RG, 04.06.1920 - VII 499/19

Daten
Fall: 
Forderungsabtretung zur Einziehung
Fundstellen: 
RGZ 99, 142
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.06.1920
Aktenzeichen: 
VII 499/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Berlin III
  • KG Berlin

Rechtsfolgen der Abtretung einer Forderung zur Einziehung.

Tatbestand

Am 17. April 1914 trat der Kläger durch schriftliche Erklärung eine ihm gegen Be. zustehende Forderung von 5000 M "mit allen Rechten" an die Firma E.-Werke G. m. b. H. in L. "zum unbeschränkten Eigentum" ab, bekannte Valuta abredegemäß empfangen zu haben und leistete für die Güte der Forderung Gewähr. Die Abtretungsurkunde und der Schuldschein wurden der neuen Gläubigerin ausgehändigt. Diese trat am 27. Juni 1914 die Forderung zur Sicherheit für ein Darlehen von 1250 M an den Beklagten ab, übergab ihm auch den Schuldschein.

Mit der Behauptung, daß er die Forderung am 17. April 1914 an die E.- Werke nur zur Einziehung übertragen und den Einziehungsauftrag am 27. April 1914 widerrufen habe, erhob der Kläger in einem Vorprozeß Klage gegen die E.-Werke. Diese wurden verurteilt, anzuerkennen, daß sie nicht berechtigt seien, die abgetretene Forderung einzuziehen, und weiter verurteilt, die Abtretungsurkunde und den Schuldschein an den Kläger herauszugeben. Zur Herausgabe der Urkunden ist es bisher noch nicht gekommen.

Im gegenwärtigen Prozeß beantragt der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, den Schuldschein herauszugeben und anzuerkennen, daß nicht er, sondern der Kläger allein berechtigt ist, die Forderung einzuziehen. Das Landgericht gab der Klage statt, das Kammergericht wies sie ab. Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen.

Gründe

"Die Rechtsansicht des Klägers, die Übertragung einer Forderung zur Einziehung sei eine Übertragung mit geringerer dinglicher Wirkung als eine Übertragung schlechthin, ist verfehlt. Wird eine Forderung durch Vertrag auf einen anderen übertragen, so tritt nach § 398 BGB. der neue Gläubiger stets an die Stelle des bisherigen. Diese Wirkung kann nicht eingeschränkt werden, denn die Abtretung ist ein dinglicher Vertrag, und im Gebiete der dinglichen Rechte ist der Privatwillkür kein freier Spielraum gelassen. Eine Abtretung zum Einziehen, wie sie der Kläger den E.-Werken erklärt haben will, unterscheidet sich von einer gewöhnlichen Abtretung nur dadurch, daß neben den dinglichen Vertrag noch ein schuldrechtlicher gesetzt wird. Durch diesen wird der neue Gläubiger verpflichtet, die Forderung für den alten Gläubiger einzuziehen und in keiner andern Weise darüber zu verfügen, namentlich sie nicht zu veräußern. Der schuldrechtliche Vertrag enthält also einerseits einen Auftrag, anderseits ein rechtsgeschäftliches Veräußerungsverbot. Der Auftrag zum Einziehen kann mangels anderer Abreden jederzeit widerrufen werden (§ 671 Abs. 1 BGB.). Der Widerruf hebt aber regelmäßig nicht die dinglichen Wirkungen der Abtretung auf, denn diese ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, d. h. sie ist unabhängig von dem schuldrechtlichen Grundgeschäft, auf dem sie beruht. Der Widerruf des Auftrags begründet deshalb regelmäßig nur die aus § 812 Abs. 1 Satz 2 sich ergebende Verbindlichkeit des neuen Gläubigers, die Forderung auf den alten Gläubiger zurückzuübertragen. Eine Ausnahme ist nach § 158 Abs. 2 BGB. für den hier nicht gegebenen Fall anzuerkennen, daß die Abtretung von vornherein unter der auflösenden Bedingung eines Widerrufs des Auftrags vorgenommen wird.

Das Veräußerungsverbot kann als rechtsgeschäftliches die Befugnis des neuen Gläubigers, über die Forderung zu verfügen, nicht ausschließen oder beschränken, § 137 Satz 1 BGB. Eine trotzdem bewirkte Abtretung der Forderung an einen Dritten entbehrt deshalb nicht der dinglichen Wirkung. Unerheblich ist es, ob der Erwerber von dem Veräußerungsverbote Kenntnis hatte oder nicht. Auf den sogenannten guten Glauben des Erwerbers kommt es nicht an. In den Vorschriften der §§ 932 flg. BGB. ersetzt der gute Glaube des Erwerbers das dem Veräußerer fehlende Eigentum an der beweglichen Sache. Etwas Ähnliches ist nicht möglich und auch nicht nötig, wenn eine nur zum Einziehen abgetretene Forderung weiter abgetreten wird. Der erste neue Gläubiger ist trotz seiner schuldrechtlichen Verpflichtungen vollgültiger Inhaber der Forderung mit allen sich daraus ergebenden Rechten. Darin liegt gerade die Bedeutung des § 137 BGB.

