RG, 15.03.1919 - V 242/18

Daten
Fall: 
Vertragsabschluss bei Handeln in fremdem Namen
Fundstellen: 
RGZ 95, 188
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
15.03.1919
Aktenzeichen: 
V 242/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Heidelberg
  • OLG Karlsruhe

Kommt ein Vertrag in der Person desjenigen zustande, der im Namen eines anderen handelt, ohne erkennbar zu machen, daß dieser Name der eines anderen ist?

Tatbestand

In einer zu M. aufgenommenen Urkunde unter Privatunterschrift vom 13. Oktober 1917 ist beurkundet, daß zwischen der jetzigen Klägerin und "Gutsbesitzer B. aus Cr. in Ostpreußen" ein Vertrag zustande gekommen sei, durch welchen jene an diesen zwei hypothekarisch gesicherte Forderungen von 90000 und 20000 M abzutreten erklärte. Als Abtretungspreis war ein Betrag von 50000 M vereinbart, über dessen Zahlung oder Sicherstellung nähere Bestimmungen getroffen waren. Der Vertrag ist unterschrieben: "Ernst B." Die Verhandlungen mit der Klägerin in M. sind erfolgt durch Anton B., der einen Sohn Ernst B. hat; er besaß von dem Sohne Generalvollmacht, legte sie aber bei den Verhandlungen nicht vor. Die Klägerin hat gegen Ernst B., Gutsbesitzer in Cr., und gegen Anton B., Kaufmann in K.. zwei später verbundene Klagen erhoben, mit denen sie Verurteilung der beiden Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung des Abtretungspreises verlangte.

Das Landgericht verurteilte den Ernst B. zur Zahlung, wies aber die Klage gegen Anton B. ab. Die von der Klägerin deswegen eingelegte Berufung wurde vom Berufungsgerichte zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Aus den Gründen

... "Der Berufungsrichter geht davon aus, daß auch gegen Anton B. ausdrücklich aus dem Vertrage vom 13. Oktober 1917 geklagt und aus ihm ein Anspruch auf Erfüllung auch gegen diesen Beklagten hergeleitet werde. Er meint aber, daß in erster Instanz festgestellte Sachverhältnis stehe dem entgegen und das neue Vorbringen in der Berufungsinstanz vermöge den Klaganspruch gleichfalls nicht zu rechtfertigen. Danach habe der Beklagte Anton B. den Vertrag auf Grund der ihm erteilten Generalvollmacht als unmittelbarer Stellvertreter seines Sohnes Ernst B. abgeschlossen. Die Klägerin nehme ja aus dem Vertrag auch den Ernst B. als ihren Vertragsgegner in Anspruch; sie könne nicht daneben auch noch den Stellvertreter dieses Vertragsgegners als Selbstkontrahenten in Anspruch nehmen. Denn wenn das Rechtsgeschäft für und gegen den Vertretenen wirksam geworden sei, so erzeuge es für und gegen den Vertreter keine Rechtswirkungen. Wenn die Berufungsbegründung darzulegen versuche, daß Anton B. bei der Verhandlung vom 13. Oktober 1917 zwar von einem Sohne gesprochen habe, der beim Heere sei, und auch davon, daß dieser die Ziegelei erhalten solle, daß er sich aber stets als Selbstkäufer dargestellt habe, so führe sie doch nicht näher aus und stelle nicht unter Beweis, wie und wodurch diese Darstellung als Selbstkäufer erfolgt sei. Gerade wenn Anton B. davon gesprochen habe, daß sein Sohn die Ziegelei erhalten solle, so sei es nicht glaubhaft, daß er sich stets als Selbstkäufer dargestellt habe in dem Sinne, daß er nicht für den Sohn, sondern für sich das Geschäft abschließe. Ein Stellvertreter erkläre übrigens seinen Abschlußwillen und er müsse nur irgendwie zum Ausdruck bringen oder es müßten wenigstens die Umstände ergeben, daß er dies nicht für sich in eigenem Namen, sondern für den Vertretenen, in dessen Namen, tue. Das sei aber im vorliegenden Falle geschehen; denn es sei unzweifelhaft, daß er ausdrücklich den Vertrag auf den Namen des Ernst B. und für ihn abgeschlossen habe, und genau das habe auch die Klägerin gewollt und halte ihrerseits an diesem Abschlusse fest. Daß sie und ihr Rechtsbeistand Dr. F. dabei vielleicht geglaubt hätten, in der Person des Anton B. den von ihm vertretenen Ernst B. selbst vor sich zu haben, mache den Vertreter nicht persönlich als Selbstkontrahenten haftbar. Der Fall liege nicht anders, wie der, wenn jemand in einem Zigarrenladen ein Kistchen Zigarren kaufe und an den Verkäufer bezahle, indem er diesen für den Prinzipal halte, während er nur dessen Angestellter sei.

