RG, 21.01.1889 - IV 276/88
Ist das in einem Erbrezesse von dem einen Erben abgegebene Versprechen, als Gegenleistung bestimmte Geldsummen an seine Miterben zu zahlen, ein von der Erbteilung verschiedener Gegenstand oder ein verschiedenes Geschäft in Sinne der Nr. 1 der allgemeinen Vorschriften zum Tarife des preußischen Stempelgesetzes vom 7. März 1822?
Tatbestand
In dem von den Klägern als Erben des Domänenpächters Kl. geschlossenen Erbrezesse haben die Kläger unter 1. und 2. dem Kläger unter 3. alles auf mehreren vom Erblasser erpachteten Domänen befindliche Inventar, ferner ihre Ansprüche an einer von dem Erblasser bei der Königl. Regierung deponierten Kaution und einer von dieser zu gewährenden Entschädigung für Drainage, seiner die zum Nachlasse gehörigen Wertpapiere, Hypotheken sowie gewisse Privatforderungen zum Alleineigentum überwiesen.
Als Gegenleistung bekennt der Kläger zu 3. sich als Schuldner seiner Miterben in Höhe bestimmter Geldsummen, welche teils sofort zahlbar sind, teils kreditiert werden. Die Miterben acceptieren, wie in dem Erbrezesse ausdrücklich ausgesprochen ist, dieses Schuldbekenntnis.
Von diesen Geldsummen hat die Steuerbehörde den Schuldverschreibungsstempel mit 167 M von den Klägern eingezogen, und diesen Betrag fordern dieselben mit der vorliegenden Klage zurück.
Das Landgericht hat ihnen den Anspruch zugesprochen, und die vom Beklagten eingelegte Berufung ist verworfen.
Ebenso ist die Revision des Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Schon die in den Entscheidungen des Obertribunales (Bd. 56 S. 424) mitgeteilte Entscheidung geht von dem Grundsatze aus, daß die in einem lästigen Vertrage als Gegenleistung bedungene Zahlung einer Geldsumme keine schriftliche Verhandlung ist, welche sich als ein neben dem Vertrage bestehendes Geschäft im Sinne der Nr. 1 der allgemeinen Vorschriften beim Gebrauche des Stempeltarifes darstellt, und dieser Grundsatz ist auch konstant vom Reichsgerichte aufrechterhalten, so in Beziehung auf die Verpflichtung zur Zahlung der Cessionsvaluta in den Urteilen vom 14. März 1881 (Rep. IV. 405/81) und vom 22. September 1884 (Rep. IV. 113/84) und in Beziehung auf die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme, welche als Gegenleistung für gewisse dem Promissar erwachsene Kosten und von ihm geleistete Arbeiten bedungen war, in dem Urteile vom 5. April 1888 (Rep. IV. 374/87).
Die Erbteilung ist regelmäßig ebenfalls ein lästiger Vertrag, in welchem von den Teilenden gegenseitig Rechte und Pflichten eingeräumt, beziehungsweise übernommen werden. Die Vereinbarungen dieser Leistungen und Gegenleistungen sind die Erbteilung, und dies schließt es aus, dieselben als von der Erbteilung verschiedene besondere Geschäfte aufzufassen.
