RG, 07.11.1914 - V 235/14

Daten
Fall: 
Grundschulden
Fundstellen: 
RGZ 85, 431
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.11.1914
Aktenzeichen: 
V 235/14
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Dortmund
  • OLG Hamm
Stichwörter: 
  • Abtretung und Verpfändung von Grundschulden.

Was ist erforderlich a) zur Abtretung, b) zur Verpfändung einer Grundschuld, wenn der Grundschuldbrief sich im mittelbaren Besitze des Grundschuldgläubigers befindet? Kann die in § 1205 Abs. 2 erforderliche Anzeige von der Verpfändung an den Besitzer auch durch den Pfandgläubiger erstattet werden? Genügt zur Herstellung des in § 1206 erforderten mittelbaren Mitbesitzes, daß der Besitzer sich dem Pfandgläubiger gegenüber verpflichtet, den Grundschuldbrief nur an ihn und den Eigentümer (Grundschuldgläubiger) gemeinschaftlich herauszugeben?

Sachverhalt

Im Grundbuche von M. war auf dem Blatte eines Grundstücks eine Grundschuld von 25000 M für den Beklagten Hermann W. eingetragen. Dieser hat durch notariell beglaubigte Urkunde vom 31. Dezember 1900 die Grundschuld dem D.er Bankverein verpfändet, der auch den Grundschuldbrief übergeben erhalten hat und besitzt. Der Beklagte W. hat sodann der D.er Handelsbank eine notariell beglaubigte Urkunde vom 3. Oktober ausgehändigt, in welcher er die Grundschuld an die D.er Handelsbank abtritt und die Eintragung der neuen Gläubigerin zum Grundbuche sowie die “Aushändigung der Schuldurkunde" an die neue Erwerberin, die D.er Handelsbank, bewilligt und beantragt.

Die D.er Handelsbank ihrerseits hat der Ein- und Verkaufsgenossenschaft, für welche der Konkursverwalter klagt, eine notariell beglaubigte, vom 29. Oktober 1901 herrührende Urkunde ausgehändigt, in der sie erklärt:

“An die Haupt-Ein- und Verkaufsgenossenschaft D.
Hiermit übernehmen wir Ihnen gegenüber für die Ihnen im Geschäftsverkehr mit uns gelieferten und von uns weiter zu liefernden Akzepte des Herrn Hermann W. Ausfallbürgschaft. Als Sicherheit für die letztere überweisen wir Ihnen den zweiten Anspruch an nachstehend aufgeführten, dem D.er Bankverein an erster Stelle verpfändeten Grundschulden und Hypotheken."...
(Folgt eine Bezeichnung mehrerer Grundschulden, darunter an erster Stelle der hier in Frage stehenden Grundschuld von 25000 M).

Die Ein- und Verkaufsgenossenschaft hat diese Urkunde dem D.er Bankverein “zur Kenntnisnahme" zugesandt. Der D.er Bankverein hat sie ihr zurückgesandt mit einem Schreiben vom 1. November 1901 folgenden Inhalts:

“Die uns heute gesandte Verpfändungsurkunde der D.er Handelsbank geben wir Ihnen hierneben, nachdem wir davon Abschrift genommen haben, zurück. Wir werden demnach die uns von Herrn Herm. W. verpfändeten Grundschuld- resp. Hypothekenbriefe nicht ohne Ihre Genehmigung herausgeben."

Das mit der Grundschuld belastete Grundstück ist zwangsweise versteigert worden. Von dem auf die Grundschuld entfallenden Teile des Erlöses ist in dem Verteilungsverfahren nach Befriedigung des D.er Bankvereins ein Restbetrag hinterlegt geblieben. Der Konkursverwalter hat Klage erhoben auf Auszahlung dieses Betrages an ihn für die E.- und B.genossenschaft. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Die Revision des Konkursverwalters ist zurückgewiesen worden.

