RG, 04.06.1920 - III 33/20

Daten
Fall: 
Haftsummeneintragung in das Genossenschaftsregister
Fundstellen: 
RGZ 99, 136
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.06.1920
Aktenzeichen: 
III 33/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Danzig
  • OLG Marienwerder

1. Bedarf es zur Wirksamkeit eines Beschlusses, durch den die Haftsumme bei einer Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht erhöht wird, der Eintragung der Höhe der Haftsumme in das Genossenschaftsregister und ihrer Veröffentlichung?
2. Ist der Konkursverwalter im Konkurs einer solchen Genossenschaft befugt, Ersatz des durch die Unwirksamkeit jenes Beschlusses erwachsenen Schadens von dem für die Amtspflichtverletzung des Registerrichters haftenden Staate zu beanspruchen?

Tatbestand

Über das Vermögen der Sp. p., einer eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht in B., die durch Beschluß der Generalversammlung vom 30. Juni 1915 aufgelöst und in Liquidation getreten war, wurde am 18. August 1917 das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter macht gegen den preußischen Staat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 203400 M geltend, weil der Genossenschaftsregisterrichter die Unwirksamkeit eines Beschlusses der Generalversammlung vom 30. Juni 1913, durch den die Haftsumme von 100 M auf 1000 M erhöht wurde, verschuldet habe und infolgedessen zur Deckung der mindestens 250000 M betragenden Überschuldung auf jeden der 226 Geschäftsanteile nur 100 M statt 1000 M eingezogen werden könnten. Das Amtsgericht hatte auf Grund der Anmeldung dieses, den § 5 Abs. 1 der Satzung abändernden Beschlusses im Genossenschaftsregister nur in Spalte 6 vermerkt: "Der § 5 Abs. 1 der Satzung ist geändert", die neue Höhe der Haftsumme, für deren Eintragung die Spalte 4 bestimmt ist, aber nicht eingetragen und nicht veröffentlicht. Ein von den Liquidatoren im Jahre 1917 gestellter Antrag, die Satzungsänderung nachträglich an der richtigen Stelle einzutragen und die Veröffentlichung nachzuholen, wurde von dem Amtsgericht, dem Landgericht und dem Kammergericht, von diesem durch den Beschluß vom 6. Juli 1917 (RGZ. Bd. 50 S. 124). zurückgewiesen, weil die Eintragung nach der Auflösung der Genossenschaft nicht mehr zulässig sei.

Das Landgericht hat die Klage des Konkursverwalters abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dagegen den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

"Im Anschluß an den in dem Tatbestand erwähnten Beschluß des Kammergerichts vom 6. Juli 1917 führt das Berufungsgericht aus, der Registerrichter habe die Unwirksamkeit des die Haftsumme erhöhenden Beschlusses der Generalversammlung verschuldet, weil er die neue Höhe der Haftsumme nicht in das Genossenschaftsregister eingetragen und nicht veröffentlicht habe, das Erfordernis der ziffermäßigen Angabe der Haftsumme im Register und ihrer Veröffentlichung aber unbedingt wesentlich sei. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und unterliegt keinem Bedenken. Der §131 Abs. 2 GenG. bestimmt für die Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht: "Die Haftsumme muß bei Errichtung der Genossenschaft durch das Statut bestimmt werden. Die Bestimmung oder eine Abänderung derselben ist zu veröffentlichen (§§ 12, 16)", und nach Abs. 4 des hier angezogenen § 16 hat ein die Satzung abändernder Beschluß "keine rechtliche Wirkung, bevor er in das Genossenschaftsregister des Sitzes der Genossenschaft eingetragen ist". Im Einklange hiermit schreibt die auf Grund des § 161 GenG. erlassene Bekanntmachung des Bundesrats vom 1. Juli 1899, betr. die Führung des Genossenschaftsregisters, im § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 1 die Eintragung der Höhe der Haftsumme in das Register vor. Danach ist mit dem Berufungsrichter anzunehmen, daß ein die Haftsumme erhöhender Beschluß zu seiner Wirksamkeit der Eintragung und Veröffentlichung der neuen Höhe der Haftsumme bedarf und daß demnach die hier erfolgte Eintragung "Der § 5 Abs. 1 der Satzung ist geändert" nicht genügt, dem Beschlusse rechtliche Wirkung zu verschaffen.

Auch darin kann dem Berufungsgerichte nur beigepflichtet werden, daß in der Unterlassung der vorgeschriebenen Eintragung und Veröffentlichung der Haftsumme die fahrlässige Verletzung einer dem Registerrichter der Genossenschaft gegenüber obliegenden Amtspflicht zu finden ist, für die der Beklagte nach § 1 des preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909 in Verbindung mit § 839 BGB. haftet. Die Revision hat auch hiergegen keinen Angriff erhoben.

