RG, 18.03.1919 - III 477/18
Begründet die Feststellung des Voraufschlags ein Recht der Gemeindebeamten auf die Bezahlung darin vorgesehener Alterszulagen?
Tatbestand
Der Kläger, seit 1907 Kassenrendant der Beklagten, sollte nach dem Normalbesoldungsetat am 1. April 1913 eine Alterszulage von 300 M jährlich erhalten. Nachdem der Voranschlag für das Rechnungsjahr 1913, der auch diese Gehaltserhöhung berücksichtigte, von der Gemeindevertretung festgestellt worden war, versagte der Gemeindevorsteher durch schriftliche Verfügung vom 25. März 1913 unter Berufung auf § 4 des die Dienstpflichten und die Besoldung der Gemeindebeamten regelnden Ortsstatuts vom 30. März 1900 die Gewährung der Zulage. Der Kläger berief sich demgegenüber auf die Feststellung des Voranschlags. Auf seine unter Beobachtung des § 7 des Kommunalbeamtengesetzes erhobene Klage wurde die Beklagte in der ersten Instanz zur Zahlung verurteilt. Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.
Gründe
"Nach § 4 des Ortsstatuts, auf das die Anstellungsurkunde Bezug nimmt, hatte der Kläger keinen Rechtsanspruch auf das Aufsteigen in eine höhere Gehaltsstufe. Es war dem Gemeindevorsteher ausdrücklich vorbehalten, wenn nach seinem Ermessen gegen die Berufstätigkeit, den Fleiß oder die Dienstführung eines Beamten begründete Ausstellungen vorliegen, sein Aufrücken in die höheren Gehaltsstufen ganz oder zeitweilig hintanzuhalten. Um einen Rechtsanspruch des Klägers zu begründen, bedurfte es also einer Bewilligung der Zulage an ihn. Eine solche ist in der Feststellung des Voranschlags nicht zu finden. Die Feststellung des Voranschlags bedeutet grundsätzlich nur die Bewilligung der Mittel für die darin vorgesehenen Ausgaben. Sie gibt den mit der Verwaltung der Gemeinde betrauten Organen die Ermächtigung, diese Ausgaben zu machen, begründet aber nicht Rechte Dritter, also auch nicht der Gemeindebeamten, auf die Auszahlung der bewilligten Beträge. Die Bewilligung der Alterszulage an den Kläger könnte daher nur in einer auf Grund der Feststellung des Voranschlags erfolgten Handlung des Gemeindevorstehers gefunden werden, dem die Verwaltung und Vertretung der Gemeinde, wie auch die Anstellung und Beaufsichtigung der Gemeindebeamten oblag (Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891 § 88 Abs. 1. Abs. 4 Nr. 5, 7). Daß der festgestellte Voranschlag sich nicht darauf beschränkt, den Bedarf an Beamtengehältern in Gesamtsummen aufzuführen, sondern in der Anlage zu Kapitel I die Besoldungen der Beamten, darunter auch die des Klägers mit dem um die Alterszulage erhöhten Gehaltsbetrag, einzeln nachweist, kann an der rechtlichen Bedeutung der Feststellung nichts ändern. Die abweichende Meinung des Klägers würde auch zu einer Beeinträchtigung des dem Gemeindevorsteher vorbehaltenen Versagungsrechts führen, die in keiner Weise zu rechtfertigen wäre. Nach § 3 des Ortsstatuts kommen als Anfangstermine für Alterszulagen nicht nur der 1. April, sondern auch der 1. Juli, 1. Oktober und 1. Januar in Betracht. Es ist nicht anzunehmen, daß eine vor dem 1. April erfolgte Feststellung des Voranschlags auch über erst später eintretende Zulagen endgültig bestimmen und damit das im § 4 geregelte Versagungsrecht des Gemeindevorstehers so wesentlich beschränken sollte. Was aber für die später eintretenden Zulagen anzunehmen ist, muß auch für die zum Beginn des Rechnungsjahres, am 1. April, fällig werdenden gelten.
Danach ist schon die Meinung der Revision zurückzuweisen, daß in der Feststellung des Voranschlags eine Bewilligung der Alterszulage an den Kläger überhaupt gefunden werden könne. Wollte man aber selbst hierin dem Kläger folgen, dann müßte doch diese Bewilligung, um die Gemeinde gegenüber dem Kläger zu binden, ihm gegenüber, also nach außen hervorgetreten sein, sei es durch eine allgemeine Bekanntmachung, die dann mittelbar zugleich eine solche für die einzelnen Beamten wäre, sei es durch eine unmittelbare Kundgabe an den Kläger selbst. Eine Bekanntmachung der ersteren Art behauptet die Revision selbst nicht. Eine unmittelbare Kundgabe findet sie mit Unrecht darin, daß der Kläger in seiner Eigenschaft als Kassenrendant den Voranschlag zur Sollstellung erhielt und damit auch von seinem Inhalte Kenntnis bekam. Wenn auch in der Anweisung zur Sollstellung zugleich die Anweisung und Ermächtigung zur Auszahlung der Zulagen an die beteiligten Beamten einschließlich des Klägers selbst lag, so handelte es sich doch nicht um eine Kundgebung an den Kläger als gehaltsberechtigten Beamten. Der vom Berufungsgericht in dieser Beziehung gemachte Unterschied in der Person des Klägers als Vertreters der Kasse und als der Gemeinde gegenüberstehenden Dritten ist nicht nur formell begründet, sondern auch sachlich gerechtfertigt. Das Berufungsgericht erwägt mit Recht, daß der Kläger nicht durch den zufälligen Umstand, daß er Kassenrendant war, einen Vorteil vor den übrigen Beamten haben könne, für die die Anweisung an die Kasse noch keinerlei Recht begründe. In der Anweisung zur Sollstellung ist daher auch nicht eine dem Kläger gegenüber erfolgte Bewilligung der Zulage durch den Gemeindevorsteher zu finden, die die nachfolgende Versagung ausgeschlossen hätte. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist demnach mit Recht abgewiesen worden." ...