielt, um dort einer Besteuerung unterworfen zu werden, bei der seine persönliche Lage und sein Familienstand berücksichtigt werden.
3. Artikel 48 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Bereich der direkten Steuern entgegensteht, die Verfahren wie den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Einkommensteuerveranlagung durch die Verwaltung nur für Gebietsansässige vorsehen, ihre Anwendung jedoch natürlichen Personen verweigern, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, dort jedoch weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Entscheidungsgründe
1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 14. April 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 48 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob mit dem Gemeinschaftsrecht bestimmte einkommensteuerrechtliche Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind, nach denen Steuerpflichtige je nachdem, ob sie im nationalen Hoheitsgebiet wohnen oder nicht, unterschiedlich behandelt werden.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Finanzamt Köln-Altstadt und dem belgischen Staatsangehörigen Roland Schumacker über die Voraussetzungen der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die dieser in Deutschland bezieht.
3 In Deutschland sieht das Einkommensteuergesetz (EStG) eine unterschiedliche Besteuerung der Lohn- und Gehaltsempfänger je nach ihrem Wohnsitz vor.
4 Nach § 1 Absatz 1 EStG sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
5 Dagegen sind nach § 1 Absatz 4 EStG natürliche Personen, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nur hinsichtlich ihrer in Deutschland erzielten Einkünfte steuerpflichtig (beschränkt einkommensteuerpflichtig). Nach § 49 Absatz 1 Nummer 4 sind solche in Deutschland erzielten Einkünfte namentlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die in Deutschland ausgeuebt wird.
6 Allgemein wird in Deutschland die Einkommensteuer auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Weise erhoben, daß der Arbeitgeber sie vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers abzieht und an die Steuerbehörde abführt.
7 Für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs werden unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer in Steuerklassen eingereiht (§ 38b EStG). Unverheiratete gehören in die Steuerklasse I (allgemeine Steuerklasse). Verheiratete Arbeitnehmer, die nicht dauernd getrennt leben, gehören in die Steuerklasse III (Splittingtarif, § 26b EStG), sofern beide Ehegatten in Deutschland wohnen und unbeschränkt steuerpflichtig sind. Das deutsche Splittingsystem wurde eingeführt, um die Steuerprogression bei der Einkommensteuer zu mildern. Es besteht darin, die Gesamteinkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen und sie sodann fiktiv jedem Ehegatten zu 50 % zuzurechnen und entsprechend zu besteuern. Bezieht einer der Ehegatten ein hohes und der andere ein niedriges Einkommen, so nivelliert das Splitting die Besteuerungsgrundlage und mildert die Progression der Einkommensteuer.
8 Ausserdem steht unbeschränkt Steuerpflichtigen das Verfahren des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zur Verfügung (§ 42b EStG). In diesem Verfahren hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer von ihm einbehaltene Lohnsteuer zu erstatten, wenn die Summe der monatlichen Abzugbeträge den sich nach der Jahreslohnsteuertabelle ergebenden Steuerbetrag, z. B. wegen unterschiedlich hoher Monatslöhne, übersteigt.
9 Ferner stand unbeschränkt Steuerpflichtigen bis 1990 das Verfahren des Lohnsteuer-Jahresausgleichs bei der Steuerverwaltung und seither das Verfahren der Veranlagung durch die Verwaltung (§ 46 EStG) zur Verfügung. Dieses Verfahren ermöglicht einen Ausgleich zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Verlusten aus einer anderen Einkunftsart (z. B. Dividenden).
10 Schließlich wird die Steuer für unbeschränkt Steuerpflichtige aufgrund ihrer Gesamtsteuerkraft festgesetzt, d. h. unter Berücksichtigung aller anderen von ihnen erzielten Einkünfte und ihrer persönlichen Lage sowie ihres Familienstands (Familienlasten, Ausgaben für Vorsorgeleistungen und andere Faktoren, die allgemein einen Anspruch auf Steuerabzuege und Freibeträge begründen).
11 Einige dieser Vergünstigungen werden beschränkt Steuerpflichtigen verweigert. Das Gesetz zur einkommensteuerlichen Entlastung von Grenzpendlern und anderen beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen und zur Änderung anderer gesetzlicher Vorschriften (Grenzpendlergesetz) vom 24. Juni 1994, das dieser Situation auf nationaler Ebene abhelfen soll, ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da es im entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht in Kraft war.
