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EuGH, 08.03.2011 - C-240/09

Daten
Fall: 
Lesoochranárske zoskupenie / Braunbär
Fundstellen: 
NVwZ 2011, 673
Gericht: 
Europäischer Gerichtshof
Datum: 
08.03.2011
Aktenzeichen: 
C-240/09
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Umwelt - Übereinkommen von Aarhus - Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten - Unmittelbare Wirkung.

Parteien

In der Rechtssache C‑240/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Najvyšší súd Slovenskej republiky (Slowakei) mit Entscheidung vom 22. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2009, in dem Verfahren

Lesoochranárske zoskupenie VLK
gegen
Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky

erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), K. Schiemann und D. Šváby, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Lesoochranárske zoskupenie VLK, vertreten durch I. Rajtáková, advokátka,
– der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und B. Klein als Bevollmächtigte,
– der griechischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiadis und T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,
– der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz, D. Krawczyk und M. Nowacki als Bevollmächtigte,
– der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski und M. Pere als Bevollmächtigte,
– der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth und J. Stratford als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juli 2010
folgendes
Urteil

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (ABl. L 124, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Lesoochranárske zoskupenie VLK (im Folgenden: Zoskupenie), einem nach slowakischem Recht gegründeten Verein mit dem Zweck des Umweltschutzes, und dem Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky (Umweltministerium der Slowakischen Republik, im Folgenden: Ministerstvo životného prostredia) über den Antrag des Vereins, an Verwaltungsverfahren über die Genehmigung von Ausnahmen von der Schutzregelung für Arten wie den Braunbären, über den Zugang zu Naturschutzgebieten und über die Verwendung chemischer Produkte in solchen Gebieten beteiligt zu werden.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

3. Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus bestimmt:

„(1) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat.

Nach Absatz 1 getroffene endgültige Entscheidungen sind für die Behörde, die über die Informationen verfügt, verbindlich. Gründe werden in Schriftform dargelegt, zumindest dann, wenn der Zugang zu Informationen nach diesem Absatz abgelehnt wird.

(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.
…“

4. Art. 19 Abs. 4 und 5 des Übereinkommens von Aarhus bestimmt:

„(4) Jede in Artikel 17 genannte Organisation, die Vertragspartei dieses Übereinkommens wird, ohne dass einer ihrer Mitgliedstaaten Vertragspartei ist, ist durch alle Verpflichtungen aus dem Übereinkommen gebunden. Ist ein Mitgliedstaat oder sind mehrere Mitgliedstaaten einer solchen Organisation Vertragspartei des Übereinkommens, so entscheiden die Organisation und ihre Mitgliedstaaten über ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen. In diesen Fällen sind die Organisation und die Mitgliedstaaten nicht berechtigt, die Rechte aus dem Übereinkommen gleichzeitig auszuüben.

(5) In ihren Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs‑ oder Beitrittsurkunden erklären die in Artikel 17 genannten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen erfassten Angelegenheiten. Diese Organisationen teilen dem Verwahrer auch jede wesentliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.“

Unionsrecht

5. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a) alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

b) jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs‑, Aufzucht‑, Überwinterungs‑ und Wanderungszeiten;

c) jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

d) jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs‑ oder Ruhestätten.“

6. Ferner bestimmt Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie:

„Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

a) zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;

b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;

c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;

e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.“

7. In Anhang IV der Habitatrichtlinie, der streng zu schützende Tier‑ und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse betrifft, ist u. a. die Art „Ursus arctos“ aufgeführt.

8. Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, S. 26) heißt es:

„Am 25. Juni 1998 unterzeichnete die Europäische Gemeinschaft das Übereinkommen der UN-Wirtschaftskommission für Europa über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (‚Übereinkommen von Aarhus‘). Die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts müssen im Hinblick auf den Abschluss des Übereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft mit dem Übereinkommen übereinstimmen.

9. Art. 6 der Richtlinie 2003/4 setzt Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens von Aarhus um und übernimmt nahezu unverändert dessen Bestimmungen.

