RG, 09.11.1880 - II 251/80
Kann eine Gemeinde, welcher an dem Grundstücke eines ihrer Bürger die Servitut der Wasserleitung aus einer auf demselben entspringenden Quelle zusteht, dem Eigentümer des benachbarten Grundstückes Grabungen nach einer Quelle verbieten, weil infolge hiervon die Quelle im dienenden Grundstücke versiegt?
Tatbestand
Klägerin begehrte, daß Beklagte verurteilt werde, Grabungen nach einer Quelle zu unterlassen, welche dieselbe auf ihrem Grund und Boden vorgenommen hatte; dieses Begehren stützt sie auf die Behauptung, daß auf dem benachbarten Grundstücke eine Quelle entspringe, welche den Einwohnern von B. das nötige Wasser liefere, daß sie überdies durch Rechtstitel, event. 30jährige, auch durch unvordenkliche Verjährung ein Wasserleitungsrecht an dieser Quelle erworben habe, daß solche aber infolge jener Grabungen und dadurch versiege, daß die Beklagte das Wasser nach einem ihr gehörigen Grundstücke leite. - Die Klage ist in beiden Instanzen abgewiesen und die Revision zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen:
Gründe
"Das Eigentum an der streitigen Quelle hat die Klägerin nicht dargethan, wie das Oberlandesgericht ohne Gesetzesverletzung festgestellt hat ...
Im Berufungsurteile ist ferner tatsächlich festgestellt, daß Klägerin weder durch Rechtstitel noch durch Ersitzung oder Verjährung eine Dienstbarkeit an der auf dem Grund und Boden eines Bürgers von B. entspringenden Quelle erworben habe.
Ob die Voraussetzungen des Landrechtsatzes 643 gegeben seien, ist nicht festgestellt; allein selbst wenn der Klägerin, sei es kraft Titels oder Verjährung, sei es infolge gesetzlicher Bestimmung die behauptete Servitut zustände, könnte sie doch vermöge derselben nicht mehr Rechte haben als der Eigentümer des dienenden Grundstückes hat. Diesem steht aber kein Verbot gegen den Nachbar zu, welcher in Ausübung seines Eigentumes (Landrechtsatz 552) auf seinem Grund und Boden Grabungen vornimmt, welche das Versiegen einer Quelle bewirken; darin, daß infolge der Benutzung des Eigentumes nach seinem vollen gesetzlichen Inhalte dem Nachbargute Vorteile entzogen werden, welche ihm bis dahin zu statten kamen, kann ein unerlaubtes Hinübergreifen in das fremde Eigentum nicht erkannt werden. Dies ist ein sowohl in der gemeinrechtlichen wie in der französischrechtlichen Doktrin und Praxis anerkannter Satz. Demnach ist aber auch die in der mündlichen Verhandlung angeregte Frage für den Rechtsstreit ohne Bedeutung, wie weit in Gemäßheit des Landrechtsatzes 641 die Befugnisse des Eigentümers des dienenden Grundstückes reichen würden, wenn der Klägerin nach Maßgabe des Landrechtsatzes 643 das Wasserleitungsrecht zustände, denn nicht jener, sondern der Nachbar hat die Grabung und Ableitung vorgenommen.
Daß der Klägerin weder kraft Rechtstitels noch kraft Verjährung eine Servitut zusteht, durch welche unmittelbar das Eigentum der Beklagten belastet wird, ist gleichfalls unanfechtbar tatsächlich festgestellt. In der mündlichen Verhandlung hat aber der Vertreter der Revisionsklägerin die Landrechtsätze 641. 643 noch deshalb als verletzt bezeichnet, weil die Thatsache keine Berücksichtigung gefunden habe, daß, wie auch in den Urteilsgründen anerkannt sei, die Quelle auf dem
Grund und Boden der Beklagten entspringe, was sich daraus ergebe, daß die Beklagte solche auf ihrem Boden getroffen habe, sie fassen und abgraben, ihre " veines alimentaires" erreichen konnte. Allein die Klage ist nicht dahin begründet und erhoben worden, daß die Beklagte als Eigentümerin der Quelle sich (gegen oder ohne Entschädigung seitens der Klägerin) die gesetzliche Dienstbarkeit des Landrechtsatzes 643 gefallen zu lassen habe; auf diese Frage konnte daher in der Revisionsinstanz nicht eingegangen werden."