RG, 18.03.1919 - II 395/18

Daten
Fall: 
Alleinverkaufsrecht
Fundstellen: 
RGZ 95, 166
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.03.1919
Aktenzeichen: 
II 395/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Alleinverkaufsrecht, eingeräumt für die Dauer ausreichender Geschäftsverbindung, Zulässigkeit und Wirkung der Kündigung durch den Geschäftsherrn.

Tatbestand

Der Kläger, ein Berliner Nähmaschinenhändler, behauptete, die Beklagte habe ihm im Jahre 1912 für die Dauer der Geschäftsverbindung der Parteien das Recht eingeräumt, ihre Dürkoppnähmaschinen im Stadtteil Berlin-Moabit allein zu verkaufen, und demgemäß versprochen, ihm sämtliche Anfragen aus diesem Stadtteile zu überweisen. Diesem Versprechen habe sie verschiedentlich zuwidergehandelt. Als er ihr darüber Vorhalt gemacht, habe sie die Verpflichtung durch Schreiben vom 15. September 1916 in Abrede genommen oder für aufgehoben erklärt. Auf diese Behauptungen stützte sich die im Oktober 1917 erhobene Klage, deren Anträge dahin gingen, das Alleinverkaufsrecht festzustellen und der Beklagten den direkten Verkauf im Stadtteile Moabit bei Meidung von Strafe zu verbieten.

Der Beklagten zufolge sollte ein Vertrag über ein Alleinverkaufsrecht überhaupt nicht zustande gekommen sein. Eventuell habe sie ihn am 15. September 1916 gekündigt. Ein wichtiger Grund für die Kündigung liege darin, daß die Ehefrau des Klägers der Kundschaft Pfaffsche Nähmaschinen als besser empfohlen habe. Vom Kläger wurden die Kündigung und der dafür angegebene Grund bestritten.

Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ohne Beweisaufnahme ab. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Gründe

"Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat die Beklagte dem Kläger am 15. März 1912 in der Tat ein Alleinverkaufsrecht "für die Dauer ausreichender Geschäftsverbindung" eingeräumt. Das Berufungsgericht nimmt aber weiter an, daß das Recht durch den Brief vom 15. September 1916 beendet worden sei. Die Beklagte hatte damals geschrieben, Voraussetzung sei gewesen, daß Sie die Interessenten unparteiisch bedienen und nicht, wie dies nachweislich seitens Ihrer Frau geschieht, auf das Pfaffsche Fabrikat verschieben, indem dieses als empfehlenswert hingestellt wird. Unter diesen Umständen ist die Verpflichtung des Alleinverkaufs nicht aufrecht zu erhalten." Die angeführten Worte, erwägt das Berufungsgericht, seien als Kündigung zu betrachten; die Rechtswirkung der Kündigung habe nicht von dem Vorhandensein eines wichtigen Grundes, sondern nur von dem Ablauf einer angemessenen Kündigungsfrist abgehangen. Berücksichtige man, daß dem Kläger der Absatz der noch in seinem Besitze befindlichen oder von ihm schon bestellten Maschinen durch das Alleinverkaufsrecht erleichtert werden mußte und daß es dazu etwa eines Jahres bedurft habe, so sei das Recht noch vor der Erhebung der Klage erloschen.

Die Revision bemängelt, daß der Streit der Parteien über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unentschieden geblieben ist, und hält eine willkürliche Kündigung für unstatthaft. Dem angefochtenen Urteile muß indes im Ergebnis beigetreten werden. In der Begründung kommt das Berufungsgericht dem Kläger sogar noch zu weit entgegen, indem es der im Briefe vom 15. September 1916 zweifellos enthaltenen Kündigung erst nach Ablauf einer Frist Wirksamkeit zuerkennt. Das Alleinverkaufsrecht war dem Kläger eingeräumt für die Zeit, während der er mit der Beklagten in Geschäftsverbindung und zwar, wie ausdrücklich hinzugefügt war. in "ausreichender" Geschäftsverbindung stehen würde. Es handelte sich somit um ein Recht von loser Beschaffenheit, wie das auch nur natürlich war angesichts der Tatsache, daß der Kläger irgendein Entgelt dafür nicht gewährt hatte. Die Beklagte hatte es in der Hand, dadurch, daß sie die Geschäftsverbindung abbrach oder für nicht mehr ausreichend erklärte, die Voraussetzung des Rechtes hinfällig zu machen. Dann muß ihr aber auch die Befugnis zugestanden werden, das Recht unmittelbar durch fristlose willkürliche Kündigung zu beenden. Ob das Verhältnis der Parteien im übrigen mehr Verwandtschaft mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes oder mit einem Agenturvertrag aufwies, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls darin stand es einer auf unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft gleich, daß es wie diese - vgl. § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB. - jederzeit fristlos gekündigt werden konnte. Allerdings mußte dem Klager, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt, Zeit gelassen werden, die bei ihm noch lagernden sowie die schon bestellten Maschinen ungestört durch direkte Verkäufe der Beklagten abzusetzen. Diesem Bedürfnis wurde aber genügend Rechnung getragen, wenn sie sich eine mäßige Zeit nach Beendigung des Verhältnisses des eigenen Absatzes in dem früheren Bezirke des Klägers enthielt. Eine solche Unterlassungspflicht, geboten durch die Grundsätze von Treu und Glauben, erscheint auch in anderen Anwendungen als Nachwirkung eines Vertrags. Im vorliegenden Falle hat die Beklagte unstreitig noch ein Jahr lang nach der Kündigung auf den Kläger Rücksicht genommen, so daß auch nach dieser Richtung hin Bedenken gegen die Abweisung der Klage nicht obwalten."