Gründe

1. Der klagende Konkursverwalter stützt den Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung des noch hinterlegten Restbetrages von dem auf die Grundschuld von 25000 M entfallenen Teile des Steigererlöses auf ein Pfandrecht an der Grundschuld, das der E. -und B. genossenschaft von der D.er Handelsbank als der Grundschuldgläubigerin bestellt wordenist. Die Beklagten haben bestritten, daß die D.er Handelsbank zur Zeit der Verpfändung der Grundschuld an die E.-und B.genossenschaft, nämlich am 29. Oktober 1901, Gläubigerin der Grundschuld, die für den Beklagten W. im Grundbuch eingetragen war, gewesen sei. Das Berufungsgericht hat aber zugunsten der Klage angenommen, daß die Handelsbank durch die ihr am 3. Oktober 1901 von W. ausgehändigte schriftliche Erklärung des Inhalts, daß er die Grundschuld an sie abtrete und die Eintragung der neuen Gläubigerin zum Grundbuche sowie die Aushändigung der “Schuldurkunde" an die neue Erwerberin bewillige und beantrage, in rechtswirksamer Weise Gläubigerin der Grundschuld geworden sei. Es erblickt in dieser Abtretungserklärung zugleich eine die Übergabe des Grundschuldbriefes, die sich zur Zeit der Abtretung auf Grund erfolgter Verpfändung im Besitze des D.er Bankvereins befand, gemäß §§ 1192, 1154, 1117 Abs. 1 Satz 2, 931 BGB. ersetzende Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe des Grundschuldbriefes an die Erwerberin, und begründet diese Auffassung damit, daß mit der Schuldurkunde naturgemäß nur der Grundschuldbrief gemeint sein könne und daß in der Erklärung der Wille des bisherigen Gläubigers, die D.er Handelsbank solle berechtigt sein, den Grundschuldbrief für sich vom D.er Bankverein herauszuverlangen, ausreichend zum Ausdruck gelangt sei. Mit dieser bedenkenfreien Auslegung der Erklärung setzen sich die Ausführungen des Vertreters des Revisionsbeklagtenzu 2 in Widerspruch, die dahin gehen, daß die Erklärung nur eine Ermächtigung zur Empfangnahme des Grundschuldbriefes gegenüber dem Grundbuchamte enthalten habe. Enthielt also die Erklärung die Abtretung ees dem W. gegen den unmittelbaren Besitzer, den D.er Bankverein, zustehenden Herausgabeanspruchs, so konnte das Berufungsgericht auf Grund der von ihm angeführten Gesetzesvorschriften ohne Rechtsirrtum zu der Annahme gelangen, daß die D.er Handelsbank durch die Abtretung in rechtswirksamer Weise Gläubigerin der Grundschuld geworden ist.

