RG, 13.04.1880 - II 45/80
Ursächlicher Zusammenhang des Unfalles mit dem Eisenbahnbetriebe. Höhere Gewalt.
Tatbestand
Der Eisenbahnarbeiter Fr. war beauftragt, zwei eiserne Schienenheber von Schleißheim nach Feldmoching und von da an den nahen Ort, wo Reparaturen an der Eisenbahn vorgenommen werden sollten, zu bringen. Er benutzte zur Fahrt nach Feldmoching einen Eisenbahnzug, und da er an dem Orte, wo die Reparaturen stattfinden sollten, vorüberfuhr, so fand er es bequemer, die Schienenheber sofort hinauszuwerfen, that dies jedoch so unvorsichtig, daß dem auf seinem Posten befindlichen Bahnwärter B. der Fuß zerschmettert wurde. B. wurde in Folge dessen pensioniert, war jedoch mit seinem Pensionsgehalte nicht zufrieden und verlangte volle Schadloshaltung, die ihm auch durch Urteil zweiter Instanz gewährt wurde. Die erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde verworfen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Das Hinauswerfen der Schienenheber aus einem Bahnwagen, welches die in Frage stehende Körperverletzung verursachte, hat nach der thatsächlichen Feststellung des Appellrichters stattgefunden, während sich der Bahnzug mit voller Fahrgeschwindigkeit bewegte, es kann daher nicht bezweifelt werden, daß im allgemeinen die Voraussetzungen gegeben sind, unter welchen ein Unfall als beim Betriebe einer Eisenbahn eingetreten nach §. 1 des Haftpflichtgesetzes anzusehen ist. Nun genügt es allerdings im Sinne dieser Gesetzesbestimmung nicht, daß ein Unfall zeitlich und örtlich mit dem Eisenbahnbetriebe zusammenfällt, vielmehr ist weiter erforderlich, daß derselbe in ursächlichem Zusammenhange stehe mit den dem Eisenbahnbetriebe eigentümlichen Gefahren, allein nach den vorliegenden Umständen, wie sie sich aus den tatsächlichen Feststellungen ergeben, erscheint auch dieses weitere Erfordernis gegeben.
Der Appellrichter hebt mit Recht hervor, daß bei der nur den Eisenbahnen eigenen Schnelligkeit der Bewegung, derjenige, der einen Gegenstand aus einem im Laufe befindlichen Wagen werfe, nicht bemessen könne, wohin er treffe. Es wirkt hierbei teils der Umstand mit, daß während der Handlung des Werfens sich der Ort, von wo der Wurf geschieht, verrückt, teils und hauptsächlich aber der ganz ungewöhnliche und deshalb in der Regel nicht beachtete Umstand, daß infolge der dem geworfenen Gegenstande selbst innewohnenden Bewegung dieser beim Fallen eine schiefe Richtung nimmt und an einem anderen Orte auffällt, als demjenigen, nach dem der Wurf gerichtet war. Die hierdurch begründete außergewöhnliche Gefahr kennzeichnet sich daher allerdings als eine solche, die dem Eisenbahnbetriebe eigentümlich ist.
Hierzu kommt, daß der Unfall durch einen Eisenbahnarbeiter verursacht wurde, der beauftragt war, die Schienenheber zu einer Reparatur an der Eisenbahn zu benutzen. War ihm auch nicht die Weisung gegeben, die Schienenheber während der Fahrt aus dem Wagen zu werfen, that er dies vielmehr nur seiner Bequemlichkeit wegen, so ist doch immerhin die Thatsache, daß ein Bediensteter der Bahn in Ausübung seines Dienstes den Unfall verursachte, nicht ohne Bedeutung. Jedenfalls ist dies insofern anzuerkennen, als hierdurch der Einwand, es sei der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden, ausgeschlossen erscheint. Es mag richtig sein, daß unter den Begriff der höheren Gewalt unter Umständen auch fremde Handlungen fallen, die zu verhüten trotz äußerster Vorsicht unmöglich ist; es mag sogar in Frage gestellt bleiben, ob etwa, wenn der Wurf von einem gewöhnlichen Reisenden ausgegangen wäre, höhere Gewalt hatte angenommen werden können; so viel erscheint jedoch außer Zweifel, daß Handlungen von Bediensteten der Eisenbahn in Ausübung ihres Dienstes der Regel nach einen Fall höherer Gewalt nicht begründen können. Nur bei ganz besonderen Umständen, z. B. plötzlich eingetretener Geisteszerstörung, könnte eine Ausnahme statthaft erscheinen, allein von solchen Umständen ist im vorliegenden Falle nicht die Rede."