RG, 08.07.1880 - Va 228/79

Daten
Fall: 
Erwerb "gegen Entgelt"
Fundstellen: 
RGZ 2, 258
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.07.1880
Aktenzeichen: 
Va 228/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Wollstein
  • Appellationsgericht Posen

1. Was ist unter einem Erwerb "gegen Entgelt" im Sinne des §. 9 Abs. 2 des Eigentums - Gesetzes vom 5. Mai 1872 zu verstehen?
2. Gehören zu den gegen Entgelt erworbenen Rechten auch Hypotheken, welche zur Sicherung einer Forderung nachträglich bestellt sind, insbesondere Exekutions-Hypotheken und die Rechte aus den Vormerkungen von solchen?

Tatbestand

Im Jahre 1871 wurde zwischen der Klägerin und ihrem nachmaligen Ehemanne die posensche Gütergemeinschaft durch Vertrag ausgeschlossen und dies vorschriftsmäßig bekannt gemacht.

Am 3. März 1876 (während der Ehe) erwarb die Klägerin für sich allein das Grundstück Jablone 285, welches ihr auch aufgelassen wurde. In den bezüglichen Verhandlungen ist ausdrücklich bemerkt, daß sie außer Gütergemeinschaft lebe. Dennoch wurden am 20. April 1876 die Klägerin und ihr Ehemann, beide als Eigentümer des gedachten Grundstückes, ohne Vermerk über den Ausschluß der Gütergemeinschaft im Grundbuche eingetragen.

Im Jahre 1878 erstritt die Beklagte gegen den Ehemann der Klägerin allein eine Alimentenforderung von 756 Mark nebst Zinsen und erwirkte zur Sicherung derselben durch Requisition des Prozeßrichters die Vormerkung einer Exekutionshypothek auf dem fraglichen Grundstücke.

Die Klägerin beantragte nunmehr in der erhobenen Klage, weil sie Alleineigentümerin dieses Grundstückes und ihr Ehemann nur aus einem Versehen mit eingetragen sei, die Beklagte zur Bewilligung der Löschung der bezeichneten Vormerkung zu verurteilen.

Der erste Richter wies die Klage ab, der Appellationsrichter verurteilte die Beklagte nach dem Klageanträge. Das- Reichsgericht hat auf die Nichtigkeitsbeschwerde der letzteren unter Vernichtung des zweiten Erkenntnisses das erste bestätigt aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der §. 9 des Eigentumsgesetzes vom 5. Mai 1872 bestimmt:

"Die Eintragung des Eigentumsüberganges und deren Folgen können nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes angefochten werden.

Es bleiben jedoch die in der Zwischenzeit von dritten Personen gegen Entgelt und im redlichen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuches erworbenen Rechte in Kraft."

Der Appellationsrichter will die letztgedachte Vorschrift auf Hypotheken, welche im Wege der Exekution eingetragen sind, nicht beziehen, weil dieselben nicht freiwillig (vertragsmäßig) bestellt und auch dann nicht als gegen Entgelt erworben anzusehen seien, wenn die ihnen zum Grunde liegende Forderung auf onerosem Titel beruhe.

Diese Auffassung erscheint als rechtsirrtümlich.

Der Absatz 2 des §. 9. a. a. O. handelt nicht bloß von Rechten, welche durch Vertrag erworben sind, sondern ganz allgemein von " erworbenen" Rechten. Daher ist auch der Ausdruck "Entgelt" hier nicht bloß von einer vertragsmäßig bedungenen Gegenleistung, sondern in einem weiteren Sinne zu verstehen.

Wenn die bezeichnete Vorschrift das Inkraftbleiben der Rechte, welche von dem mit Unrecht als Eigentümer Eingetragenen abgeleitet werden, von der Redlichkeit und Entgeltlichkeit des Erwerbes abhängig macht, so stellt sie umgekehrt als Bedingungen für deren Anfechtbarkeit die Unredlichkeit oder Unentgeltlichkeit desselben auf, indem sie der letzteren in dieser Beziehung gleiche Wirkung beilegt, wie der Unredlichkeit.

Unter der Unentgeltlichkeit des Erwerbes ist nun aber die bloße Bereicherung des Erwerbers zu verstehen (vergl. Förster, Grundbuchrecht, Seite 57). Der Ausdruck "Entgelt" bezeichnet also nur den Gegensatz zu der letzteren. Der eigentliche Sinn der fraglichen Bestimmung ist mit anderen Worten der, daß die bloße Bereicherung des Erwerbers ebenso wenig Bestand haben soll, wie der unredliche Erwerb.

Für diese Gleichstellung der Bereicherung mit dem unredlichen Erwerbe spricht auch die Rechtsanalogie, da sie in, ähnlicher Weise vielfach im Rechte wiederkehrt. So wird z. B. im gemeinen Rechte die actio Pauliana nicht blos gegen denjenigen, welcher fraudis conscius ist, sondern ebenso gegen den ex lucrativo titulo L. 5. Cod. de revocandis his 7. 75, und die exceptio doli auch gegen den gutgläubigen Successor ex legati vel donationis causa gegeben, L. 4. §. 29 : Dig de doli mali except 44, 4. Ferner ist im preußischen Rechte nach §. 5 Nr. 2 und §. 7 Nr. 1 und Nr. 3 des Anfechtungsgesetzes vom 9. Mai 1855 neben betrüglichen Rechtshandlungen auch die freigebige Verfügung als anfechtbar bezeichnet, und nach §. 6 des Gesetzes über Erbbescheinigungen vom 12. März 1869 hat der wahre Erbe gegen denjenigen, welcher Rechte von dem in der Bescheinigung bezeichneten falschen Erben ableitet, gleichmäßig einen Anspruch wegen Unredlichkeit und wegen Bereicherung des Erwerbers.