12 Nach den zu dieser Zeit geltenden Rechtsvorschriften wurden beschränkt Steuerpflichtige ungeachtet ihres Familienstands in die Steuerklasse I (allgemeine Steuerklasse) eingereiht (§ 39d EStG). Folglich kam ihnen nicht die Steuervergünstigung des Splitting zugute; verheiratete Steuerpflichtige wurden wie Ledige behandelt.
13 Beschränkt Steuerpflichtige unterlagen einem vereinfachten Besteuerungsverfahren. Ihre Einkommensteuer galt durch den Abzug, den der Arbeitgeber jeden Monat vom Arbeitslohn vornahm, als endgültig abgegolten. Sie waren zugleich von dem vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuer-Jahresausgleich (§ 50 Absatz 5 EStG) und von der jährlichen Einkommensteuerveranlagung durch die Verwaltung ausgeschlossen. Mangels Lohnsteuer-Jahresausgleichs konnten ihnen etwa zuviel gezahlte Steuern zum Jahresende nicht zurückerstattet werden.
14 Schließlich hatten beschränkt Steuerpflichtige anders als unbeschränkt Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit, ihre Ausgaben im Sozialbereich (Prämien für Alters-, Kranken- oder Invaliditätsversicherungen), die über die in der Steuertabelle enthaltenen Pauschalbeträge hinausgingen, abzuziehen.
15 Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Kläger und Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens (im folgenden: Kläger) mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern immer in Belgien gewohnt. Nachdem er zunächst in diesem Staat beschäftigt gewesen war, übte er vom 15. Mai 1988 bis zum 31. Dezember 1989 eine nichtselbständige Beschäftigung in Deutschland aus, wobei er weiter in Belgien wohnte. Die Ehefrau des Klägers, die arbeitslos war, bezog nur während des Jahres 1988 in Belgien Arbeitslosengeld. Seit 1989 bildet das Gehalt des Klägers das einzige Einkommen der Familie.
16 Nach Artikel 15 Absatz 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Belgien vom 11. April 1967 steht das Recht zur Besteuerung des Gehalts des Klägers seit dem 15. Mai 1988 der Bundesrepublik Deutschland als Beschäftigungsstaat zu. Von diesem Gehalt wurde somit in Deutschland vom Arbeitgeber des Klägers gemäß § 1 Absatz 4 und § 39d EStG Lohnsteuer nach der Steuerklasse I einbehalten.
17 Am 6. März 1989 beantragte der Kläger beim Finanzamt, den Betrag seiner Steuer gemäß § 163 der deutschen Abgabenordnung im Billigkeitswege nach der Steuerklasse III (die normalerweise auf verheiratete Gebietsansässige anwendbar ist und einen Anspruch auf das Splitting eröffnet) zu berechnen und ihm den Unterschiedsbetrag zwischen dem monatlich nach der Steuerklasse I von seinem Gehalt einbehaltenen Betrag und dem Betrag zu erstatten, der nach der Steuerklasse III einzubehalten gewesen wäre.
18 Nachdem das Finanzamt seinen Antrag am 22. Juni 1989 abgelehnt hatte, erhob der Kläger Klage beim Finanzgericht Köln. Dieses gab der Klage für die Jahre 1988 und 1989 statt und verurteilte das Finanzamt, eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 der Abgabenordnung zu erlassen. Das Finanzamt legte daraufhin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln Revision zum Bundesfinanzhof ein.
19 Der Bundesfinanzhof fragt sich, ob Artikel 48 EWG-Vertrag Einfluß auf die im vorliegenden Fall zu erlassende Entscheidung haben kann. Deshalb hat er das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof ersucht, im Wege der Vorabentscheidung über folgende Fragen zu entscheiden:
1) Ist Artikel 48 EG-Vertrag geeignet, das Recht der Bundesrepublik Deutschland einzuschränken, eine Einkommensteuer von dem Bürger eines anderen EG-Mitgliedstaats zu erheben?