10. Die Erwägungsgründe 5, 9 und 11 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156, S. 17) lauten:

„(5) Die Gemeinschaft hat am 25. Juni 1998 das UN/ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (‚Århus-Übereinkommen‘) unterzeichnet. Damit die Gemeinschaft dieses Übereinkommen ratifizieren kann, sollte das Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß an dieses Übereinkommen angeglichen werden.

(9) Artikel 9 Absätze 2 und 4 des Århus-Übereinkommens sieht Bestimmungen über den Zugang zu gerichtlichen oder anderen Verfahren zwecks Anfechtung der materiell‑ und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen in Fällen vor, in denen gemäß Artikel 6 des Übereinkommens eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist.

(11) Die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten [ABl. L 175, S. 40] und die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung [ABl. L 257, S. 26] sollten geändert werden, um ihre vollständige Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Århus-Übereinkommens, insbesondere mit Artikel 6 und Artikel 9 Absätze 2 und 4, sicherzustellen.“

11. Mit Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35 werden in die Richtlinie 85/337 ein Art. 10a und in die Richtlinie 96/61 ein Art. 15a eingefügt, um Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens von Aarhus umzusetzen, dessen Bestimmungen in diesen Vorschriften nahezu unverändert übernommen werden.

12. In den Erwägungsgründen 4 bis 7 des Beschlusses 2005/370 heißt es:

„(4) Gemäß dem Übereinkommen von Aarhus muss eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration in ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, wie weit sie in Bezug auf die durch das Übereinkommen erfassten Angelegenheiten zuständig ist.

(5) Nach dem Vertrag, insbesondere nach Artikel 175 Absatz 1, ist die Gemeinschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten befugt, internationale Übereinkünfte zu schließen und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen nachzukommen, die zur Verfolgung der in Artikel 174 Absatz 1 des Vertrags genannten Ziele beitragen.

(6) Die Gemeinschaft und die meisten ihrer Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen von Aarhus 1998 unterzeichnet und sich seither darum bemüht, eine Genehmigung des Übereinkommens herbeizuführen. In der Zwischenzeit sind einschlägige Rechtsvorschriften der Gemeinschaft bereits mit dem Übereinkommen in Einklang gebracht worden.

(7) Das in Artikel 1 des Übereinkommens von Aarhus dargelegte Ziel dieses Übereinkommens steht mit den Zielen der Umweltpolitik der Gemeinschaft nach Artikel 174 des Vertrags in Einklang; demgemäß hat die Gemeinschaft, die gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten zuständig ist, bereits einen umfassenden – und sich weiterentwickelnden – Bestand von Rechtsvorschriften angenommen, der nicht nur durch die eigenen Organe der Gemeinschaft, sondern auch durch die öffentlichen Behörden in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zur Erreichung des Ziels des Übereinkommens beiträgt.“

13. Art. 1 des Beschlusses 2005/370 bestimmt:

„Das UN/ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (nachstehend ‚Übereinkommen von Aarhus‘ genannt) wird im Namen der Gemeinschaft genehmigt.“

14. In ihrer gemäß Art. 19 Abs. 5 des Übereinkommens von Aarhus abgegebenen, dem Beschluss 2005/370 beigefügten Erklärung über ihre Zuständigkeit hat die Gemeinschaft insbesondere angegeben, „dass die Umsetzung der aus Artikel 9 Absatz 3 des Übereinkommens erwachsenden Verpflichtungen nicht in vollem Umfang unter die geltenden Rechtsakte fällt, da diese sich auf verwaltungsbehördliche und gerichtliche Verfahren beziehen, mit denen die von Privatpersonen und von den Einrichtungen nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d, bei denen es sich nicht um die Organe der Europäischen Gemeinschaft handelt, vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen angefochten werden, und dass demzufolge ihre Mitgliedstaaten für die Erfüllung dieser Verpflichtungen zum Zeitpunkt der Genehmigung des Übereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft zuständig sind und auch dafür zuständig bleiben werden, es sei denn, dass – bzw. bis –die Gemeinschaft in Ausübung ihrer Zuständigkeiten nach dem EG-Vertrag Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zur Umsetzung dieser Verpflichtungen annimmt“.

