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RG, 11.06.1920 - III 56/20

Daten
Fall: 
Verweigerung der Lieferung von Ware
Fundstellen: 
RGZ 99, 156
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.06.1920
Aktenzeichen: 
III 56/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Chemnitz, Kammer für Handelssachen
  • OLG Dresden

Ist der Verkäufer berechtigt, die Lieferung der Ware zu verweigern, wenn er nach dem Vertragsschluß erfährt, daß der Käufer mit der Ware Preiswucher und Kettenhandel treibt?

Tatbestand

Aus Grund eines im November 1916 abgeschlossenen Kaufvertrags lieferte der Kläger der Beklagten am 20. Mai und 30. Juni 1917 Erlensperrholzplatten. Er beansprucht jetzt die Zahlung des Kaufgeldrestes für diese Waren. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe ihr auf Grund jenes Vertrags noch weitere 822.84 qm solcher Platten zu liefern, und macht den Gegenanspruch auf Lieferung dieser Mengen im Wege des Zurückbehaltungsrechts und durch Widerklage geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat nur die Abweisung der Klage durch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Kaufgeldrestes gegen Lieferung der von dieser noch beanspruchten Ware ersetzt und im übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dieser hat mit Erfolg Revision erhoben.

Gründe

... "Der Berufungsrichter unterstellt, daß Erlensperrhölzer zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs oder des Kriegsbedarfs im Sinne des § 5 Nr. 1 BRV. vom 23. Juli 1915 / 23. März 1916 zu rechnen seien, daß ferner die Beklagte durch die Weiterveräußerung des Holzes mit 40 % Gewinn eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 5 Nr. 3 dieser Verordnung vorgenommen und daß sie auch Kettenhandel betrieben habe. Er erklärt dies aber für unerheblich, weil daraus nicht die von dem Kläger behauptete Nichtigkeit des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrags zu folgern sei. Demgegenüber macht die Revision unter Bezugnahme auf das Urteil des II. Zivilsenats RGZ. Bd. 96 S. 237 geltend, der Kläger dürfe, nachdem er nach dem Vertragsschluß erkannt habe, daß die Beklagte mit der von ihm angekauften Ware Preiswucher und Kettenhandel treibe, ihr diese nicht mehr liefern, weil er sich sonst der Teilnahme an, den nach § 5 Nr. 1, 3 strafbaren Handlungen der Beklagten schuldig mache. Dem ist beizupflichten. Selbst wenn man in der Lieferung in einem solchen Falle nicht mit dem II. Zivilsenat eine strafbare Beihilfe des Verkäufers zu dem Preiswucher und dem Kettenhandel des Käufers sehen will, ist er doch zur Verweigerung der Lieferung auf Grund des § 242 BGB. für berechtigt zu erachten, weil ihm nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht zugemutet werden kann, dem Käufer durch die Lieferung der Ware die Begehung solcher verbotenen unlauteren Machenschaften zu ermöglichen. Der Berufungsrichter hat daher das tatsächliche Vorbringen des Klägers unter diesem rechtlichen Gesichtspunkte neu zu prüfen. Daß der Kläger diesen Einwand bisher nicht vorgebracht hat, steht der Aufhebung des Urteils nicht entgegen, da es sich hierbei nur um eine abweichende rechtliche Beurteilung des tatsächlichen Vorbringens handelt."