danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

BGH, 04.06.1974 - VI ZR 68/73

Daten
Fall: 
Persönlichkeitsschutz Verstorbener
Fundstellen: 
afp 1974, 671; DB 1974, 1568; FamRZ 1974, 526; GRUR 1974, 797; MDR 1974, 921; NJW 1974, 1371; VersR 1974, 1080
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
04.06.1974
Aktenzeichen: 
VI ZR 68/73
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • OLG Hamburg

1. Zur Wahrnehmung des Persönlichkeitsschutzes eines Verstorbenen gegen grobe Entstellungen seines Lebensbildes kann seinen Angehörigen auch ein Widerrufsanspruch gegen den Verletzer zustehen (Ergänzung zu BGHZ 50, 133 (Mephisto)).
2. Dagegen können sie wegen solcher Eingriffe in das Ansehen des Verstorbenen vom Verletzer eine Geldentschädigung nicht fordern.

Tatbestand

Der Vater der Kl., Fritz Karl Franz - genannt Fiete Schulze, 1932/1933 leitender Funktionär im "Rotfrontkämpferbund" (RFB) in Hamburg, wurde am 18. März 1935 vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu Hamburg wegen Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit Mord in drei Fällen, versuchtem Mord in 17 Fällen, Mordverbindung, Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz und Anstiftungzum schweren Landfriedensbruch zum Tode verurteilt. Er wurde am 6. Juni 1935 hingerichtet.

In einer Rede am 25. Jahrestag des Stauffenberg-Attentats vom 20. Juli 1944 erwähnte Bundespräsident Dr. Heinemann als Beispiel des Widerstands gegen das NS-Gewaltregime auch Fiete Schulze. Hierüber berichtete die "Deutsche National-Zeitung", deren Herausgeber und Chefredakteur der Bekl. ist, unter der Überschrift: "Heinemanns verbrecherische Vorbilder. Von Graf Stauffenberg zu Fiete Schulze gibt es keine Brücke".

Der mit "Jochen Arp" gezeichnete Artikel gab die Rede in Auszügen wieder, soweit sie Fiete Schulze betraf, und ging auf dessen Lebenslauf und auf seine führende Rolle als KPD-Funktionär bei dem Hamburger Aufstand im Oktober 1923 und im RFB in den Jahren 1932 und 1933 ein. Er berichtete über seine Verhaftung am 16. April 1933 und das Strafverfahren, in dem ihm u. a. Mittäterschaft an den Gewalttaten des RFB in Hamburg vom Februar bis April 1933 zur Last gelegt worden war. Der Artikel legte näher dar, daß Fiete Schulze in der Hauptverhandlung zwar geleugnet habe, der "Politische Leiter" des RFB gewesen zu sein, daß ihn jedoch mehrere Zeugen überführt hätten. Er berichtete über das positive Echo des Urteils im "Hamburger Fremdenblatt" und über kritische Stimmen zu den Taten des Verurteilten aus den Reihen seiner eigenen Partei und hob hervor, daß ein Todesurteil in einem Hochverratsprozeß auch in der damaligen Zeit selten gewesen sei. Sodann hieß es:

"Man ist angesichts dieser Tatsache verwirrt und erschrocken, wie Bundespräsident Heinemann den Killer Fiete Schulze im Zusammenhang mit den Männern des 20. Juli 1944 feiern kann und wie es möglich ist, daß er gar sein Vermächtnis beschwört. Vermutlich hat er nur die,Todesliste Hamburger Widerstandskämpfer und Verfolgter 1933-1945' nachgeschlagen, die 1968 von der,Vereinigten Arbeitsgemeinschaft der Naziverfolgten e. V.' herausgebracht wurde und in der man lesen kann, Fiete Schulze sei lediglich wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen Landfriedensbruch hingerichtet worden. Die Naziverfolgten verschweigen dabei feinfühlig, daß der eigentliche Grund für das Todesurteil die Mordtaten Fiete Schulzes waren. Gleichzeitig aber räumten diese Naziverfolgten auch die letzten Zweifel an der Verantwortlichkeit des Fiete Schulze aus dem Weg, indem sie ihn als,RFB-Leiter Wasserkante' bezeichneten, was er in seinem Prozeß stets geleugnet hat. Aber diese Arbeitsgemeinschaft der Naziverfolgten wird es genau wissen.
Es ist wohl nicht anzunehmen, daß Heinemann in voller Kenntnis der Tatsachen ausgerechnet Fiete Schulze als Vorbild präsentieren wollte. Vermutlich hat ihm irgendjemand aus dem Bundespräsidialamt dieses Zitat untergeschoben. In seinem Bemühen, das Verhältnis zur,DDR' zu entspannen - Heinemann wies nachdrücklich darauf hin, daß die,DDR' eines ihrer Schiffe auf den Namen Fiete Schulze getauft hat -, fiel der greise Bundespräsident auf diesen Trick herein.
Es ist nur zu hoffen, daß das Emporloben des Fiete Schulze nicht bei jenen, die ganz genau Fiete Schulzes Gewalttaten kennen und billigen, als Aufforderung mißverstanden wird, in diesem Stil fortan politische Auseinandersetzungen auszutragen.
Ein offenes Wort des Bundespräsidenten zu seiner Lobpreisung des politischen Mörders Fiete Schulze dürfte angebracht sein."