Mit Recht rügt die Revision, daß diese Ausführungen nicht frei von Rechtsirrtum über die rechtlichen Voraussetzungen des Eintritts der Wirkungen der unmittelbaren Stellvertretung sind und insbesondere eine Verkennung der darüber in § 164 BGB. aufgestellten Rechtsregeln enthalten, § 164 erfordert für die unmittelbare Wirkung für und gegen den Vertretenen, daß die Willenserklärung innerhalb der dem Vertreter zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgegeben werde, wobei es allerdings keinen Unterschied machen soll, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, daß sie in dessen Namen erfolgen soll. Wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortritt, so soll nach Abs. 2 der Mangel des Willens, in eigenem Namen zu handeln, nicht in Betracht kommen. Diesen Begriff des "in fremdem Namen Handelns" verkennt der Berufungsrichter anscheinend, indem er darauf entscheidendes Gewicht legt, daß der Beklagte den Vertrag unter dem Namen "Ernst B." abgeschlossen habe. Er unterstellt selbst, daß die Klägerin und ihr Rechtsbeistand geglaubt haben mögen - wozu sie auf Grund des Verhaltens des Beklagten Anton B. übrigens allen Anlaß hatten -, daß die vor ihnen stehende Person Ernst B. hieß. Damit ist aber unterstellt, daß es für die Klägerin und ihren Rechtsbeistand nicht erkennbar hervorgetreten ist, daß der Name, unter dem der Beklagte Anton B. das Geschäft abschloß, ein ihm fremder war, daß er also dabei in Vertretung eines anderen handelte. Der von dem Berufungsrichter zur Verdeutlichung angeführte Fall des Kaufes von Zigarren in einem Laden schlägt, wie die Revision zutreffend ausführt, nicht ein. In solchem Falle ist der Wille des Käufers unzweifelhaft, das Geschäft nicht mit einem beliebigen Angestellten, sondern mit dem Prinzipal abzuschließen, und es ist ihm dabei durchaus gleichgültig, ob die ihm gegenüberstehende Person der Prinzipal oder ein Angestellter ist, der im Namen des Prinzipals handelt. Deshalb kommt auf Grund des beiderseitigen Vertragswillens das Geschäft in der Person des Prinzipals zustande, auch wenn nicht erkennbar hervorgetreten ist, daß ein anderer in seinem Namen gehandelt hat (RGZ. Bd. 30 S. 78; Bd. 67 S. 149). Rechtsirrig aber ist es, wenn der Berufungsrichter einen solchen Vertragswillen der Klägerin daraus herleitet, daß sie mit "Ernst B." den Vertrag abschließen wollte, in der Annahme, daß die ihr gegenüberstehende Person Ernst B. heiße, während in Wirklichkeit Ernst B. eine ganz andere Person war. Daß die Klägerin den Vertrag auch abgeschlossen haben würde, wenn sie gewußt hätte, daß nicht die Person, mit der sie verhandelte, sondern ein anderer, und zwar der im Felde stehende Sohn des Anton B., den sie nie gesehen hatte, der Vertragsgegner sein sollte, hat der Berufungsrichter nicht festgestellt. Es kann dies auch nicht ohne weiteres angenommen werden, da es sich nicht um einen Barkauf, sondern um Übernahme von erheblichen Verpflichtungen handelt, die der "Ernst B." erst in Zukunft erfüllen sollte, also um ein Kreditgeschäft, bei dem die Persönlichkeit des Verpflichteten nicht ohne Bedeutung sein konnte.

Der Berufungsrichter scheint auch die Beweislast zu verkennen, wenn er eine nähere Darlegung von seiten der Klägerin dafür vermißt, daß der Beklagte Anton B. "sich als Selbstkäufer dargestellt habe". Sache des Beklagten wäre es vielmehr gewesen, Umstände darzutun, welche sein Handeln in fremdem Namen erkennbar gemacht hätten. Wenn der Berufungsrichter einen solchen Umstand darin hat finden wollen, daß der Beklagte (wie die Klägerin zugibt) davon gesprochen hat. sein Sohn, der im Felde stehe, solle die Ziegelei erhalten, so stellt er zu Unrecht denjenigen, dem der Kaufgegenstand (übrigens nur ein Teil davon) nach der Absicht des Käufers zugute kommen soll, mit demjenigen gleich, in dessen Namen der Kaufvertrag abgeschlossen wird. Übrigens hat der Berufungsrichter auch (wie die Revision mit Grund rügt) den § 286 ZPO. dadurch verletzt, daß er den von der Klägerin angebotenen Beweis darüber, daß der Beklagte sich stets als Selbstkäufer dargestellt habe, mit der Begründung abgelehnt hat, das sei wegen der oben erwähnten Äußerung des Beklagten "nicht glaubhaft". Der Beweis einer unmittelbar erheblichen Tatsache kann nicht um deswillen abgeschnitten werden, weil aus anderen Tatsachen sich ihre Unwahrscheinlichkeit oder Unglaubhaftigkeit ergibt.