Bejahendenfalls:
2) Gestattet Artikel 48 EG-Vertrag der Bundesrepublik Deutschland, gegenüber einer natürlichen Person belgischer Staatsangehörigkeit, die ihren alleinigen Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hat, dort ihre berufliche Qualifikation und ihre Berufserfahrung erwarb, eine höhere Einkommensteuer als gegenüber einer im übrigen vergleichbaren Person festzusetzen, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, wenn erstere eine nichtselbständige Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland aufnimmt, ohne ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen?3) Gilt etwas anderes dann, wenn die unter 2 genannte Person belgischer Staatsangehörigkeit ihr Einkommen fast ausschließlich (d. h. zu mehr als 90 v. H.) aus der Bundesrepublik Deutschland erzielt und dasselbe nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien auch nur in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtig ist?
4) Verstösst es gegen Artikel 48 EG-Vertrag, wenn die Bundesrepublik Deutschland natürliche Personen ohne Wohnsitz oder Ort des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland, die im Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, sowohl vom Lohnsteuer-Jahresausgleich ausschließt als ihnen auch die Möglichkeit verweigert, zur Einkommensteuer unter Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit veranlagt zu werden?
Zur ersten Frage
20 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 48 EG-Vertrag so auszulegen ist, daß er das Recht eines Mitgliedstaats, die Voraussetzungen und die Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats erzielten Einkünfte festzulegen, einschränken kann.
21 Zur Beantwortung dieser Frage ist festzustellen, daß zwar der Bereich der direkten Steuern als solcher beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-246/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I-4585, Randnr. 12).
22 Die Freizuegigkeit innerhalb der Gemeinschaft umfasst nach Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten, namentlich in bezug auf die Entlohnung.
23 Dazu hat der Gerichtshof im Urteil vom 8. Mai 1990 in der Rechtssache C-175/88 (Biehl, Slg. 1990, I-1779, Randnr. 12) ausgeführt, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Entlohnung seiner Wirkung beraubt wäre, wenn er durch diskriminierende nationale Vorschriften über die Einkommensteuer beeinträchtigt werden könnte. Aus diesem Grund hat der Rat in Artikel 7 seiner Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) vorgeschrieben, daß ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen steuerlichen Vergünstigungen genießt wie die inländischen Arbeitnehmer.
24 Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, daß Artikel 48 des Vertrages so auszulegen ist, daß er das Recht eines Mitgliedstaats, die Voraussetzungen und die Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats erzielten Einkünfte festzulegen, insoweit einschränken kann, als er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Rechts auf Freizuegigkeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, bei der Erhebung der direkten Steuern schlechter zu behandeln als einen eigenen Staatsangehörigen, der sich in der gleichen Lage befindet.
Zur zweiten und zur dritten Frage
25 Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 48 des Vertrages so auszulegen ist, daß er der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, in dem er auch wohnt, und der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, höher besteuert wird als ein Arbeitnehmer, der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates wohnt und dort die gleiche Beschäftigung ausübt. Das vorlegende Gericht fragt ausserdem, ob die Antwort auf diese Frage dadurch beeinflusst wird, daß der Staatsangehörige des zweitgenannten Mitgliedstaats sein Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus der Beschäftigung erzielt, die er im erstgenannten Mitgliedstaat ausübt, und im zweitgenannten Mitgliedstaat keine ausreichenden Einkünfte erzielt, um dort einer Besteuerung unterworfen zu werden, bei der seine persönliche Lage und sein Familienstand berücksichtigt werden.
26 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung verbieten, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (Urteil vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73, Sotgiu, Slg. 1974, 153, Randnr. 11).
27 Die Rechtsvorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, gelten zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen.
28 Es besteht aber die Gefahr, daß sich derartige nationale Rechtsvorschriften, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes treffen, indem sie Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen verweigern, die sie Gebietsansässigen gewähren, hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da Gebietsfremde meist Ausländer sind.
29 Unter diesen Umständen können Steuervergünstigungen, die den Gebietsansässigen eines Mitgliedstaats vorbehalten werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellen.
30 Weiter ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung eine Diskriminierung nur darin bestehen kann, daß unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder daß dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird.