Die Kl. nimmt den Bekl. auf Widerruf und auf Zahlung eines "Schmerzensgeldes" in Anspruch. Sie hat sich, soweit ihr Vorbringen noch für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist, dagegen gewandt, daß die Person ihres Vaters mit den Wendungen "Heinemanns verbrecherische Vorbilder", "Mörder" und "Killer" in Verbindung gebracht worden ist, und geltend gemacht: Das Wirken ihres Vaters lasse sich nicht als kriminell bezeichnen. Die angeblichen Gewalttaten des RFB seien als Aktionen des Widerstands gegen die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ebenso berechtigt gewesen, wie das von Graf Stauffenberg unternommene Attentat. Fiete Schulze sei an den Tötungen nicht beteiligt gewesen. Er sei damals nicht der Leiter des RFB gewesen, sondern habe ab Herbst 1932 als Mitglied der Bezirksleitung der KPD auf dem Gebiet der Propaganda, später als verantwortlicher Leiter für die Organisation des Widerstands gegen die SA gearbeitet. Dabei habe er durchgesetzt, daß die Auseinandersetzung allein auf geistiger Ebene geführt werde. Erst von Mitte Februar 1933 ab habe er sich für den "wehrhaften Abwehrkampf" als Defensivmaßnahmen eingesetzt. Militärischer Führer des RFB sei Andree gewesen; diesen habe ihr Vater nach außen zu decken gesucht. Die gegenteiligen Feststellungen in jenem Urteil des Strafsenats seien auf Aussagen von Spitzeln und zweifelhaften Zeugen gestützt. Ihren Vater habe das Gericht nur deshalb mit den Gewaltaktionen des RFB unter Beugung des Rechts belastet, um einen politischen Gegner durch ein Todesurteil zu beseitigen.

Die Kl. hat zuletzt beantragt, den Bekl. zum Widerruf der beanstandeten Äußerungen und zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 4 000 DM zu verurteilen.

Tenor

Das LG hat den Bekl. verurteilt, die Behauptung zu widerrufen, Fiete Schulze sei ein "Killer" gewesen, im übrigen aber die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben.
Die Revision der Kl. wurde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Das BerG läßt unerörtert, ob der Bekl., der den beanstandeten Presseartikel nicht selbst verfaßt haben will, passiv legitimiert ist, wie das LG angenommen hat. Doch entspricht es allgemeinen Rechtsgrundsätzen, daß der Bekl., in dessen Händen die Gestaltung der Zeitung lag, und der als Herausgeber und Verleger die publizierten Beiträge maßgeblich bestimmte, als "Herr der Zeitung" für das Widerrufsverlangen der richtige Bekl. ist (vgl. BGHZ 3, 270, 275 f.; 14, 163, 174 mit weiteren Nachw.; Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70 = insoweit nicht in BGHZ 57, 325 abgedruckt).