Speziell den vorliegenden Fall betreffend, hat der Mitkläger Friedrich Kl. als Gegenleistung für die von seinen beiden Miterben erklärte Überlassung, Überweisung und Übereignung von Nachlaßobjekten denselben bestimmte Geldsummen versprochen. Durch diese einen bestimmten Bestandteil der Einteilung, bildenden Versprechen wurden die gedachten Geldschulden des Friedrich Kl. erst geschaffen. Seine Erklärung im Erbrezesse:
daß er sich als Schuldner seiner Miterben zu den als Gegenleistung bedungenen Geldsummen bekenne,
und die Erklärung der beiden Miterben:
daß sie obiges Schuldbekenntnis acceptieren,
waren lediglich Inhalt der Erbteilung, kein außerhalb derselben liegendes, von der Erbteilung verschiedenes Geschäft, und ebenso war die Verabredung der Beteiligten über die Zeit und den Modus bei Erfüllung der Gegenleistung kein verschiedenes Geschäft. Insbesondere kam es hinsichtlich der von der Miterbin Witwe Kl. erklärten Kreditierung der ihr versprochenen Gegenleistung nicht darauf an, daß solche Kreditierung oder aber die Bedingung der sofortigen Zahlung für den rechtlichen Begriff einer Erbteilung nicht wesentlich war. Daß aber die Kreditierung durch den Willen der Parteien zu einem wesentlichen Bestandteile der Erbteilung, wie sie geschlossen ist, gemacht ist, bezweifelt keine der Parteien. Es ist auch unerheblich, daß dabei die Erklärung des Friedrich Kl., durch welche er sich verpflichtet, an seine Miterben als Gegenleistung die im Rezesse angegebenen Summen zu zahlen, als "Schuldbekenntnis" bezeichnet ist. Denn damit wird die kurz vorher durch den Rezeß begründete Verpflichtung des Friedrich Kl. zur Gegenleistung nur mit einer anderen Bezeichnung wiederholt. Es ist dies nur ein Bekenntnis der Verpflichtung zu der im Erbrezesse übernommenen Geldleistung, nicht das Schuldbekenntnis zu einer davon verschiedenen anderen Leistung.
Das Obertribunal hat denn auch in dem Erkenntnisse vom 20. September 18721 angenommen, daß die von Miterben in einem Erbrezesse zum Zwecke der Erbteilung ausgestellten Schuldverschreibungen einer besonderen Besteuerung nicht unterliegen. Es ist dabei zutreffend ausgeführt, daß bei der Frage:
ob die in einem Akte enthaltenen Willensvereinbarungen der Parteien sich zu einem Rechtsgeschäfte oder zu mehreren Rechtsgeschäften gestalten?
zwischen naturalia und accidentalia negotii überhaupt nicht zu unterscheiden ist, sondern daß entscheidend ist, ob die Willensvereinbarungen der Erben die Grenzen des Erbteilungsverfahrens überschritten haben und ferner, daß der Vorwurf, es sei Nr. 1 der allgemeinen Vorschriften und die Position Schuldverschreibungen durch Nichtanwendung verletzt, insofern nicht passe, als diese Bestimmungen keine Anleitung zur Beurteilung der Selbständigkeit der verschiedenen, in einer Verhandlung enthaltenen Gegenstände und Rechtsgeschäfte geben.
Ein hiervon verschiedener Fall war der in der Entscheidung des Plenums der Strafsenate des Obertribunales vom 27. Januar 18622 entschiedene.
Es ist damals die Frage:
ob zu einem Werkverdingungsvertrage, in welchem von dem Baumeister auch die Lieferung der Materialien übernommen war, neben dem allgemeinen Vertragsstempel noch der Stempel für "Lieferungsverträge" verwendet werden muß,
bejahend entschieden. Diese Entscheidung ist darauf gestützt, daß der Vertrag zwei nebeneinander bestehende Verträge enthalte.
Im vorliegenden Falle liegt diese Voraussetzung nicht vor, sondern es handelt sich darum:
ob das in einem unzweifelhaft einheitlichen Geschäfte (der Erbteilung) enthaltene Bedingen der Gegenleistung als besonderes zu verstempelndes Geschäft anzusehen ist.
Übrigens ist dieser Plenarbeschluß in dem Erkenntnisse der IV. Civilsenates des Reichsgerichtes vom 26. Januar 1880 (Rep. IV. 91/79) bereits reprobiert und dabei ausgeführt:
Wenn die Nummer 1 der allgemeinen Vorschriften die Stempelpflichtigkeit eines Geschäftes aufrechterhält, auch wenn letzteres in Verbindung mit anderen stempelpflichtigen Geschäften in einer Verhandlung bekundet worden ist, so ist damit nicht die Zerlegung eines einheitlichen Rechtsbegriffes in Einzelfunktionen des Geschäftes angeordnet, sondern nur bestimmt worden, daß die nach Rechtsbegriffen gesonderten, aber in einer und derselben Verhandlung beurkundeten Geschäfte je nach ihrer Steuerpflichtigkeit versteuert werden sollen.
