RG, 14.12.1880 - IVa 381/80

Daten
Fall: 
Lohnbeschlagnahme
Fundstellen: 
RGZ 3, 15
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.12.1880
Aktenzeichen: 
IVa 381/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Stadtgericht Berlin
  • Kammergericht daselbst
Stichwörter: 
  • Lohnbeschlagnahme durch die geschiedene Ehefrau wegen eines im Scheidungsurteil zugesprochenen Verpflegungsanspruchs

Ist die geschiedene Ehefrau berechtigt, wegen des ihr im Scheidungsurteil zugesprochenen Verpflegungsanspruchs den noch nicht eingeforderten Arbeitslohn ihres geschiedenen Ehemannes mit Beschlag belegen zu lassen?

Tatbestand

Die Klägerin hatte zur Deckung des ihr im Scheidungsurteil wider ihren Ehemann zuerkannten Alimentationsanspruchs dessen laufenden Lohn mit Beschlag belegen lassen und demnächst auf Grund exekutiver Überweisung wider den Arbeitgeber eingeklagt. Ihre Klage wurde vom Appellationsrichter abgewiesen und ihre Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Gründe

"Allerdings gründet sich der an Stelle der Abfindung wegen der vereitelten künftigen Erbfolge in den Nachlaß des schuldigen Ehemannes tretende Verpflegungsanspruch der unschuldigen geschiedenen Ehefrau auf ausdrückliche gesetzliche Bestimmung (A.L.R. II. 1. §§. 738 bis 810). Indessen nicht jedem, welcher einen gesetzlichen Verpflegungsanspruch gegen den Lohnvergütungsberechtigten hat, steht die Berechtigung zu, die Lohnforderung des Vergütungsberechtigten ohne Rücksicht darauf, ob der Lohn von jenem bereits eingefordert war oder nicht, mit Beschlag zu belegen; vielmehr ist dieses Recht nur denjenigen gegeben, welche als Familienglieder des Vergütungsberechtigten einen gesetzlichen Alimentationsanspruch haben. Es ist dies in der Nr. 3 des §. 4 des Ges. v. 21. Juni 1869 ausdrücklich ausgesprochen. Eine Ausdehnung dieses Rechtes auf andere Personen, welche gesetzlich vom Vergütungsberechtigten Alimente zu fordern haben, ist nach dem Wortlaute der Nr. 3 des §. 4 und nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes unzulässig. Der Entwurf zu dem Gesetze, wie er dem Reichstage vorgelegt wurde, wollte den Familiengliedern des Schuldners ein Recht auf Beschlagnahme überhaupt nicht bewilligen; er bestimmte im §. 1:

"Arbeitslöhne unterliegen der Beschlagnahme, ohne Unterschied, ob verdient oder nicht, nur insoweit, als der Lohn nicht zum notwendigen Unterhalte des Schuldners und der von diesem nach gesetzlicher Vorschrift zu alimentierenden Familienglieder erforderlich ist."

In weiterem Umfange sollte der Lohn nur wegen Steuern (der jetzigen Nr. 2 des §. 4 entsprechend) beschlagnahmt werden dürfen. Erst bei der Beratung des Entwurfes im Reichstage wurde geltend gemacht, daß es doch den Familiengliedern des Schuldners gestattet werden müsse, den Schuldner zur Erfüllung seiner "wichtigsten und heiligsten Pflichten" zu zwingen. Ein der jetzigen Nr. 3 entsprechendes Amendement wurde angenommen, aber ein weiteres Amendement, gleiches Recht auch anderen gesetzlichen Alimentationsberechtigten, nämlich den unehelichen Kindern, zu gewähren, fand Widerspruch und wurde verworfen, wobei von verschiedenen Seiten hervorgehoben wurde, daß weitere Ausnahmen von der Regel, daß Löhne nicht mit Beschlag belegt werden dürfen, unzulässig erschienen (Drucksachen des Reichstages 1869 II S. 913, 982; Stenogr. Berichte d. Reichstages 1869 III S.588).

Darin aber, daß die Ehefrau durch die richterliche Trennung der Ehe aus der Familie ihres bisherigen Ehemannes scheidet, ist dem Vorderrichter in Beachtung des §. 732 A.L.R. II. 1 beizutreten."