2. Das BerG geht davon aus, daß die Kl. den Widerruf von Behauptungen verlangen kann, durch die das Lebensbild ihres Vaters in der Öffentlichkeit in grober Weise entstellt wird. Diesem Standpunkt ist zuzustimmen. Insoweit treffen für den Widerrufsanspruch dieselben Erwägungen zu, aus denen der BGH einen Unterlassungsanspruch der nächsten Angehörigen eines Verstorbenen zum Schutz gegen Angriffe auf seinen Achtungsanspruch bejaht hat (BGHZ 15, 250, 259; 50, 133, 136 ff.; vgl. auch BVerfGE 30, 173, 194). Es besteht kein sachlicher Grund, in den Grenzen, die der I. Zivilsenat in dem Urteil BGHZ 50, 133, 136 ff. für den Persönlichkeitsschutz eines Verstorbenen und seine Wahrnehmung durch die Angehörigen erwogen hat, zwar einen Unterlassungsanspruch zur Abwehr künftiger Persönlichkeitsverletzungen zuzulassen, einen Widerruf zur Beseitigung geschehener und noch fortwirkender Eingriffe in das Ansehen des Verstorbenen dagegen nicht. Dafür, daß der Verstorbene mit dem Vorgehen seiner Tochter nicht einverstanden gewesen wäre, fehlt es an jedem Anhalt; für das Gegenteil spricht schon, daß er nach den von ihm überlieferten Zeugnissen seine politische Arbeit durch die Kl. fortgeführt hat sehen wollen.

Das BerG hält das Widerrufsverlangen der Kl. jedoch weder unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes noch unter dem der Beseitigung eines fortwirkenden rechtswidrigen Störungszustands für begründet, weil es sich nicht in der Lage sieht, festzustellen, daß die beanstandete Veröffentlichung unwahre Behauptungen enthält.

Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das BerG geht davon aus, daß die beanstandeten Stellen des Artikels in dem Zusammenhang, in dem sie stehen, dem Duchschnittsleser nicht nur den Eindruck vermitteln, das Strafgericht habe, wie hier lediglich berichtet werde, Fiete Schulze als "Mörder" und als "Verbrecher" beurteilt, sondern auch als Vorwurf erscheinen, durch den sich der Verfasser des Artikels mit den Beschuldigungen des Strafurteils identifiziert (BGHZ 57, 325, 329 f. ). Diese tatrichterliche Würdigung ist der Kl. günstig; sie ist nach Lage der Sache auch zutreffend.

Rechtlich fehlerfrei sieht das BerG in den Ausdrücken zunächst eine strafrechtliche Bewertung der Vorgänge, die der Artikel, den Feststellungen des Strafurteils folgend, Fiete Schulze zur Last legt. Soweit es der Kl. um diese Bewertung geht, versagt ihr das BerG den Widerrufsanspruch zu Recht. Nach gefestigter Rechtsprechung kann mit negatorischer oder schadensrechtlicher Begründung der Widerruf nur solcher die Ehre beeinträchtigender Äußerungen erzwungen werden, die auf ihren Wahrheitsgehalt im Beweiswege objektiv überprüft werden können. Bloße Werturteile sind, weil sie nur eine subjektive Meinung wiedergeben, um des Grundrechts der Meinungsfreiheit willen dem Widerrufsverlangen auch dann entzogen, wenn die in ihnen ausgedrückte Kritik dem Betroffenen nicht gerecht wird (Senatsurteile vom 13. Oktober 1964 - VI ZR 167/63 = LM BGB § 1004 Nr. 75 mit weiteren Nachw.; vom 17. November 1964 - VI ZR 181/63 = LM GG Art. 5 Nr. 15; vom 9. November 1965 - VI ZR 276/64 -- LM GG Art. 5 Nr. 21 u. a.; BVerfGE 33, 1, 14 mit weiteren Nachw.). Dieser Grundsatz läßt gerade in solchen Fällen keine Ausnahme zu, wo wie hier in einer öffentlichen Auseinandersetzung Personen und Ereignisse einer Zeit gewürdigt werden, in der überkommene Wertmaßstäbe sich in zum Teil bürgerkriegsähnlichen Zuständen verdunkelt und verwirrt hatten. Daß ihre geschichtlich-politische und rechtsethische Bewertung von der Persönlichkeit des Urteilenden und seinem Standort entscheidend geprägt und "gefärbt" ist, liegt in der Natur der Sache begründet. Würde ihn die Rücksicht auf den Ruf der in dieser Zeit lebenden und handelnden Personen und auf die Gefühle ihrer Angehörigen daran hindern, an dem von ihm vertretenen Standpunkt festzuhalten, so wäre die notwendige geistige Auseinandersetzung um die angerührten, auch für das Gegenwartsverständnis wichtigen Grundfragen von vornherein abgeschnitten, obschon diese nur in der freien Begegnung der Auffassungen vollzogen werden kann.