Sie bestreitet dagegen in erster Linie die Befugnis des Konkursverwalters, den durch die Unwirksamkeit des Beschlusses erwachsenen Schaden geltend zu machen, weil ein Anspruch der Genossenschaft auf Einzahlung der Haftsummen nicht bestehe und der Konkursverwalter nur den Ersatz eines dieser erwachsenen Schadens von dem Schädiger beanspruchen könne. Sie führt unter Bezugnahme auf die näheren Darlegungen des Landgerichts, das dieser Ansicht des Beklagten beigetreten ist, aus, die Einziehung der Haftsummen geschehe nur im Umlageverfahren, das den Konkurs der Genossenschaften erfordere, zur Deckung der Forderungen der Gläubiger, soweit das vorhandene Vermögen der Genossenschaft dazu nicht ausreiche. Zur Durchführung dieses Anspruchs der Gläubiger werde der Konkursverwalter durch §§ 105 flg. GenG. ausdrücklich berufen; dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn ohnehin schon ein Anspruch der Genossenschaft bestände. Nur die Gläubiger hätten ein Interesse an der Einziehung der Haftsummen, nicht die Genossenschaft, die durch den Konkurs erlösche. Folglich sei durch das Verschulden des Registerrichters der Genossenschaft ein Schaden nicht entstanden. Die §§ 105 flg. gewährten aber dem Konkursverwalter nur die Befugnis zur Einziehung der Haftsummen von den Genossen, nicht zur Erhebung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten wegen schuldhafter Vereitelung der Haftansprüche.

Diese Ausführungen der Revision und die Gründe des ersten Urteils sind mit den Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes nicht vereinbar. Die Fassung des § 2 läßt keinen Zweifel, daß, ebenso wie bei der eingetragenen Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht nach Nr. 1. so auch bei der mit beschränkter Haftpflicht (§ 2 Nr. 3) die Genossen für die Verbindlichkeit der Genossenschaft nicht nur deren Gläubigern, sondern auch der Genossenschaft gegenüber haften; und daß der § 105, indem er die Genossen verpflichtet, Nachschüsse zur Konkursmasse zu leisten, der im Konkurse befindlichen Genossenschaft einen Anspruch auf die Nachschüsse gewährt und nicht etwa nur dem Konkursverwalter die Befugnis zur Durchführung von Ansprüchen der Gläubiger gibt, ergibt sich schon daraus, daß die §§ 105 flg. auch auf die Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht Anwendung finden (vgl. § 128 GenG.), bei denen den Gläubigem ein Anspruch nur gegen die Genossenschaft, nicht auch gegen die einzelnen Genossen zusteht (§2 Nr. 2). und ferner auch aus der Vorschrift des § 105 Abs. 5, nach der der Genosse gegen die Nachschüsse "eine Forderung an die Genossenschaft" unter den dort angeführten Voraussetzungen aufrechnen kann, während nach der abweichenden Auffassung des Beklagten von einer solchen Aufrechnung wegen des Fehlens der erforderlichen Gegenseitigkeit (§387 BGB.) keine Rede sein konnte (s. Jaeger, KO. §§ 207 flg. Anm. 41). Diese auf die Fassung des Gesetzes gestützte Ansicht steht auch mit der Entstehungsgeschichte, auf die das Landgericht entscheidendes Gewicht legt, im Einklange; in der Begründung zu dem Entwurfe des Gesetzes (Drucks. RT. 1888/89 Nr. 28 S. 41) wird der Anspruch auf die Nachschüsse als "ein Bestandteil des Vermögens der Genossenschaft" bezeichnet, "der in seiner Entstehung durch den Eintritt des Konkurses bedingt und in seinem Umfange durch dessen Ausgang begrenzt erscheint, daher nur im Konkurse der Genossenschaft und in den besonders dafür vorgesehenen Formen zu realisieren ist". Hierdurch wird zugleich die Erwägung der Revision erledigt, daß die §§ 105 flg. von dem hier vertretenen Standpunkt aus überflüssig seien. Daß endlich der Anspruch auf die Nachschüsse erst in dem Konkurse der Genossenschaft geltend gemacht werden kann, nach der (von Parisius-Crüger GenG. § 105 Anm. 2 bestrittenen) Ansicht des II. Zivilsenats. RGZ. Bd. 85 S. 213 flg. (s, auch Jaeger a. a. O.) erst mit der Konkurseröffnung entsteht und vorher auch nicht als aufschiebend bedingter begründet ist, ist mit der Annahme, daß er der Genossenschaft selbst zusteht und nicht nur von dem Konkursverwalter im Interesse der Gläubiger als deren Recht verfolgt wird, durchaus vereinbar, wie auch von dem II. Zivilsenat a. a. O. bereits ausgesprochen ist. Ist aber nach der Fassung und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes der im Konkurse befindlichen Genossenschaft der Anspruch auf die Nachschüsse gewährt, so kann es dahingestellt bleiben, ob dies im Interesse der Gläubiger oder der Genossenschaft geschehen ist. Endlich findet sich in dem Gesetz auch kein Anhalt für die Annahme, daß der Konkursverwalter nur befugt sein solle, die Haftsummen von den Genossen einzuziehen, nicht aber, bei schuldhafter Vereitelung der Ansprüche auf diese gegen den dritten Schädiger Schadensersatzansprüche zu erheben. In Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat in RGZ. Bd. 88 S. 47 flg, ist daher die Befugnis des Konkursverwalters zur Geltendmachung des hier erhobenen Schadensersatzanspruchs mit dem Berufungsrichter zu bejahen. Die entgegengesetzte Meinung, daß nur die einzelnen Gläubiger der Genossenschaft gegen den Schädiger klagen können, führt auch, da sie zur Erhebung vieler Einzelklagen an Stelle der einen Klage des Konkursverwalters zwingt, zu einem unhaltbaren, mit dem Zwecke der §§ 105 flg nicht vereinbaren Ergebnis." ...