15. Mit den Art. 10 bis 12 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13) wird der Zweck verfolgt, gemäß Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus den Zugang von Nichtregierungsorganisationen zu Gerichten im Hinblick auf Verwaltungsakte und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Union zu gewährleisten.

Slowakisches Recht

16. Nach § 82 Abs. 3 des im Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Gesetzes Nr. 543/2002 über den Schutz der Natur und der Landschaft in seiner geänderten Fassung (zákon č. 543/2002 Z. z. o ochrane prírody a krajiny) wird eine rechtsfähige Vereinigung als „Beteiligte“ an einem oder mehreren Verwaltungsverfahren im Sinne dieser Bestimmung angesehen, wenn ihr Tätigkeitsgegenstand seit mindestens einem Jahr der Schutz der Natur und der Landschaft ist und sie schriftlich innerhalb der in diesem Paragrafen vorgesehenen Frist ihre Beteiligung an dem entsprechenden Verfahren erklärt. Die Stellung als „Beteiligte“ gibt ihr das Recht, von allen anhängigen Verwaltungsverfahren betreffend den Schutz der Natur und der Landschaft informiert zu werden.

17. Nach § 15a Abs. 2 des Gesetzbuchs über das Verwaltungsverfahren (Správny poriadok) hat ein „Beteiligter“ das Recht, über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens informiert zu werden, die von den Parteien des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Unterlagen einzusehen, an der Anhörung und der Einnahme eines Augenscheins an Ort und Stelle teilzunehmen, Beweise anzuregen und Ergänzungen der Grundlage für die Entscheidung vorzuschlagen.

18. Nach § 250 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (Občiansky súdny poriadok) ist Kläger eine natürliche oder juristische Person, die von sich selbst behauptet, als Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens durch die Entscheidung oder das Vorgehen der Verwaltungsbehörde in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Klage erheben kann auch eine natürliche oder juristische Person, die am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt war, obwohl sie hätte beteiligt werden müssen.

19. Nach § 250m Abs. 3 der Zivilprozessordnung sind Beteiligte am Verfahren diejenigen, die dies im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde waren, und die Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung überprüft wird.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

20. Das Zoskupenie wurde über mehrere Verwaltungsverfahren informiert, die von Jagdvereinigungen oder anderen Personen veranlasst worden waren und die Gewährung von Ausnahmen von der Schutzregelung für Arten wie den Braunbären, den Zugang zu Naturschutzgebieten und die Verwendung chemischer Produkte in solchen Gebieten betrafen.

21. Das Zoskupenie beantragte daraufhin beim Ministerstvo životného prostredia, an dem Verwaltungsverfahren betreffend die Gewährung dieser Ausnahmen oder Genehmigungen beteiligt zu werden, und berief sich dazu auf das Übereinkommen von Aarhus. Das Ministerstvo životného prostredia lehnte den Antrag ab und wies den anschließend vom Zoskupenie hiergegen eingelegten verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelf zurück.

22. Das Zoskupenie erhob daraufhin Klage gegen diese beiden Entscheidungen und trug dafür insbesondere vor, dass die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus unmittelbare Wirkung hätten.

23. In diesem Kontext hat der Najvyšší súd Slovenskej republiky beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Kann Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus vom 25. Juni 1998, insbesondere seinem Abs. 3, unter Berücksichtigung des von diesem völkerrechtlichen Übereinkommen verfolgten Hauptziels, nämlich die klassische Konzeption der Aktivlegitimation dadurch zu verändern, dass die Stellung eines Verfahrensbeteiligten auch der Öffentlichkeit bzw. der interessierten Öffentlichkeit eingeräumt wird, die unmittelbare Anwendbarkeit („self-executing effect“) eines völkerrechtlichen Vertrags zuerkannt werden, wenn die Europäische Union nach ihrem Beitritt zu diesem völkerrechtlichen Vertrag am 17. Februar 2005 bis heute keine Gemeinschaftsvorschriften zur Umsetzung dieses Übereinkommens in die Gemeinschaftsrechtsordnung erlassen hat?

