RG, 27.10.1920 - V 332/20

Daten
Fall: 
Fiskus als Wechselremittent
Fundstellen: 
RGZ 100, 167
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.10.1920
Aktenzeichen: 
V 332/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG II Berlin
  • Kammergericht Berlin

Bedarf die Bezeichnung des Fiskus als Wechselremittent der Hinzufügung der zu seiner Vertretung berufenen Behörde?

Tatbestand

Der Reichsfiskus klagt aus einem vom 27. Juni 1919 datierten, am 20. Juli 1919 fällig gestellten, auf den Beklagten gezogenen und von diesem akzeptierten Wechsel über 59000 M, zahlbar "an die Verpflegungszentrale Spandau" und ausgestellt von der "Verpflegungszentrale der staatlichen Institute Spandau", gez. "Sch., V", mit Stempelabdruck der "Verpflegungszentrale der Königlichen Institute Spandau" und Adler. Mit der zunächst im Wechselprotest erhobenen, dann in das ordentliche Verfahren übergeleiteten Klage hat er Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 59 000 M nebst 6 %, Zinsen seit Verfall und Wechselunkosten beantragt. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte Erfolg.

Gründe

Der Berufungsrichter geht, wie das Landgericht, von der Vorschrift des Art. 4 Nr. 3 und 5 WO. aus, wonach zu den wesentlichen Erfordernissen des Wechsels einmal der Name des Remittenten oder seine Firma und sodann die Unterschrift des Ausstellers (Trassanten) mit seinem Namen oder seiner Firma gehören. Er nimmt an, daß diesen Vorschriften durch den vorliegenden Wechsel genügt ist, da Voraussetzung für die formelle Gültigkeit eines Wechsels nur sei, daß die auf dem Wechsel stehenden Bezeichnungen des Remittenten und des Ausstellers der bürgerliche oder Handelsname einer wechselfähigen Person überhaupt sein könnten. Die Ausstellerunterschrift "Verpflegungszentrale der staatlichen Institute Spandau" und die abgekürzte Remittentenbezeichnung "Verpflegungszentrale Spandau" könnten aber die Bezeichnung einer Behörde darstellen, die den Staat in seiner vermögensrechtlichen Persönlichkeit vertrete. Eine staatliche Behörde selbst sei zwar an sich keine juristische Person, sie könne aber, indem sie bei der Verwaltung des Staatsvermögens für den dieses verkörpernden Fiskus auftrete, eine Bezeichnung für diesen, juristische Persönlichkeit besitzenden Fiskus sein. - Anderseits aber nimmt das Urteil an, daß die in dem Wechsel enthaltene Remittentenbezeichnung den klagenden Reichsfiskus nur dann zur Geltendmachung der Rechte aus dem Wechsel legitimiere, wenn jene Bezeichnung tatsächlich die einer zur Vertretung des Fiskus berufenen Behörde, eine Namensbezeichnung des Fiskus, sei. Diese Voraussetzung könne hier nicht als erfüllt angesehen werden. Denn inhaltlich der amtlichen Auskunft des Reichsschatzministeriums sei der Verpflegungszentrale die Erledigung einiger im wirtschaftlichen Interesse bei Angestellten des Reichswerks Spandau liegenden Geschäfte übertragen worden, insbesondere die Fürsorge für Massenspeisungen. Die Leiter der Zentrale, Sch. und V., hätten von der Hauptverwaltung der Reichsbetriebe Vollmacht erhalten, die notwendigen Ankäufe und Verpflegungsabschlüsse im Einverständnis mit dem Beirat der Hauptverwaltung der Reichsbetriebe zu vollziehen. Die Verwaltung der Verpflegungszentrale sei durch das Reichswerk Spandau erfolgt; Satzungen oder sonstige, die Einrichtung und den Geschäftsbetrieb der Verpflegungszentrale betreffende behördliche Anordnungen bestünden nicht. Aus diesen Angaben erhelle, daß die Verpflegungszentrale nicht eine auf öffentlichrechtlicher Grundlage in den Verwaltungsorganismus des Reichsfiskus eingegliederte Einrichtung und somit keine zur Vertretung des Fiskus berufene selbständige Behörde gewesen sei. Das finde auch seinen Ausdruck darin, daß die von der Hauptverwaltung der Staatsbetriebe ausgestellte Vollmacht nicht der Verpflegungszentrale als einem von der Person seiner Verweser losgelösten Subjekte, sondern den die Geschäfte der Verpflegungszentrale leitenden Personen Sch. und V. persönlich erteilt sei. Fehle sonach die Legitimation des Klägers aus dem Klagewechsel. weil die Remittentenbezeichnung keine für den Kläger wirksame Angabe seines Namens im Sinne des Art. 4 Nr. 3 WO. sei, so könne diese Legitimation auch nicht durch eine nachträgliche Genehmigung der betreffenden Wechselzeichnung durch den Kläger ersetzt werden. Denn der Wechsel selbst müsse die gültige Namensbezeichnung des Remittenten enthalten.