2. Der Berufungsrichter gelangt aber zur Abweisung der Klage, weil er nicht für dargetan hält, daß ein wirksames Pfandrecht der E- und B.genossenschaft an der Grundschuld enstanden sei. Er führt aus, die Urkunde vom 29. Oktober 1901, in der die D.er Handelsbank erklärt, als Sicherheit für die von ihr gegenüber der E.- und B.genossenschaft übernommene Bürgschaft für deren Forderungen an W. dieser “den zweiten Anspruch" an den dem D.er Bankverein verpfändeten Grundschulden und Hypotheken zu “überweisen", enthalte zwar eine ordnungsgemäße Verpfändungserklärung, es fehle aber zur Entstehung des Zweitpfandrechts an dem Nachweise der nach Maßgabe der §§ 1274, 1205 erforderlichen “Ersatzübergabe" des Grundschuldbriefs. Sollte auch vielleicht (was indessen das Berufungsgericht nicht für angängig erachtet) der Inhalt der Urkunde vom 29. Oktober 1901 eine Auslegung dahin zulassen, daß die D.er Handelsbank zugleich ihren Anspruch auf Herausgabe des Briefes gegen den D.er Bankverein für den Fall der Erledigung von dessen Erstpfandrecht an die E-.-und B.genossenschaft abtreten wollte, sodaß eine Übertragung des mittelbaren Besitzes auf sie erfolgt wäre, so fehle doch der Nachweis einer ordnungsgemäßigen Verpfändungsanzeige nach §§ 1274, 1205 Abs. 2 BGB. Diese Anzeige gehöre zu dem das Pfandrecht erzeugenden Tatbestande. Sie hätte von der D.er Handelsbank als der Grundschuldgläubigerin ausgehen, an den D.er Bankverein gerichtet sein und ihren Willen, die Verpfändung gegen sich gelten zu lassen, diesem gegenüber unmittelbar zur Erscheinung bringen müssen. Die Beweisaufnahme ergebe aber nicht, daß die D.er Handelsbankdem D.er Bankverein eine derartige Anzeige gemacht habe. Allerdings könne die Anzeige auch durch den Pfandgläubiger als Vertreter des Verpfänders erfolgen, sofern sich aus den Umständen für den Drittbesitzer zweifelsfrei erkennen lasse, daß siemit Wissen und Willen des Verpfänders und “für diesen" geschehe. Solche Umstände lägen aber hier nicht vor. Die E.-und B. genossenschaft habe vielmehr mit Schreiben vom 1. November 1901 lediglich die Verpfändungsurkunde zur Kenntnisnahme und mit der Bitte übersandt, den Grundschuldbrief nicht ohne ihre Genehmigung an die D.er Handelsbank oder W. herauszugeben, wobei sie offenbar nur in eigenem Namen gehandelt habe. Die Urkunde selsbt richte sich auch inhaltlich nur an di eAdresse der E.-und B.genossenschaft, nicht auch an die des D.er Bankvereins. Das Schreiben vom 1. November 1901 könne deshalb die vorgeschriebene Verpfändungsanzeige nicht ersetzen. In Ermangelung einer unmittelbaren Verfügung des Verpfänders gegenüber dem Drittbesitzer sei es auch unerheblich, ob der D.er Bankverein den Willen der Handelsbank, die Verpfändung gegen sich gelten zu lassen, aus der Verpfändungserklärung entnommen habe.

Mit der Revision ist davon auszugehen, daß die von dem Berufungsgericht ohne Angabe von Gründen lediglich in einem Zwischensatze zum Ausdruck gebrachte Meinung, es sei nicht angängig, den Inhalt der Urkunde vom 29. Oktober 1901 dahin auszulegen, daß die D.er Handelsbank damit zugleich ihren Anspurch auf Herausgabe des Grundschuldbriefs gegen den D.er Bankverein für den Fall der Erledigung von dessen Erstpfandrecht an die E.-und B.genossenschaft abtreten wollte, und es sei deshalb eine Übertragung des mittelbaren Besitzes des Grundschuldbriefes auf die zweite Pfandgläubigerin nicht anzunehmen, keinen Entscheidungsgrund bildet, der das Urteil tragen könnte. Das Berufungsgericht leitet vielmehr, indem es unterstellt, daß eine Übertragung des mittelbaren Besitzes als erfolgt angesehen werden könne, die Nichterfüllung der in § 1205 Abs. 2 für die Entstehung des Pfandrechts an dem Grundschuldbriefe, vorgeschriebenen Form daraus her, daß es an einer Anzeige des Verpfänders an den Besitzer von der Verpfändung fehle. Die Ausführungen des Berufungsgerichts stehen in dieser Beziehung, soweit sei rechtlicher Natur sind, im Einklange mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts insbesondere mit den in dem Berufungsurteil angeführten reichtsgerichtlichen Urteilen vom 5. Juli 1904 VII. 64/04 (Jur. Wochenschr. S.. 485) und RGZ. Bd. 68 S. 278 (281) sowie Bd. 79 S. 306. Richtig ist, was die Revision hervorhebt, daß diese Urteile sich unmittelbar nur auf den Fall der Verpfändung einer Forderung, zu deren Übertragung der Abtretungsvertrag genügt (§ 1280 BGB.), beziehen. Die ihnen zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen treffen aber in nicht minderem Grade auf die in der Form des § 1205 Abs. 2 erfolgende Bestellung eines Pfandrechts an einer im mittelbaren Besitze des Eigentümers befindlichen Sache und somit gemäß §§ 1274, 1154, 1192 BGB. auch auf den hier vorliegenden Fall der Bestellung eines Pfandrechts an einer Grundschuld zu, wenn der Grundschuldbrief sich im mittelbaren Besitze des Grundschuldgläubigers befindet. Auch in diesem Falle wird vom Gesetz außer der Einigung über die Entstehung des Pfandrechts und außer der Übertragung des mittelbaren Besitzes auf den Pfandgläubiger noch erfordert, daß der Eigentümer des Grundschuldbriefs - also der verpfändende Grundschuldgläubiger - die Verpfändung dem (unmittelbaren) Besitzer anzeigt. Die Anzeige hat hier gleichfalls, anders wie in § 409 BGB. die Anzeige von der Abtretung einer Forderung, die Bedeutung eines für die Entstehung des dinglichen Rechtes wesentlichen Tatbestandserfordernisses. Ein Ersatz für die Anzeige dadurch, daß der Pfandgläubiger die Verpfändungsurkunde dem unmittelbaren Besitzer vorlegt, wie dies gemäß § 409 hinsichtlich der Abtretungsurkunde gilt, ist auch hier nicht vorgesehen. Die vom Gesetz aufgestellten Erfordernisse der Entstehung eines Pfandrechts ohne Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Pfandgläubiger haben, wie die Entstehungsgeschichte ergibt,