31 Im Hinblick auf die direkten Steuern befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation.
32 Das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, stellt meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte dar, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt. Ausserdem kann die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, am leichtesten an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt. Dieser Ort ist in der Regel der ständige Aufenthaltsort der betroffenen Person. So geht auch das internationale Steuerrecht, u. a. das Muster-Doppelbesteuerungsabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (ÖCD), davon aus, daß es grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaats ist, den Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der seine persönliche Lage und seinen Familienstand kennzeichnenden Umstände umfassend zu besteuern.
33 Die Situation des Gebietsansässigen ist eine andere, da der Schwerpunkt seiner Einkünfte in der Regel im Wohnsitzstaat liegt. Im übrigen verfügt im allgemeinen dieser Staat über alle erforderlichen Informationen, um die Gesamtsteuerkraft des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands zu beurteilen.
34 Versagt ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, so ist dies folglich in der Regel nicht diskriminierend, da sich diese beiden Gruppen von Steuerpflichtigen nicht in einer vergleichbaren Lage befinden.
35 Unter diesen Umständen steht Artikel 48 des Vertrages grundsätzlich nicht der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen das Einkommen eines Gebietsfremden, der eine nichtselbständige Beschäftigung in diesem Staat ausübt, höher besteuert wird als das eines Gebietsansässigen, der die gleiche Beschäftigung ausübt.
36 Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gebietsfremde wie im Ausgangsverfahren in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so daß der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben.
37 Zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen, der eine vergleichbare nichtselbständige Beschäftigung ausübt, besteht jedoch kein objektiver Unterschied, der eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands des Steuerpflichtigen bei der Besteuerung rechtfertigen könnte.
38 Im Fall eines Gebietsfremden, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seines Wohnsitzes den wesentlichen Teil seiner Einkünfte und praktisch die Gesamtheit seiner Familieneinkünfte erzielt, besteht die Diskriminierung darin, daß seine persönliche Lage und sein Familienstand weder im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat berücksichtigt werden.
39 Es stellt sich noch die Frage, ob diese Diskriminierung gerechtfertigt sein kann.
40 Die Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, haben geltend gemacht, die diskriminierende Behandlung sei, was die Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands sowie die Gewährung des Splittingtarifs angehe, durch die Notwendigkeit einer kohärenten Anwendung der Steuerregelungen auf Gebietsfremde gerechtfertigt. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249, Randnr. 28) eine solche Rechtfertigung durch die Notwendigkeit, die Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten, anerkannt. Nach Auffassung der genannten Staaten besteht ein Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands und dem Recht, das Welteinkommen zu besteuern. Da die Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands Sache des Wohnsitzstaats sei, der allein das Recht habe, das Welteinkommen zu besteuern, habe der Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Gebietsfremde arbeite, dessen persönliche Lage und Familienstand nicht zu berücksichtigen, da diese sonst doppelt berücksichtigt würden und der Gebietsfremde in beiden Staaten in den Genuß der entsprechenden Steuervergünstigungen käme.
41 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann der Wohnsitzstaat die persönliche Lage und den Familienstand des Betroffenen nicht berücksichtigen, da die Steuerlast dort nicht ausreicht, um die Berücksichtigung dieser Umstände zuzulassen. In einem solchen Fall verlangt der Gemeinschaftsgrundsatz der Gleichbehandlung, daß die persönliche Lage und der Familienstand des gebietsfremden Ausländers in derselben Weise berücksichtigt werden wie bei gebietsansässigen Inländern und daß ihm dieselben Steuervergünstigungen gewährt werden.
42 Die Unterscheidung, um die es im Ausgangsverfahren geht, ist somit nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz der anwendbaren Steuerregelung zu gewährleisten.
43 Das Finanzamt hat in der Sitzung auf verwaltungstechnische Schwierigkeiten hingewiesen, die den Beschäftigungsstaat daran hinderten, die Einkünfte zu erfassen, die in seinem Hoheitsgebiet arbeitende Gebietsfremde in ihrem Wohnsitzstaat erzielten.
44 Auch diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.
45 Die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) bietet nämlich Möglichkeiten zur Erlangung notwendiger Auskünfte, die mit den für die inländischen Steuerverwaltungen im Verhältnis zueinander bestehenden Möglichkeiten vergleichbar sind. Deshalb gibt es keine verwaltungstechnischen Hindernisse für die Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands des Gebietsfremden in dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeuebt wird.
