RG, 20.09.1880 - Va 435/79
1. Sind die schlesischen Landschaften verpflichtet, betreffs der bei der Kaufgelderbelegung entstehenden Streitigleiten auf den Rechtsweg sich einzulassen?
2. Rechtliche Natur des Amortisationsfonds der schlesischen Landschaften. Verfügungsbefugnis des Besitzers bepfandbriefter Güter über deren Anteil am Amortisationsfonds.
Tatbestand
Das zur notwendigen Subhastation gebrachte Rittergut H. war von der beklagten Landschaft beliehen. Diese liquidierte bei der Kaufgelderbelegung den Gesamtbetrag der Pfandbriefsdarlehne im Betrage von 148980 Mark, und sollte dieser ganze Betrag dem Adjudikatar als Darlehn belassen werden. Kläger erhob Widerspruch bezüglich eines Betrages von 14067 Mark 89 Pf., indem er behauptete, daß der Subhastat, Gutsbesitzer v. Gr., einen so hohen Betrag durch Amortisation getilgt und ihm, dem Kläger, den amortisierten Betrag cediert habe. Demgemäß verlangte er Zahlung von 14067 Mark 89 Pf. aus den Kaufgeldern. Infolge dieses Widerspruchs ist mit der streitigen Masse eine Specialmasse gebildet, und hat der Kläger seinen Anspruch nunmehr klagend geltend gemacht. Die Beklagte hat den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs erhoben und event. den Anspruch des Klägers bestritten, weil dem Subhastaten ein Verfügungsrecht über den bisher amortisierten Betrag überhaupt nicht zugestanden habe.
In erster Instanz ist die Specialmasse dem Kläger, in zweiter Instanz ist sie der Beklagten zugesprochen. Auf Revision des Klägers ist das zweite Erkenntnis bestätigt aus folgenden
Gründe
1.
Die Einrede der Unstatthaftigkeit des Rechtswegs ist verfehlt. Wenn auch die Privilegien der Landschaften durch die neue Gesetzgebung nur soweit beseitigt sind, als sie ausdrücklich aufgehoben worden, so hat doch ein Privilegium der schleichen Landschaften des Inhalts, daß ihre Liquidate im Subhastationsprozesse seitens Dritter im Prozeßwege nicht angefochten werden könnten, niemals bestanden. Ihre Privilegien betreffen vielmehr zunächst nur den Konkurs, indem sie in einen solchen über das Vermögen des Besitzers bepfandbriefter Güter sich nicht einzulassen brauchen. Als Privileg besteht dieses Recht seit der Verordnung vom 28. Dezember 1840 nicht mehr, da nach dieser überhaupt kein Realgläubiger in den Konkurs sich einzulassen verpflichtet ist. Wenn aber das Reskript vom 12. November 1835 (v. Kamptz, Jahrbücher Bd. 46 S. 521) das damalige Privileg auf jedes Liquidationsverfahren ausdehnen will, so findet dasselbe in der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 29. August 1769 Abs. 19, im Reglement vom 9. Juli 1770 T. I T. 1 §§. 6-8, T. III T. 5 §. 36 und im §. 287 A.G.O. I. 50 - den einzigen diese Frage betreffenden Bestimmungen - keine gesetzliche Unterlage. Für die Subhastation bestimmt das Publikandum vom 30. August 1810 (Deklaration von 1824 Nr. LXXXIV) nur, daß dieselbe ohne vorgängiges Erkenntnis gegen den Gutsbesitzer beantragt werden kann. Die sonstigen Privilegien wegen Beitreibung der jährlichen Zahlungen und Überwachung der Güter (vergl. Regulativ von 1858 §. 10) stehen mit dem Rechtsweg in Bezug auf die Liquidation bei der Subhastation in keinem Zusammenhang. Die Beschlüsse von 1846 Nr. X (S. 47) schließen denselben ebensowenig aus. Lediglich innerhalb der landschaftlichen Korporation ist der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen. Dieses trifft also nur auf Streitigkeiten zu, welche zwischen der Korporation und deren Mitgliedern entstehen. Vorliegend aber hat der Subhastat mit dem Zuschlag des Guts aufgehört, Mitglied der Korporation zu sein, und macht auch ein Dritter auf einen Teil des Liquidats der Landschaft Anspruch. In Bezug hierauf kann diesem der Rechtsweg nicht versagt werden. Hierzu kommt, daß die Subhastation nur im gerichtlichen Verfahren nach Vorschrift der Subhastationsordnung vom 15. März 1869 erfolgen konnte und erfolgt ist, und daß Streitigkeiten, welche bei der Kaufgelderbelegung entstehen, nur nach Vorschrift der Subhastationsordnung, mithin nur im ordentlichen Rechtsweg zum Austrag gebracht werden können.
2.
