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RG, 13.04.1880 - II 64/80

Daten
Fall: 
Ersitzung eines öffentlichen Gemeindewegs
Fundstellen: 
RGZ 1, 420
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.04.1880
Aktenzeichen: 
II 64/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreis- und Hofgericht Mannheim
  • OLG Karlsruhe

Entschädigungsklage gegen den Staat wegen Entziehung von Eigentum. Erwerbung des Eigentumes an einem öffentlichen Wege durch Überlassung der Benutzung oder durch Ersitzung?

Tatbestand

Die Gemeinde W. forderte vom Fiskus eine Entschädigung von 2311 Mark, weil derselbe eine Wegstrecke, welche im Privateigentume der Gemeinde gestanden, zu einem öffentlichen Wege eingezogen habe. In zwei Instanzen abgewiesen, legte die Klägerin Revision ein, welche zurückgewiesen wurde aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Zuständigkeit der bürgerlichen Gerichte ist unzweifelhaft begründet; denn nicht die Frage ist zu entscheiden, ob die öffentlich rechtlichen Voraussetzungen für die Einreihung eines Gemeindeweges in die Klasse der Landstraßen gegeben waren, sondern die ausschließlich privatrechtliche Frage, ob der beklagte Fiskus über Eigentum der klagenden Gemeinde verfügt und hierfür eine Vergütung zu leisten habe.

Das geltend gemachte Privateigentum an der fraglichen Wegstrecke gründet die Klägerin auf eine Überlassung derselben an sie seitens der kurpfälzischen Regierung und auf die Ersitzung.

Was den ersten Erwerbstitel betrifft, so können zwar nicht alle Ausführungen des Oberlandesgerichtes gebilligt werden, namentlich nicht die, daß ein öffentlicher Gemeindeweg mittelbares Staatseigentum sei, allein dasselbe stellt ohne Gesetzesverletzung tatsächlich fest, daß aus dem von der Klägerin behaupteten Aufgeben des öffentlichen Weges durch den Staat und dem Übergange der Unterhaltung desselben auf die Gemeinde keinesweges gefolgert werden könne, daß der Staat den Weg als Privateigentum übertragen habe. Es kann namentlich nicht von einer Verletzung des Landrechtssatzes 538 die Rede sein, wenn die für die Klage notwendige Begründung vermißt wird, daß der Weg als öffentlicher aufgegeben und der Gemeinde die privatrechtlich freie Verfügung darüber zugestanden worden sei.

Hinsichtlich der Ersitzung mag dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin dem Staate gegenüber den Weg als einen öffentlichen Gemeindeweg ersitzen konnte, denn es handelt sich nur darum, ob sie ein nicht öffentliches Eigentum ersessen habe. Diese Frage erledigt sich aber zu Ungunsten der Revisionsklägerin durch die hier maßgebenden tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteile, welche dahin gehen, daß bis zu den 1840er Jahren die streitige Strecke des fraglichen Weges die Vicinalverbindung von Angelthal nach Walldorf herstellen half und dem unbeschränkten öffentlichen Gebrauche frei stand; daß sich ferner aus den Beweisverhandlungen ergebe, daß auch später, und zwar in der für die Ersitzung maßgebenden Zeit, der Weg nicht aufgehört hatte, ein öffentlicher d. h. für den öffentlichen Gebrauch bestimmter Gemeindeweg zu sein, daß er zur unbeschränkten Benutzung für Fußgänger und in dieser Beziehung immer noch zur Herstellung der Vicinalverbindung diente, daß eine subjektive Beschränkung des öffentlichen Gebrauches des Weges überhaupt nicht bestanden, und daß auch die objektive Beschränkung (Benutzung mit Fuhrwerken) nicht aus privatrechtlichen, sondern aus Gründen der Zweckmäßigkeit, des öffentlichen Nutzens gestattet worden sei.

Sofern bei diesen thatsächlichen Feststellungen betreffs der Merkmale eines öffentlichen Gemeindeweges das Straßengesetz vom 14. Januar 1868 und die Vollzugsverordnung hierzu ausgelegt wurden, ist darauf hinzuweisen, daß zufolge des §. 511 C.P.O. und des §. 7 der Verordnung vom 28. September 1879 die Richtigkeit dieser Auslegung der Nachprüfung des Revisionsgerichtes entzogen ist.

Zur Abweisung der Klage reicht die Feststellung, daß es sich um einen öffentlichen Gemeindeweg handle, aus, ohne daß weiter zu untersuchen wäre, wem das Eigentum am Grund und Boden, ob dem Staate oder der Klägerin, zustehe.

Selbst wenn letzteres angenommen werden müßte, konnte die Klägerin deshalb, weil ihr durch Einreihung des öffentlichen Weges in den Verband der Landstraße die Unterhaltungspflicht abgenommen worden ist, keinen Anspruch auf Schadensersatz erheben. - Keinenfalls kann in dieser Instanz untersucht werden, ob das Gesetz vom 14. Januar 1868 in dieser Hinsicht eine andere Auslegung erfordere. Die etwa bestandene Möglichkeit für die Klägerin, dem Wege unter Beobachtung der Vorschriften des Gemeindegesetzes eine andere Bestimmung zu geben, kann nicht in Betracht kommen, denn insolange sie von einer solchen nicht Gebrauch gemacht hat, konnte ohne Verletzung des Landrechtsatzes 2. 2 b, sowie des Landrechtsatzes 545 der §. 3 des Gesetzes vom 14. Januar 1868 in Anwendung gebracht werden."