RG, 20.03.1919 - VI 370/18

Daten
Fall: 
Mindererlös
Fundstellen: 
RGZ 95, 173
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.03.1919
Aktenzeichen: 
VI 370/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG III Berlin
  • KG Berlin

Erstreckt sich die Schadensersatzpflicht für einen körperlichen Unfall auch auf den Mindererlös eines durch den Unfall nötig gewordenen Verkaufs von Geschäftseinrichtungen des Verletzten?

Tenor

Die Frage wurde bejaht.

Aus den Gründen

"Der Kläger hat vorgetragen, daß er die Geschäftseinrichtung im März 1916 infolge der Verschlimmerung der auf den Unfall zurückzuführenden Gesundheitsstörungen habe verkaufen müssen, daß er hierbei am Erlös einen Verlust von mindestens 6000 M erlitten habe, die er zu Friedenszeiten mehr erlöst hätte, und daß dieser Schaden danach Unfallschaden, mithin zu drei Vierteln zu erstatten sei.

Das Berufungsgericht glaubt das Vorbringen ohne sachliches Eingehen aus rechtlichen Gründen zurückweisen zu können: jener Schaden am Erlös der Geschäftseinrichtung sei weder eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (§ 843 BGB.) noch eine Eigentumsbeschädigung (§ 823 Abs. 1 BGB.), vielmehr ein Kapitalschaden und daher ein allgemeiner Vermögensschaden. Dieser Schaden sei, weil nur fahrlässige Verschuldung in Frage kommen könne, nicht ersatzfähig. Für den dafür angeforderten Betrag (3/4 von 6000 M) sei daher das Klagebegehren abzuweisen, auch wenn die dazu vorgetragenen tatsächlichen Behauptungen des Klägers zutreffen sollten.

Mit Recht findet die Revision hierin eine Verletzung der §§ 823, 842, 249 BGB. Eine Beschädigung des Vermögens einer Person im allgemeinen als unerlaubte Handlung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch allerdings nicht: nach feststehenden Rechtsgrundsätzen (vgl. Komm. v. RGR. § 823 Erl. 1) muß der Vermögensschaden gemäß § 823 Abs. 1 die Folge einer widerrechtlichen Verletzung der dort genannten geschützten Rechtsgüter und Rechte oder gemäß § 823 Abs. 2 die Folge einer Zuwiderhandlung gegen Schutzgesetze sein, oder es muß einer der besonderen Tatbestände der §§ 824, 626, 839 vorliegen, wenn ein Anspruch auf Ersatz des Schadens bestehen soll. Diese Voraussetzung ist aber hier zweifellos erfüllt; es liegt eine Verletzung an dem Körper und der Gesundheit vor (Abs. 1 des § 823). worauf die Klage gestützt ist. Solchenfalls ist aber nicht nur der in § 843 näher bezeichnete Schaden - für solche Folgen, die ihrer Natur nach fortlaufend sich erneuern - sondern es sind, nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 842 (vgl. Prot. Bd. 2 S. 636) alle Nachteile zu ersetzen, welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten herbeiführt. Ist dieser durch die Folgen des Unfalls genötigt worden, sein Erwerbsgeschäft aufzugeben, die Geschäftseinrichtung zu verkaufen oder sonstige Betriebsmittel zu veräußern, so ist eine hierbei in Gestalt eines Mindererlöses eingetretene Vermögenseinbuße rechtlich unbedenklich dem Vermögensschaden zuzuzählen, für den gegebenenfalls der Schädiger dem Verletzten aufzukommen hat. In der Rechtsprechung wurden und werden denn auch Schadensposten wie der hier in Rede stehende ohne rechtliche Beanstandung zuerkannt (vgl. z. B. Warneyer 1908 Nr. 519, 1917 Nr. 265, auch VI 574/14 und im Allgemeinen Komm. v. RGR. § 842). Die Ausführung des Berufungsgerichts beruht auf einer Verwechselung des hier gegebenen Falles einer gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlung mit dem anderen, wo diese sich allein gegen das Vermögen des Verletzten gerichtet hat und hiernach im Rahmen des § 823 Abs. 1 gegebenenfalls zu fragen ist, welches Recht der dort gemeinten Art verletzt sei." ...