2. Kann Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus, insbesondere seinem Abs. 3, nachdem er bereits Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, die unmittelbare Anwendbarkeit oder die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zuerkannt werden?

3. Bei Bejahung der ersten oder der zweiten Frage: Kann Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus unter Berücksichtigung des mit diesem völkerrechtlichen Vertrag verfolgten Hauptziels dahin ausgelegt werden, dass unter den Begriff „von Behörden vorgenommene Handlungen“ auch die Handlung zu fassen ist, die im Erlass einer Entscheidung besteht, mit der Folge, dass die Möglichkeit des Zugangs der Öffentlichkeit zum gerichtlichen Verfahren auch das Recht umfasst, die Entscheidung der Behörde anzufechten, deren Rechtswidrigkeit sich auf die Umwelt auswirkt?

24. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2009 ist der Antrag des vorlegenden Gerichts, die vorliegende Rechtssache dem in Art. 104a Abs. 1 der Verfahrensordnung vorgesehenen beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, abgelehnt worden.

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

25. Die polnische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs tragen vor, dass die Fragen nur insoweit zulässig seien, als sie die Bestimmungen in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus beträfen, und im Übrigen unzulässig seien, da die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehe.

26. Zur Beantwortung dieser Argumentation genügt die Feststellung, dass sich die vorgelegten Fragen im Wesentlichen nur auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus beziehen und die anderen Absätze dieses Artikels nicht betreffen.

27. Daher besteht für den Gerichtshof kein Anlass, die vorgelegten Fragen deshalb teilweise für unzulässig zu erklären, weil sie andere Bestimmungen als die in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus beträfen.

Zur ersten und zur zweiten Frage

28. Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Einzelne und insbesondere Umweltschutzvereinigungen aus dem Unionsrecht – insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, von dem das vorlegende Gericht wissen möchte, ob er unmittelbare Wirkung hat – eine Aktivlegitimation ableiten können, wenn sie eine Entscheidung anfechten möchten, mit der von einer Umweltschutzregelung wie derjenigen, die mit der Habitatrichtlinie zugunsten einer in ihrem Anhang IV verzeichneten Art geschaffen wurde, abgewichen wird.

29. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 300 Abs. 7 EG „[d]ie nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen … für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich [sind]“.

30. Das Übereinkommen von Aarhus ist von der Gemeinschaft unterzeichnet und sodann mit dem Beschluss 2005/370 genehmigt worden. Nach ständiger Rechtsprechung sind deshalb die Vorschriften dieses Übereinkommens fortan integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. entsprechend u. a. Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 36, und vom 30. Mai 2006, Kommission/Irland, C‑459/03, Slg. 2006, I‑4635, Randnr. 82). Im Rahmen dieser Rechtsordnung ist demnach der Gerichtshof dafür zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Übereinkommens zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 30. April 1974, Haegeman, 181/73, Slg. 1974, 449, Randnrn. 4 bis 6, und vom 30. September 1987, Demirel, 12/86, Slg. 1987, 3719, Randnr. 7).

31. Da das Übereinkommen von Aarhus von der Gemeinschaft und allen ihren Mitgliedstaaten aufgrund einer geteilten Zuständigkeit geschlossen wurde, ist folglich der Gerichtshof, wenn er gemäß den Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere Art. 234 EG, angerufen wird, dafür zuständig, die von der Union übernommenen Verpflichtungen von denjenigen abzugrenzen, für die allein die Mitgliedstaaten verantwortlich bleiben, und die Vorschriften des Übereinkommens von Aarhus auszulegen (vgl. entsprechend Urteile vom 14. Dezember 2000, Dior u. a., C‑300/98 und C‑392/98, Slg. 2000, I‑11307, Randnr. 33, und vom 11. September 2007, Merck Genéricos – Produtos Farmacêuticos, C‑431/05, Slg. 2007, I‑7001, Randnr. 33).