vgl. Protokolle der II. Kommission Bd. 3 zu § 1147 S. 441 - 443, den Zweck, einen gewissen Ersatz für die Herstellung eines äußeren, das Bestehen des Pfandrechts erkennbar machenden zustandes zu schaffen. Als ein solcher Ersatz wurde namentlich die Anzeitge an den dritten Besitzer angesehen; jedoch nur dann sollte sie genügen, wenn sich an sie die Rechtsfolge knüpft, daß der Besitzer dadurch verpflichtet wird, die Sache dem Pfandgläubiger herauszugeben. Diese Rechtsfolge kann aber nur durch eine von dem Eigentümer ausgehende, an den unmittelbaren Besitzer gerichtete Willenskundgebung herbeigeführt werden. Der Abschluß des Verpfändungsvertrages erzeugt schuldrechtliche Wirkungen, sofern überhaupt solche daraus entstehen, nur zwischen dem Verpfänder und dem Pfandgläubiger. Erst die von dem Verpfänder an den unmittelbarten Besitzer gerichtete Anzeige enthält die Verfügungshandlung, durch welche dieser berechtigt und verpflichtet wird, die Sache statt an den Verpfänder an den Pfandgläubiger herauszugeben. Dieser Verfügungsakt kann dadurch nicht ersetzt werden, daß der unmittelbare Besitzer auf andere Weise von der Verpfändung Kenntnis erlangt.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die erforderliche Kundgebung auch von dem Pfandgläubiger als Vertreter des Eigentümers auf Grund einer ihm von diesem verliehenen Vertretungsmacht erfolgen kann.
Vgl. RGZ. Bd. 79 S. 308.

