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RG, 24.05.1917 - VI 77/17

Daten
Fall: 
Güterstande der Errungenschaftsgemeinschaft
Fundstellen: 
RGZ 90, 280
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.05.1917
Aktenzeichen: 
VI 77/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Straßburg i.E.
  • OLG Colmar

1. Fällt unter dem Güterstande der Errungenschaftsgemeinschaft ein von der Ehefrau hinter dem Rücken des Mannes aufgenommener Darlehensbetrag auch dann in das Gesamtgut, wenn der Mann weder von dem Erwerbe Kenntnis noch die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Erworbene erlangt?
2. Haftung des Ehemanns aus Bereicherung des Gesamtguts nach §§ 1455, 1519 BGB.

Tatbestand

Die Klägerin hat der Ehefrau B. ein Darlehen gegeben, ist aber mit der auf Rückzahlung gerichteten Klage abgewiesen worden, weil der von der Beklagten erhobene Einwand des Wuchers für begründet erachtet worden ist. Dagegen verurteilte das Berufungsgericht den Ehemann B., der, wie es feststellt, von der Darlehensaufnahme nichts gewußt hat, zur Zahlung von 5.570 M, um welchen Betrag das Gesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft - die bis zu der unter dem 15. Juni 1914 rechtskräftig ausgesprochenen Ehescheidung unter den Eheleuten bestand - bereichert sei (BGB. § 1455).

Hiergegen hat der beklagte Ehemann B. die Revision eingelegt und den Antrag,

auch ihm gegenüber die Klage abzuweisen,

wiederholt. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Ehefrau B. den ihr von der Klägerin gewährten Darlehensbetrag - wie alle sonstigen Beträge, die sie wie jenen hinter dem Rücken ihres Mannes zu erlangen gewußt habe, - soweit sie das Geld nicht für ihre Provisionen an ihre Vermittler und für Zinsen an die Darlehensgeberin benötigte, ausschließlich zur Bestreitung dringender laufender Haushaltungsausgaben und rückständiger Haushaltungsschulden verwandt hat, die an sich nach § 1529 BGB. dem Gesamtgute zur Last fielen. Das Berufungsgericht hält im besonderen für erwiesen, daß auch der der Klägerin gegenüber dem Ehemanne B. auf Grund des § 1455 BGB. zugesprochene Betrag von 5.570 M von der Frau B. in der angegebenen Weise voll für die Lasten des ehelichen Aufwandes verwendet worden sei. Das Gesamtgut der Eheleute B. sei daher durch Ersparung ihm zur Last fallender Ausgaben und durch Befreiung von ihm obliegenden Verbindlichkeiten nach wie vor um diesen Betrag von 5.570 M bereichert worden.

Die Revision hat u. a. folgendes eingewendet.

Was die Ehefrau aus einem hinter dem Rücken des Ehemanns geschlossenen und noch dazu nichtigen Rechtsgeschäft in die Hand bekommen habe, sei kein"Erwerb"im Sinne des § 1519 BGB. und falle daher auch nicht in das Gesamtgut. Bereichert werde das Gesamtgut erst, wenn das von der Ehefrau auf diese Weise Erlangte in die Verfügungsgewalt des Mannes gelange oder zur Tilgung von Gesamtgutsverbindlichkeiten verwendet werde, hierfür treffe aber die Klägerin die Beweiskraft. Persönlich hafte der Ehemann überhaupt nicht oder doch nur insoweit, als er nach Auflösung der Gütergemeinschaft selbst etwa noch bereichert wäre.

Das angefochtene Urteil läßt aber in diesen Richtungen keinen Rechtsirrtum erkennen. Nach § 1519 Abs. 1 BGB. wird, was der Mann oder die Frau während der Gemeinschaft erwirbt, Gesamtgut. Darunter fällt nicht nur Erwerb durch Arbeit der Eheleute, sondern auch anderer Erwerb (RGSt. Bd. 40 S. 175). Nach § 1527 ist alles vorhandene Vermögen - vermutungsweise - Gesamtgut, sofern nicht eine andere güterrechtliche Eigenschaft sich besonders erweisen läßt. Was eingebrachtes Gut der Ehefrau ist, besagen die §§ 1520 bis 1524. Die darin aufgeführten Fälle ertragen keine Erweiterung: auch heimlicher oder verbotener Erwerb der Frau, sofern er nicht unter die § 1520 bis 1524 fällt, wird Gesamtgut. Der Erwerb für das Gesamtgut vollzieht sich mit rechtlicher Notwendigkeit, grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Willensrichtung des Erwerbenden. Das mit dem Erwerb in der Person eines Ehegatten entstehende Eigentum wird mit seiner Entstehung umgewandelt in gütergemeinschaftliches Eigentum (vgl. RGZ. 84 S. 73, 327), und zwar nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 1438 Abs. 2. die nach § 1519 Abs. 2 auch für die Errungenschaftsgemeinschaft gilt, kraft Gesetzes. Der Eintritt dieser Rechtsfolge ist nicht davon abhängig, ob der Ehemann um den Erwerb weiß oder das Erworbene in seine tatsächliche Verfügungsgewalt bekommt. Es kann der Ehefrau nicht anheimgestellt sein, dadurch, daß sie einen Erwerb ohne Wissen des Mannes macht und ihn seiner Verfügungsgewalt vorenthält, sich ein Sondergut zu verschaffen. Wie denn übrigens auch z. B. die Vorschrift des § 1450 ergibt, daß auch bei Nichtwissen des Mannes (infolge von Abwesenheit, Krankheit) ein Erwerb der Ehefrau wirksam für das Gesamtgut muß erfolgen können.

Das Geld, das die Klägerin der Ehefrau B. gab, fiel mithin ohne weiteres in das Gesamtgut (Errungenschaft). Dieses wurde dadurch bereichert. Der Ehemann B. haftet auf die Herausgabe der Bereicherung persönlich in voller Höhe desjenigen Betrags, den das Gesamtgut durch die Leistung der Klägerin erlangt hat und um welchen es noch zur Zeit der Gemeinschaftsauflösung bereichert war. Diese Haftung ist rechtlich begründet, sei es, daß die Verbindlichkeit zur Herausgabe der Bereicherung als in der Person der Ehefrau aus dem von ihr vorgenommenen Rechtsgeschäft entstanden und die Haftung des Mannes danach als die des Gesamtschuldners (§ 1530 Abs. 2 Satz 1; Staudinger § 1455 Erl. 1) anzusehen ist, sei es, daß die Verbindlichkeit, nach § 1455 dem Gesamtgut auferlegt wie sie ist, als sogleich in der Person des Ehemanns - als des berufenen Vertreters des Gesamtguts und Trägers der Gesamtgutsrechte und -Verbindlichkeiten (vgl. § 1443) - entstanden angesehen wird. Für den letzteren Fall ist die persönliche Haftung des Mannes in § 1530 (vgl. auch § 1459) nicht ausdrücklich vorgeschrieben, aber als selbstverständlich vorausgesetzt.

Auf die von der Revision angezweifelte Richtigkeit der Beweislastverteilung braucht hiernach nicht eingegangen zu werden. ...