32. Sodann ist zu klären, ob die Union in dem von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus erfassten Bereich ihre Zuständigkeiten ausgeübt und Vorschriften über die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen erlassen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, unterlägen die sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus ergebenden Verpflichtungen weiterhin dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. In diesem Fall wäre es Sache der Gerichte dieser Staaten, auf der Grundlage des nationalen Rechts zu bestimmen, ob sich Einzelne unmittelbar auf die diesen Bereich regelnden Normen dieses völkerrechtlichen Vertrags berufen können bzw. ob diese Gerichte verpflichtet sind, sie von Amts wegen anzuwenden. Das Unionsrecht gebietet es in diesem Fall nämlich nicht, schließt es aber auch nicht aus, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats den Einzelnen das Recht zuerkennt, sich unmittelbar auf die entsprechende Norm zu berufen, oder die Gerichte verpflichtet, diese von Amts wegen anzuwenden (vgl. entsprechend Urteile Dior u. a., Randnr. 48, sowie Merck Genéricos – Produtos Farmacêuticos, Randnr. 34).

33. Sollte hingegen festgestellt werden, dass die Union ihre Zuständigkeiten ausgeübt und Vorschriften in dem von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus erfassten Bereich erlassen hat, fände das Unionsrecht Anwendung, und es wäre Sache des Gerichtshofs, zu bestimmen, ob die Norm des in Rede stehenden völkerrechtlichen Vertrags unmittelbare Wirkung hat.

34. Es ist daher zu prüfen, ob die Union in dem speziellen Bereich, zu dem Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus gehört, ihre Zuständigkeit ausgeübt und Vorschriften über die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen erlassen hat (vgl. entsprechend Urteil Merck Genéricos – Produtos Farmacêuticos, Randnr. 39).

35. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Union im Umweltbereich gemäß Art. 175 EG in Verbindung mit Art. 174 Abs. 2 EG über eine ausdrückliche Außenkompetenz verfügt (vgl. Urteil Kommission/Irland, Randnrn. 94 und 95).

36. Außerdem ist der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass eine spezielle Frage, zu der noch keine Rechtsvorschriften der Union ergangen sind, dem Unionsrecht unterliegt, wenn sie in Übereinkommen geregelt wird, die von der Union und ihren Mitgliedstaaten geschlossen wurden, und einen weitgehend vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Oktober 2004, Kommission/Frankreich, C‑239/03, Slg. 2004, I‑9325, Randnrn. 29 bis 31).

37. Im vorliegenden Fall betrifft der Ausgangsrechtsstreit die Frage, ob eine Umweltschutzvereinigung „Beteiligte“ eines Verwaltungsverfahrens sein kann, das insbesondere die Genehmigung von Ausnahmen von der Schutzregelung für Arten wie den Braunbären betrifft. Diese Art ist in Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie verzeichnet, so dass sie nach Art. 12 dieser Richtlinie einem strengen Schutzsystem unterliegt, von dem nur unter den in ihrem Art. 16 vorgesehenen Voraussetzungen abgewichen werden kann.

38. Daraus folgt, dass der Ausgangsrechtsstreit dem Unionsrecht unterliegt.

39. Zwar hat die Gemeinschaft in ihrer dem Beschluss 2005/370 beigefügten Erklärung nach Art. 19 Abs. 5 des Übereinkommens von Aarhus über ihre Zuständigkeit insbesondere angegeben, „dass die Umsetzung der aus Artikel 9 Absatz 3 des Übereinkommens erwachsenden Verpflichtungen nicht in vollem Umfang unter die geltenden Rechtsakte fällt, da diese sich auf verwaltungsbehördliche und gerichtliche Verfahren beziehen, mit denen die von Privatpersonen und von den Einrichtungen nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d, bei denen es sich nicht um die Organe der Europäischen Gemeinschaft handelt, vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen angefochten werden, und dass demzufolge ihre Mitgliedstaaten für die Erfüllung dieser Verpflichtungen zum Zeitpunkt der Genehmigung des Übereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft zuständig sind und auch dafür zuständig bleiben werden, es sei denn, dass – bzw. bis – die Gemeinschaft in Ausübung ihrer Zuständigkeiten nach dem EG-Vertrag Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zur Umsetzung dieser Verpflichtungen annimmt“.

40. Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, dass der Ausgangsrechtsstreit nicht dem Unionsrecht unterliegt, da eine spezielle Frage, zu der noch keine Rechtsvorschriften der Union ergangen sind, entsprechend den Ausführungen in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils dem Unionsrecht unterliegen kann, wenn sie einen weitgehend vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft.

41. Es spielt insoweit keine Rolle, dass die Verordnung Nr. 1367/2006, mit der die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus umgesetzt werden sollen, nur die Organe der Union betrifft und die Union mit ihr keine Vorschriften über die Erfüllung der sich aus Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens ergebenden Verpflichtungen im Hinblick auf nationale Verwaltungs‑ oder Gerichtsverfahren erlassen hat.

42. Wenn eine Vorschrift sowohl auf Sachverhalte, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen, als auch auf Sachverhalte, die dem Unionsrecht unterliegen, Anwendung finden kann, besteht nämlich ein klares Interesse daran, dass diese Vorschrift unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll, einheitlich ausgelegt wird, um in der Zukunft voneinander abweichende Auslegungen zu verhindern (vgl. u. a. Urteile vom 17. Juli 1997, Giloy, C‑130/95, Slg. 1997, I‑4291, Randnr. 28, und vom 16. Juni 1998, Hermès, C‑53/96, Slg. 1998, I‑3603, Randnr. 32).

43. Daraus folgt, dass der Gerichtshof dafür zuständig ist, die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus auszulegen und insbesondere darüber zu befinden, ob sie unmittelbare Wirkung haben.

44. Eine Bestimmung eines von der Union und ihren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten geschlossenen Übereinkommens hat unmittelbare Wirkung, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Zweck und die Natur dieses Übereinkommens eine klare und präzise Verpflichtung enthält, deren Erfüllung und deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Rechtsakts abhängen (vgl. u. a. Urteile vom 12. April 2005, Simutenkov, C‑265/03, Slg. 2005, I‑2579, Randnr. 21, und vom 13. Dezember 2007, Asda Stores, C‑372/06, Slg. 2007, I‑11223, Randnr. 82).

45. Es ist festzustellen, dass die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus keine klare und präzise Verpflichtung enthalten, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte. Da nur „Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige [im] innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“, Inhaber der in Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens vorgesehenen Rechte sind, hängen die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab.

46. Allerdings wird mit diesen Bestimmungen, auch wenn sie allgemein formuliert sind, darauf abgezielt, die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes zu ermöglichen.

47. Mangels einer einschlägigen Regelung der Union ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht, hier der Habitatrichtlinie, erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei die Mitgliedstaaten für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich sind (vgl. u. a. Urteil vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnrn. 44 und 45).

48. Dabei dürfen nach gefestigter Rechtsprechung die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteil Impact, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49. Daher kann – ohne den effektiven Schutz des Umweltrechts der Union in Frage zu stellen – nicht in Betracht gezogen werden, Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus so auszulegen, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht gewährleisteten Rechte praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde.

50. Daraus folgt, dass der nationale Richter dann, wenn eine mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Habitatrichtlinie geschützte Art betroffen ist, sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auszulegen hat, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus festgelegten Zielen steht.

51. Das vorlegende Gericht hat daher das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation wie dem Zoskupenie zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnr. 44, und Impact, Randnr. 54).

52. Daher ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung hat. Das vorlegende Gericht hat jedoch das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation wie dem Zoskupenie zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.

Zur dritten Frage

53. In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten.

Kosten

54. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde, hat im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung. Das vorlegende Gericht hat jedoch das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzvereinigung wie dem Lesoochranárske zoskupenie zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.