RG, 08.05.1880 - I 805/80
Ist die einheimische Verjährungsfrist für Wechsel, welche im Auslande ausgestellt und zahlbar sind, auch dann nicht maßgebend, wenn die Klagverjährung als ein prozessuales Rechtsinstitut betrachtet wird?
Gründe
"Die eingeklagten promissory notes sind - wie auch unter den Parteien nicht streitig ist - als eigne Wechsel zu behandeln. Sie würden daher nach Art. 100 der deutschen Wechselordnung verjährt sein, während sie unbestrittener Maßen nach dem in New-York geltenden Rechte erst in sechs Jahren verjähren und diese Frist noch nicht abgelaufen ist. Da nun die hier fraglichen promissory notes sämtlich in New-York ausgestellt und zahlbar gemacht sind, ist dort der Sitz der eingeklagten Forderung und unterliegt dieselbe dem dort geltenden materiellen Rechte. Nach hiesigem Rechte ist aber auch die Klagverjährung, wie im Einklänge mit den vom Berufungsgerichte allegierten Entscheidungen des O.A.G. zu Lübeck und des Reichsoberhandelsgerichts auch vom Reichsgerichte bereits anerkannt ist (vgl. Entsch. in Zivilsachen Bd. 1 Nr. 51 S. 125 flg.), nicht als ein Institut des Prozesses, sondern des materiellen Rechtes aufzufassen, und die vorigen Richter haben daher mit Recht angenommen, daß die Klagforderung nicht der hiesigen dreijährigen, sondern der in New-York geltenden sechsjährigen Verjährung unterliege.
Diese Nichtanwendung der einheimischen Verjährungsfrist ist auch dann gerechtfertigt, wenn - wie Beklagter behauptet - nach dem in New-York geltenden Rechte, resp. der dort herrschenden Doktrin, die Klagverjährung als ein prozessuales Rechtsinstitut betrachtet werden sollte. Denn dies dürfte den deutschen Richter nicht veranlassen, das deutsche Verjährungsgesetz auf eine Forderung anzuwenden, welche demselben nach den Grundsätzen des deutschen Rechtes nicht unterliegt. Indem der Richter diese letzteren anwendet, macht er sich einer unzulässigen Anwendung ausländischen Prozeß-Rechtes nicht schuldig. Übrigens ist es auch unbegründet, die Klagverjährung in solchen Rechtsgebieten, wo sie ohne Rücksicht auf den Sitz der Obligation stets nach dem am Prozeßorte geltenden Rechte beurteilt wird, schon deshalb als eine prozessuales Institut anzusehen; denn dieser Grundsatz ist vielmehr eine Konsequenz der über die s. g. Kollision der Statuten geltenden Anschauung."