RG, 05.12.1884 - III 203/84

Daten
Fall: 
Pfandrecht und Absonderungsrecht des Gläubigers an der Sicherheitssumme
Fundstellen: 
RGZ 12, 222
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.12.1884
Aktenzeichen: 
III 203/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Altenburg
  • OLG Jena

Erwirbt der Gläubiger an der Sicherheitssumme, welche der Schuldner zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung bei Gericht einzahlt, ein Pfandrecht und, im Falle des späteren Konkurses des Schuldners, ein Absonderungsrecht? Art der Geltendmachung des letzteren.

Tatbestand

Im April 1882 erhob der Kläger eine Wechselklage gegen die Firma J. H. P. in A. auf Zahlung einer Wechselforderung von 3000 M nebst Accessionen. Durch rechtskräftiges Erkenntnis wurde Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verurteilt, derselben die Ausführung ihrer im Wechselprozesse vorgebrachten Einwendungen vorbehalten und das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt, der Beklagten jedoch gestattet, durch Hinterlegung von 3200 M in Geld oder geldeswerten Papieren bei der Kasse des Prozeßgerichtes die Vollstreckung abzuwenden. In Gemäßheit dieses Urteiles überreichte die Beklagte unterm 13. Mai 1882 der Gerichtsschreiberei des Landgerichtes die bare Summe von 3200 M mit dem Antrage auf Erteilung einer Depositalquittung und Einstellung des Zwangsverfahrens.

Da Beklagte von dem Vorbehalte der Ausführung ihrer Rechte keinen Gebrauch machte, so erhob Kläger demnächst Feststellungsklage mit dem Antrage:

"festzustellen, daß der Beklagten begründete Einreden wider die im Vorprozesse erfolgte Wechselforderung nicht zustehen, und zu erkennen, daß die der Beklagten gegen Deposition von 3200 M nachgelassene Ausschließung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteiles vom 3. Mai 1882 wieder aufzuheben sei,"

Durch Versäumnisurteil vom 22. Juni 1882 wurde diesem Antrage gemäß erkannt.

Vor Zustellung dieses Erkenntnisses wurde Konkurs über das Vermögen der Firma J. H. P. eröffnet, und es erhob nun der Konkursverwalter Einspruch und zugleich Widerklage mit der Bitte:

den Kläger mit der Wechselklage abzuweisen und denselben zur Zahlung von 2203 M nebst Zinsen zu verurteilen.

Die erste Instanz hielt nach verhandelter Sache durch Erkenntnis vom 28. Dezember 1882 das Versäumnisurteil aufrecht und wies die Widerklage zurück.

Auf Berufung des Konkursverwalters machte die zweite Instanz die Zurückweisung der Berufung oder die Abänderung des Landgerichtsurteiles von der Ableistung oder Verweigerung eines von dem Kläger in der Hauptsache zu leistenden Eides abhängig.

Die von dem Konkursverwalter hiergegen eingelegte Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

"Der Revisionskläger rügt, daß der Berufungsrichter unter Verletzung der §§. 40. 41 Ziff. 9 K.O. und der §§. 101. 652. 709 C.P.O. dem Kläger ein Absonderungsrecht an den streitigen 3200 M zugesprochen habe. Ein Faustpfandrecht, so wird ausgeführt, sei nicht bestellt worden, und ein Pfändungspfandrecht könne nur durch Pfändung entstehen.

Dieser Angriff ist nicht begründet.

Nach der unangefochtenen thatsächlichen Feststellung des Berufungsrichters wurde in dem vorausgegangenen Wechselprozesse der beklagten Firma J. H. P. gestattet, die vorläufige Vollstreckung des auf Zahlung von 3000 M nebst Accessorien lautenden Landgerichtsurteiles durch Sicherheitsleistung abzuwenden, und letztere durch Hinterlegung einer auf 3200 M bestimmten Barsumme bei der Kassenverwaltung des Prozeßgerichtes bewirkt. Mit Recht nimmt die Vorinstanz an, daß unter solchen Umständen die hinterlegte Kautionssumme dem Kläger für die eventuelle Zahlung der Wechselsumme als vertragsmäßiges Faustpfand verhaftet sei und, nachdem der ursprüngliche Schuldner und Deponent in Konkurs verfallen, zur abgesonderten Befriedigung diene.

Die Frage, welche materielle Bedeutung einer prozessualischen Sicherheit beizulegen sei, die durch Hinterlegung in barem Gelde zum Zwecke der Abwendung der vorläufigen Vollstreckung eines Urteiles geleistet wird, ist weder in der Civilprozeßordnung, noch in der Konkursordnung entschieden und muß nach dem geltenden bürgerlichen Rechte beantwortet werden. Im vorliegendem Falle kommt das gemeine Recht und das im Herzogtume Sachsen-Altenburg geltende partikulare Privatrecht zur Anwendung. Nach römischem Rechte mußte eine Realkaution ordnungsmäßig durch Bürgen ( satisdatio) geleistet werden; die italienische und deutsche Praxis hat jedoch schon seit der Glossatorenzeit auf Grund der 1. 7 Dig. de stipul. praet. 46, 5 und anderer für bestimmte Fälle gegebenen Vorschriften auch die Kautionsleistung durch Pfandbestellung eingeführt und die Hinterlegung der Sicherheit bei dem Gläubiger oder an dessen Stelle bei dem zuständigen Prozeßgerichte als eine Unterart der Verpfändung betrachtet, gleichviel, ob die Hinterlegung durch nicht vertretbare Sachen oder durch bares Geld erfolgte.1

Daß insbesondere bares Geld, selbst wenn es unverschlossen (zugezählt) deponiert wird, als ein der Verpfändung fähiger Gegenstand erscheint, ist nicht zu bezweifeln.