Der Revision muß zugegeben werden, daß diese Begründung nicht frei von rechtlichen Bedenken ist. Der Berufungsrichter will ersichtlich sich der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts anschließen, die unter Aufgabe der "alten" Entscheidung vom 29. Mai 1885 (Bd. 14 S. 17) die in Art. 4 Nr. 3 bez. 5 und 7 WO. aufgestellten "wesentlichen Erfordernisse" eines gezogenen Wechsels, nämlich die Bezeichnung bzw. Unterschrift des Remittenten, Ausstellers und Bezogenen "mit seinem Namen der seiner Firma" schon dann als erfüllt ansieht, wenn die Bezeichnung nur überhaupt als bürgerlicher oder kaufmännischer Name einer wechselrechtsfähigen Person gedacht werden kann, ohne daß es für die formelle Gültigkeit des Wechsels als solchen, die ihn befähigt, die Grundlage für wechselrechtliche Erklärungen zu bilden, darauf ankäme, ob die im einzelnen Falle in Betracht kommende Person wirklich diesen Namen führt.

Vgl. in diesem Sinne schon ROHG. Entsch. Bd. 23 S. 51; ferner namentlich RGZ. Bd. 77 S. 191; Bd. 85 S. 195; Staub-Stranz WO. zu Art. 4 Anm. 11 ba.

Daß diese Voraussetzung hinsichtlich der Bezeichnung des Ausstellers und des Remittenten im vorliegenden Falle erfüllt ist, bezweifelt auch der Berufungsrichter nicht; er führt vielmehr zutreffend aus, daß die Ausstellerbezeichnung "Verpflegungszentrale der staatlichen Institute Spandau" sehr wohl die Namensbezeichnung einer fiskalischen Stelle und damit des Fiskus darstellen könne, und daß die Remittentenbezeichnung "Verpflegungszentrale Spandau" nur als abgekürzte Bezeichnung der gleichen Person, die als Aussteller bezeichnet ist, gebraucht sei, also gleichfalls eine Namensbezeichnung des Fiskus darstellen könne. Auch weiter ist dem Berufungsrichter insofern recht zu geben, als er meint, daß durch die Feststellung der formellen Gültigkeit des Wechsels als solchen (kraft deren er sich überhaupt als ein Wechsel im Sinne der WO. darstellt) noch nichts darüber entschieden sei, ob aus ihm eine bestimmte Person, hier der Reichsfiskus, zur Geltendmachung von Ansprüchen als Remittent legitimiert sei. Rechtsirrig ist es aber, daß der Berufungsrichter für die Bejahung dieser Frage eine für den Kläger wirksame Angabe seines Namens durch Bezeichnung einer zu seiner Vertretung gesetzlich berufenen Behörde verlangt und wegen Mangels einer dementsprechenden Angabe die Legitimation verneint. Der Berufungsrichter übersieht dabei augenscheinlich, daß es sich bei dieser Frage nicht um die gesetzliche Vertretung des Fiskus handelt, sondern lediglich um die Feststellung der Identität der im Wechsel als Remittent bezeichneten Person mit derjenigen, die das Recht aus dem Wechsel in Anspruch nimmt. Dafür bedarf es keiner formell vollständigen und richtigen Angabe des Namens, da (wie schon in RGZ, Bd. 85 S. 197 zutreffend hervorgehoben wird) nicht mehr die Formgültigkeit des Wechsels, sondern der Identitätsnachweis in Frage steht, der überhaupt nicht durch die Urkunde allein geführt werden kann, zu dessen Führung es vielmehr auch der Heranziehung außerhalb der Urkunde liegender Umstände bedarf, so daß die Entscheidung darüber, ob er geführt ist, Sache der Beurteilung des Einzelfalles durch Auslegung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ist. Es ist demgemäß in der wechselrechtlichen Lehre und Rechtsprechung von jeher anerkannt, daß auch eine ungenaue und unbestimmte, ja sogar eine irrtümliche (falsche) Bezeichnung genügt, sofern nur die Identität nachgewiesen werden kann, wobei allerdings, wie auch sonst bei der Auslegung der urkundlichen Form bedürftiger Rechtsgeschäfte (RGZ. Bd. 59 S. 219, Bd. 62 S. 172, Bd. 71 S. 115) eine Grenze insofern zu ziehen ist, als die Unrichtigkeit nicht derart sein darf, daß die Urkunde überhaupt keinen Anhalt für die Ermittelung der Identität bietet.