b) Das BerG findet aber auch in der Bezeichnung des Hingerichteten als "verbrecherisches Vorbild" und als "Mörder" auf Grund des Zusammenhangs, in dem in dem Artikel diese Vorwürfe erhoben und erläutert worden sind, dem Widerruf zugängliche Tatsachenbehauptungen, nämlich dahin, der Vater der Kl. sei in den Jahren 1932 und 1933 im Zuge der Aktionen des RFB an verantwortlicher Stelle an der Tötung von Menschen beteiligt gewesen. Auch dieses Verständnis des BerG ist fehlerfrei.

aa) Hierin erschöpft sich allerdings ihr Tatsachengehalt. Dem BerG ist darin zu folgen, daß durch die beanstandeten Ausdrücke - selbst für einen unkritischen Leser - weder behauptet worden ist, der Verstorbene habe mit eigener Hand getötet, noch, durch die Qualifizierung der Tötungen als sittlich besonders verwerflich, die sich in der Bezeichnung als "Mörder" niederschlägt, ein dem Beweis zugänglicher Tatsachenkern in bezug auf seine Persönlichkeit oder die Beweggründe, Begehungsweise oder Ziele der ihm angelasteten Taten umschrieben worden ist. Die Aktionen des RFB, an denen der Vater der Kl. als (psychischer) Mittäter beteiligt gewesen sein soll, werden durch die Qualifizierung als Mord auch nicht etwa ihrer politischen Motive entkleidet. Denn der politische Mord genießt nach allgemeiner Rechtsauffassung früher wie heute keine strafrechtliche Privilegierung (BGHSt 18, 87, 89, 93 ff.; vgl. dazu ferner Stock, SJZ 1947, 529, 534; Zinn, SJZ 1948, 141 ff.; Radbruch, SJZ 1948, 311; Hanack, JZ 1967, 299 ff.; 329 ff.). Im übrigen hat der beanstandete Artikel die politische Motivation seiner Aktionen des RFB keineswegs in Frage gestellt.

bb) Entgegen der Meinung der Revision sind den hier zu beurteilenden Vorwürfen zusätzliche Tatsachenbehauptungen nicht dadurch unterlegt worden, daß in dem Artikel auch behauptet worden ist, der Verstorbene sei ein "Killer" gewesen. Mit dem LG, das den Bekl. deshalb zum Widerruf dieses Vorwurfs verurteilt hat, ist allerdings anzunehmen, daß die Bezeichnung als "Killer" die gewiß unwahre Behauptung enthielt, der Hingerichtete habe um seines materiellen Vorteils willen Menschen getötet oder töten lassen. Damit ist diese unrichtige Aussage aber nicht zugleich in die Bezeichnung des Hingerichteten als "verbrecherisches Vorbild" und als "Mörder" eingeschlossen. Insoweit ist weder der beanstandeten Ausdrücke eigenständig. Dem Vorwurf "Killer" ist durch die Verurteilung des Bekl., die nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist, abschließend und zureichend begegnet worden.

II.

1. Nach allem kann die Kl. mit ihrem Widerrufsverlangen nur durchdringen, wenn die Behauptung, ihr Vater habe sich an den durch das Strafurteil näher beschriebenen Tötungshandlungen als sogenannter geistiger Mittäter beteiligt, unwahr ist.

a) Zu Recht vertritt insoweit das BerG die Ansicht, daß nicht ausgeräumte Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung zu Lasten der Kl. gehen müssen. Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß die Eigenart des Widerrufsanspruchs dies unumgänglich macht, um auszuschließen, daß jemand durch Richterspruch verpflichtet wird, in der Form des Widerrufs etwas als unwahr zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist (vgl. BGHZ 37, 187, 190; Senatsurteil vom 3. März 1970 - VI ZR 115/68 = MDR 1970, 579, 580 mit weiteren Nachw.). Nichts anderes kann für den Widerruf einer Behauptung in bezug auf einen Verstorbenen gelten. Ausnahmsweise kann ein Widerruf in eingeschränkter Form zumutbar sein, wenn sich die Unwahrheit der Behauptung zwar nicht feststellen läßt, es aber für einen objektiven Beurteiler an ernstlichen Anhaltspunkten für die Wahrheit des Vorwurfs fehlt (BGH-Urteil vom 3. März 1970, a.a.O. mit weiteren Nachw.). Doch ist auch für den Nachweis dieser Voraussetzungen beweisbelastet, wer solchen (abgeschwächten) Widerruf der Behauptung begehrt.

