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RG, 17.12.1884 - V 166/84

Daten
Fall: 
Anweisung an die Hinterlegungsstelle
Fundstellen: 
RGZ 12, 394
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.12.1884
Aktenzeichen: 
V 166/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Nordhausen
  • OLG Naumburg

Welches Gericht hat die Anweisung an die Hinterlegungsstelle zur Auszahlung einer vom Intervenienten gemäß §§. 688. 690 C.P.O. behufs Aufhebung der Zwangsvollstreckung hinterlegten Summe nach Zurückweisung der zu erlassen?

Gründe

"Der Kläger hatte auf Grund eines rechtskräftigen Urteiles, durch welches Beklagter zur Zahlung von 3000 M nebst Zinsen und Kosten verurteilt ist, die Zwangsvollstreckung beantragt, und eine größere Anzahl von Mobiliar- und Inventargegenständen beim Beklagten pfänden lassen.

Der Gutsbesitzer H. zu Th. erhob Eigentumsansprüche an den Pfandstücken, stellte die Interventionsklage beim Landgerichte zu Nordhausen an und beantragte auf Grund der §§. 688 - 690 C.P.O. Freigabe der Sachen gegen Sicherheitsleistung. Durch den im Beschwerdewege herbeigeführten Beschluß des Oberlandesgerichtes zu Naumburg a. S. vom 8. Dezember 1883 ist (unter teilweiser Änderung eines Beschlusses des Landesgerichtes zu Nordhausen) bestimmt:

die Zwangsvollstreckung wird endgültig aufgehoben, wenn der Gutsbesitzer H. zur Sicherheit der D.'schen Ansprüche die Hinterlegung von 4800 M nachweist.

Die Hinterlegung dieser Summe durch den H. hat stattgefunden. Die Pfandstücke sind freigegeben.

Nachdem die Interventionsklage des H. rechtskräftig abgewiesen ist, hat der Kläger D. bei dem Prozeßgerichte, dem Landgerichte zu Nordhausen, beantragt, anzuordnen, daß ihm von den seitens des H. bei der Regierungshauptkasse zu Erfurt hinterlegten 4800 M der Betrag seiner Forderung an den Beklagten R., ausgezahlt werde. Dieser Antrag ist von dem Landgerichte zu Nordhausen mittels Beschlusses vom 29. August 1884 zurückgewiesen, weil die Hinterlegung als Realbürgschaft anzusehen sei, und der Erlaß der Zahlungsanweisung entweder die Zustimmung des H. oder ein die Zustimmung ergänzendes Urteil erfordere, was beides vom Kläger nicht beigebracht ist. Gegen diesen Beschluß hat der Kläger sofortige Beschwerde erhoben. Dieselbe ist jedoch vom Oberlandesgerichte zu Naumburg a. S. am 27. Oktober 1884 zurückgewiesen. Die Entscheidungsgründe führen aus, die Befriedigung des Klägers aus der hinterlegten Masse könne nur im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgen. Zur Mitwirkung bei derselben sei jedoch nach den §§. 684. 729 der C.P.O. das Landgericht zu Nordhausen nicht zuständig. Dasselbe könne also auch nicht die Ausschüttung der Masse anordnen. Gegen diesen Beschluß des Oberlandesgerichtes hat Kläger das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde eingelegt und den an das Landgericht zu Nordhausen gestellten Antrag wiederholt.

Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde ist vom Reichsgerichte angenommen. Denn der erste Richter (das Prozeßgericht) weist den Antrag des Klägers aus sachlichen Gründen zurück. Der zweite Richter verneint dagegen die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes, und damit auch seine eigene Zuständigkeit zu einer sachlichen Entscheidung. Hierin ist ein neuer selbständiger Entscheidungsgrund im Sinne des §. 531 Absatz 2 C.P.O. zu finden.

Die Beschwerde kann jedoch nicht für begründet erachtet werden.

