RG, 09.12.1884 - III 218/84
Kann die auf einen Meierhof aufgeheiratete Frau, bezw. deren Erbe den ihrem Ehemanne zugebrachten Brautschatz, auch abgesehen von dem Falle des Konkurses, zurückfordern?
Tatbestand
Der Beklagte war in zweiter Ehe mit Anna Marie O. verheiratet. In der am 2. Mai 1851 vor dem Amtsgerichte zu Winsen errichteten Ehestiftung wurde bestimmt: der Bräutigam heiratet die Braut zu sich in seine in H. belegene Halbmeierstelle; der von der Braut einzubringende, in Naturalien, Mobilien und Geld bestehende Brautschatz festgestellt, und für den Fall, daß Kinder aus der Ehe erfolgen würden, vereinbart, daß der überlebende Ehegatte Kindesteil erben solle. Die Ehefrau des Beklagten starb im Jahre 1860. Die Klägerinnen, welche Kinder aus dieser Ehe sind, verlangen klagend von ihrem Vater die Herausgabe von je 1/4 des mütterlichen Nachlasses, und behaupten, daß zu diesem namentlich der von ihrer Mutter eingebrachte Brautschatz, sowie 1000 Thlr. Gold und 308 Thlr. Kourant gehören, welche ihrer Mutter während der Ehe durch Erbschaft zugefallen, von dem Beklagten mit Zustimmung ihrer Mutter gehoben und in der Wirtschaft verwendet seien.
Der Beklagte bestreitet die Verpflichtung zur Herausgabe des von seiner Frau ihm zugebrachten Brautschatzes und der während der Ehe ihr durch Erbschaft zugefallenen, von ihm verwendeten Geldsummen, da sie beides in den Hof als aufgeheiratete Meierfrau eingebracht habe und daher nach Meierrecht zur Zurückforderung nicht berechtigt sei.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben den Anspruch der Klägerinnen auf Herausgabe von je 1/4 des Brautschatzes und der während der Ehe ihrer Mutter zugefallenen Geldsummen für unbegründet erachtet. In der Revisionsinstanz ist diese Annahme bezüglich des Brautschatzes bestätigt, bezüglich der während der Ehe von dem Beklagten gehobenen und verwendeten Gelder dagegen abweichend erkannt aus folgenden Gründen:
Gründe
"Mit Recht ist von dem Berufungsgerichte, welches festgestellt hat, daß die Mutter der Klägerinnen nach Inhalt der mit dem Beklagten abgeschlossenen Ehestiftung als aufgeheiratete Meierfrau anzusehen sei, angenommen worden, daß das zwischen ihr und dem Beklagten bestehende eheliche Güterrecht, und insbesondere die Frage, ob der Beklagte zur Rückgabe des Brautschatzes, bezw. der Illaten seiner Ehefrau verpflichtet sei, nicht nach den Grundsätzen des römischen Dotalrechtes, sondern nach dem im Fürstentume Lüneburg geltenden Meierrechte zu beurteilen sei. Die von dem Berufungsgerichte bei der Beurteilung des fraglichen Anspruches zur Anwendung gebrachten Rechtssätze sind aber nicht Sätze des partikularen, lüneburgischen Meierrechtes, und daher, wie Revisionsbeklagter geltend macht, irrevisibel, sondern beruhen auf den Grundsätzen des gemeinen deutschen Meierrechtes.
Die Frage, ob die auf einen Meierhof aufheiratende Frau, bezw. deren Erben die ihrem Ehemanne als Brautschatz zugebrachten Gegenstände und Gelder, auch abgesehen von dem Falle des Konkurses, zurückfordern können, ist allerdings streitig gewesen. Es muß jedoch die auch von dem Oberlandesgerichte der Entscheidung zu Grunde gelegte Ansicht, daß der Regel nach die aufgeheiratete Meierfrau, bezw. deren Erben das als Brautschatz Eingebrachte nicht zurückfordern können, für die richtige erachtet werden. Es kann, wie mit Recht hervorgehoben wird, mit der Eigentümlichkeit des Meierverhältnisses nicht vereinbar angesehen werden, daß das von einer auf die Stelle aufgeheirateten Ehefrau in das Gut eingebrachte Vermögen, nachdem dasselbe zum Besten des Gutes verwendet worden, aus demselben wieder herausgezogen und der aufgeheirateten Ehefrau, bezw. deren Erben zurückgegeben werde. Außerdem findet dieser Satz auch damit seine innere Berechtigung, daß die aufgeheiratete Frau ein Recht auf die Leibzucht aus dem Hofe erhält und darin eine Gegenleistung für das eingebrachte Vermögen enthalten ist. Es ist daher mit Recht angenommen, daß der Anspruch der Klägerinnen auf Herausgabe von je 1/4 des von ihrer verstorbenen Mutter nach der Ehestiftung vom 2. Mai 1851 verschriebenen und eingebrachten Brautschatzes nicht begründet sei.
Dagegen kann die Annahme des Berufungsgerichtes, daß das Gleiche von den Geldern gelte, welche der Mutter der Klägerinnen während der Ehe mit dem Beklagten durch Erbschaft zugefallen und, wie allen Umständen nach anzunehmen sei, unter ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung der Mutter von dem Beklagten gehoben und verwendet worden seien, für richtig nicht erachtet werden. Der ebenerwähnte Grundsatz des Meierrechtes findet nur Anwendung auf diejenigen Vermögensgegenstände, welche die Frau dem Ehemanne als Brautschatz verschreibt, ist dagegen nicht auszudehnen auf das übrige Vermögen der Frau, welches dieselbe bei Eingehung der Ehe besitzt oder während derselben erwirbt, auch wenn sie, wie der Berufungsrichter im vorliegenden Falle feststellt, dem Manne gestattet, das Geld hinzunehmen und zu den Zwecken der Ehe, bezw. der Wirtschaftsführung zu verwenden. Denn dadurch allein erlangen diese Vermögensgegenstände noch nicht die Natur des Brautschatzes, dessen Bestimmung es ist, die Kräfte des Hofes zu vermehren. Da der Beklagte eingeräumt hat, die fraglichen 1000 Thlr. Gold und 308 Thlr. Kourant erhalten und verwendet zu haben, und es, abgesehen von dem von ihm geltend gemachten, unzutreffenden Grunde, daß diese Gelder in dem Hof inseriert seien und deshalb die Rückforderung derselben durch die Klägerinnen, als Erbinnen ihrer Mutter, ausgeschlossen sei, an jedem Grunde fehlt, welcher die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung dieses Geldes ausschließen könnte, so ist der Anspruch der Klägerinnen auf Rückgabe von je 1/4 dieser Summen als begründet anzuerkennen." ...