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RG, 03.03.1919 - IV 422/18

Daten
Fall: 
Erbschaftsklage
Fundstellen: 
RGZ 95, 97
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.03.1919
Aktenzeichen: 
IV 422/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG III Berlin
  • KG Berlin

1. Muß die Erbschaftsklage gegen sämtliche Miterben erhoben werden?
2. Wird die Vererblichkeit des Anwaltschaftsrechts des Nacherben allgemein durch Einsetzung eines Ersatzerben ausgeschlossen?

Tatbestand

Der am 19. Januar 1907 verstorbene Rentier C. M. und seine am 28. Oktober 1916 verstorbene Ehefrau haben am 18. September 1902 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sie sich gegenseitig als Vorerben und ihre fünf Kinder zu gleichen Teilen als Nacherben auf den Überrest eingesetzt haben. Bezüglich der Kinder ist bestimmt, daß jedem von ihnen als Ersatzerben die ehelichen Deszendenten substituiert werden. Von den Kindern ist der älteste Sohn, der Ehemann der Klägerin, der diese in seinem Testamente vom 29. April 1904 als Alleinerbin eingesetzt hat, am 30. August 1911 ohne Hinterlassung von Nachkommen verstorben, während zwei Sohne, die ebenfalls in der Zwischenzeit vor dem Tode der Mutter verstorben sind, eheliche Nachkommen hinterlassen haben. Gegen die beiden noch am Leben befindlichen anderen Söhne hat die Klägerin Klage auf Feststellung ihres Erbrechts zu 1/5 an dem Nachlaß des C. M., auf Auskunftserteilung und Vorlegung eines Nachlaßverzeichnisses erhoben. Die Beklagten bestreiten jedes Erbrecht der Klägerin, weil nach dem aus dem Testament ersichtlichen Willen des Erblassers das Nacherbenrecht des nach dem Erbfall und vor dem Nacherbfalle verstorbenen Erben sich nicht vererben, an seine Stelle vielmehr nur die eheliche Deszendenz treten solle.

In den beiden Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen. Die Revision blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen

... "Zutreffend hat das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten, daß sie nicht allein sondern nur in Gemeinschaft mit den anderen Miterben (den ehelichen Nachkommen der bereits verstorbenen beiden Brüder) verklagt werden könnten, für unbegründet erklärt. Es besteht keine Notwendigkeit, daß über den Erbschaftsanspruch des Miterben gegenüber sämtlichen Miterben eine einheitliche Entscheidung ergehen müßte. Fällt die Entscheidung gegenüber den einzelnen Miterben verschieden aus, so hat das zwar gewisse Schwierigkeiten zur Folge, indem der Erbteil des Klägers im Verhältnis zu den einzelnen Miterben verschieden berechnet werden muß. Diese Schwierigkeiten sind aber keineswegs unlösbar und berechtigen nicht, eine notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Miterben anzunehmen. Der als Miterbe auftretende Kläger ist nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht gehindert, sein Erbrecht gegen einzelne Miterben zu verfolgen. In dieser Richtung sind denn auch Revisionsangriffe nicht erhoben.

Angegriffen wird dagegen die sachliche Entscheidung, die sich darauf stützt, daß das Nacherbenrecht (die Erbanwartschaft) des zwischen dem Erbfall und dem Nacherbfalle verstorbenen Ehemanns der Klägerin nach § 2108 Abs. 2 BGB. auf die Erben des Ehemanns nicht übergegangen sei, weil ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen sei. In erster Linie vertritt das Berufungsgericht den Rechtsstandpunkt, daß ein solcher Wille in der von dem Erblasser angeordneten Ersatzberufung zu finden sei. Es schließt sich hierbei an die in dem Kommentare von RGR. (Anm. 2 zu § 2108) und in dem von Staudinger Anm. 2a das.) geäußerte Ansicht an, daß die Vererblichkeit regelmäßig nicht gewollt sei, wenn der Erblasser für den Nacherben einen Ersatzerben ernannt habe.

Über die Ersatzberufung trifft § 2096 die Vorschrift: "Der Erblasser kann für den Fall, daß ein Erbe vor oder nach dem Eintritte des Erbfalls wegfällt, einen anderen als Erben einsetzen (Ersatzerbe)". In diesem der gesetzlichen Begriffsbestimmung entsprechenden Sinne ist daher, falls nicht ein anderer Wille des Erblassers erhellt, die von diesem angeordnete Ersatzberufung zu verstehen. Der Ersatzerbe ist nur für den Fall berufen, daß der erstberufene Erbe vor oder nach dem Eintritte des Erbfalls wegfällt. Unter Wegfall nach Eintritt des Erbfalls ist aber nach der gleichmäßigen Ausdrucksweise des Bürgerlichen Gesetzbuchs, worüber in der Rechtslehre kein Streit ist, immer nur der Fall zu verstehen, daß der Verlust des Erbrechts auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen wird, wie dies der Fall ist bei der Ausschlagung der Erbschaft (§1953 Abs. 1 und 2), bei der Erbunwürdigkeitserklärung (§ 2344), bei dem Tode des Erben vor Eintritt der (mit der Wirkung der Unvererblichkeit des Erbrechts gesetzten) Bedingung (§ 2074). und bei der Nichtigkeit der Erbeinsetzung infolge späterer Anfechtung wegen Willensmängel oder Nichterteilung der nach Art. 86, 87 EG. erforderlichen staatlichen Genehmigung. In allen diesen Fällen wird es so angesehen, als wenn der Erbanfall an den berufenen Erben überhaupt nicht erfolgt, dieser vielmehr bereits vor dem Erbfalle gestorben wäre (vgl. § 1972 des I. Entwurfs des BGB.). In dem gleichen Sinne ist von Wegfall des Erben auch in den sonstigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wie §§ 2069 (stillschweigende Ersatzberufung), 2094 (Anwachsungsrecht), 2110 Abs. 1 usw. die Rede.

Die Anwendung dieser für die Ersatzberufung geltenden Grundsätze auf den Ersatznacherben ergibt folgerichtig, daß für den Eintritt des Ersatzerben kein Raum ist, wenn der Nacherbe in der Zwischenzeit zwischen dem Erbfall und dem Nacherbfalle verstorben ist. Denn in diesem Falle hat der Nacherbe die Erbanwartschaft, die ein mangels eines anderen Willens des Erblassers vererbliches und übertragbares Recht begründet, endgültig erworben, nicht bloß vorläufig in dem Sinne, daß die von ihm erworbene Rechtsstellung durch sein späteres Ableben vor dem Nacherbfalle mit rückwirkender Kraft wieder verloren gehen könnte. Die Regel des § 2108 Abs. 2 über die Vererblichkeit wird deshalb, wie mit Planck (Anm. 3 zu § 2108), Strohal (Das Deutsche Erbrecht § 27 Anm. 21) und Leonhard (Anm. III D zu § 2108) anzunehmen ist, nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen, daß ein Ersatznacherbe bestimmt ist. Es bleibt vielmehr im einzelnen Falle nach dem sonstigen Inhalte der Verfügung von Todes wegen oder auf Grund besonderer Umstände außerhalb dieser Verfügung zu prüfen, ob der Erblasser durch Anordnung der Ersatzberufung hat zum Ausdrucke bringen wollen, daß die Erbanwartschaft nicht auf die Erben, sondern allein auf den Ersatzerben übergehen soll, ohne daß das Vorhandensein eines solchen Willens als das Regelmäßige hingestellt werden darf."...