RG, 29.09.1917 - V 145/17
1. Liegt unzulässige Klagänderung vor, wenn der Kläger auf Grund einer Abtretung geklagt, die Abtretung jedoch erst nach der Klagerhebung angenommen hat und sich nunmehr auf diesen Abtretungsvertrag stützt?
2. Abtretung einer Forderung zahlungshalber an einen Gläubiger des Abtretenden. Bedarf es zum Zustandekommen des Abtretungsvertrags einer Annahmeerklärung gegenüber dem Abtretenden?
Tatbestand
Der Kaufmann Emanuel Sch., der Sohn der Klägerin, verkaufte durch notariellen Vertrag vom 23. September 1907 sein Grundstück in Z. an die Beklagte. Auflassung und Übergäbe des Grundstücks erfolgten im Oktober 1907. Die Beklagte hatte in dem Kaufvertrag in Anrechnung auf den Kaufpreis unter anderem eine von Emanuel Sch. bestellte, auf dem Grundstücke für die Bank L. eingetragene Hypothek von 12.000 M als Selbstschuldnerin übernommen. Von der Bank wurde diese Schuldübernahme nicht genehmigt und Emanuel Sch. aus der persönlichen Schuldverbindlichkeit nicht entlassen. Auf ihren Antrag wurde das Grundstück, weil die Beklagte keine Zinsen gezahlt hatte, am 1. Juli 1908 zwangsversteigert. Sie fiel mit ihrer Hypothek nebst Zinsen und Kosten zum Betrage von 12.388,55 M aus. Darauf nahm sie Emanuel Sch. als persönlichen Schuldner auf Zahlung ihrer Forderung in Anspruch. Die Klägerin behauptete: Emanuel Sch. habe im März 1909 die Bank L. wegen ihrer ausgefallenen Hypothekenforderung befriedigt und infolgedessen gegen die Beklagte auf Grund ihrer Schuldübernahme betreffs der Bankhypothek den Anspruch auf Erstattung des Gezahlten erlangt. Diesen Anspruch habe er an sie, die Klägerin, abgetreten. Die Beklagte sei hiervon am 17. März 1909 mittels eingeschriebenen Briefes benachrichtigt worden. Am selben Tage habe sie, Klägerin, die Beklagte, die vorher schon von Emanuel Sch. zur Tilgung ihrer Schuld aufgefordert worden sei, an Zahlung gemahnt. Die Klägerin verlangt Verurteilung der Beklagten, in erster Linie zur Zahlung, hilfsweise zur Hinterlegung des an die Bank gezahlten Betrags. Der erste Richter wies die Klage ab, die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen; auf ihre Revision aber ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Gründe
"Bis zum März 1915 war eine Abtretungsurkunde nicht zu den Prozeßakten gelangt. Demnächst sind zwei privatschriftliche, mit "Emanuel Sch." unterzeichnete Abtretungsurkunden vorgelegt worden, eine vom 17. März 1909 von der Klägerin und eine vom 26. Oktober 1906 von dem Gewerbeschreiber S. bei seiner Vernehmung als Zeuge. Die Klägerin hat dann erklärt, sie stütze die Klage auch auf die Urkunde von 1908, ebenso wie auf die von 1909. Mindestens sei ein entsprechender mündlicher Abtretungsvertrag gelegentlich der Abfassung der Abtretungsurkunde zustande gekommen; denn ihr Sohn Emanuel habe in ihrer Vertretung sein Abtretungsanerbieten angenommen, und S. habe dann im Auftrage des Emanuel als ihres Vertreters das Weitere veranlaßt, um ihr zur Erfüllung des ihr abgetretenen Rechtes zu verhelfen. Alles dies habe sie während des Rechtsstreits genehmigt. Sie habe aber auch bereits im Jahre 1909 von der Abtretung durch ihren Sohn Kenntnis erhalten und die Zession angenommen. Der Berufungsrichter verwirft die von der Beklagten gegen die Benutzung der Urkunde von 1908 als Klagegrund erhobene Klage der Klagänderung. Dagegen führt er auf den Widerspruch der Beklagten gegen eine Klagänderung bezüglich des Zustandekommens eines Abtretungsvertrags folgendes aus: Wenn die Klägerin erst nach der Klagezustellung das Abtretungsanerbieten ihres Sohnes von 1908 oder 1909 angenommen, oder wenn sie die im Jahre 1908 oder 1909 von dritter, nicht ermächtigter Seite für sie erklärte Annahme des Angebots erst nach der Klagezustellung genehmigt hätte, dann läge trotz des § 184 BGB. eine unzulässige Änderung der Klage vor. Denn eine solche Annahme oder Genehmigung wäre eine neue selbständige klagebegründende Tatsache, ohne die der Klaganspruch für die Klägerin nicht entstanden wäre, die somit zum Klagegrunde gehört habe. Die Klägerin könne daher mit dem Klaganspruche nur durchdringen, wenn sie beweise, daß sie bereits vor der Klagezustellung mit ihrem Sohne Emanuel den Abtretungsvertrag des behaupteten Inhalts geschlossen habe.