Geht man von diesen Rechtssätzen aus, so zeigt sich die Unrichtigkeit der Ansicht des Klägers, daß durch den Widerruf des Einziehungsauftrags die Forderung an Be. von den E.-Werken ohne weiteres wieder an ihn zurückgefallen sei. Die E.-Werke sind im Vorprozeß aber auch nicht, wie die Revision annimmt, dazu verurteilt worden, die Forderung an den Kläger zurückzuübertragen. Das den Klaganträgen stattgebende Urteil stellt zu a) fest, daß die Werk nicht berechtigt sind, die Forderung einzuziehen, und verurteilt unter b) zur Herausgabe der Abtretungsurkunde und des Schuldscheins. Beide Aussprüche beruhen auf der Annahme, daß die Forderung zum Einziehen abgetreten, der Einziehungsauftrag aber widerrufen ist. Daneben kam zu b) noch § 812 BGB. zur Anwendung. § 402 BGB. konnte nicht eingreifen, weil die Rückübertragung weder schon bewirkt war, noch auch nur gleichzeitig verlangt wurde.

Für den gegenwärtigen Prozeß folgt aus den entwickelten Rechtssätzen, daß die Klaganträge auf der Grundlage des dinglichen Rechtes nicht schlüssig sind. Der Kläger ist noch nicht wieder Inhaber der Forderung an Be. geworden und deshalb auch noch nicht wieder Eigentümer des darüber ausgestellten Schuldscheins (§ 952 BGB.). Das Verlangen nach Herausgabe des Schuldscheins wird also von § 985 BGB. nicht getragen. Das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung der Kläger begehrt, besteht nicht, und das Rechtsverhältnis, das der Kläger als nicht bestehend festgestellt wissen will, besteht gerade. Der Beklagte ist der Inhaber der Forderung an Be. geworden und bisher geblieben.

Schuldrechtliche Beziehungen, auf welche die Klage sich stützen könnte, sind zwischen dem Kläger und dem Beklagten unmittelbar nicht begründet worden. Das hat auch der Kläger nicht behauptet. Solche Beziehungen sieht er aber zwischen sich und dem Beklagten mittelbar dadurch als hergestellt an, daß der Beklagte auf der Passivseite Rechtsnachfolger der E.-Werke in ihrem Verhältnis zum Kläger geworden sei. Eine Rechtsnachfolge des Beklagten liegt aber nach der eigenen Anführung des Klägers nur insofern vor, als die E.-Werke dem Beklagten die Forderung an Be. abgetreten haben. Den Eintritt des Beklagten in das schuldrechtliche Verhältnis, wie es zwischen dem Kläger und den E.-Werken auf der Grundlage des Einziehungsauftrags und des rechtsgeschäftlichen Veräußerungsverbots bestanden haben soll, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Nur diese Behauptung konnte aber erheblich sein. Mangels einer solchen Rechtsnachfolge ist auch die Frage, ob der Beklagte das im Vorprozeß ergangene rechtskräftige Urteil gegen sich gelten lassen muß, von vornherein zu verneinen. ...

Gegen die Annahme des Kammergerichts, daß eine Kenntnis des Beklagten von dem Widerrufe des Einziehungsauftrags gar nicht behauptet sei, wendet sich die Revision mit Verfahrensrügen, die sie aus §§ 286,139 ZPO. stützt. Diese - übrigens unbegründeten - Rügen können auf sich beruhen, denn auch mit jener angeblich aus seinem Vortrage sich ergebenden Behauptung wollte der Kläger nur die Bösgläubigkeit des Beklagten erweisen, und auf diese kommt es nicht an. Anders würde die Sache, wie auch das Kammergericht hervorhebt, nur liegen, wenn der Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise mit den E.-Werken zusammengewirkt hätte, um den Kläger zu schädigen, wenn also eine unter den § 826 BGB. fallende unerlaubte Handlung in Frage käme. Ein solcher Tatbestand war aber nicht behauptet worden, einem solchen Vorbringen entsprechen auch nicht die gestellten Klaganträge." ...