Es nimmt aber ohne Rechtsirrtum an, daß die E.-und B.genossenschaft, als sie mit dem Schreiben vom 1. November 1901 die Verpfändungsurkunde an den D.er Bankverein sandte, dabei nur im eigenen Namen handeln konnte und gehandelt hat. Wollte man mit der Revision schon in der Ausstellung der Verpfändungsurkunde durch den Eigentümer eine Vollmacht für den Pfandgläubiger zur Erstattung der Anzeige im Namen des Eigentümers erblicken, so würde das Erfordernis einer besonderen, auf das Geltenlassen der Verpfändung gegenüber dem unmittelbaren Besitzer gerichteten Kundgebung des Eigentümers, auf die das Gesetz besonderen Wert legt, wieder ausgeschaltet werden. Daß das Gesetz in der Ausstellung einer solchen Urkunde nicht ohne weiteres eine Vollmacht zu der Anzeige erblickt, ist auch aus § 409 BGB. zu entnehmen, wo die Vorlegung der Abtretungsurkunde als Ersatz für die Anzeige zugelassen ist. Allerdings ist der Eigentümer auf Grund des Verpfändungsvertrages, sofern dieser schuldrechtliche Verpflichtungen zwischen ihm un dem Pfandgläubiger überhaupt erzeugt (was nicht immer der Fall zu sein braucht), verpflichtet, das Nötige zur Entstehung des Pfandrechts zu tun und also die Anzeige entweder selbst oder durch einen Bevollmächtigten zu erstatten. Aber daraus ergibt sich (auch wenn man mit der Revision davon ausgeht, daß er gegenüber dem Pfandgläubiger redlich handeln wollte) nicht, daß er bereits durch die Ausstellung der Verpfändungsurkunde auch der Verpflichtung zur Anzeige der Bestellung des Pfandgläubigers zu seinem Bevollmächtigten hat Genüge leisten wollen. Ein solcher Wille müßte, um für die Entstehung eines dinglichen Rechtes in Betracht kommen zu können, in der Verpfändungsurkunde zu allgemein erkennbaren Ausdruck gekommen sein. Ob der Bankverein auf Grund der Mitteilung der E.-und B.genossenschaft angenommen hat, daß die D.er Handelsbank den Willen gehabt hat, die Verpfändung gegen sich gelten zu lassen, konnte der Berufungsrichtet ohne Rechtsirrtum für unerheblich erklären. Er brauchte deshalb nicht besonders zu erörtern, ob (wie die Revision ausstellt) diese Tatsache sich aus dem Schreiben des Bankvereins an die E.- und B.genossenschaft vom 1. November 1901 ergibt, in welchem der Bankverein erklärt, daß er den Grundschuldbrief nicht ohne Genehmigung der E.- und B.genossenschaft herausgeben werde.

3. Der Berufungsrichtet erörter auch die Frage, ob das Pfandrecht an der Grundschuld für die E.- und B.genossenschaft etwa durch eine den Voraussetzungen des § 1206 BGB. entsprechende Einräumung des Mitbesitzes an dem Grundschuldbriefe zur Entstehung gekommen sei. Auch diese Frage wird von dem Berufungsrichter verneint. Er hält (unter Bezugnahme auf Blanck, 3. Aufl. Bem. 1 b zu § 1206) zur Einräumung des mittelbaren Mitbesitzes im Sinne des § 1206 den Abschluß einer Vereinbarung für erforderlich, durch welche der unmittelbare Besitzer verpflichtet wird, die Sache (den Grundschuldbrief) nur an den Eigentümer und den Pfandgläubiger herauszugeben, eine Vereinbarung, die entweder von dem Eigentümer und dem Pfandgläubiger zusammen oder auch nur von dem Eigentümer allein, zugleich zugunsten des Pfandgläubigers im Sinne des § 328 BGB. mit dem unmittelbaren Besitzer getroffen werde könne. Dagegen sei eine Vereinbarung zwischen dem Pfandgläubigerallein und dme unmittelbaren Besitzer nicht hinreichend zur Entstehung des Pfandrechts, weil, ebenso wie im Falles des § 1205 Abs. 2, erforderlich sei, daß der Eigentümer (Verpfänder) seinerseits seinen Willen, die Verpfändung gegen sich gelten zu lassen, dem Besitzer gegenüber zur Erscheinung bringe. Demzufolge hält der Berufungsrichter nicht für ausreichend, daß im vorliegenden Falle der D.er Bankverein, nachdem die E.-und B.genossenschaft ihm mit Schreiben vom 1. November 1901 die Verpfändungserklärung zur Kenntnisnahme übersandt hatte, ihr mit Schreiben vom gleichen Tage mitgeteilt hat, er werden den Grundschuldbrief ni8cht ohne ihre Genehmigung herausgeben.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen in allen Teilen zu billigen sind.Jedenfalls ist es nicht rechtsirrtümlich und trägt die Entscheidung, daß das Berufungsgericht die Mitteilung des D.er Bankvereins an die E.-und B.genossenschaft, sie werde den Grundschuldbrief nicht ohne Genehmigung der letzteren herausgeben, nicht für hinreichend hält, um die Voraussetzungen des § 1206 BGB.