In der Sache selbst behauptet Kläger, zufolge Cessionen vom 25. April 1877 und 29. April 1878, welche er vom Subhastaten erhalten hat, ein Recht auf die Anteile desselben am Amortisationsfonds der Beklagten, welcher auf dem Conto des Subhastaten als Besitzers des bepfandbrieften Ritterguts Heinzendorf angesammelt ist, erlangt zu haben. Ein Anspruch hierauf würde nur dann begründet sein, wenn dem Subhastaten zur Zeit der Cession ein Veräußerungsrecht betreffs des Amortisationsfonds zustand. Derselbe war zwar zur Zeit der Cessionen noch Eigentümer des Guts, da der Verkaufstermin am 30. April 1878 anstand. Aber, abgesehen davon, daß nicht feststeht, aus welchen Zahlungen des Subhastaten der Amortisationsfonds gebildet ist, finden die Grundsätze von der Eigentümerhypothek, Gesetz vom 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb etc. §§. 63-66, auf die Pfandbriefe der schlesischen Landschaft bezüglich des Amortisationsfonds der schlesischen Landschaften keine Anwendung. Die Reglements sind Kontraktsgesetz zwischen den Beteiligten, also zwischen der Landschaft und dem Besitzer des bepfandbrieften Guts. Nach dem am 20. Mai 1839 allerhöchst bestätigten Regulativ von 1839 Art. XXVII und dem am 22. November 1858 bestätigten Regulativ von 1858 §. 16 ist, abweichend von dm Statuten anderer Landschaften, insbesondere der alten Posener, der Anteil jedes Gutsbesitzers an dem Amortisationsfonds ein Zubehör des Guts, welches mit diesem auf jeden neuen Besitzer übergeht. Zwar kann er über denselben in einer näher bestimmten Weise - Wiederbenutzung, s. u. - verfügen. Außerdem kann der Fonds ohne das Gut weder abgetreten, noch aus anderen Titeln von einem Dritten, insbesondere weder von den Hypothekengläubigern, noch sonst im Wege der Exekution in Anspruch genommen oder mit Beschlag belegt werden. Die zulässige Benutzung besteht, wenn, wie vorliegend, der Fonds nicht die Höhe des ganzen Darlehns erreicht hat oder dieses getilgt ist, nur darin, daß der Gutsbesitzer nach Verhältnis seines Pfandbriefsbestandes an alten Pfandbriefen und Pfandbriefen litt. A. einen persönlichen Kredit bei der Landschaft in Anspruch nehmen, und daß er, wenn wenigstens der zehnte Teil seiner Schuld in dem Fonds angesammelt, oder, wenn er wenigstens den zehnten Teil derselben aus anderen Mitteln abgelöst hat, die Abschreibung von der Schuld und die Löschung, oder die Cession ohne die landschaftlichen Privilegien mit der Stelle hinter dem verbleibenden Betrage der Schuld, oder endlich anstatt und in Höhe des angesammelten Betrages ein neues landschaftliches Darlehn ohne neue Abschätzung verlangen kann. Aber auch diese Benutzungsart fällt fort, wenn der Amortisationsfonds Pfandbriefe litt. C. betrifft (Beschlüsse des dreizehnten Generallandtages vom Jahr 1871 I Nr. 9.13, bestätigt durch Allerhöchsten Erlaß vom 22. Januar 1872 (Gesetzsammlung S. 97), Regulativ von 1858 §. 14). In Betracht kommt hier nur der Anspruch auf Cession seitens der Landschaft. Nur wenn diese erfolgt ist, erhält der Gutsbesitzer das Verfügungsrecht, nicht aber über den Amortisationsfonds, sondern über denjenigen Teil des Pfandbriefsdarlehns, welcher cediert ist. Der Anspruch an den Amortisationsfonds ist mit der Cession durch Aufrechnung erloschen, kann daher in diesem Fall nicht mehr Gegenstand einer Cession seitens des Gutsbesitzers sein. Eine Cession des entsprechenden Teils des Pfandbriefdarlehns seitens der Beklagten ist aber nicht behauptet. Die dem Kläger erteilten Cessionen waren danach unzulässig und gegenstandlos. Damit entfällt der von ihm in der Klage geltend gemachte Klagegrund. Denn auch die Behauptung, daß Subhastat das ganze Pfandbriefsdarlehn mit seinen Mitteln vollständig abgelöst habe, nämlich aus den Kaufgeldern für das subhastierte Gut, ist an sich hinfällig. Schon vorher ging ohne weiteres mit dem Zuschlag das Anrecht am Amortisationsfonds auf den Adjudikatar über. Daher konnte, selbst wenn bei der späteren Kaufgelderbelegung die Pfandbriefsschuld durch Zahlung erloschen wäre, dieses doch nichts an den wohlerworbenen Rechten des Adjudikatars an dem Amortisationsfonds ändern. Das in der Audienz der Revisionsinstanz geltend gemachte Argument, der Adjudikatar habe sich mit dem Schaden des Subhastaten bereichert, wenn er den Anspruch auf den Amortisationsfonds miterworben habe, trifft schon deshalb nicht zu, weil das Kaufgeld den Preis nicht nur für das Gut, sondern auch für dessen Zubehörungen, also auch für den Anteil am Amortisationsfonds, darstellt. Bei der Unbegründetheit des Klagegrundes ergiebt sich aber das in der Klage geltend gemachte Widerspruchsrecht gegen die Befriedigung der Beklagten auf das ganze Pfandbriefskapital als völlig haltlos.
In der Replik ändert Kläger die Begründung des Widerspruchsrechts dahin, daß Beklagte auf ihr Pfandbriefsdarlehn durch die Amortisation teilweise befriedigt sei, daher nur den Rest habe liquidieren können, während ihm, dem Kläger, der getilgte Teil durch Cession der Eigentümerhypothek zustehe. Aber auch dieses ist irrig. Nach den vorgedachten landschaftlichen Bestimmungen wirkt die Ansammlung des Amortisationsfonds nicht von selbst ( ipso facto) eine Tilgung der Pfandbriefsschuld in Höhe des Fonds. Vielmehr besteht letzterer als ein selbständiges Aktivum des Gutsbesitzers, wogegen die Pfandbriefsschuld in voller Höhe so lange bestehen bleibt, bis der Betrag des Fonds der Pfandbriefsschuld gleichkommt, und auf Verlangen des Schuldners der Pfandbriefsbestand zur Abstoßung der Pfandbriefsschuld verwendet ist, oder bis eine Aufrechnung in der oben beschriebenen Art stattgefunden hat. Keines von beiden ist der Fall. Vielmehr war Beklagte bei der Kaufgelderbelegung Gläubigerin der ganzen Pfandbriefschulden.