Vgl. ROHG. Entsch. Bd. 15 S. 283, Bd. 18 S. 418. Bd. 23 S. 52; RG. I 247/07 v. 26. Februar 1908 (JW. 1908 S. 280); RGZ. Bd. 73 S. 281, Bd. 85 S. 195; Staub-Stranz WO. zu Art. 4 Anm. II b#beta; Thöl, Wechselrecht S.150; Grünhut, Wechselrecht d. 1 S. 347; Bernstein WO. S. 33; Lehmann. Wechselrecht S. 348.

Insbesondere hat der II. Zivilsenat des Reichsgerichts in dem oben angeführten Urteile vom 23. Juni 1914 (RGZ, Bd. 85 S. 195) ausgesprochen, daß eine Person als Wechselaussteller verpflichtet werden kann durch eine Unterschrift, in der ihr Personenname nur "steckt", wie in "das Fürstlich Lynarsche Rent- und Forstamt" der Name des Fürsten Lynar, obwohl nicht einmal erkennbar war, ob dadurch ein Mann oder eine Frau bezeichnet wurde. In der Bezeichnung "Verpflegungszentrale der staatlichen Institute Spandau" steckt aber der Name des Staates in der gleichen Weise, wie in der in jenem Falle gebrauchten Unterschrift der Name des Fürsten Lynar. Ob der Gebrauch eines Namens, der demjenigen, der dadurch bezeichnet werden soll, nicht zusteht, z. B. eines Künstler- oder Schriftstellernamens oder eines sonstigen Pseudonyms, genügen würde (vgl. RGZ. Bd. 77 S. 192), kann auch hier (wie in RGZ. Bd. 85 S. 197) dahingestellt bleiben, da nicht zweifelhaft sein kann, daß "Staat" der richtige und ihr zustehende Name der Rechtspersönlichkeit ist, die in vermögensrechtlicher Beziehung als Fiskus bezeichnet wird. In Frage könnte nur kommen, ob die Identität des Reichsfiskus mit der als Staat bezeichneten Person genügend erhellt; aber auch in dieser Beziehung besteht kein wesentliches Bedenken, da die staatlichen Institute Spandau eine Einrichtung des Reichs sind und also nur dessen Fiskus in Betracht kommen konnte. Daß nicht etwa die der Rechtsfähigkeit entbehrende Verpflegungszentrale als solche, sondern der Reichsfiskus selbst berechtigt werden sollte, war ebenso wie in dem Falle RGZ. Bd. 85 S. 195 auch hier ohne weiteres erkennbar.

Enthält aber die Urkunde die für das rechtliche Bestehen eines Wechsels wesentlichen Erfordernisse und ist darin der Kläger als Remittent hinreichend bezeichnet, so ist dieser ohne weiteres berechtigt, das Recht aus dem Wechsel gegen den Akzeptanten geltend zu machen, und es genügt, daß er durch Anstellung der Wechselklage erklärt hat, von diesem Rechte Gebrauch machen zu wollen. Der Berufungsrichter irrt, wenn er meint, daß eine solche "Genehmigung" unwirksam sei; sie dient nicht (wie er annimmt) dazu, die Legitimation zu ersehen; diese ergibt sich vielmehr aus dem richtig aufgefaßten Inhalte des Wechsels. Einer Feststellung, daß die Personen, die die Ausstellerunterschrift geleistet haben, Sch. und V., zur Abgabe von Wechselerklärungen für den Reichsfiskus berechtigt waren, insbesondere, daß die zufolge der Auskunft des Reichsschatzministeriums ihnen erteilte Vollmacht sich auf die Abgabe solcher Erklärungen erstreckte, bedarf es für die Frage der Legitimation des Klägers als Remittenten nicht, da der Akzeptant aus einem formell gültigen Wechsel dem Remittenten auch dann haftet, wenn die als Aussteller bezeichnete Person als solche nicht berechtigt und verpflichtet wird (Art. 75 WO,). ES kann deshalb dahingestellt bleiben, ob in der Klagerhebung auch eine Genehmigung der etwa ohne Vertretungsmacht erfolgten Ausstellerunterschrift (§ 177 BGB.) zu finden wäre.