als erfüllt anzusehen. Allerdings wird in § 1206 nicht, wie in § 1205 Abs. 2, zur Entstehung des Pfandrechts eine Anzeigedes Eigentümers von der Verpfändung an den unmittelbaren Besitzer verlangt. Diese Nichtübereinstimmung der beiden Vorschriften läßt sich daraus erklären, daß die den jetzigen § 1205 Abs. 2 bildende Vorschrift erst durch die Kommission für die zweite Lesung in das Gesetz hineingebracht worden ist, während der § 1206 des Gesetzes schon in § 1147 Abs. 3 des ersten Entwurfs zum Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten war und nur in der Fassung geändert worden ist.
Vgl. § 1147 des ersten Entwurfs - Protl Bd. 3 S. 441, Bd. 6 S. 260; §§ 1114, 1115 II. Entwurf.

§ 1206 erfordert demnach zwar nicht, daß der Eigentümer die Verpfändung dem unmittelbaren Besitzer anzeigt, wohl aber daß er dem Pfandgläubiger den mittelbaren Mitbesitz einräumt, und zwar durch Herstellung eines Verhältnisses, auf Grund dessen der unmittelbare Besitzer die Sache nur an ihn und den Pfandgläubiger gemeinschaftlich herausgeben “kann". Der Ausdruck “kann" ist hier ersichtlich im Sinne einer rechtlichen Befugnis, also eines Dürfens gebraucht.
Vgl. Dernburg, Sachenrecht § 264 Note 9.

In den Motiven zum ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Bd. 3 S. 802) wird dazu ausgeführt, es könne zur Entstehung eines Pfandrechts an beweglichen Sachen nur eine derart qualifizierte Gestaltung der Mitinhabung zugelassen werden, welche eine ummittelbare und selbständige tatsächliche Verfügung des Eigentümers über des Pfand ausschließt und eine solche Verfügung als ein “Wegnehmen" im Sinne des § 289 StGB. erscheinen lasse4n würde; eine solche Gestaltung erblicke der Entwurf in dem gemeinsamen Mitverschlusse oder in der Verwahrung des Pfandes durch einen gemeinsamen “Treuhänder". Ein demgemäß gestalteter Mitbesitz kann, sofern die Sache bisher sich im unmittelberen Besitze des Eigentümers und des Pfandgläubigers mit dem zu bestellenden Treuhänder unter Übergabe der Sache an ihn geschaffen werden. Befindet sich aber die Sache bereits im Besitze eines Dritten, der sie als unmittelbarer Besitzer auf Grund eines der in § 868 bezeichneten Verhältnisse für den Eigentümer besitzt und nach näherer Maßgabe dieses Verhältnisses zur Herausgabe an den Eigentümer verpflichtet ist, so kann das in § 1206 erforderte Verhältnis des Mitbesitzes nur durch eine von dem Eigentümer ausgehende Willenskundgebung, nicht aber dadurch hergestellt werden, daß der unmittelbare Besitzer sich dem Pfandgläubiger gegenüber verpflichtet, die Sache nur an den Eigentümer und ihn gemeinschaftlich herauszugeben. Eine solche Verpflichtungserklärung ist dem Eigentümer gegenüber wirkungslos und ändert nichts an der Befugnis des Eigentümers, die Herausgabe der Sache an ihn allein von dem unmittelbaren Besitzer zu verlangen. Die vom Gesetze für die Entstehung des Pfandrechts als unerläßlich erklärte Ausschließung der alleinigen Verfügungsmacht des Eigentümers über die Sache wird daher auf diese Weise nicht erreicht.

Da somit das Berufungsgericht die Entstehung des Pfandrechts an der Grundschuld für die E.- und B.genossenschaft, welches die Grundlage des von dem Konkursverwalter erhobenen Anspruchs auf Einwilligung der Beklagten in die Auszahlung der aus dem Zwangsversteigerungsverfahren verbliebenen Restmasse an ihn bilden könnte, ohne Rechtsirrtum verneint hat, so mußte die Revision zurückgewiesen werden."

AnhangGröße
RG, 07.11.1914 - V 23514 - RGZ 85, 431.pdf325.94 KB