RG, 29.10.1920 - III 174/20

Daten
Fall: 
Benachrichtigung einer Partei vom Zeugenvernehmungstermin
Fundstellen: 
RGZ 100, 174
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.10.1920
Aktenzeichen: 
III 174/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Konstanz
  • OLG Karlsruhe

Macht die verspätete Benachrichtigung einer Partei vom Zeugenvernehmungstermine die Beweisaufnahme ungültig, insbesondere auch dann, wenn feststeht, daß die Wiederholung der Zeugenvernehmung zu einer Änderung des Beweisergebnisses nicht führen würde?

Tatbestand

Der Beklagte, der vom Erblasser des Klägers dessen Landgut Veesenhof bis 1. März 1919 gepachtet hatte, behauptet, daß das Pachtverhältnis um 3 Jahre verlängert worden sei, und hat deshalb die Räumung des Gutes verweigert. Der Räumungsklage des Klägers ist jedoch in beiden Rechtszügen entsprochen worden. Die Revision war erfolglos aus folgenden Gründen:

Gründe

Die Frage, ob der Pachtvertrag der Parteien im Oktober 1918 durch eine mündliche, in Gegenwart des Verwalters G. getroffene Übereinkunft verlängert worden sei, ist vom Berufungsgericht auf Grund des Zeugnisses des G. zugunsten des Klägers verneint worden. Gegenüber dieser tatsächlichen Feststellung erhebt die Revision die prozessuale Rüge, daß das erwähnte Zeugnis deshalb bei der Urteilsfindung nicht habe verwertet werden dürfen, weil der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten so spät vom Beweistermine benachrichtigt worden sei, daß eine Wahrnehmung des Termins unmöglich gewesen sei. Dem Angriff ist nicht stattzugeben. Allerdings ist, wie dies schon in RGZ. Bd. 6 S. 351 (vgl. auch Bd. 76 S. 103) in Übereinstimmung mit dem Schrifttum dargelegt ist, regelmäßig davon auszugehen, daß die rechtzeitige Benachrichtigung vom Termine für eine Zeugen- und Sachverständigenvernehmung die Voraussetzung für eine dem Gesetze genügende Beweiserhebung ist und daß die Verspätung der Benachrichtigung, die die Wahrnehmung des Termins für die Partei ausschließt, die Beweisaufnahme ungültig macht und ihre Verwertung im Urteile verbietet. Diese Folge ergibt sich aus der Vorschrift des § 357 ZPO., die den Parteien das Recht einräumt, der Beweisaufnahme beizuwohnen, in Verbindung mit der weiteren Bestimmung des § 397, wonach die Parteien berechtigt sind, dem Zeugen die Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache und der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten. Vorliegendenfalls hat das Berufungsgericht aber die Frage, ob die Benachrichtigung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zu spät erfolgt sei, verneint. Diese Annahme beruht lediglich auf einer Tatsachenwürdigung, die keinen Rechtsverstoß erkennen läßt.

Aber auch der weitere Grund, aus dem das Berufungsgericht selbst für den Fall einer verspäteten Benachrichtigung vom Beweistermine die Verwertbarkeit des Zeugnisses nach den besonderen Umständen, des vorliegenden Falles bejaht hat, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hatte behauptet, daß er im Falle seiner Anwesenheit im Beweistermine dem Zeugen bestimmt Fragen vorgelegt hätte. Das Berufungsgericht hat in eingehenden, von rechtlichen Bedenken durchaus freien Darlegungen diese Fragen im einzelnen erörtert, ist zu dem Ergebnis gelangt, daß diese Fragen eine Berichtigung des G.schen Zeugnisses in seinen wesentlichen Punkten nicht herbeizuführen geeignet gewesen seien, und hat deshalb eine Wiederholung der Zeugenvernehmung abgelehnt. Dem ist beizutreten. Ebenso wie das Gericht zur Ablehnung von Beweisanträgen befugt ist, deren Unerheblichkeit für die Entscheidung feststeht, darf es auch die Wiederholung einer mit dem Mangel rechtzeitiger Benachrichtigung behafteten, sonst aber ordnungsmäßigen Beweisaufnahme versagen, wenn festzustellen ist, daß die Wiederholung zu einer Änderung des Beweisergebnisses in seinem wesentlichen Teile nicht führen werde. In derartigen Fällen wäre die Wiederholung ein sinnloser, den Prozeß verschleppender Formalismus. So lag aber die Sache im vorliegenden Falle. Der Zeuge G. hatte mit Bestimmtheit bekundet, daß bei der einen maßgebenden Unterredung der Parteien im Oktober 1918, bei der er anwesend war, eine endgültige Einigung über die Verlängerung des Pachtvertrags nicht zustande gekommen sei. Der Beklagte hat nun nicht zu behaupten vermocht, daß er im Falle seiner Anwesenheit im Beweistermine dem Zeugen über den Inhalt dieser maßgebenden Unterredung Fragen hätte vorlegen und daß er dadurch den unter Eid vernommenen Zeugen möglicherweise zu einer anderen Aussage über den Unterredungsinhalt hätte veranlassen können; nach seiner eigenen Behauptung hätte er ihm vielmehr nur solche Fragen gestellt, die sich auf gewisse nach der maßgebenden Unterredung liegende, Punkte beziehen, deren Unerheblichkeit vom Berufungsgerichte zutreffend gewürdigt ist. Unter diesen Umständen ist der Abwesenheit des Beklagten im Beweistermine jede Bedeutung für den Inhalt des Zeugnisses abzusprechen; ebensowenig schließt die Versagung der wiederholten Vernehmung eine Vorwegnahme des Beweisergebnisses in sich.