Mit der Feststellung von Rechtsbegriffen hat es die Nummer 1 überhaupt nicht zu thun. Wenn sie von mehreren Geschäften spricht, so meint sie Geschäfte im Rechtsbegriffe, wie ihn das bürgerliche Gesetz aufstellt.
Ebenso lag ganz anders der von dem Beklagten herangezogene, in den Entscheidungen des Reichsgerichtes in Civilsachen Bd. 14 S. 258 mitgeteilte Fall eines Mietvertrages, in welchem die Entscheidung von entstehenden Streitigkeiten an Schiedsrichter verwiesen war. Dieses letzte Übereinkommen verfolgte einen dem Vertragszwecke eines Mietvertrages völlig fremden Vertragszweck, nämlich den Vertragszweck eines Schiedsvertrages. Die Vertragsurkunde enthielt daher einen dem Mietverhältnisse zwar dienstbar gemachten, aber vom Mietvertrage verschiedenen Schiedsvertrag.
Aus demselben Grunde ist auch unzutreffend die Heranziehung des im Justizministerialblatte 1879 S. 111 abgedruckten Erkenntnisses des Obertribunales, bei welchem eine Eheberedung unter Brautleuten und ein Ausstattungsversprechen des Brautvaters in einer Urkunde enthalten waren, wo also bei beiden Geschäften nicht einmal dieselben Personen kontrahierten.
Endlich beruft der Beklagte sich auch mit Unrecht auf die in dem Centralblatte der Abgabengesetzgebung, Jahrg. 1884 S. 37 abgedruckte Entscheidung des IV. Civilsenates des Reichsgerichtes vom 1. November 1883. Denn in diesem Falle war durch das Berufungsgericht als Inhalt der in Rede stehenden beiden Vertrage festgestellt:
Ein dem Kläger und einem Kaufmanne I. erteilter Auftrag zum Verkaufen oder Vertauschen von zwei Gütern, die Erklärung des Klägers, sich in Gemeinschaft mit I. als persönlicher Schuldner zur Berichtigung des zu erzielenden Kaufpreises zu verpflichten und die beiden Beauftragten eingeräumte Berechtigung, die Grundstücke für die gestellten Preise zu erwerben. Das Reichsgericht hat angenommen, daß lediglich die den verschiedenen Abmachungen zukommende objektive Beurteilung nach den Vorschriften der Gesetze darüber entscheiden kann, ob sie nach ihrem Inhalte in einzelne Bestandteile zerfallen, von denen ein jeder für sich die gesetzlichen Merkmale eines besonderen Rechtsgeschäftes aufweist.
Da nun, so führt das Reichsgericht aus, die in Rede stehenden Verträge außer dem Vollmachtsvertrage persönliche Schuldverpflichtungen zur Bezahlung bestimmter Geldsummen und Vereinbarungen über den eventuellen Eintritt der Bevollmächtigten als Selbsterwerber der Grundstücke enthalten, so sind dies Gegenstände, welche mit der rechtlichen Natur und den rechtlichen Folgen des Vollmachtsvertrages nichts zu thun haben, einen wesentlichen Unterschied von demselben zeigen und von dem Vollmachtsvertrage gesondert werden können, ohne daß dadurch der rechtliche Bestand des letzteren eine Beeinträchtigung erleidet.