b) Ob die Kl., wie das BerG angenommen hat, angesichts der Feststellungen des Strafurteils mit dem Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen schon deshalb ausgeschlossen ist, weil § 190 Satz 1 StGB einem rechtskräftigen Strafurteil für die Wahrheit einer ehrenkränkenden Behauptung in bestimmtem Umfang Tatbestandswirkungen zuerkennt, kann dahingestellt bleiben. Insbesondere braucht der von der Revision aufgeworfenen Frage nicht nachgegangen zu werden, ob § 190 Satz 1 StGB auch für ein Strafurteil gilt, das wie hier gemäß dem Gesetz vom 24. April 1934 anstelle des Volksgerichtshofs in einem eindeutig "politischen Prozeß" ergangen ist, und welcher Einfluß in diesem Zusammenhang der Verordnung des Präsidenten des Zentral-Justizamts für die britische Zone über die Gewährung von Straffreiheit vom 3. Juni 1947 (VOBl. für die britische Zone, S. 68) zukommt, durch die - von der dort in Art. I § 1 Abs. 3 bezeichneten Ausnahme abgesehen - u. a. Straferkenntnisse ohne weiteres "aufgehoben" worden sind, welche ausschließlich Straftaten betreffen, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 "überwiegend aus Gegnerschaft zum Nationalsozialismus begangen worden sind" (Art. I § 1 Abs. 1; Art. IV § 7 Abs. 1, a.a.O.). Denn jedenfalls wird das Berufungsurteil von der Feststellung des BerG getragen, daß die Kl. weder die Unrichtigkeit des im Strafurteil und in dem beanstandeten Artikel zugrundegelegten Sachverhalts nachgewiesen, noch ernstliche Anhaltspunkte für seine Richtigkeit ausgeräumt hat. Daß die Kl. dieses Beweises gemäß § 190 Satz 1 StGB selbst dann nicht enthoben sein würde, wenn die Anwendung der Straffreiheitsverordnung von 1947 in Betracht zu ziehen wäre, will die Revision offenbar selbst nicht bezweifeln. Die Kl. hat die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Strafurteils nach dieser Verordnung nicht nachgewiesen, vor allem hat sie keine Bescheinigung der Staatsanwaltschaft, wie dies in Art. IV § 7 Abs. 2, a.a.O., vorgesehen ist, über die Aufhebung des Urteils erwirkt. Aber auch wenn sie dem nachgekommen wäre, wäre durch die Aufhebung des Strafurteils zwar die Verurteilung beseitigt, jedoch nicht mit Bindungswirkung für den vorliegenden Zivilprozeß festgestellt, daß den gegen den Hingerichteten erhobenen Vorwürfen jede Tatsachengrundlage gefehlt hat. Die Aufhebung eines Strafurteils durch die Straffreiheitsverordnung von 1947 steht im Anwendungsbereich des § 190 Satz 2 StGB nicht einem Freispruch gleich, dem allerdings durch diese Vorschrift solche Tatbestandswirkungen jedenfalls für einen strafrechtlichen Beleidigungsprozeß zugemessen sind. Denn sie beruht nicht, wie dies bei einem mit einem auf Freispruch lautenden Urteil endenden Strafverfahren der Fall ist, auf einer (neuen) Sachverhaltsfeststellung, so daß die Gefahr divergierender Entscheidungen, denen § 190 StGB in erster Linie vorbeugen will, hier nicht besteht.