46 Ausserdem ist konkret für die Bundesrepublik Deutschland darauf hinzuweisen, daß sie Grenzgängern, die in den Niederlanden wohnen und eine Beschäftigung in Deutschland ausüben, die sich bei Berücksichtigung ihrer persönlichen Lage und ihres Familienstands ergebenden Steuervergünstigungen einschließlich des Splittingtarifs gewährt. Diese Gemeinschaftsbürger werden nämlich, wenn sie mindestens 90 % ihrer Einkünfte im deutschen Hoheitsgebiet erzielen, nach dem Ausführungsgesetz Grenzgänger Niederlande vom 21. Oktober 1980 (Ausführungsgesetz zum Zusatzprotokoll vom 13. März 1980 zum Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete) den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt.
47 Folglich ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, daß Artikel 48 des Vertrages so auszulegen ist, daß er der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, in dem er auch wohnt, und der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, höher besteuert wird als ein Arbeitnehmer, der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates wohnt und dort die gleiche Beschäftigung ausübt, wenn wie im Ausgangsverfahren der Staatsangehörige des zweitgenannten Mitgliedstaats sein Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus der Beschäftigung erzielt, die er im ersten Mitgliedstaat ausübt, und im zweitgenannten Mitgliedstaat keine ausreichenden Einkünfte erzielt, um dort einer Besteuerung unterworfen zu werden, bei der seine persönliche Lage und sein Familienstand berücksichtigt werden.
Zur vierten Frage
48 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 48 des Vertrages so auszulegen ist, daß er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Bereich der direkten Steuern entgegensteht, die Verfahren wie den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Einkommensteuerveranlagung durch die Verwaltung nur für Gebietsansässige vorsehen und natürliche Personen, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dort jedoch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, davon ausschließen.
49 Die Antwort auf die zweite und die dritte Vorabentscheidungsfrage hat ergeben, daß eine materielle Diskriminierung gebietsfremder Gemeinschaftsbürger gegenüber in Deutschland wohnenden Inländern vorliegt. Zu prüfen ist, ob darin, daß die Durchführung der genannten Ausgleichsverfahren gebietsansässigen Inländern vorbehalten ist und gebietsfremden Gemeinschaftsbürgern versagt wird, eine solche Diskriminierung auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht liegt. Gegebenenfalls wird zu prüfen sein, ob diese Diskriminierung gerechtfertigt ist.
50 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß in Deutschland die durch den Abzug vom Lohn erhobene Lohnsteuer die auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erhebende Einkommensteuer abgilt.
51 Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, wird Gebietsfremden aufgrund dieser befreienden Wirkung des Abzugs der Steuer aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in erster Linie die Möglichkeit genommen, im Rahmen des Verfahrens des Lohnsteuer-Jahresausgleichs oder des Verfahrens der Veranlagung zur Steuer auf Einkommen aus unselbständiger Arbeit durch die Verwaltung Besteuerungsgrundlagen wie Werbungskosten, Sonderausgaben oder aussergewöhnliche Belastungen geltend zu machen, die zu einer teilweisen Erstattung der abgezogenen Lohnsteuer führen könnten.
52 Daraus kann sich für Gebietsfremde ein Nachteil gegenüber Gebietsansässigen ergeben, für die die §§ 42, 42a und 46 EStG grundsätzlich eine Besteuerung unter Einbeziehung aller Besteuerungsgrundlagen vorschreiben.
53 Die deutsche Regierung hat in ihren Erklärungen darauf hingewiesen, daß es im deutschen Recht ein Verfahren gebe, in dem gebietsfremde Steuerpflichtige bei der Steuerverwaltung die Erteilung einer Steuerbescheinigung beantragen könnten, in der bestimmte ihnen zustehende Freibeträge aufgeführt seien, die die Steuerverwaltung nachträglich gleichmässig auf das gesamte Kalenderjahr verteilen müsse (§ 39d EStG). Der Arbeitgeber sei dann nach § 39d in Verbindung mit § 41c EStG berechtigt, bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung bisher erhobene Lohnsteuer zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer ihm eine Bescheinigung mit Rückwirkung vorlege. Mache der Arbeitgeber von dieser Berechtigung keinen Gebrauch, könne die Änderung nach Ablauf des Kalenderjahrs von der Steuerverwaltung vorgenommen werden.
