RG, 24.05.1884 - I 135/84

Daten
Fall: 
Prozeßhindernden Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit
Fundstellen: 
RGZ 13, 331
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.05.1884
Aktenzeichen: 
I 135/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Bedeutung der prozeßhindernden Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit (§. 247 Nr. 6 C. P. O. ).

Tatbestand

Die klagende Verlagsbuchhandlung beabsichtigte, eine neue Auflage eines bereits in mehreren Auflagen erschienenen Gesangbuches zu veranstalten; dem hatte aber das beklagte Konsistorium der Provinz Brandenburg widersprochen, indem es für sich ein Autorrecht in Anspruch nahm. In der vorliegenden Klage beantragte daher die Klägerin eine Feststellung dahin, daß dem beklagten Konsistorium ein Autorrecht nicht zustehe.

Das beklagte Konsistorium hat die Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit auf seiner, des Beklagten, Seite erhoben, und zwar als prozeßhindernde Einrede (§. 247 Nr. 6 C.P.O. ), indem es auf Grund dieser Einrede die Verhandlung zur Hauptsache verweigert hat. Das Gericht erster Instanz hat diesen Einwand für begründet erachtet, weil das Konsistorium mit vermögensrechtlichen Angelegenheiten nichts zu thun habe. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Einwand verworfen und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen, weil zu den Geschäften der Konsistorien auch die Aufsicht über das Vermögen der Kirche gehöre, dieselben also in die Lage kommen könnten, einen Prozeß zu führen. Die Revision des Beklagten ist vom Reichsgerichte zurückgewiesen, jedoch aus folgenden, von denjenigen des Berufsgerichts abweichenden Gründen:

Gründe

"Beide Vorinstanzen haben die Einrede des Beklagten als prozeßhindernde behandelt und darüber ohne vorgängige Verhandlung zur Hauptsache besonders und ausschließlich durch Urteil erkannt. Die Civilprozeßordnung läßt als prozeßhindernde Einreden nur die in §. 247 unter sechs Nummern speziell benannten Einreden zu, darunter unter Nr. 6 die Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit. Nur wenn die Einrede des Beklagten unter eine dieser sechs Nummern zu subsumieren ist, durften die Vorinstanzen darüber ohne vorherige Verhandlung zur Hauptsache gemäß §. 248 besonders durch ein, durch Rechtsmittel anfechtbares Urteil entscheiden. Unter der Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit ist im §. 247 Nr. 6 die Einrede gemeint, daß einer Partei die Prozeßfähigkeit im Sinne des §. 50 C. P. O. mangele. Der §. 50 versteht unter der Prozeßfähigkeit die Fähigkeit einer Partei, selbst vor Gericht zu stehen, im Gegensatze der nicht prozeßfähigen Partei, welche nicht selbst, sondern durch einen gesetzlichen Vertreter vor Gericht stehen kann. Die Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit würde also nur dann erhoben sein, wenn das beklagte Konsistorium eingewendet hätte, daß es nicht selbst vor Gericht zu stehen fähig sei, sondern nur durch einen gesetzlichen Vertreter vor Gericht stehen könne. Das hat aber das beklagte Konsistorium nicht eingewendet; es liegt daher eine prozeßhindernde Einrede überall nicht vor; mithin durfte das im §. 248 C. P. O. vorgesehene Verfahren nicht eingeleitet und in solchem Verfahren nicht erkannt werden. Die Urteile der Vorinstanzen sind gleich dem vorhergehenden Verfahren nichtig, und wenn gleichwohl auf Zurückweisung der Revision erkannt ist, so ist dies aus ganz anderen Gründen, als denjenigen des Berufungsrichters und nur in dem Sinne geschehen, daß die in der Urteilsformel ausgesprochene Verwerfung des Einredevorbringens als eines prozeßhindernden aus dem rein formellen Grunde, weil es nicht unter die Bestimmung des §. 247 C. P. O. fällt, aufrecht erhalten und die Sache in die erste Instanz zurückverwiesen wird, um nach verhandelter Hauptsache anderweit zu erkennen. Die Gründe der Urteile der Vorinstanzen, namentlich des Berufungsurteiles, behalten daher für die künftige anderweite Entscheidung keinerlei Bedeutung. Das Einredevorbringen des Beklagten läuft darauf hinaus, daß entweder wegen des Klaganspruches der Rechtsweg nicht zulässig sei oder daß die Beklagte nicht passiv legitimiert, die Klage vielmehr gegen einen anderen Beklagten, namentlich gegen den Oberkirchenrat, zu richten gewesen wäre. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges hätte allerdings von dem Beklagten als eine prozeßhindernde nach §. 247 Nr. 2 C. P. O. vorgebracht werden können; das ist aber nicht geschehen, vielmehr ausdrücklich nur die prozeßhindernde Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit erhoben. Die Einrede der mangelnden Passivlegitimation gehört aber nicht zu den prozeßhindernden des §. 247; über dieselbe kann nicht gemäß §. 248 C. P. O. , sondern nur nach verhandelter Hauptsache erkannt werden.

Seitens des Beklagten ist namentlich behauptet, das Konsistorium sei kein Rechtssubjekt, welches in vermögensrechtlichen Angelegenheiten verklagt werden könne; es besitze keine juristische Persönlichkeit; es sei eine kollegialische Behörde der evangelischen Landeskirche zur Handhabung des Kirchenregimentes beziehungsweise Aufsichtführung über die inneren und äußeren kirchlichen Angelegenheiten der evangelischen Kirchenprovinz Brandenburg und ihrer Gemeinden; es habe auch keine Funktionen, welche denjenigen der fiskalischen Stationen in Vermögensrechtlichen Angelegenheiten analog seien; die Landeskirche werde in ihren Vermögensangelegenheiten durch den Oberkirchenrat vertreten. Alle diese Behauptungen stehen in keiner Beziehung zu der Frage der Prozeßfähigkeit des Konsistorii.

Gleich unerheblich ist für die vorliegende Entscheidung das von der Klägerin und von dem Berufungsgerichte urgierte Moment, daß das Konsistorium die amtlichen Funktionen hat, gewisse kirchliche Fonds zu verwalten und die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden zu beaufsichtigen."