Das gerade Gegenteil von diesen Merkmalen trägt der jetzt vorliegende Fall an sich. Bei objektiver Beurteilung zeigt sich, daß der jetzt in Rede stehende Teilungsrezeß die Verpflichtung zur Zahlung der versprochenen Geldsummen nicht neben die bedungene Gegenleistung stellt, sondern daß beides zusammenfällt; daß dieses Versprechen nichts weiter ist, als die Gegenleistung, welche die Erbteilung erst zu demjenigen macht, was sie begrifflich sein soll, nämlich zu einem lästigen Vertrage; daß dies Versprechen sich von der Erbteilung, ohne deren rechtlichen Bestand zu beeinträchtigen, nicht sondern und daß sich am allerwenigsten von diesem Versprechen sagen läßt, es habe mit der Erbteilung nichts zu thun.
Der Revisionskläger legt noch Gewicht darauf, daß in Nr. 1 der allgemeinen Vorschriften nicht von verschiedenen Gegenständen und Geschäften, sondern von verschiedenen stempelpflichtigen Gegenständen und Geschäften die Rede ist. Indessen, da nach der obigen Darlegung nur ein einheitlicher Teilungsvertrag, aber neben diesem eine von demselben zu sondernde Schuldverschreibung nicht vorliegt, so kann auch von zwei verschiedenen stempelpflichtigen Gegenständen und Geschäften nicht die Rede sein. Die gedachte Gesetzesbestimmung gestattet nicht, die in einem lästigen Vertrage bedungene Verpflichtung zu einer Geldsumme von ihrem Rechtsgrunde willkürlich abzulösen, und nebeneinander einmal von dem den Rechtsgrund der Geldschuld enthaltenden Vertrage, den Vertragsstempel, sodann von der Erklärung der Verbindlichkeit zu der Erfüllung derselben Geldschuld, den Schuldverschreibungsstempel um deswillen zu fordern, weil der Tarif eine Position "Schuldverschreibung" enthält.
Nicht zutreffend ist auch die Heranziehung der Bestimmung des Tarifes (Position: "Quittungen"):
daß, wenn in einer Verhandlung, welche tarifmäßig einem gleichen oder höheren Stempel vom Betrage des Gegenstandes unterliegt, zugleich über den Empfang dieses Betrages .... quittiert wird, ein besonderer Quittungsstempel nicht zu entrichten ist.
"daraus, daß die Befreiung der Quittung in dem im Tarife bezeichneten Falle der besonderen gesetzlichen Anordnung bedurfte, folgt, daß die in einem schriftlich abgeschlossenen, lästigen Vertrage erklärte Verpflichtung zur Zahlung der als Gegenleistung bedungenen Geldsumme stets dem Schuldverschreibungsstempel unterliegt,"
kann als richtig nicht anerkannt werden. Denn die Quittungsleistung ist kein konstituierender Bestandteil des Geschäftes, sondern ein von dieser Konstituierung verschiedenes Geschäft. Als solches unterlag sie unter den im Gesetze angegebenen Voraussetzungen dem Quittungsstempel. Wollte man die Verhandlung vom diesem Stempel befreien, so mußte dies, wie geschehen, im Gesetze ausgesprochen werden. Da im Gegensatze hierzu, wie oben dargelegt ist, nach Nr. 1 eine allgemeine Stempelpflicht hinsichtlich der in einem lästigen Vertrage übernommenen Geldschuld nicht bestand, bedurfte es nicht erst einer entsprechenden, vom Schuldverschreibungsstempel befreienden gesetzlichen Bestimmung.
Von dem hier eingenommenen Standpunkte aus kann es endlich auch nicht auffallen, daß in der Kabinetsorder vom 21. Juni 1844 (G.S. S. 253) zwar Kauf- und Tauschverhandlungen zwischen Teilnehmern an einer Erbschaft, nicht aber die Übernahme von Verpflichtungen zu Geldleistungen von der Stempelabgabe befreit worden sind. Denn diese unterlagen, wie gezeigt ist, auch schon vor dieser Kabinetsorder einem besonderen Stempel nicht, während nach der Auffassung des damaligen Gesetzgebers die besonderen im Erbrezesse enthaltenen Kauf- und Tauschverträge nicht die Erbteilung darstellten, sondern derselben nur dienstbar gemacht waren (wie es in der Kabinetsorder heißt: "zum Zwecke der Teilung abgeschlossen")."