Ähnlich wird auch in §. 9 Abs. 2 des Eigentumsgesetzes mit der Unredlichkeit und Bereicherung dieselbe nachteilige Folge, nämlich der Verlust der von dem fälschlich Eingetragenen abgeleiteten Rechte, verbunden, während diese in dem entgegengesetzten Falle der Redlichkeit oder Entgeltlichkeit des Erwerbes in Kraft bleiben sollen. Daß hier die Wirkung des entgeltlichen, nicht die des unentgeltlichen Erwerbes bezeichnet ist, findet eine natürliche Erklärung darin, daß im Zweifel nicht die Bereicherung, sondern die Entgeltlichkeit des Erwerbes von demjenigen, welcher sich darauf beruft, bewiesen werden muß.

Ein Erwerb gegen Entgelt im Sinne der gedachten Vorschrift ist hiernach immer anzunehmen, wenn derselbe durch eine entsprechende Vermögensverminderung in der Person des Erwerbers aufgewogen wird oder lediglich bezweckt, einen anderen entgeltlichen Erwerb desselben zu sichern.

Daß der Erwerb einer Hypothek für eine entgeltliche Forderung ebenfalls als ein Erwerb gegen Entgelt sich darstellt, versteht sich in dem Falle, wenn sie gleichzeitig mit dieser Forderung konstituiert wird, von selbst.

Nach dem Vorstehenden liegt aber ein entgeltlicher Erwerb selbst in dem nachträglichen Erwerbe einer Hypothek für eine bereits früher gegen Entgelt erworbene Forderung, wenngleich für die Hypothekbestellung eine besondere Gegenleistung nicht gewährt wird. Denn auch in diesem Falle kann von einer bloßen Bereicherung des Erwerbers nicht die Rede sein, weil er durch die nachträglich bestellte Hypothek nur dasjenige sicherer bekommt, was er schon zu fordern hatte. Vergl. von Savigny, System des römischen Rechtes, Band 4 S. 55. Die Forderung und das lediglich accessorische Recht der Hypothek erscheint dabei nur als ein zusammengehöriges, einheitliches Recht und der für die Forderung gewährte Entgelt daher zugleich mit als Entgelt der Hypothek. Der Erwerb der Hypothek ist in diesem Falle ebenso als ein entgeltlicher Erwerb anzusehen, wie die Annahme an Zahlungsstatt, welcher dem Gläubiger noch mehr, nämlich nicht bloß Sicherung sondern Befriedigung gewährt.

Was in dieser Beziehung von vertragsmäßig bestellten Hypotheken gilt, muß nun aber ebenso von Exekutionshypotheken gelten. Denn auch diese sollen dem Gläubiger nur verschaffen, was er ohnehin beanspruchen konnte. Der letztere wird daher durch dieselben, wenn die gesicherte Forderung selbst ein gegen Entgelt erworbenes Recht bildet, ebenfalls nicht bereichert.

Der Appellationsrichter verletzt hiernach die mehrgedachte Vorschrift des Eigentumsgesetzes, wenn er ihre Anwendbarkeit auf Exekutionshypotheken schlechthin verneint. Sein Erkenntnis war deshalb zu vernichten.

In der Sache selbst mußte auf die Appellation der Klägerin das erste, dieselbe abweisende Erkenntnis bestätigt werden.

Der Ehemann der Klägerin war als Miteigentümer des von ihr allein erworbenen Grundstückes eingetragen und die Beklagte hatte infolge dessen wegen einer gegen denselben rechtskräftig erstrittenen Alimentenforderung die Vormerkung einer Exekutionshypothek auf jenem Grundstücke erwirkt.

Wäre nun auch Klägerin als Alleineigentümerin des letzteren nach Absatz 1 des h. 9 a. a. O. zur Anfechtung dieser Vormerkung als einer Folge der zu Unrecht geschehenen Eintragung ihres Ehemannes an sich berechtigt, so ist doch nach Absatz 2 desselben ihre Klage dadurch ausgeschlossen, daß der Erwerb der vorgemerkten Hypothek für ihre Alimentenforderung ebenso, wie der Erwerb der letzteren, als ein entgeltlicher angesehen werden muß und die Unredlichkeit desselben, insbesondere eine Kenntnis der Beklagten vom Ausschluß der Gütergemeinschaft der klagenden Eheleute, von der Klägerin nicht behauptet wird.

Daß nicht die endgültige Eintragung der Hypothek, sondern nur ihre Vormerkung erfolgte, ändert hierin nichts. Denn durch diese wird nach §. 22 des Eigentumsgesetzes für die endgültige Eintragung die Stelle in der Reihenfolge der Eintragungen gesichert. Es entsteht daher durch dieselbe ein bedingtes Recht auf die betreffende Stelle. (Vergl. Dernburg, Preußisches Privatrecht, Bd. 1 §. 322.)

Dieses Recht aber gehört ebenfalls zu den erworbenen Rechten, welche nach §. 9 Absatz 2 des Eigentumsgesetzes unter den daselbst bezeichneten Voraussetzungen in Kraft bleiben."