Nicht ohne Grund beanstandet die Revision ferner die Würdigung, welche der Berufungsrichter dem Briefe des Beklagten vom 3. November 1917 zuteil werden läßt, der aus Cr. (dem Wohnorte des Ernst B.) datiert und mit "B..." (dem ausgeschriebenen Familiennamen beider Beklagten) unterschrieben ist und u. a. folgende Sätze enthält:

"Wer hat Ihnen denn den Bären aufgebunden, daß ich die Ziegelei nicht auf meinen Namen gekauft habe? Ernst B. Cr. hat mit Ihnen verhandelt. Ernst B. hat den Vertrag gemacht, Ernst B. Cr. ist Ersteher der Ziegelei Haarssen Nr. 147. Daß ich mich zum Kauftermin habe durch Generalvollmacht vertreten lassen, wird wohl gleichgültig sein."

Der Berufungsrichter meint, dieser Brief beweise keineswegs, daß Anton B. die Hypotheken der Klägerin für sich persönlich, in eigenem Namen gekauft, sondern im Gegenteil, daß er sie gerade für Ernst B. und in dessen Namen erworben habe. Der ganze Brief sei von Anton B. in seiner Eigenschaft als Vertreter des Ernst Böse geschrieben und er bezeichne sich daher selber als Ernst B. Diese Auffassung entspreche durchaus der Rechtsprechung des Reichsgerichts hinsichtlich des Erfordernisses der eigenhändigen Unterschrift des Ausstellers einer Urkunde (§126 BGB.), wenn eine Partei sich dabei durch einen Bevollmächtigten vertreten lasse.

Auch diese Ausführung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Wenn der Berufungsrichter daraus, daß der Beklagte Anton B. sich in dem Briefe als Ernst B. bezeichnet, entnimmt, daß er den Brief als Stellvertreter des Ernst B. geschrieben und unterschrieben habe, und wenn er ferner darin sogar einen Beweis dafür erblickt, daß dieser Beklagte die Hypotheken für Ernst B. und in dessen Namen erworben habe, so übersieht er, daß es für die Wirkungen der Stellvertretung nicht auf den inneren Willen des Handelnden, sondern auf die Erkennbarkeit dieses Willens von seiten des Empfängers der Willenserklärung ankommt und daß der Inhalt des Briefes gerade deutlich erkennen läßt, daß der Schreiber den Empfänger in dem Glauben belassen will, der Briefschreiber und ebenso derjenige, mit dem er in M. verhandelt und den Vertrag geschlossen hatte, sei Ernst B. Die vom Berufungsrichter für die Zulässigkeit der Unterzeichnung einer Urkunde mit dem Namen des Vertretenen ohne einen die Vertretung andeutenden Zusatz angeführten Urteile des Reichsgerichts befassen sich nur mit der Frage, ob dadurch der in § 126 Abs. 1 BGB. erforderten Schriftform genügt werden könne, ohne über die Folgen der Nichterkennbarkeit der Stellvertretung zu entscheiden.

Dem Berufungsrichter ist zuzugeben, daß dem äußeren Anscheine nach ein gewisser Widerspruch darin liegt, daß die Klägerin sowohl gegen den Ernst B.. wie gegen den Anton B. Klage erhoben hat und die Verurteilung beider als Gesamtschuldner verlangt. Die darauf bezügliche Bemerkung des Berufungsrichters ist jedoch nach dem Zusammenhange nicht bestimmt, für sich allein die Entscheidung zu tragen, und dazu auch nicht geeignet. Es könnte nur in Frage kommen, ob etwa auf Grund der von der Klägerin aufgestellten Behauptungen die Klage gegen Ernst B. hätte abgewiesen werden müssen. Doch ist zu beachten, daß die Klägerin den gegen beide Beklagte gerichteten Klaganspruch schon in der Klagschrift ausdrücklich darauf gestützt hat, daß Anton B. hafte, weil er den Vertrag abgeschlossen und die Zahlung des Abtretungspreises zugesagt habe, Ernst B. aber, weil an ihn die Hypotheken abgetreten wurden und er das Grundstück, auf dem die abgetretenen Hypotheken eingetragen waren, ersteigerte. Der gegen Ernst B. gerichtete Klaganspruch gründete sich demzufolge nicht darauf, daß er Vertragskontrahent gewesen sei, sondern stellte sich als ein Bereicherungsanspruch dar, mit der Begründung, daß die Hypotheken auf ihn gediehen seien. Angesichts dieser Klagbegründung kann nicht anerkannt werden, daß der vom Berufungsrichter angenommene Widerspruch in den Behauptungen und rechtlichen Schlußfolgerungen der Klägerin in Wirklichkeit besteht." ...