Die Revision rügt wegen der Annahme der Klagänderung Verletzung des § 268 ZPO. Jedoch ist in dieser Hinsicht dem Berufungsrichter beizutreten. Wie sich aus § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 268 ZPO. ergibt, ist jede Änderung des Klagegrundes als Klagänderung anzusehen (RGZ. Bd. 14 S. 428, Urteil vom 25. Oktober 1911 V. 105/11). Zum Klagegrunde gehören auch die Behauptungen, aus denen sich ergeben soll, daß der geltend gemachte Anspruch gerade in der Person des Klägers entstanden ist (RGZ. Bd. 77 S. 143). Vorliegend würde der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch gemäß § 898 BGB. in der Person der Klägerin erst entstanden sein, wenn der angeblich dem Emanuel Sch. erwachsene Anspruch von Sch. durch Vertrag mit der Klägerin auf diese übertragen worden wäre. Eine einseitige Abtretungserklärung des Sch. genügte für sich allein nicht, um der Klägerin die Anspruchsberechtigung zu verschaffen. Wenn daher der Abtretungsvertrag zwischen Sch. und der Klägerin erst dadurch zustande gekommen wäre, daß sie nach der Klagerhebung die von Sch. in der Urkunde vom 17. März 1909 oder in der vom 26. Oktober 1908 abgegebene Abtretungserklärung angenommen oder die vorbezeichnete Genehmigung erteilt hätte, dann würde der Klägerin zur Zeit der Klagerhebung die Anspruchsberechtigung noch gefehlt haben, diese erst nach der Klagerhebung für die Klägerin entstanden sein. Es wäre also durch die Annahme oder die Genehmigung eine Tatsache, die zum Klagegrund in Richtung auf die Anspruchsberechtigung der Klägerin gehörte, erst nach der Klagerhebung eingetreten. Die Tatsachen aber, von denen das Bestehen des Klaganspruchs für den Kläger abhängt, müssen, abgesehen von solchen, welche nur die Ausübung oder Verfolgbarkeit des Klaganspruchs betreffen, wie z. B. Eintritt der Bedingung und Fälligkeit, Vorhandensein eines vollstreckbaren Schuldtitels im Falle einer Klage auf Grund des Anfechtungsgesetzes (RGZ. Bd. 38 S.87, Bd. 41 S. 87), nicht nur zur Zeit der Urteilsfällung, sondern auch schon zur Zeit der Klagerhebung gegeben sein; der Beklagte darf die Einlassung auf einen erst nach der Klagerhebung für den Kläger entstanden Klaganspruch ablehnen (RGZ. Bd. 38 S. 88, Bd. 41 S. 88; Jur. Wochenschr. 1898 S. 502 Nr. 7). Demnach kann im gegebenen Falle die erst nach der Klagerhebung erfolgte Annahme oder Genehmigung zufolge des von der Beklagten erhobenen Widerspruchs zur Rechtfertigung des Klaganspruchs nicht berücksichtigt werden (RG. a. a. O.).