54 Dazu ist jedoch festzustellen, daß diese Bestimmungen nicht zwingend sind und daß weder das Finanzamt Köln-Altstadt noch die deutsche Regierung eine Bestimmung angeführt haben, nach der die Steuerverwaltung verpflichtet wäre, in jedem Fall die diskriminierenden Folgen zu beseitigen, die sich aus der Anwendung der fraglichen Vorschriften des EStG ergeben.
55 Zweitens können, da ihnen die genannten Verfahren nicht zur Verfügung stehen, Gebietsfremde, die ihre Beschäftigung in einem Mitgliedstaat im Laufe des Jahres aufgegeben haben, um eine Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufzunehmen, oder die während eines Teils des Jahres arbeitslos waren, eventuell zuviel gezahlte Steuern nicht von ihrem Arbeitgeber oder von der Steuerverwaltung erstattet erhalten.
56 Dem Vorlagebeschluß zufolge gibt es im deutschen Recht ein Billigkeitsverfahren, in dem der Gebietsfremde bei der Steuerverwaltung eine erneute Prüfung seines Falles und eine Neuberechnung des steuerbaren Betrages beantragen kann. Dieses Verfahren ist in § 163 der Abgabenordnung vorgesehen.
57 Um den Anforderungen des Artikels 48 des Vertrages zu genügen, reicht es jedoch nicht aus, den ausländischen Arbeitnehmer auf Billigkeitmaßnahmen der Steuerverwaltung im Einzelfall zu verweisen. Im übrigen hat der Gerichtshof in dem bereits genannten Urteil Biehl ein entsprechendes Vorbringen der luxemburgischen Steuerverwaltung zurückgewiesen.
58 Aus alledem folgt, daß Artikel 48 des Vertrages die verfahrensrechtliche Gleichbehandlung gebietsfremder Gemeinschaftsangehöriger mit gebietsansässigen Inländern vorschreibt. Die Weigerung, die für gebietsansässige Inländer bestehenden Jahresausgleichsverfahren auf gebietsfremde Gemeinschaftsbürger anzuwenden, stellt eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung dar.
59 Deshalb ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß Artikel 48 des Vertrages so auszulegen ist, daß er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Bereich der direkten Steuern entgegensteht, die Verfahren wie den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Einkommensteuerveranlagung durch die Verwaltung nur für Gebietsansässige vorsehen und natürliche Personen, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dort jedoch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, davon ausschließen.
Kostenentscheidung
Kosten
60 Die Auslagen der dänischen, der deutschen, der griechischen, der französischen und der niederländischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 14. April 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1) Artikel 48 EWG-Vertrag ist so auszulegen, daß er das Recht eines Mitgliedstaats, die Voraussetzungen und die Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats erzielten Einkünfte festzulegen, insoweit einschränken kann, als er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Rechts auf Freizuegigkeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, bei der Erhebung der direkten Steuern schlechter zu behandeln als einen eigenen Staatsangehörigen, der sich in der gleichen Lage befindet.
2) Artikel 48 des Vertrages ist so auszulegen, daß er der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, in dem er auch wohnt, und der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, höher besteuert wird als ein Arbeitnehmer, der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates wohnt und dort die gleiche Beschäftigung ausübt, wenn wie im Ausgangsverfahren der Staatsangehörige des zweitgenannten Mitgliedstaats sein Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus der Beschäftigung erzielt, die er im ersten Mitgliedstaat ausübt, und im zweitgenannten Mitgliedstaat keine ausreichenden Einkünfte erzielt, um dort einer Besteuerung unterworfen zu werden, bei der seine persönliche Lage und sein Familienstand berücksichtigt werden.
3) Artikel 48 des Vertrages ist so auszulegen, daß er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Bereich der direkten Steuern entgegensteht, die Verfahren wie den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Einkommensteuerveranlagung durch die Verwaltung nur für Gebietsansässige vorsehen und natürliche Personen, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dort jedoch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, davon ausschließen.