Diese Grundsätze sind unbedenklich auf Fälle der vorliegenden Art zu erstrecken. Es entspricht dem Zwecke einer solchen Hinterlegung, daß die dem Gläubiger dadurch gewährte Sicherheit nicht durch die Dazwischenkunft Dritter oder durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners vereitelt werde. Wenn das Gesetz einerseits dem Schuldner gestaltet, durch Hinterlegung einer Barsumme die drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden, und andererseits den Gläubiger zwingt, sich statt der Zahlung mit einer bloßen Sicherheitsleistung zu begnügen, so muß dem letzteren notwendig ein stärkeres Recht an dem Gegenstande der Kaution zugestanden werden, als ein bloß persönlicher Anspruch. Auf keinen Fall kann sich der Schuldner, welcher durch Leistung der geforderten Kaution eine ihm obliegende Verbindlichkeit erfüllt, dem Gläubiger gegenüber darauf berufen, daß es nicht in seiner Absicht gelegen habe, ein Pfandrecht an der hinterlegten Barsumme zu bestellen; sein Verpfändungswille wird vom Gesetze unterstellt und wirkt zu Gunsten des Gläubigers auch gegen Dritte. Eine solche Kaution ist weder ein irreguläres Depositum, noch hat der Gläubiger daran ein bloßes Retentionsrecht. Von dem gewöhnlichen Faustpfande unterscheidet sich jenes Pfandrecht nur insofern, als dabei kein Verkauf des Pfandobjektes stattfindet, die Realisierung des Rechtes des Gläubigers vielmehr dadurch erfolgt, daß nach Erledigung der Sache zu Gunsten des letzteren diesem die hinterlegte Summe zum Zwecke seiner Befriedigung durch gerichtliche Verfügung überwiesen wird. Ein Rückforderungsrecht des Deponenten mittels der Pfandklage tritt jedenfalls nur unter der Voraussetzung ein, daß der Deponent entweder im Prozesse obsiegt, oder den Anspruch, zu dessen Sicherheit die Kaution dient, befriedigt.2

Ein Bedenken gegen die Annahme eines vertragsmäßigen Faustpfandes läßt sich endlich daraus nicht herleiten, daß die Kautionssumme dem Gerichte eingezahlt wurde. Denn das Prozeßgericht handelte hier für den Gläubiger, indem es als (gesetzlicher) Stellvertreter desselben die eingezahlte Sicherheitssumme in Besitz und Verwahrung nahm. Ein solcher Fall steht demjenigen, in welchem dem Gläubiger unmittelbar der Besitz der Geldsumme übertragen wird, in Ansehung seiner Wirkungen vollkommen gleich.3

Zu demselben Ergebnisse gelangt denn auch, in Anschluß an die Motive und die Kommissionsverhandlungen zu den §§. 101. 709 C.P.O. und den §§. 40. 41 K.O., die überwiegende Mehrzahl der Kommentatoren, obwohl dieselben zum Teile von einem durch die Hinterlegung der Sicherheitssumme begründeten, dem Vertragspfande "gleichstehenden" oder ähnlichen Rechte reden.4

Das Bestehen eines Faustpfandrechtes nach den Vorschriften des gemeinen Rechtes würde indessen nach den §§. 14.16. des Einführungsgesetzes zur K.O. dem Kläger noch kein Absonderungsrecht im Sinne des §. 40 K.O. gewähren, wenn das partikulare Civilrecht für den Erwerb eines solchen Pfandrechtes strengere Erfordernisse aufgestellt hätte, als die Erlangung und Fortsetzung des Gewahrsams der hinterlegten Barsumme durch das Prozeßgericht. In dieser Beziehung erwägt nun die Vorinstanz, daß das Altenburger Landesrecht weitere Voraussetzungen für den Erwerb eines Faustpfandrechtes, als der §. 40 K.O. erfordere, nicht kenne. Nach dieser mit der Revision nicht angreifbaren Feststellung kann der Kläger seine Befriedigung aus dem hinterlegten Geldbetrage unabhängig von dem Konkursverfahren gemäß §. 3 Abs. 2 K.O. verfolgen.

Zu dieser Geltendmachung des Absonderungsrechtes bedurfte es auch keineswegs, wie der Revisionskläger weiter behauptet, der Erhebung einer besonderen Klage gegen den Konkursverwalter; nach §. 9 K.O. konnte vielmehr sowohl der Kläger den gegen die Firma J. H. P. bereits vor Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen eingeleiteten Rechtsstreit fortsetzen, als auch der Konkursverwalter letzteren, so wie geschehen, aufnehmen." ...

  • 1. Vgl. u. Wächter, Württ. Privatrecht Bd. 2 §. 50 S. 345. fig.; Schlayer in der Zeitschrift f. C.R. u. Pr. N. F. Bd. 9 S. 198 flg.; von Wetzell, Civilprozeß 3. Aufl. §. 30 zu Note 68 flg.
  • 2. Vgl. 1. 9 §. 3 Dig. de pignor. act. 13, 7.
  • 3. Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 21 Nr. 127 S. 398.
  • 4. Vgl. u. a.Wilmowski-Levy, Sarwey, Petersen in den Kommentaren zur C.P.O. zu §§. 101. 709 und zur K.O. zu §. 41; Gaupp, Seuffert, Struckmann-Koch in den Kommentaren zur C.P.O. zu §§. 101. 709; Stieglitz und Völderndorff in den Kommentaren zur K.O. zu §. 41.