Hinsichtlich des Zustandekommens eines Abtretungsvertrags vor der Klagerhebung sodann erklärt der Berufungsrichter nach Würdigung der Aussagen der darüber vernommenen Zeugen Emanuel Sch. und S. sowie nach Ablehnung der Vernehmung des ferner von der Klägerin als Zeuge benannten Rechtsanwalts N., die Klägerin habe nicht bewiesen und könne mit dem weiter angebotenen Beweismittel nicht beweisen, daß der geltend gemachte Klaganspruch auf sie durch Vertrag mit ihrem Sohn Emanuel Sch. schon vor der Zustellung der Klage übertragen worden sei. Freilich sei es dazu nicht nötig gewesen, daß sie ausdrücklich das Abtretungsangebot des Sohnes annahm, es hätte genügt, wenn die Umstände eine solche Annahme ergeben hätten. Aber auch solche Umstände seien nicht dargetan. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
Die Ausführungen des Berufungsrichters bei der Würdigung der Zeugenaussagen lassen erkennen, daß der Berufungsrichter zum Abschlusse des Abtretungsvertrags für erforderlich erachtet, daß die Klägerin auf das Abtretungsangebot des Emanuel Sch. ihm gegenüber die Annahme erklärt hätte. Nach § 151 BGB. aber kommt ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, auch ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. In der Abtretungsurkunde vom 17. März 1909 ist angegeben, Emanuel Sch. habe die Mittel zur Befriedigung der Bank L. von der Klägerin vorgestreckt erhalten. Die Klägerin hat auch im Rechtsstreite nach den Tatbeständen der Berufungsurteile behauptet, sie habe für Rechung ihres Sohnes Leistungen an die Bank L. bewirkt. Wäre dies richtig, so würde die Annahme nahe liegen, daß Emanuel Sch. seinen Anspruch gegen die Beklagte, die auf Grund des Kaufvertrags dem Sch. gegenüber zur Tilgung der Forderung der Bank L. verpflichtet gewesen wäre, an die Klägerin zu dem Zwecke abgetreten hat, daß sie Erstattung ihrer Leistungen von der Beklagten erlangen könne. Dann aber wäre eine besondere Annahmeerklärung der Klägerin zu der Abtretung ihrem Sohne gegenüber nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten, vielmehr als selbstverständlich vorauszusetzen gewesen, daß die Klägerin mit der Übertragung des Anspruchs ihres Sohnes an sie einverstanden sein werde (vgl. Jur. Wochenschr. 1907 S. 329 Nr. 5). Bei dieser Sachlage wäre für das Zustandekommen eines Abtretungsvertrags nur erforderlich gewesen, daß Emanuel Sch. die Klägerin in den Besitz der Abtretungsurkunde gesetzt oder sonst der Klägerin von seiner Abtretungserklärung Kenntnis gegeben und daß die Klägerin ihren Willen der Annahme nach außen kundgetan hätte. In ersterer Hinsicht meint der Berufungsrichter zwar, nach den Erfahrungen des Rechtsverkehrs sei bestimmt anzunehmen, daß die Klägerin die wichtige Urkunde, die für die Begründung ihrer Klage höchst bedeutungsvoll gewesen sei, längst zu den Akten überreicht haben würde, wenn sie wirklich in ihren Besitz gelangt wäre. Jedoch bezieht sich dies nur auf die Abtretungsurkunde vom 26. Oktober 1908, die übrigens von Zahlungen an die Bank L. nichts enthält, in der vielmehr nur erwähnt wird, daß die Bank einen Wechsel gegen die Klägerin ausgeklagt und die Zwangsvollstreckung betrieben habe. Die von der Klägerin vorgelegte Abtretungsurkunde vom 17. März 1909 hat nach der vom Berufungsrichter angeführten Aussage des S. dieser in alten Handalten des Rechtsanwalts N. gefunden und sie dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Laufe der Berufungsinstanz gesandt. Mangels gegenteiliger Feststellung ist die Annahme, daß Emanuel Sch. die Urkunde für die Klägerin dem Rechtsanwalt N. übergeben und dieser sie für die Klägerin verwahrt hat, nicht fernliegend, da nicht ersichtlich ist, aus welchem Grunde sonst Rechtsanwalt A. die Urkunde in seinen Handakten bewahrt hatte. Daß die Klägerin aber bereits vor Zustellung der Klage überhaupt Kenntnis von der Abtretung gehabt und ihren Willen, die Abtretung anzunehmen, nach außen kundgegeben hat, wäre daraus zu entnehmen, daß die Klageschrift vom 30. November 1910 und auch bereits das vom Berufungsrichter erwähnte Gesuch vom 23 April 1910, auf Grund dessen der Klägerin das Armenrecht für die erste Instanz bewilligt worden ist, die Behauptung enthält, Emanuel Sch. habe seinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des an die Bank L. auf die ausgefallene Hypothekenforderung Gezahlten an die Klägerin abgetreten und die Beklagte sei von der Abtretung mittels eingeschriebenen Briefes vom 17. März 1909 in Kenntnis gesetzt sowie an demselben Tage von der Klägerin gemahnt worden." ...