2. Zum Wahrheitsgehalt der beanstandeten Behauptungen hat das BerG im wesentlichen ausgeführt: Die ihm vorgelegte, wahrscheinlich echte Kopie des Strafurteils selbst biete keine ausreichende Grundlage für eine verläßliche Beurteilung, ob der von dem Artikel aus dem Urteil übernommene Sachverhalt das damalige Geschehen richtig wiedergebe oder nicht. Die Beweiswürdigung durch den Strafsenat lasse sich heute nicht mehr nachvollziehen, zumal hierfür nur noch die Kopie des Urteils zur Verfügung stehe. Bei einer Analyse der Urteilsgründe erscheine der Schuldspruch nicht unvertretbar, so daß auch von hier aus keine durchgreifenden Bedenken gegen die tatsächlichen Feststellungen sichtbar würden. Die Feststellungen zur psychischen Mittäterschaft des Hingerichteten und zur inneren Tatseite seien ausführlich unter Würdigung seiner Geständnisse, der Zeugenaussagen und Indizien begründet worden. Dabei sei in den Urteilsgründen sogar herausgestellt worden, daß der Strafsenat auch solchen Aussagen einzelner Zeugen mit Vorbehalt begegnen wolle, die den Hingerichteten belastet hätten; auch habe der Strafsenat erkennen lassen, daß er Aussagen, die im Vorverfahren 1933/34 unter dem Einfluß von Gewalt zustandegekommen seien, nur mit großer Vorsicht und nicht als alleinige Erkenntnisgrundlage herangezogen habe. Die in den Strafzumessungsgründen zum Ausdruck gekommene Einstellung des Strafsenats gegen den Kommunismus genüge allein nicht, die (sicherlich berechtigten) Zweifel an der Zuverlässigkeit der Tatsachenfeststellungen derart zu steigern, daß die festgestellten Tatsachen als mit hoher Wahrscheinlichkeit unwahr gelten könnten.

3. Auch gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Ohne Zweifel gaben das Strafurteil und die Umstände, unter denen es zustandegekommen ist, begründeten Anlaß, nicht nur der rechtlichen Würdigung, sondern auch den tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Verurteilung beruhte und auf die es hier allein ankommt, mit allen Vorbehalten zu begegnen. So fällt bei Durchsicht der Gründe des Strafurteils auf, daß für die dem Vater der Kl. angelastete (psychische) Teilnahme an der Erschießung zweier unbeteiligter Passanten bei dem Überfall auf das Adler-Hotel am 21. Februar 1933 bedingter Mordvorsatz angenommen worden ist, ohne daß das Urteil auf die hierzu auch nach damaligem Recht erforderliche Voraussetzung der Billigung auch dieser Tötungen von Unbeteiligten durch den Verurteilten ausdrücklich eingegangen ist. Andererseits kann dem Zusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere seinen Ausführungen zu der Rechtsauffassung des Sondergerichts, das im Jahre 1933 andere Beteiligte an dieser Aktion des RFB nur wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung jener Passanten verurteilt hatte, entnommen werden, daß der Strafsenat von dem Vorliegen auch des Tatbestandsmerkmals der Billigung bei dem Verurteilten ausgegangen ist und es nur versäumt hat, dies ausdrücklich zu erwähnen. Hieraus allein läßt sich jedenfalls der Vorwurf der Rechtsbeugung in bezug auf die Tatsachenfeststellungen nicht herleiten. Auch die Revision hebt hierauf nicht ab.

Entgegen der Meinung der Revision hat das BerG auch nicht verkannt, daß es einer politischen Justiz möglich ist, durch entsprechende Formulierung der Urteilsgründe den Schein des Rechts zu wahren. Ebensowenig wird außer acht gelassen, daß für das Strafverfahren damals zweifellos politische Gesichtspunkte von erheblicher Bedeutung gewesen sind. Auch dies mußte jedoch nicht den Tatrichter zwingen, deshalb von der Unwahrheit der in jenem Verfahren festgestellten Tatsachen auszugehen und demgemäß von dem Bekl. in Umkehr der oben zu II 1a erörterten Beweisgrundsätze den Nachweis zu fordern, daß seine Behauptungen über die Rolle, die der Vater der Kl. bei den Gewalttaten des RFB gespielt haben soll, wahr sind. Der Tatrichter konnte vielmehr auch weiterhin von der Kl. verlangen, den insbesondere aus der Bedeutung dieser Aktionen und der Stellung ihres Vater innerhalb der für sie verantwortlichen Kampforganisation hergeleiteten Feststellungen und Schlußfolgerungen für seine psychische Mittäterschaft durch konkrete Angaben den Boden zu entziehen. Solche Angaben aber hat, wie der Tatrichter zu Recht sagt, der Vortrag der Kl. vermissen lassen. Daher konnte das BerG die Antwort auf die gestellten Fragen im wesentlichen nur in dem Strafurteil selbst suchen; das aber hat es mit fehlerfreier Begründung hierfür als unzureichend angesehen.

