RG, 01.06.1880 - II 117/80

Daten
Fall: 
Klagen gegen Ausländer bei ausländischem Insolvenzverfahren
Fundstellen: 
RGZ 1, 435
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.06.1880
Aktenzeichen: 
II 117/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mainz
  • OLG Darmstadt

1. Begründet der §. 24 C.P.O. die Zuständigkeit für Klagen gegen einen Ausländer, gegen welchen im Ausland das Konkursverfahren eröffnet ist?
2. Voraussetzungen der Anwendbarkeit des §. 190 C.P.O.

Tatbestand

Die FirmL. & M. reichte bei dem Landgerichte in Mainz eine vom 8. Oktober 1879 datierte Klageschrift gegen S. zum Zwecke der Terminbestimmung mit dem darin enthaltenen Antrage ein, den Beklagten in seiner Eigenschaft als alleinigen Inhaber der zu Brünn unter der Firma S. & M. bestandenen Handlung zur Zahlung einer von geleisteten Vorschüssen herrührenden Summe nebst Zinsen und Kosten zu verurteilen.

Nachdem der Vorsitzende zur Verhandlung Termin bestimmt hatte, richtete die Klägerin am 20. Oktober 1879 an denselben ein Gesuch um Veranlassung der Zustellung der Klage an den Beklagten in Brünn in Gemäßheit der §§. 182 und 185 C.P.O.; diese Zustellung ist am 2. November 1879 erfolgt.

Der Beklagte setzte der Klage die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes entgegen, weil der §. 24 C.P.O., auf welchen sich Klägerin mit Beziehung darauf berief, daß der Beklagte in dem Fallimente von P. in Mainz eine größere Forderung angemeldet habe, gegen Ausländer einen Gerichtsstand nicht begründe, und überdies die angemeldete Forderung infolge gerichtlich bestätigten Zwangsvergleiches mit sämtlichen Aktiven der Firma S. und M. dem Holzhändler E. in Brünn überwiesen sei. Das Landgericht zu Mainz wies diese Einrede ab und bestimmte zur weiteren Verhandlung eine weitere Sitzung. Die von dem Beklagten S. eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zu Darmstadt als unbegründet verworfen, und die gegen dessen Urteil eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Das Oberlandesgericht geht in seinen Entscheidungsgrüuden davon aus, es komme darauf an, ob die von S. bei dem Falliment von P. angemeldete Forderung zur Zeit der Einreichung der Klage, 8. Oktober 1879, noch als Eigentum des S. zu betrachten gewesen sei, und bejaht dies aus dem doppelten Grunde, weil

  1. der Zwangsvergleich vom 10. Juni 1879, wodurch dem E. die Forderung übertragen worden, erst mit Ablauf der vierzehntägigen Berufungsfrist nach dem gerichtlichen Bestätigungsbeschlusse vom 26. September 1879, mithin am 11. Oktober rechtskräftig geworden, und
  2. nach Inhalt des Vergleiches dem E. das gesamte Kridarververmögen erst ausgefolgt werden sollte, sobald er seinerseits die übernommenen Verbindlichkeiten, Zahlung von zehn Prozent und Ausstellung von Wechseln für weitere zehn Prozent, erfüllt haben werde, wofür noch ein weiterer Termin von vierzehn Tagen nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses gegeben gewesen sei.

Die dabei zu Grunde gelegte Voraussetzung, daß der Tag der Einreichung der Klage, 8. Oktober 1879, nach §. 190 C.P.O. maßgebend sei, ist rechtsirrtümlich. Wäre diese Bestimmung anwendbar, so käme doch immer erst der 20. Oktober 1879, der Tag der Überreichung des Gesuches um Veranlassung der Zustellung an den Beklagten, in Betracht; der §. 190 findet aber keine Anwendung, weil es sich im vorliegenden Falle nicht darum handelte, durch die Zustellung eine Frist zu wahren oder den Lauf der Verjährung oder einer Frist zu unterbrechen. Entscheidend ist vielmehr nach §. 230 C.P.O. als Tag der Erhebung der Klage der 2. November 1879, an welchem nach der thatsächlichen Feststellung des Urteiles die Zustellung an den Beklagten in Brünn erfolgt ist.

Damit zerfällt die Grundlage der angegriffenen Entscheidung; denn, daß zur Zeit der Klage der Übergang der Forderung auf E. bereits stattgehabt hätte, wäre hiernach nicht ausgeschlossen. Es kann daher unerörtert bleiben, ob, wie der Revisionskläger behauptet, durch den Gerichtsbeschluß vom 26. September 1879 die Aufhebung des Konkurses endgültig ausgesprochen worden, während die gerichtliche Bestätigung des Zwangsvergleiches bereits am 17. Juni 1879 erfolgt sei, und ob ans der dem Berufungsgericht zur Last gelegten Verkennung der §§. 230, 232 und 235 der österreichischen Konkursordnung vom 25. Dezember 1868 ein Revisionsgrund hergeleitet werden könnte.

Ergeben nun zwar die Entscheidungsgründe eine auf unrichtiger Auslegung des §. 190 C.P.O. beruhende Gesetzesverletzung, so rechtfertigt sich doch die Entscheidung selbst aus anderen Gründen. Der Umstand, daß gegen den Beklagten in Österreich das Konkursverfahren eröffnet worden, steht an sich der Annahme, daß sich im Bezirke des Landgerichtes zu Mainz Vermögen desselben befindet, welches die Zuständigkeit dieses Gerichtes begründet, nach dem auch gegen Ausländer anwendbaren §. 24 C.P.O. in Verbindung mit §. 207 der deutschen Konkursordnung nicht entgegen. Für die Beantwortung der Frage, ob das P.'sche Falliment zur Zeit der Erhebung der Klage, 2. November 1879, nur an G. gültig zahlen konnte oder Dritten, insbesondere Zugriff nehmenden Gläubigern gegenüber, noch Schuldner des S. war, ist aber, wenn auch der Übertrag des Kridarvermögens auf E. in anderen Beziehungen nach österreichischem Recht zu beurteilen sein mag, das am Wohnorte des Schuldners P. geltende inländische Recht, mithin Art. 1690 Code civ. maßgebend. Nun ist nach der vom Berufungsgericht gebilligten, auch von keiner Seite bestrittenen thatsächlichen Feststellung der ersten Instanz der Übertrag der Forderung auf E. erst durch Gerichtsvollziehersakt vom 27. November 1879 dem Syndik des P.'schen Falliments zugestellt worden; mithin gehörte die Forderung an P. zur Zeit der Erhebung der Klage noch dem Beklagten, erscheint also das Landgericht zu Mainz gemäß §. 24 C.P.O. zuständig.

Die Revision war folglich nach §. 526 C.P.O. zurückzuweisen."