RG, 22.11.1884 - II 345/84

Daten
Fall: 
Pfändung bereits gepfändeter Sachen
Fundstellen: 
RGZ 13, 345
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.11.1884
Aktenzeichen: 
II 345/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

Ist die Wirksamkeit einer Pfändung bereits gepfändeter Sachen, im Falle des §. 727 Abs. 2 C.P.O. durch die vorgeschriebene Zustellung der Abschrift des Protokolles an den erstpfändenden Gerichtsvollzieher bedingt?

Gründe

"Zunächst kann, was die Anschlußpfändung betrifft, der Auslegung, welche das Oberlandesgericht dem §. 727 C. P. O. giebt, nicht beigepflichtet werden. Der bezogene Paragraph bestimmt im eisten Absätze, daß die Pfändung bereits gepfändeter Sachen durch die in das Protokoll aufzunehmende Erklärung des Gerichtsvollziehers, daß er die Sachen für seinen Auftraggeber pfände, bewirkt wird, und schreibt dann in Absatz 2 und 3 vor, daß, im Falle ein anderer Gerichtsvollzieher die erste Pfändung bewirkt hat, diesem eine Abschrift des Protokolles zuzustellen, und der Schuldner von den weiteren Pfändungen in Kenntnis zu setzen ist. Nach dem Wortlaute des Gesetzes geschieht also die Anschlußpfändung durch die bezügliche protokollarische Erklärung des Gerichtsvollziehers, mit dieser Erklärung ist dieselbe "bewirkt", d. h. in der Sprache der Civilprozeßordnung wirksam vollzogen. In gleichem Sinne heißt es im §. 730 Abs. 3, daß die Pfändung einer Geldforderung mit der Zustellung des gerichtlichen Beschlusses an den Drittschuldner als "bewirkt" anzusehen ist, und ebenso lautet der §. 712 Abs. 1 dahin, daß die Pfändung der im Gewahrsam des Schuldner befindlichen Sachen durch die Inbesitznahme derselben seitens des Gerichtsvollziehers "bewirkt" wird.

Die Absätze 2 und 3 des §. 727 enthalten reglementarische Vorschriften, welche die Mitteilung von der erfolgten Anschlußpfändung an die interessierten Personen, den erstpfändenden Gerichtsvollzieher, auf welchen der Auftrag des zweiten Gläubigers zur weiteren Vollstreckung kraft Gesetzes (§. 728 a. a. O.) übergeht, und den Schuldner, dessen Kenntnis namentlich auch für die Begründung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bedeutung ist, zum Gegenstände haben (§. 712 Abs. 3). Diese Vorschriften sind für den Gerichtsvollzieher obligatorisch (§. 84 der preuß. Geschäftsanweisung vom 24. Juli 1879) und ihre Nichtbeobachtung macht denselben für die Folgen verantwortlich, die Wirksamkeit der Pfändung ist aber ebensowenig durch die Zustellung an den erstpfändenden Gerichtsvollzieher (Abs. 2) als durch die Mitteilung an den Schuldner (Abs. 3) bedingt.

Den Motiven zu §.675 des Entwurfes (vgl. Hahn, Materialien S. 456), auf welche das Oberlandesgericht seine entgegengesetzte Auffassung, daß im Falle der Voraussetzung des §. 727 Abs. 2 a. a. O. die Entstehung des Pfändungspfandrechtes an die dort vorgeschriebene Zustellung geknüpft sei, stützt, kann eine maßgebende Bedeutung nicht beigelegt werden. Dieselben sind ersichtlich aus dem Entwurfe von 1871 zu §. 641 desselben herübergenommen. Der letztere lautet:

"Die Pfändung bereits gepfändeter Sachen wird dadurch bewirkt, daß der Gerichtsvollzieher dem Gerichtsvollzieher, welcher die erste Pfändung bewirkt hat, erklärt, er pfände die Sachen für seinen Auftraggeber, oder wenn er selbst die erste Pfändung bewirkt hat, diese Erklärung zu Protokoll feststellt. Dem anderen Gerichtsvollzieher, welcher die erste Pfändung bewirkt hat, ist eine Abschrift des aufgenommenen Protokolles zuzustellen und der Schuldner von der Pfändung in Kenntnis zu setzen."

In dem Entwürfe von 1872 ist aber die Fassung der entsprechenden Bestimmung (§. 662 a. a. O.) geändert, und stimmt letzterer dem Wortlaute nach mit dem §. 727 C. P. O. überein. Die so erfolgte Änderung hat nun die sachliche Bedeutung, daß für die Anschlußpfändung das Erfordernis der Erklärung an den erstpfändenden Gerichtsvollzieher beseitigt ist und nunmehr dieselbe in allen Fallen durch die vorgeschriebene protokollarische Erklärung des damit beauftragten Gerichtsvollziehers bewirkt, d. h. wirksam vollzogen wird. Dieser Änderung gegenüber können die Motive, welche sich an den §. 641 a. a. O. des Entwurfes von 1871 anschließen und offenbar aus Versehen unverändert herüber genommen sind, für die Auslegung des §. 727 a. a. O. nicht maßgebend sind.1"

  • 1. Vgl. u. Wilmowski u. Levy zu §. 727 Note 2; Petersen, 2. Ausg. S. 1012; Gaupp, Bd. 3 S. 296; Endemann, Bd. 3 S. 236; A. M. Struckmann u. Koch zu §. 727 Note 2; Sarwey Bd. 2 S. 207; v. Bülow zu §. 727 Note 1; Seuffert, 2. Ausg. zu §. 727 Note 2. Eine dritte Auffassung bei Fitting, 4. Ausg. S. 345. 346 Note 16.