Die Kl. konnte den ihr obliegenden Nachweis für ihre Behauptung, daß ihr Vater mit den Gewalttaten des RFB - hier vor allem der Tötung von drei Menschen - nichts zu tun gehabt habe, nicht schon ausreichend dadurch führen, daß sie auf Bestrebungen, ihren Vater als politischen Gegner durch ein Todesurteil zu beseitigen, und auf die politische Einstellung der an seiner Verurteilung beteiligten Richter und ihre Rolle in späteren politischen Strafprozessen sowie auf die damals bestehenden Beschränkungen in der Presseberichterstattung verwies. Das BerG hat seine Zweifel an der Objektivität der an der Verurteilung beteiligten Richter nachdrücklich unterstrichen. Auch dem erkennenden Senat liegt es fern, die damals ergangenen Urteile der Sondergerichte und der für Hochverratsprozesse zuständigen Oberlandesgerichte zu verteidigen und dem auch im Streitfall vorhandenen Verdacht, daß Staatsanwaltschaft und Oberlandesgericht von vornherein auf eine Verurteilung wegen Mittäterschaft an drei (vollendeten) Morden hinaus wollten, nicht das nötige Gewicht beizumessen. Wenn sich aber hier das BerG nach eingehender Auseinandersetzung mit den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen gleichwohl nicht hat entschließen können, sich von der Richtigkeit der Darstellung der Kl. mit der erforderlichen Gewißheit zu überzeugen, so liegt dies auf dem der Revision verschlossenen Gebiet tatrichterlicher Würdigung. Verstöße gegen Sätze der Lebenserfahrung oder gegen Denkgesetze zeigt die Revision nicht auf.

III.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Ausführungen, mit denen das BerG den Anspruch der Kl. auf eine Geldentschädigung wegen der beanstandeten Vorwürfe abgewiesen hat.

1. Grundsätzlich kann zwar bei schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht ein Anspruch auf Geldentschädigung in Betracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1971 - VI ZR 95/70 = NJW 1971, 698 mit weiteren Nachw.; BVerfG Beschluß vom 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 = NJW 1973, 1221). Ein solcher Eingriff kann insbesondere auch in der Verdächtigung als Mörder liegen (Senatsurteile vom 5. Januar 1962 - VI ZR 72/61 = LM BGB § 823 [Ah] Nr. 16; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62 = LM GG Art. 5 Nr. 10). Aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten ihres hingerichteten Vaters kann die Kl. jedoch einen solchen Entschädigungsanspruch nicht herleiten. Dies folgt bereits aus der Funktion der Entschädigung, die dem Betroffenen in erster Linie eine Genugtuung für die ihm zugefügte Verletzung seiner Persönlichkeit verschaffen soll. Diese Funktion könnte eine von den Angehörigen geltend gemachte Entschädigung wegen eines verletzenden Angriffs auf das Ansehen eines Verstorbenen nicht erfüllen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein bei Lebzeiten des in seiner Persönlichkeit Verletzten bereits begründeter Entschädigungsanspruch hinsichtlich der Geltendmachung durch die Erben etwa im Blick auf den in § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken Beschränkungen unterliegt, da die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch hier nicht vorliegen.

2. Aus eigenem Recht stände der Kl. ein Anspruch auf Geldentschädigung nur zu, wenn ihre eigene Persönlichkeitssphäre durch den beanstandeten Artikel unmittelbar betroffen worden wäre. Hieran fehlt es jedoch.

Die Revision meint zwar, die beanstandeten Vorwürfe gegen den Vater der Kl. verletzten "naturgemäß" auch die Ehre seiner Tochter. Doch ist die Veröffentlichung, wie das BerG zutreffend hervorhebt, allein gegen den Vater der Kl. gerichtet; weder die Kl. noch die Familie ihres Vaters ist in dem Artikel erwähnt. Im übrigen hat der erkennende Senat bereits in seinem (zur Veröffentlichung bestimmten) Urteil vom 5. März 1974 - VI ZR 89/73 entschieden, daß selbst aus einer spezifischen Kränkung der Familie als solcher den zu diesem Kreis gehörenden Personen kein eigener Anspruch auf eine Geldentschädigung erwächst. Daß die Kl. als nächste Angehörige befugt ist, die über den Tod hinaus wirkenden Persönlichkeitsrechte ihres Vaters mit einer Unterlassungs- oder Widerrufsklage wahrzunehmen, steht zu der Versagung eines eigenen Anspruchs auf eine Geldentschädigung bei der Verletzung der für sie fremden Persönlichkeitssphäre nicht in Widerspruch.