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RG, 20.04.1917 - II 565/16

Daten
Fall: 
Gespräche unter Anwesenden mittels Fernsprecher
Fundstellen: 
RGZ 90, 166
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.04.1917
Aktenzeichen: 
II 565/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bremen, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Gelten für Gespräche, die mittels Fernsprechers von Person zu Person geführt werden, grundsätzlich die gleichen Regeln wie für Gespräche unter Anwesenden? Insbesondere bei einem Mißverständnis?

Tatbestand

Die Fragen sind vom Reichsgerichte bejaht worden.

Gründe

... "Die drei Kaufgeschäfte, auf die sich die Klage stützt, wurden unter Vermittlung des Klägers H. in Bremen getätigt. H. hat darüber jeder Partei Schlußscheine zugestellt, laut deren die Verkäufe unbedingt abgeschlossen sind. Die Beklagte hat aber geltend gemacht, sie habe nur unter der ausdrücklichen - wenn sie gestellt ist, wie feststeht, ausgefallenen - Bedingung verkaufen wollen und verkauft, daß ihr die vereinbarte Ware von ihrem holländischen Ablader geliefert werden würde; sie habe das von vornherein dem H. erklärt, und es sei dieser ihr Vorbehalt sowohl von ihrem damaligen Mitinhaber St. telephonisch als von H., von diesem insbesondere bei Überreichung der ersten Schlußnote, persönlich dem Kläger übermittelt worden. Der Anrufungsrichter hat dazu ausgeführt: Beide Parteien hätten die von dem Mäkler ausgestellte, eine Bedingung nicht enthaltende Schlußnote vorbehaltslos angenommen; damit sei der Inhalt der Schlußnote Vertragsinhalt geworden und stehe der unbedingte Geschäftsabschluß fest - es sei denn, daß die Bedingung, wie die Beklagte behaupte, dem Kläger telephonisch von St. oder persönlich durch H. übermittelt worden sei. Volle Klarheit sei durch die stattgehabten Beweisaufnahmen nicht erbracht. Es könne nicht als bewiesen gelten, daß der Kläger von H. über die Unvollständigkeit der im Schlußzettel enthaltenen Aufzeichnungen aufgeklärt worden sei. Es frage sich daher nur, ob der Kläger telephonisch von St. erfahren habe, daß die Beklagte nur bedingt abschließen wollte. Auf Grund der anderweit unterstützten Angaben des St. sei es als wahr zu achten, daß St. während des mit dem Kläger geführten Gesprächs anläßlich des ersten Abschlusses geäußert habe: er schließe ab unter dem Vorbehalt, daß der Ablader die verkaufte Ware liefere. Fraglich sei lediglich, ob diese Erklärung Vertragsinhalt geworden sei. Das sei nur dann der Fall, wenn der Kläger sie richtig verstanden und dem Vorbehalt ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt habe. Es sei nun nicht ausgeschlossen, daß ein Mißverständnis vorliege; daß der Kläger, wie bei Telephongesprächen nicht selten, den Gegner falsch verstanden habe. Es erscheine angezeigt, dem Kläger den richterlichen Eid anzuvertrauen, daß er bei jenem Telephongespräche mit St. von dem Vorbehalt der Beklagten nichts erfahren habe. Leiste er den Eid, so stehe fest, daß alle drei Geschäfte unbedingt geschlossen seien; verweigere er den Eid, so sei hinsichtlich des ersten Abschlusses und dann zugleich auch bezüglich der beiden weiteren Abschlüsse das Gegenteil erwiesen.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Nach den Feststellungen des Berufungsrichters hat St. bei dem telephonischen Gespräche mit dem Kläger die Erklärung abgegeben, nur unter dem Vorbehalt (der Bedingung) zu verlaufen, daß sein holländischer Ablader die Ware liefere. Der Berufungsrichter erachtet es für nicht ausgeschlossen, daß der Kläger, an den die Erklärung gerichtet war, sie falsch verstanden und infolge dieses falschen Verstehens der gegnerischen Erklärung auf den Abschluß des streitigen Geschäfts eingegangen ist. Zur Hebung der darüber bestehenden Zweifel hat der Berufungsrichter auf den richterlichen Eid für den Kläger erkannt, daß er bei jenem Gespräche die Bedingung der Beklagten nicht erfahren habe, und für den Fall der Eidesleistung die Klage zugesprochen.

Das beruht auf Rechtsirrtum. Das von St. als dem damaligen Mitinhaber der Beklagten und dem Kläger mittels Fernsprechers von Person zu Person geführte Gespräch gilt als unter Anwesenden geführt (§ 147 Abs. 1 BGB., RGZ. Bd., 61 S. 126); es haben daher grundsätzlich auch die gleichen Regeln wie für Gespräche unter Anwesenden Platz zu greifen. Hat nun bei einem solchen Gespräche, bei dem das Gesprochene als dem Gegner sofort zugegangen zu erachten ist, der eine Teil zu der von dem anderen Teile ausdrücklich abgegebenen Erklärung sich in einem zustimmenden Sinne geäußert, weil er die Erklärung des anderen Teiles falsch verstanden hatte, so mögen zwar Zweifel darüber bestehen können, ob ein Vertrag zustande gekommen ist und derjenige, dem gegenüber die Erklärung unzweideutig abgegeben war, seine nur infolge des falschen Verstehens dem Vertragsabschlusse zustimmende Erklärung wegen Irrtums (§ 119 BGB.) anfechten kann; oder ob bei dem Auseinanderfallen der beiderseitigen Erklärungen mangels Willenseinigung ein Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen ist. Aber keinesfalls kann derjenige; der seine Erklärung infolge seines falschen Verstehens irrtümlich abgegeben hat, nun dasjenige, was er irrtümlich als vom Gegner erklärt angenommen hatte, als wirklich erklärt und als Vertragsinhalt seinen Ansprüchen zugrunde legen. Demgemäß kann der Kläger, entgegen der Auffassung des Berufungsrichters, aus dem Vertrage, den er nur irrtümlich für bedingungslos geschlossen erachtete und bezüglich dessen die Beklagte erklärt hatte, ihn nur bedingt abzuschließen, nicht Rechte ableiten, wie wenn der Vertrag bedingungslos zustande gekommen wäre. Da die betreffende Bedingung, wie festgestellt ist, ausgefallen ist, war die Klage in jedem Falle hinfällig. Daß die von dem Mäkler unterzeichneten, den Parteien zugestellten Schlußnoten von der Bedingung nichts enthalten, ist unerheblich. Den Schlußnoten (§ 94 Abs. 1 HGB.) kommt eine formelle Beweiskraft nicht zu, und wenn auch aus der vorbehaltlosen Annahme der Note in der Regel gemäß § 346 HGB. die Genehmigung des Geschäfts mit dem Inhalt, wie ihn die Schlußnote besagt, zu folgern sein wird (ROHG. Bd. 13 S. 292; RGZ. Bd. 58 S. 367. Bd. 59 S.350; Jur. Wochenschr. 1909 S.57). so muß das doch hier entfallen, wo die Beklagte durch ihren Mitinhaber St., als sie die Schlußnote sah, dem Kläger sofort durch den Fernsprecher erklärte, nur bedingt abzuschließen, und wo der Kläger, als ihm demnächst H. die Schlußnote übergab, nur glaubte unbedingt abgeschlossen zu haben.

Danach war das Berufungsurteil aufzuheben und das erstinstanzliche, die Klage abweisende Urteil wieder herzustellen."