Die Frage, von welchem Gerichte die Entscheidung über den Antrag des Klägers zu treffen ist, hängt davon ab, welches Recht dem Kläger an der von H. bestellten Sicherheit zusteht. Wäre die Annahme des ersten Richters zu billigen, daß in der Hinterlegung eine Realbürgschaft oder die Bestellung eines Konventionalpfandrechtes zu finden sei, so würde die Anweisung zur Auszahlung nicht im Wege der Zwangsvollstreckung vom Vollstreckungsgerichte erlassen werden dürfen. Denn in diesem Falle ließe sich die vom ersten Richter gezogene Konsequenz, daß die Anweisung entweder eine Zustimmung des Hinterlegenden oder eine Ergänzung derselben durch richterliches Urteil erfordere, nicht zurückweisen. Es ist aber nicht anzunehmen, daß das Oberlandesgericht den Kläger, welcher vor Erlaß des Beschlusses seine Befriedigung aus den Pfandstücken suchen konnte, in die prozessualisch ungünstigere Lage versetzen wollte, beim Widerspruche des Hinterlegenden gegen die Auszahlung eine neue Klage anstellen zu sollen. Man muß vielmehr den Beschluß dahin auffassen, daß die Aufhebung der Zwangsvollstreckung und die Freigabe der Sachen erfolgen sollte, sofern der Kläger an dem zu seiner Sicherheit hinterlegten Gelde dieselben Rechte, wie an den Pfandstücken, erlange.

Versteht man den Beschluß in diesem Sinne, und geht man davon aus, daß der Intervenient H. durch die Hinterlegung sich demselben unterworfen hat, so kann das durch die Hinterlegung begründete Rechtsverhältnis in zwiefacher Weise aufgefaßt werden. Entweder ist für den Kläger ein Pfändungspfandrecht an dem hinterlegten Gelde entstanden. Bei dieser Ansicht würde zu argumentieren sein, daß die Hinterlegungsstelle als Organ des Gerichtes (vgl. §. 6 der Hinterlegungsordnung vom 14. März 1879, G.S. S. 249) das hinterlegte Geld in ähnlicher Weise, wie nach den §§. 712. 716 C.P.O. der Gerichtsvollzieher gepfändete körperliche Sachen oder Geld für den Gläubiger in Empfang nimmt. Zwar geht nach §. 7 der Hinterlegungsordnung das gepfändete Geld in das Eigentum des Staates über. Dieser Umstand bildet jedoch kein Hinderniß für die Annahme, daß das Pfändungspfandrecht an dem Restitutionsanspruche, welcher nach §. 8 a. a. O. für den Hinterlegenden an den Staat erwächst, erworben wird. Nach der Regelung, welche das Hinterlegungswesen in den §§. 6. 30. 31 der Hinterlegungsordnung gefunden hat, würde statt der Überweisung des Restitutionsanspruches eine Anweisung des Gerichtes an die Hinterlegungsstelle zur Auszahlung an den Berechtigten zu geschehen haben, und diese Anweisung könnte nach Analogie des §. 729 C.P.O. nur von dem Vollstreckungsgerichte erteilt werden.

Man kann aber auch andererseits davon ausgehen, daß der Zweck der Hinterlegung, also die Sicherung des Klägers wegen des aufgehobenen Pfändungspfandrechtes, nur dann erreicht wird, wenn man annimmt, daß der Intervenient H. das hinterlegte Geld als Befriedigungsmittel für den Kläger bestimmt hat, jedoch unter der Bedingung, daß die Auszahlung an den Kläger nicht erfolgen sollte, sofern er sein Eigentum an den Pfandstücken nachweisen würde. Diese Auffassung wird bei einer Hinterlegung des Streitgegenstandes durch den Schuldner - §§. 652. 659 C.P.O - die Regel bilden. Für dieselbe spricht im vorliegenden Falle, wo der Intervenient hinterlegt hat, der Umstand, daß die vom Prozeßgerichte bestimmte Hinterlegungssumme nach der Höhe der klägerischen Forderung, nicht nach dem Werte der freigegebenen Pfandstücke bemessen ist.

Es bedarf jedoch keiner Entscheidung, welche von beiden rechtlichen Konstruktionen, ob Pfändungspfandrecht oder Zahlung unter einer Resolutivbedingung, hier die richtige ist, denn auch im letzteren Falle würde die Anweisung zur Auszahlung an die Hinterlegungsstelle eine Vollstreckungshandlung darstellen, und also das Vollstreckungsgericht die im §. 30 Nr. 2 der Hinterlegungsordnung gedachte zuständige Behörde sein.

Ein Hindernis für die Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes bildet auch nicht der Umstand, daß die Zwangsvollstreckung durch Beschluß des Oberlandesgerichtes vom 8. Dezember 1883 "aufgehoben" ist. Denn die beiden Vorderrichter und die Parteien sind hier darüber einverstanden, daß der alleinige Grund für die Aufhebung der Zwangsvollstreckung und Anordnung der Hinterlegung durch die rechtskräftige Abweisung der Interventionsklage des H. fortgefallen ist. Ob bei anderer Sachlage vor Anrufung des Vollstreckungsgerichtes der Aufhebungsbeschluß des Prozeßgerichtes beseitigt werden muß, bedarf keiner Entscheidung."